Echte Christen gegen deutsche Christen
3u den interessantesten und bedeutsamsten Dokumenten der„ nationalen Revolution", die tief in das kulturelle, weltanschauliche und religiöse Leben eingriff, gehören die schriftlichen Auseinandersetzungen innerhalb der evangelischen Kirche. Wir veröffentlichen heute einige Aufsätze und Briefe, die die Kämpfe innerhalb der evangelischen Kirche so hell beleuchten, daß sich jeder Kommentar erübrigt. Abgesehen von dem engen Kreis der Beteiligten, sind ihre Dokumente in der deutschen Oeffentlichkeit bisher unbefannt. Dazu gehört auch der mutige Aufruf Barths an der Spitze von zweitausend Geistlichen, die im Namen Christi die Gleichschaltungsschablone unter dem Diktat der deutschen Christen" nicht anerkannt und damit ein vielfältiges Echo unter dem gläubigen Kirchenvolk fanden.
Die Redaktion der Deutschen Freiheit".
Staat und Kirche
von Landrat Dr. Krummacher, Staatskommissar für die Evangelische Kirche Westfalens und der Rheinproring
Wenn der preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Boltsbildung es notwendig erachtete, der Evangelischen Kirche Staatskommissare zu verordnen, so war bei ihm die ernste Sorge maßgebend, daß durch theologische Streitereien und kirchenbehördliche Winkelzüge der Welle des evangelischen Kirchenvolfes, eine deutsche evangelische Kirche zu begründen, in unerhörtester Weise in sein Gegenteil verfehrt worden ist. Aufgabe des Staatskommissars für Rheinland und Westfalen ist es, die bisherigen firchlichen Körperschaften als Herde der Berseßung des firchlichen Einheitsgedankens unter allen Umständen aufzuIösen.
Seine weitere Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, daß sämtliche Pfarrer ihr unheilvolles Beginnen, durch Telegramme, Konferenzen, Entschließungen das große Einigungswerk der deutschen Evangelischen Kirche zu hintertreiben, sofort einstellen.
Der Oberkirchenrat hat in deutlichster Form im Einvernehmen mit dem preußischen Staatskommissar darauf hingewiesen, daß derartige Handlungen des Verrats an Kirche und Reformation mit fofortiger pensionsloser Dienstentlassung geahndet werden. Der Worte sind nun genug gewechselt, vier Jahrhunderte hindurch, ohne daß durch die Bemühungen der Theologen auch nur ein einziges Dorf Deutsch lands evangelischen Glaubens erobert worden wäre. Das deutsche Volk evangelischen Glaubens will feine Pastorenkirche, sondern eine Volkskirche sein und stellt fest, daß durch die falsche Richtung innerhalb der Pfarrer schaft, die in der Theologie die Hauptaufgabe, dem Dienst am Volk die Nebensache sah und die glaubte, dadurch mit der Ewigkeit in engerer Verbindung stehen zu können, wenn fie es sorgfältig vermied, mit beiden Füßen in der Zeit zu stehen und die Zeit mit dem Volt erlebend in das Licht der Ewigkeit zu stellen, ein Zerwürfnis zwischen Kirche und Volk unvermeidlich war. Diese Richtung hat es fertiggebracht, daß mehr als 90 Prozent der evangelischen Christen Volk und Kirche gemieden haben, sie nicht mehr verstanden und fie ablehnten. Wenn heute einzelne Pfarrer in West falen bei ihren Entschließungen ihr Gewissen ins Feld führen, weil firchliche Formen, die sich als unzulänglich und unbrauchbar erwiesen haben, durch neue Formen ersetzt und vereinheitlicht werden sollen, dann müssen diese Pfarrer einmal gefragt werden, wo denn die Rufe thres Gewissens waren in den letzten Jahrzehnten, da in diesem Zeitraum tatsächlich die Wortverkündigung in der Evangelischen Kirche, und zwar durch die Schuld der Kirche, verschwommen, unflar, ja gottwidrig war. Es ist vorgekommen, daß an einem und demselben Sonntag auf einer und derselben Kanzel ein Pfarrer die Auferstehung Jesu Christi verkündete und der andere hernach das Gegenteil behauptete. Es ist vorgekommen, daß Jahrzehnte hindurch evangelische Pfarrer ihre eigenen Kinder in die religionslose Schule schicken fonnten, ohne daß eine Kirchenbehörde auch nur den Versuch gemacht hätte, deswegen vorstellig zu werden. Wo waren da die Gewissen derjenigen Pastoren, die heute mit ihrem Gewissen in den Ministerien & u haufteren versuchen? Wir sind wiederum in der Gefahr, daß in einer entscheidenden Stunde nicht der mutige Glaubensgeist eines Dr. Martin Luther , der es verstanden hat, auch dem„ Volke auf das Maul zu sehen", sondern der Ungeist der Pharisäer und Schriftgelehrten sich bemerkbar macht und Einfluß zu gewinnen sucht. Wenn in einer Pressenotiz der frühere Evangelische Oberkirchenrat in Berlin versucht, sich wahrheitswidrig als Vertreter der Kirche hinzustellen, so sei ihm gesagt, daß er niemals Vertreter der Kirche gewesen, sondern höchstens Vertreter der Kirchentaife, und daß er es erst recht nicht jetzt ist. Eine Behörde, die sich weigerte, den Gefallenen der nationalen Revolution die Aufbahrung im Berliner Dom zu gestatten und die für Dankgottesdienste nur mit Mühe gezwungen werden konnte, die Kirchentore zu öffnen, soll dankbar sein, wenn sie so sang- und flanglos, ohne Abrechnung, verschwindet, ohne alles das, was sie und Sie unterstellten Konsistorien an Verrat gegenüber Gott und Jesus Christus und Verrat gegenüber Volk und Vaterland, nicht aus Bosheit, sondern aus falschem Autoritätsgefühl und Mangel an Glauben
geleistet hat.
