Pariser Berichte

Pariser Straßenkalender

Der Pariser Taxi- Chauffeur Edouard Danjon wurde wegen Liebesdramas zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt. Danion lebte seit einigen Monaten mit einer jungen ge schiedenen Frau zusammen. die die Mutter eines fleinen Anaben war. Diese Frau wollte sich von ihm trennen. Im April sah er sie in Begleitung eines Unbekannten, den er für ihren Liebhaber hielt. Er bat sie nachher flehentlich, nicht von ihm zu gehen. Als sie sich weigerte und vor ihm in einen Laden floh, tötete er sie mit drei Revolverschüssen.

Die Ausstellung der Ganz Unabhängigen", der Expreffios nisten, Abstrakten usw. wurde an der Porte de Bersailles im Ausstellungspark eröffnet.

pillerods at Ein Geschäft

Painlevé   und Pantheon

Das Beileid Einsteins

Einstein hat aus Princetown in Amerika   folgendes Kabel geschickt: Mit tiefer Trauer erfahre ich von dem schweren Verlust, den die Akademie der Wissenschaften und Frankreich   durch das Ableben meines vielgeliebten Freundes Painleve erfahren haben. Sein ganzes Leben lang hat er gekämpft für den Frieden und die Gerechtigkeit, und niemals hat er seine Hilfe und Mitarbeit an einem Werke der Mensch­lichkeit versagt. Mein Wunsch ist, daß Frankreich   immer Männer finde, die, wie der Dahingegangene, so viel Kraft und Uneigennüßigkeit ihrem Lande und dem Schicksal Euro­ pas   widmen."

Der Sarg Painleves ist im Echo"-Saal der Hochschule des Arts et Metiers ausgestellt. Das feierliche Staatsbegräb= nis findet am Samstagmorgen statt. Der Großmeister der Universität. der Rektor von Paris  , die Professoren der Sor= bonne und die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften erwarten den großen Toten im Pantheon.

An der Rue Mouffetard  , die wegen eines billigen Markts und Ramschpreise für Obst, Ziegenfäse usw. auch in Emi­grantenkreisen sehr bekannt ist, wurde ein Square zu Ehren eines Dichters der Auvergne, der Vermenouze heißt, ein­geweiht. Die Auvergnaten, berühmt durch ihre Sparfamteit Oktrol auf Orangen und ihre Tugenden als Kleinverkäufer, hatten die Rue Mouffetard   feierlich beflaggt.

Polizeipräfekt Chiappe hat den Gebrauch von Lautsprechern von 11 Uhr abends an verboten.

Die Küfte des Kanals hat durch schwere Stürme sehr ge: litten. Die Höhen der Vogesen   und des Jura sind mit Schnee

bedeckt.

Der Wiener Eislauf- Verein hat die Francais Bolants in Paris   mit 7: 1 geschlagen.

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Der Mordprozeß in Aix  

Der Staatsanwalt gegen Sarret- Die Todesstrafe beantragt

Aix- en- Provence  , 30. Oktober 1933.

Im Mordprozeß gegen den dunklen, fanatisch schlauen Mörder Sarret und die ihm hörigen bayer. Schwestern Schmidt hat bereits der vierte Aft des Gerichtsdramas begonnen. Nach einem Sonntag des Schweigens im Gefängnis bat heute der Generalstaatsanwalt& a caur die Anflagerede gegen den Haupttäter Sarret und seine Opfer begonnen, um, wie nicht anders zu erwarten, gegen den Levantiner die dreifache Todesstrafe und die Nebenstrafen zu be­antragen. Der dreifache Mord: das ist die Erschießung des Expriesters Chambon und seiner Geliebten in der einsamen Villa bei Aix  , in der Sarret nachher die Leichen mit Vitriol verbrannte, und die Tötung der armen tuberku lösen Magali, die Sarret mit 1,7 Millionen versichert hatte und die ihm nicht schnell genug starb, durch Zinffalz. Das Urteil ist, da die Plaidoyers voraussichtlich am Dienstag noch nicht beendet. sind, vielleicht gerade am Tage Allerheiligen oder Allerseelen( dem Totenfeit) zu erwarten. Man rechnet mit der höchsten Strafe gegen Sarret und mit einer sehr hohen Zuchthausstrafe( vielleicht lebensläng­lich) gegen Philomele, mit einer zeitlichen Zuchthaus­strafe gegen Statharina Schmidt, die mehr die Ver­führte war.

