Dimitroff belehrt den Oberreichsanwalt

Der Bulgare wird ausgeschlossen wird ausgeschlossen- Göring Göring am Horizont

Noch nie ist der Ausschluß Dimitroffs mit so nichtigen Gründen erfolgt wie diesmal. Als Grund wird nur ange­geben, daß er den Oberreichsanwalt über die einfachste russische Gesetzgebung zu belehren versuchte. Das war sein gutes Recht als Angeklagter. Die Bemerkungen des Ober­reichsanwalts stellen diesen als Juristen bloß. Wenn sich jemand die Bekämpfung des bolfchemistischen Kommunis mus geradezu als Lebensaufgabe gestellt hat, darf er in den Angelegenheiten der russischen Gesetzgebung nicht ein kraffer Ignorant sein.

Der Ausschluß Dimitroffs auf mehrere Tage erhält aber diesmal eine besondere Bedeutung, wenn es richtig ist, daß die Vernehmung des Ministerpräsidenten Göring , der in der ganzen Welt mit dem Reichstagsbrand in Ver­bindung gebracht wird, unmittelbar bevorsteht. Dann wird man überall annehmen, daß Herr Göring von pein­lichen Fragestellungen durch Dimitroff geschützt werden sollte.

Der Senat des Reichsgerichts hat sich eine neue mora­lische Niederlage beigebracht und die großen Zweifel in seine richterliche Objektivität vermehrt. Der Prozeß wächst sich mehr und mehr zu einer deutschen Schande aus.

Fortsetzung aus Nummer 116

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Vernehmung der Russin Weiß

In der fortgesetzten Vernehmung erklärte die Zeugin Weiß, daß sie Popoff nicht unter seinem richtigen Namen, sondern nur unter dem Namen Popoff kannte. Daß er Popoff heißt, hat sie erst von seiner Frau erfahren, nachdem er in Deutschland verhaftet worden war.

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Vorsitzender: Was hat denn Frau Popoff für einen Grund dafür angegeben, daß Popoff einen falschen Namen führte? Zeugin: Das war sein Parteiname.- Ober­reichsanwalt: Lebt Ihr Ehemann unter seinem richtigen Namen? Zeugin: Nein, unter seinem Parteinamen. Vorsitzender: Weiß ist der richtige Name? Zeugin: Nein, der Parteiname.- Oberreichsanwalt: Sie müssen doch den richtigen Namen als Zeugin hier angeben. Wenn Sie einen falschen Namen angeben, haben Sie einen Meineid geleistet. Vorsitzender: Ihren richtigen Namen wollen Sie nicht jagen? Zeugin: Das kann ich nicht. Der Angeklagte Popoff erklärt die Aussagen der Zeugin im großen und ganzen für richtig und gibt auf die Frage nach seiner Tätig= feit in Moskau an, er sei Mitarbeiter bei der Kommission für Wirtschaftsfragen gewesen und habe in Verbindung damit auch Vorträge über Wirtschaftsfragen in den Ver­sammlungen der bulgarischen Emigranten gehalten. Reichsanwalt Parrisius macht die Zeugin Weiß darauf auf­merksam, daß in der Voruntersuchung ein halbes Dußend Zeugen bekundet hätten, Popoff sei im Sommer 1982 in Berlin gewesen. Er fragt, ob die Zeugin trotzdem ihre Aus­fage aufrechterhalte.- Zeugin Weiß: Ich weiß nicht, wer die Zeugen sind, die Popoff in Berlin gesehen haben wollen. Ich sage aber, was ich weiß, und sage, daß es richtig ist, daß ich mit Popoff in der angegebenen Zeit zusammen war.