Es hat unserer evangelischen Kirche der Stahl im Blute gefehlt, es hat ihr gefehlt der Geist eines Gustav Adolf . Wir brauchen innerhalb der evangelischen Kirche etwas von der innigen Verbindung zwischen wahrhaftem Staat und wehrhafter Kirche, wie sie zu Zeiten Gustav Adolfs bestanden hat. Eine Kirche, die sich so unsicher und schwach fühlt, daß sie bei der Neugestaltung ihrer Form durch den Staat um die Wortverkündigung bangen muß, zeigt damit ihren Mangel an Gottvertrauen, denn Gott der Herr ist und bleibt stärker als der Staat und würde den Staat zu aertrümmern wissen, der seiner Wortverkündigung sich entgegenstellt. Wenn der Staat jetzt eingreift, so müssen die gewissenhaften" Pfarrer einmal bedenken, daß gegenüber der Revolution des antichristlichen Staates, der Revolution der Arbeiter und Soldatenräte, der Zuchthäusler und Dissidenten im Jahre 1918, in welcher der Kirche eine 100jährige, gesegnete Tradition zerschlagen wurde, iene Stimme des Gewissens" aus Angst vor der Straße wohl nicht erklungen ist. Wer damals geschwiegen hat, hat heute tausendmal weniger Recht zu protestieren, denn jetzt kommt ein Staat, dessen Bekenntnisgrundlage das Christentum und zwar das positive Christentum ist und verlangt von der evangelischen Kirche die innere Kraft, die auf dem politischen Schlachtfeld geschlagenen geistigen Mächte des Liberalismus, Marxismus , Rationalismus und Materialismus zu überwinden, und zugleich will er dieser Kirche durch kraftvolle Persönlichkeiten als Staatskommissare, die genau wissen, was sie wollen und was sie durchzusetzen haben, die neue einheitliche Form, die Kraft geben, daß diese Aufgabe an unserem Volk erfüllt werde. Das deutsche Volk
verlangt nach dem Evangelium, und jede Gemeinde, wo sie auch sein mag, hat nur daran zu denken, daß allen Deutschen im fernsten Winkel des deutschen Reiches das Evangelium und nur das Evangelium gebracht werde. Darum muß mit einem neuen Geist, wie ihn die Glaubensbewegung Deutsche Christen " trägt, die aus Liebe zum Volk zum Evangelium gekommen ist, eine neue Form geschaffen werden. Das ist die straff zusammengefaßte deutsche evangelische Kirche , in der auch vom Pfarrer Zucht, Ordnung. Unterord nung, Disziplin und Treue bis zum äußersten verlangt werden muß, und in der diejenigen Pfarrer, die statt des um unserer Sünden willen gestorbenen und für uns im Fleisch auferstandenen Jesus Christus ihre eigenen Lehren verkünden, rücksichtslos entfernt werden. Wer sich aber gegen diese große Wandlung, die die Kirche aus eigener Kraft nicht durchzuführen vermochte, sträubt, wer in den Eingriffen des Staates nicht auch ein Gericht Gottes an der Ohnmacht der Pharisäer und Schriftgelehrten sieht und darum glaubt, sich eine papierne Märtyrertrone auffeßen zu müssen, indem er Protest erhebt, der soll wissen, daß er sich dann für den Liberalismus und Margismus, für die Bersplitterung und Ohnmacht der evangelischen Kirche einsetzt, daß er wirbt für eine volksferne Pastorenkirche, für Schule der Pharisäer und Schriftgelehrten gegen ein Wert, das unserem Volt viel mehr als bisher dem Evangelium nahebringen soll.