Nach dem Staatsanwalt werden elf Verteidiger sprechen. Besonders gespannt ist man auf die Plaidoyers der zwei Verteidiger Sarrets, besonders des Anwalts Brion, Terner Katharinas Verteidiger Grisoli und natürlich den großen Moro- Giafferri, der Philomele verteidigt. In der vorigen Sigung hat bereits ein anderer berühmter Pariser   gesprochen, der Anwalt Campinchi, der die Interessen der Zivilpartei, der Versicherungsgesellschaft, wahrnahm.

Campinchi griff sehr scharf die Schwestern Schmidt an, zumal Sarrets Schuld ohnehin feststeht. Ich bin nicht be­megt durch ihre Tränen," sagte der Sachwalter des Ver­sicherungsgeldes, denn sie weinen hier, wie sie am Kranken­bette der armen Magali geweint haben, die sie beerben mollten. Sarret und die Schwestern Schmidt sind gleich schuldig. Ist es für Sarret nicht der Anfang der furchtbarsten Strafe, daß seine unschuldige Tochter hier mit auf der Anklagebank fist? Sprechen Sie wenigstens dies Mädchen fret... Diese Philomele, die sich in alte Kleider gehüllt hat und als ihre eigene Mutter eine schamlose Versicherungs­komödie aufführte, verdient kein Mitleid."

Die früheren Frauen des Mörders

Das Gericht hat im Zeugenverhör, bei dem im ganzen 92 Personen den Eid leisten mußten, auch die zwei früheren Frauen Sarrets vernommen( eine dritte Frau Sarrets ist gestorben). Die eine dieser Frauen fiel halb in Ohnmacht, seine letzte Frau ganz. Mit der Vor­letzten hat Sarret noch nicht ganz gebrochen, er hat ihr aus dem Erbe Chambons u. a. zwei Seffel, einen Teetisch und Nippessachen( die in Frankreich   immer noch eine große Rolle spielen) geschenkt. Außerdem durfte sie vielerlei Ge­schirr, Küchengerät und Bettzeug einpacken.

Eine dicke Italienerin, die dann erschien, ist die Witwe des Flickschusters di Lorenzi, den Sarret hoch versichern wollte, der aber bereits so schwindsüchtig war, daß er ihm unter den Händen wegstarb. Die Frau sagt aus über die Komödie, die Philomele spielte, als sie sich aus Mitleid" des Schwerkranken annehmen wollte.

Dr. Guy auf einsamen Wegen

Der nächste Fall betrifft den wegen Ausstellung des Totenscheines der Magali angeklagten Dr. Guy, Stadtrat von Marseilles  , Ritter der Ehrenlegion  , gegen den jedoch die Verhandlung nicht viel Belastendes ergeben hat. Dr. Guy ist einmal auf einsamen Wegen mit einer Frau gewandelt, die Katharina Schmidt gewesen sein soll. Dies war in der Bett, wo die arme Magali ermordet wurde.

Es erscheinen der Waldhüter Pernet und der Flurschüs Gouirand. Aber die Dame, die Dr. Guy bei sich hatte,

ist nicht Katharina gewesen, sondern eine andere, die vor Gericht erschienen ist und von den Hütern der Ordnung wiedererkannt wird. Dr. Guy, sichtlich erleichtert, dankt ihr für die Gefälligkeit.