Angeklagter Dimitroff : Ist es richtig, daß in Sowjet­rußland nach dem Gesez jede Person ihren Namen nach eigenem Ermessen offiziell ändern kann? Zeugin Weiß: Das ist gefeßlich gestattet. Dimitroff : Ich lege großen Wert auf diese Antwort, weil ich sehr erstaunt bin über die Unkenntnis der Reichsanwaltschaft über sowjetrussische Ver­hältnisse. Vorsitzender: Dimitroff , ich habe Ihnen schon wiederholt verboten, solche Angriffe gegen die Reichsanwalt­schaft zu richten.- Dimitroff halblaut: Sie müssen noch viel lernen, Herr Oberreichsanwalt! Oberreichsanwalt: Ich muß doch bitten, daß dem Angeklagten Dimitroff diese Art der fortwährenden beleidigenden Zurufe untersagt wird.- Nach kurzer Beratung des Senates verkündet der Vorsitzende als Beschluß, daß der Angeklagte Dimitroff für heute und die folgenden beiden Sizungstage ausgeschlossen wird. Dimitroff macht einige unverständliche Zurufe und wird von den Beamten abgeführt.

Darauf wird die zweite russische Zeugin, Frau Arbore aus Moskau , vereidigt.

Die Zeugin ist 59 Jahre alt, Aerztin und Professorin. Sie bekundet, daß sie mit Popoff im gleichen Hause in Moskau gewohnt habe, und zwar im September und Oftober 1932.

Vorsitzender: Wissen Sie ganz bestimmt, daß er vom September bis Ende Oktober Ihnen wiederholt begegnet ist. Zeugin: Jawohl. Aus den Akten stellt der Bericht­erstatter beglaubigte Auskünfte von der Deutschen Botschaft in Moskau fest, die den von Popoff behaupteten Aufenthalt in der Sommerfrische bei Moskau , in einem Sanatorium auf der Halbinsel Krim und in der Moskauer Wohnung bestätigen.

Auch ein Zeuge!

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Es wird dann der Konditormeister Michalski als Zeuge vernommen, der gesehen haben will, daß Dimitroff und Taneff im Hause Lindenstraße 94 in Berlin ein- und aus­gingen. Der Zeuge erklärt, die drei bulgarischen Angeklagten habe man da stets gesehen.- Vorsitzender: Sie haben früher gesagt, daß Sie Dimitroff vom Spätsommer 1932 bis Anfang 1933 gesehen hätten. Popoff war Ihnen nicht erinnerlich, und von Taneff sagten Sie, daß Sie ihn schon aus früherer Zeit fennen. Zeuge: Im Jahre 1932 habe ich ihn bestimmt gesehen. Der Angeklagte Taneff sagt darauf: Was der Zeuge ausgesagt hat, ist schon deshalb unwahr, weil ich vom 22. Oftober 1931 bis Anfang Oftober 1932 in Bulgarien war und dann in Moskau bis 22. Februar. Dem Gericht liegt die amtliche Bescheinigung über meinen Aufenthalt in dieser Zeit vor, außerdem auch mein Paß, aus dem deutlich hervorgeht, daß ich am 24. Februar 1933 erst nach Berlin gekommen bin. Vorher bin ich niemals in Berlin oder in Deutschland ge= wesen. Der Zeuge erklärt noch, daß er Popoff nicht wieder­erfenne. Ihm sei nur aufaefallen, daß der Direktor des Büros in der Lindenstraße Popoff eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Bilde des Angeklagten Popoff habe.

Die Verhandlung wird nun durch eine Pause unterbrochen.

Sowas nennt sich Zeuge!

Nach der Pause wird der Kellner Henta vernommen. Der Vorsitzende fragt ihn, wann er 1932 und 1983 Taneff, Dimi­ troff und Popoff in Berlin gesehen hat. Der Zeuge erklärt, 1932 überhaupt nicht, sondern nur 1933, und zwar nur im Februar. Sein Chef Michalski habe ihm die Bilder in der Zeitung gezeiat und da habe er sich erinnert, daß diese Leute mal in dem Kaffee gefeffen hätten. Vorsitzender: Ist das auch richtig und haben Sie keinen Zweifel?- Zeuge: Nein. Vorsißender: Hatte einer von den Leuten einen Schnurr­bert? Reuge: Das weiß ich nicht. Vorsitzender: War Taneff schlank oder dick? Zeuge: So wie ich.( Heiterfeit, denn der Zeuge ist durchaus nicht schlank, während Taneff eine fleine, schlanke Figur hat.) Die Angeklagten stehen

auf und der Zeuge soll sie mit Namen bezeichnen. Popoff bezeichnet er zunächst als Taneff. Als er dann aber Taneff sieht, bezeichnet er den Richtigen.

Die 53jährige Frau Hartung, die dann als Zengin ver­nommen wird, war bis zum Jahre 1929 Mitglied der KPD . und hat nach ihrer Angabe im Büro der Roten Hilfe in der Torotheenstraße damals den für die Emigrantenhilfe tätigen Sekretär gelegentlich unterstützt. Sie wisse bestimmt, daß Dimitroff 1928 wiederholt das Büro der Roten Hilfe auf­gesucht hat. Sie habe damals seinen Namen nicht gekannt, aber der Sekretär habe ihr gesagt, das sei der Vertreter der in Deutschland lebenden bulgarischen Emigranten, der habe die Emigranten bei der Roten Hilfe zu legitimieren. Vor­sitzender: Wurden die bulgarischen Emigranten Dimitroff direkt vorgeführt? Zeugin: Nein, es wurde mit ihm durch eine dritte Person verhandelt. Dimitroff war ja zu fein, sich den Leuten gegenüberzustellen. Als ich dann das Bild Dimitroffs nach dem Reichstagsbrand in der Zeitung sah, habe ich mir sofort gesagt: Das ist der Mann, der damals bei der Roten Hilfe Vertreter der bulgarischen Emigranten war. Vorsitzender: Wann sind Sie aus der KPD. ausge­treten? Zeugin: Im August 1929 bin ich aus der Roten Hilfe und aus der Partei ausgetreten, weil so viel mit den Emigranten vorgekommen war, was mir nicht mehr paẞte. Diejenigen Emigranten, die sich gut bei der Partei an­schmieren fonnten, wurden besser behandelt als andere. Vorsitzender: Sie haben auch bei der Gegenüberstellung ge­sagt, daß Sie den Angeklagten Dimitroff mit Sicherheit miedererkennen. Haben Sie auch Popoff früher gesehen? Zeugin: Ich bin ganz sicher, daß ich Popoff bei einer Frau gesehen habe, bei der bulgarische Emigranten wohnten. Das war 1928. Bei der Gegenüberstellung vor dem Untersuchungs­richter im Reichstag habe ich ihn bestimmt wiedererkannt. Taneff ist mir auch zunächst bekannt vorgekommen und ich habe mich gefragt, ob er vielleicht der bulgarische Schuster gewesen sein kann, der seiner Zeit für die Emigranten ar­Eeitete. Ich kann aber nicht mit Bestimmtheit sagen, daß es der Angeklagte Taneff gewesen ist. Der Angeklagte Popoff erklärt, er fei im Jahre 1928 nicht einen einzigen Tag in. Deutschland gemesen, sondern in Rußland , in den Monaten Juni bis August zur Kur am Schwarzen Meer .

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daß, als mit Rücksicht auf die Bildung der Hitlerregierung am 30. Januar dieses Jahres auch ein Nationalsozialist in den Ausschuß der Pressekonferenz eintreten sollte, sich in Vorbesprechungen die Mitglieder dieser Konferenz dahin einigten, Major Weberstedt in den Ausschuß zu wählen, weil er am harmlosesten und leichtesten lenkbar erschien. Major Weberstedt erklärte sich unter anderem mir gegenüber bereit, das Amt anzunehmen. Am nächsten Tage verlas er dann zum Erstaunen der Konferenzmitglieder eine Erklä­rung der nationalsozialistischen Journalisten, die dahin ging, daß diese es ablehnten, sich an der Ausschußwahl zu beteiligen. Wir alle hatten Herrn Weberstedt immer für eine gefügige Puppe gehalten, die auch diesmal tanzte, wie die national sozialistischen Drahtzieher im Hintergrund es verlangten.