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Zwei sensationelle Briefe

Von größtem Interesse sind zwei Briefe des toten Mannes der Katharina, der Delbreuil hieß. In diesen Briefen bestätigt Delbreuil, daß er für die Namensheirat 3000 Fr. erhalten hat, um ihr die französische   Staatsangehörigkeit zu verschaffen, die Katharina nötig hatte, um ihre in Rußland  von den Bolschewiken beschlagnahmten Güter wieder zu er= halten. Ferner erklärt Delbreuil u. a., daß er sich mit Katharina und dem Expriester Chambon an einem chemisch- pharmazeutischen Geschäft beteiligen wollte. Staatsanwalt: Diese Briefe sind mit violetter Tinte

geschrieben.

Verteidiger Brion: Es gibt auch noch andere violette Tinte als im Untersuchungsgefängnis.

Vorsitzender: Wo haben Sie diese Briefe gefunden,

Sarret?

Sarret: In der Villa Chambons.

Vorsitzender: Warum sind die Unterschriften Katha­rinas und Chambons nicht darauf? Sie haben doch Ihr juristisches Eramen gemacht.

Sarret schweigt.

Katharina: Ich habe Delbreuil nur am Tage unserer Hochzeit gesehen und mit ihm nie über Chemie verhandelt. Ich habe nie Güter in Rußland   besessen. Ich bin eine Deutsche   und habe Deutschland   im Alter von 18 Jahren ver­lassen. 1924 machte ich Hosen in Paris  .

Verteidiger Sarrets: Und empfing culottes"( so heißen im Französischen auch zweideutige Ratschläge) für Monte Carlo.

Katharina: Nein, Maitre, in Monte Carlo   habe ich stets gewonnen.

Das Gericht beschließt, die Papiere, die wegen der be­haupteten Chemie- Beziehungen Chambons in Verbindung mit der Vitriol- Besorgung wichtig sind, von Schreibsachvers ständigen untersuchen zu lassen.

Sarret als wahrer ,, Gemütsmensch"

Große Sensation erregt eine Feststellung der Pflege­mutter der vergifteten Maa ali, daß sie von Magali diftierte Briefe erhalten hat, die etliche Zeit nach Magalis Tode datiert waren.

Katharina erklärt, sie habe diese Briefe nach Vorlagen Sarrets geschrieben. Sarret habe sie auch gezwungen, der Pflegemutter die letzten Tage Magalis zu erzählen.

Bei der Verlesung weiterer Dokumente wird festgestellt, daß Sarret als Erbe" des Chambons einen säumigen Schuldner des Chambon verklagt hat.

Gewiß," erwidert Sarret, ich habe 18 Monate ge­wartet. Habe ich nicht lange genug Geduld bewiesen?" Mit diesem Eclat endet die Zeugenvernehmung.

Morphium und Der Rekrut der Violette

Der nächste Zeuge mit dem Namen Alumpi, früherer Apothekengehilfe, hat eines Tages bemerkt, daß ihm ein Fläschchen Zinkphosphor weggekommen war. Weiter will er einmal 12 Ampullen Morphium für einen höheren

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Offizier, der eigentlich 50 Ampullen haben wollte, an einen früheren Geliebten der Philomele, namens Garette, geliefert haben. Dieser Garette war sein Freund.

Philomele: Das erzählt Alumpi bloß, weil Garette ihn um seine Stellung in der Apotheke brachte.

Alumpi: Keineswegs. Ich bin durchaus freiwillig ge= gangen.

Verteidiger Grisoli: Wo war denn der Schlüssel zum Giftschrank in Ihrer Apotheke?

Alumpt: In einem Schubfach( Bewegung). Verteidiger: Sie wissen selbstverständlich, daß Aus­gabe von Morphium verboten ist?

Alumpi: Ja, aber ich wollte meinem Freund einen Gefallen tun.

Darauf wird eine protokollarische Aussage des Apotheken­befizers verlesen. Dieser erklärt, das sei alles nicht wahr. Die Geschichte vom Giftschrankschlüssel nicht, die Geschichte vom Zinkphosphor, von den 12 Ampullen, alles sei erlogen. Verteidiger Grifoli: Ich beantrage, den Apotheken­befizer zu laden.