Ein alter Offizier lügt nicht!" Wem will ausgerechnet Major Weberstedt das erzählen? Er hat uns so oft geheim­nisvoll vor und nach der Pressekonferenz auf der Reichstags­pressetribüne, in den Wandelhallen des Reichstages und im Landtag die tollsten Märchen aufbinden wollen, daß wir da­mit ganze Spalten der von uns vertretenen Blätter hätten ausfüllen können, wenn wir eben, nun wenn wir überhaupt Herrn Major Weberstedt geglaubt hätten. Aber das hat keiner von uns getan, weder die deutschnationalen Journalisten vom Berliner Lokalanzeiger", vom Tag", von der Deutschen Tageszeitung", auch nicht die Kollegen von der volksparteilichen Deutschen Allgemeinen Zeitung" und von der Kölnischen Zeitung ", viel weniger noch die Ver­treter der Germania " und der Kölnischen Volkszeitung", noch schließlich die Parlamentsberichterstatter von Mosse und Ulstein, mit denen sich Major Weberstedt recht gern unter­hielt, selbst dann, wenn sie Juden und Marxisten waren. Er prahlte gern mit seiner persönlichen Freundschaft zu Hitler , er erzählte uns von seinen recht guten Beziehungen zu Göring , Göbbels und Kube. Diese Beziehungen bestanden allerdings, das wußten wir. Aber seine politischen Auftrag geber ließen ihn völlig im unklaren über ihr politisches Wollen davon konnten wir uns wiederholt überzeugen-, denn bei den Kollegen der gegnerischen politischen Richtungen holte der nationalsozialistische Major Weberstedt sich oft Aus­funft über das, was seine eigenen Parteifreunde beabsichtig­

ten.

Wir fahen in Major Weberstedt immer nur ein politisches Kind und ich könnte heute nationalsozialistische Journalisten

Görings Zeuge Major Weberstedt mit Namen aufzählen, die mich vor ihm warnten mit der

Von Adolf Philippsborn- Paris

Ist da im Reichstagsbrandprozeß ein Kronzeuge des Herrn Göring vernommen worden, von dessen Existenz bisher eigentlich nur sehr wenige etwas geahnt haben, Herr We= berstedt, seines Zeichens Major a. D., im übrigen Korre spondent des Pressedienstes der NSDAP . und Pressereferent der nationalsozialistischen Reichstagsfraktion. Herr Major Weberstedt hat bei seiner Vernehmung vieles gesagt, das sehr seltsam anmutete, und es ist deshalb kein Wunder, daß schon im Gerichtssaal 3 weifel an der Wahrheit seiner Aussage laut wurden. Mit dem Selbstbewußtsein, das nun einmal einer gewissen Sorte von ehemaligen Offizieren eigen ist, wußte Herr Major Weberstedt allen Einwürfen zu be­gegnen, indem er sagte: Ein alter Offizier lügt nicht!"

Ich weiß nicht, ob sich unter meinen mehr oder minder gleichgeschalteten Kollegen in Berlin jemand findet, der bereit ist, Herrn Major Weberstedt daran zu erinnern, daß alle die, die beruflich mit ihm in den letzten Jahren zu tun hatten, weniger als er selbst von seiner Wahrheitsliebe überzeugt find. Sei dem wie dem sei, ich jedenfalls möchte in diesem Augenblick, wo die Göbbels , Göring und Genossen mit allen Mitteln der Lüge und der Verleumdung kämpfen, um Torg­ ler und die bulgarischen Angeklagten an den Galgen zu bringen, daran erinnern daß es noch im April dieses Jahres in der Berliner Pressekonferenz der Reichsregierung, der ich damals angehörte, nicht einen einzigen Journalisten außer­halb der Nationalsozialistischen Partei gegeben hat, der Herrn Major Weberstedt überhaupt ernst nahm. Ich erinnere daran,