Das Gericht beschließt jedoch, davon abzusehen, weil der alte Mann sehr schwächlich ist.

Darauf wird der Leumund von Sarrets Tochter Andree festgestellt. Es ergibt sich, daß sie ein sehr tugendsames Mädchen ist.

Restaurant ,, Hungaria"

MAX GRUNWALD  , BRUSSEL

31, Rue des Croisades  , Brüssel Nord Ungarische, wiener, deutsche Küche Diner oder Souper 7,00 Fr. Auch à la Carte. Ungarische und französische   Weine Man spricht deutsch  !

Dieser Tage war die Gare de l'Est  , auf dem die Züge nach Metz   fahren, für Bahnsteigfarten gesperrt. Viel Soldaten in Graublau auf den Kais, Schußleute, Ansammlungen. Was ist das? Hat der neue Premier Sarraut   ein Anliegen? Ach wo, hier ist alles ruhig. Nur die neuen Soldaten, die Re­fruten des Jahrgangs 1933, rücken ein, für ein Jahr aller­dings nur, denn Frankreich   hat ja, was allerdings die Schultrompeter bei uns verschweigen, die Dienstpflicht von drei Jahren auf eins verkürzt.

Unter denen, die von der Kaserne Reuilly zum Lyoner Bahnhof, Richtung Mittelmeer  , marschieren, ist einer, dem die Fotografen und Journalisten folgen. Einer, der seinen Kummer und seine Abenteuer nach Afrika   verlegt, in den Bled  ", nach dem einsamen Posten von Tuberba. Das ist Jean Dubin, der Liebling der Violette, der geschaßte Student. Mit 300 anderen Afrikanern" zieht er hinaus, über Marseille   es gibt dort fern in Afrika   Berberweiber, Negerinnen er wird die Nächte am Boul' Mich', in denen ihm seine Mome" Geld gab, und die Violette, die irgendwo in einer Zelle im Frauengefängnis Petite Roquette fießt und nun eine Mörderin ist, vergessen. Violette hat 3000 Fr. von Tubins Vater zurückbekommen, dafür kann sie sich einen neuen Mantel faufen, wenn sie ihn statt der blauen oder braunen Kutte noch braucht.

In der Kantine der Kaserne hat dieser neue Valentin eines Gretchens seine erste Soldatenkost gegessen. Wir erfahren auf der ersten Seite der Zeitungen, was es gab: Choucroute garnie mit Schinken, Wurstscheiben, Kartoffeln, nachher Käse. Jean Dubin mit Wolfshunger, der lange schlanke Junge mit der Intellektuellenbrille ließ nichts auf dem Teller liegen. Diese Jean Dubins haben einen guten Appetit, in allem. Schwere Strafe für eine böse Mutter

In Frankreich   werden jetzt die Kinderquälereien sehr scharf bestraft. In Limoges   erhielt eine 26jährige Mutter, die ihre drei Kinder sehr schwer mißhandelt hatte, ein gerechte, aber furchtbare Strafe. Die Megäre hatte ihren fleinen Jungen über das Herdfeuer gehalten und ihm Leib, Rücken und Füße verbrannt,

Das Urteil lautete, unter dem Beifall der Zuhörerschaft, auf zwanzig Jahre Zuchthaus. Der Frauenschreck von der Oise

Im Departement Oise nördlich von Paris   wurde ein ge­fährlicher Angreifer auf Frauen unschädlich gemacht. Es ist ein 27jähriger Bursche namens Billion, dem 18 Ueber­fälle auf Frauen und Mädchen in der Umgebung von Senlis   nachgefagt werden. Eine von ihm angefallene Haushälterin liegt in der Klinik. Eines seiner Opfer ist auch eine Pariserin, Madame Camus.

Vielleicht hat Billion noch weitere 14 Ueberfälle auf dem Gewissen. Er griff die Frauen mit einem großen Messer an, raubte ihnen die Handtaschen und versuchte mehrere der Eingeschüchterten zu vergewaltigen.

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