Bemerkung: Weberstedt hat keine eigene Meinung, er ist nur ein Automat, aus dem das herauskommt, was andere vorher hineingelegt haben. Er tut alles, was von ihm an maßgebender Stelle verlangt wird. Major Weberstedt hat zu mir, dem ehemaligen Frontkame= raden, wiederholt von dem Fronterlebnis gesprochen, von seiner Hochachtuna vor jedem jüdischen Deutschen , der im Weltkrieg im Schüßenaraben gelegen hat. Noch in den letzten Februartagen dieses Jahres sprach er in diesem Sinne zu mir, und als mich am 6. März, dem Tage nach der Reichs­tagswahl, seine politischen Freunde aus der Pressekonferenz herausjagten, weil ich Jude bin, da erteilte Herr Major Weberstedt diesem Vergewaltigungsaft seinen Segen.

Major Weberstedt hat beschworen, daß van der Lubbe eine Kiste durch das Reichstagsgebäude getragen habe, ohne daß ein Reistagsabgeordneter oder-beamter ihn begleitet habe. Länger als vier Jahre hindurch war ich Parlamentsbericht­erstatter im deutschen Reichstage. Die Pförtner an den Por­talen 2 und 3, die wir Journalisten zu passieren pflegten, fannten mich ganz genau. Und doch konnte es geschehen, daß der bereits als Zeuge vernommene Pförkner im Portal 2, der Oberamtsgehilfe Müller und sein Kollege, die mich beide, ich wiederhole es noch einmal, ganz genau fannten, mehrere Male meine Aktentaschen revidierten. Einen Tag nach dem Reichstagsbrande hat Major Weberstedt eine Funk­reportage aus dem Reichstag gesendet, bei der er kein Wort von dem erzählt hat, womit er bei seiner Vernehmung acht Monate später Torgler und Taneff zu belasten versuchte. Wer den Märchenerzähler Major Weberstedt kennt, wundert sich auch darüber nicht. Er war immer der treue Diener seines Herrn!

Briefe werden gestohlen

Vorsicht auch bei Verwandtenbriefen

Die Nationalsozialistische Zeitung" vom 27. Oktober be­richtet aus Kaiserslautern :

Der frühere sozialdemokratische Betriebsratsobmann beim hiesigen Reichsbahnausbesserungswerk Julius Kuhn , Schlosser von hier, war eines Vergehens gegen die Notverordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heim­tückischer Angriffe gegen die nationale Regierung beschuldigt. Seiner Gesinnung treu bleibend, schrieb nun Kuhn an seine in Saarbrücken bei der sogenannten Freiheit" oder Volks­stimme", die in Deutschland unter dem Deckmantel Gerichts chronik " erscheint, beschäftigte Schwester, welche ihm natürlich politisch nahesteht, einen anfangs rührseligen" Brief, in dem er die ihm angetane ungerechte" Behand= lungsweise schildert, um aber dann gleich über die heutigen Verhältnisse in Deutschland Lügen aufzutischen. So meint der politisierende Briefschreiber: Das Deutsche Reich würde bald der Anarchie gleichen und jeder Gernegroß hätte etwas zu reden." Zum Schluß weint er den früheren Verhältnissen

Vor dem Sondergericht

Das Volk der Horcher und Denunzianten

Aus Zürich geht uns folgender Bericht zu mit der Bitte, durch die Veröffentlichung Reisende vor Ünvorsichtigkeiten zu warnen:

Der Konditor Pott- Junod in Zürich , wohnhaft Rotbuch­straße, war im Jahre 1883 in Westfalen geboren. Im Jahre 1907 siedelte er nach der Schweiz über, ohne aber seine deutsche Staatsangehörigkeit aufzugeben. Er hat sich immer als guter Deutscher gezeigt. Im Kriege hat er sich warm der in der Schweiz befindlichen Deutschen angenommen. Sowohl von der deutschen Gesandtschaft in Bern wie von dem deutschen Generalkonsul in Zürich wird ihm das beste Zeugnis ausgestellt und auch seine Fachgenossen in Zürich schäzen ihn.

Bei der letzten Reichstagswahl hat er sich einen Wahl­schein ausstellen lassen und gemeinsam mit seiner Frau in Säckingen gewählt, und zwar nationalsozialistisch, wie seine Frau im Bekanntenkreise erzählt hat. In diesem Sommer wollte er seiner Frau, einer gebürtigen Französisch­Schweizerin Deutschland zeigen und während dieser Reise begegnete ihm eine Entgleisung, die ihn in Haft und jetzt vor das Hanicattiche Sondergericht in Hamburg brachte. Da Pott gehört hatte daß man in Deutschland die kleineren Leute unterstützen müsse, stieg er nicht in den großen Hotels ab, sondern mietete sich in Privatpension ein. So auch in Hamburg , wo er eines Tages mit der Wirtin in ein

noch eine Träne nach. indem er sagt, es wäre doch wirklich besser, wenn die alten Verhältnisse wiederkehren würden". Kuhn führt in seiner Verteidigung an, daß er sich in der letzten Zeit nimmer ausgefannt habe und jemand gebraucht habe, dem er sein Herz ausschütten könne. Deshalb habe er an seine Schwester geschrieben. In Wirklichkeit war dieser Herzenserguß für die Freiheit" bestimmt. Glücklicherweise gelangte der Brief aber an eine falsche Adresse, so daß sein eigentlicher Zweck verhindert werden konnte. Kuhn wurde zu zwei Monaten und einer Woche Gefängnis verurteilt, die durch die erlittene Untersuchungshaft als verbüßt gelten.

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Der Brief ist natürlich nicht an eine falsche Adresse" ge­gangen, sondern von der Reichspost und ihren Nazi­spiteln geöffnet worden. Selbst aus dem Nazibericht geht hervor, daß der Brief harmlos war und schon wegen des familiären Inhalts nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt sein konnte.

politisches Gespräch kam. Er äußerte sich über den Reichs­tagsbrand in der Weise, daß er die Schuld den National­sozialisten gab, und zwar in der Person, daß Hitler und Göbbels den Reichstag persönlich" in Brand gesteckt hätten. Nicht nur die Wirtin hört dies entsetzt an, auch ihre Hausangestellte, die beim Staubwischen beschäftigt ist, hört damit auf und kommt hinzu und horcht genau zu, so daß sie die Aussagen ihrer Herrin vor dem Gericht in wirkungs­voller Weise unterstüßen kann. Denn die Sache hatte ein schwerwiegendes gerichtliches Nachspiel Die Wirtin erzählte von dem Gespräch ihrem Mann. Der sprach mit einem Be­kannten darüber, der alsbald anzeigte, so daß man Po: t am nächsten Tage, als er weiterreisen wollte, verhaftete. Als ein völlig unbescholtener Mann mußte er sich jetzt wegen der schweren Beschuldigung der Verbreitung von Greuel­nachrichten verantworten. Und daß sich seine Reden in der ihm vorgeworfenen Richtung bewegt haben, kann er nicht leugnen. Allerdings will er an die Wirtin die Frage ge­richtet haben, wie man sich au der im Auslande kursierenden Darstellung verhalte. Aber klar und eindeutig standen dieser Darstellung die Aussagen der Zeuginnen entgegen, so daß das Schicksal des Angeklagten besiegelt war. Der Ober­staatsanwalt nahm auch an, daß Pott die Absicht gehabt hatte, durch diese Greuelmeldung das Ansehen des Deutschen Reiches zu schädigen und beantragte eine Gefängnisstrafe von einem Jahr. Das Hanseatische Sondergericht aber war der milderen Auffassung, daß hier nur eine grob fahrlässige Verbreitung von Greuelnachrichten vorliege und kam zu der Strafe von drei Monaten Gefängnis.