Der Bevollmächtigte des preußischen Staatskommissars für die evangelische Kirche der Rheinprovinz und Westfalen . Koblenz am 8. Juli 1933. Regierungsstr. 4-6. Ruf 2915.
Eine Antwort
Pastor F. Bodelschwingh
Sehr geehrter Herr Landrat!
Die Schriftleitung des Aufwärts"( Tageszeitung in Bethel ), der Sie Ihren Aufsatz Kirche und Staat" zusandten, hatte zunächst gegen die Aufnahme Bedenken. Denn der " Aufwärts" soll feine Veröffentlichungen bringen, die Verunglimpfungen einzelner Personen oder verlegende Angriffe gegen Behörden enthalten, wie es bei Ihrem Aussat der Fall ist. Doch schien er uns als Dokument für die gegenwärtige firchengeschichtliche Lage so bedeutsam, daß wir ihn unseren Lesern nicht vorenthalten wollten. Der Abdruck ist daher heute erfolgt.
Damit aber nicht Schweigen als Zustimmung gedeutet werden kann, möchte ich mit der Offenheit, die der Ernst des Augenblicks erfordert, folgendes aussprechen: 1. Ihr Schreiben steht im Widerspruch zu dem Willen des Reichsoberhauptes. Der Herr Reichspräsident hat Verhandlungen mit den„ Vertretern der beiden in Widerstreit befindlichen Richtungen der evangelischen Kirche" angeordnet. Damit sind diese beiden Richtungen als gleichberechtigte Verhandlungspartner anerkannt. Demgemäß werden die Besprechungen in Berlin durch den Herrn Reichsminister des Innern geführt. Sie dagegen stellen sich als Staatstommissar völlig auf die Seite der einen Partei, während Sie die andere mit Gewalt unterbrücken wol= len. Und doch steht zweifellos hinter dieser, zum wenigsten in Westfalen , die Mehrheit der kirchlich gesinnten Bevölke= rung. Ihr Schreiben bedeutet eine ernste Verschärfung des Konflikts. Aus solcher Verschärfung muß, wie der Herr Reichspräsident schrieb, schwerster Schaden für unser Volk und Vaterland erwachsen und die nationale Einheit leiden." 2. Ihr Schreiben bedeutet eine Erschütterung staatlichen Ansehens. Wie sehr es bereits durch die sich fortwährend widersprechenden Verfügungen der letzten Wochen gelitten hat, wird Ihnen nicht verborgen geblieben sein. Ich weise nur auf folgendes hin: Zuerst wird Herr Pfarrer Hoffenfelder zum kommissarischen geistlichen Vizepräsidenten des Evangelischen Oberkirchenrats ernannt. Jederman weiß, daß er auf diesem Posten auch für den größten Teil der Deutschen Christen untragbar ist. Unter dem Druck dieser Tatsache wird er einige Tage später beurlaubt mit einer Begründung, die jeder Kenner der wirklichen Vorgänge nur mit Be schämuna lesen kann. Die kirchlichen Körperschaften werden aufgelöst. Nach acht Tagen werden sie für Westfalen wieder in ihr Amt eingesetzt, da sich herausgestellt hat, daß die bereits früher im Amt gewesenen ihr firchliches Amt aus dem Bekenntnis herleiten". Sie aber bezeichnen es jetzt, zwet Tage später, als Ihre Aufgabe die bisherigen kirchlichen
„ Ich sage: Nein!"
Karl Barths„ Ich sage: Nein!" und die Schrift, die von 2000 deutschen Pastoren unterzeichnet ist, wird vielen Menschen als die ermutigendste sandlung in Deutsch land erscheinen, seitdem die Nazis an die Macht gez tommen sind. Die Protestierenden fümmern sich nicht um die Politik; viele von ihnen mögen mit den weltlichen Zielen der Nazibewegung sympathisieren. Sie vertreten nur einen Standpunkt bezüglich der Gewissensfreiheit auf religiösem Gebiet; sie wollen ihre Pflicht tun„ in unverbrüchlicher Trene" zur Heiligen Schrift; mit Barth weisen sie den Gedanken zurück, daß die Kirche eine Kirche der„ Deutschen Christen " ist, wie den, daß die geistige Ge= meinschaft, der sie dienen, durch einen Befehl von außen her, auf Christen einer bestimmten Rasse und von bes stimmtem Blut beschränkt werden.
Barths Ich sage: Nein!" wird nicht durch die Welt schallen wie das„ Hier stehe ich, ich kann nicht anders" des großen Reformators. Aber in vieler Hinsicht erinnert seine Streits schrift, die Schrift der 2000 und die Erklärung der 22 an den flaren und unbengsamen Willen Luthers , auch sie hätten gesagt, so wie er schlicht und fest sagte:„ Ich kann und will nicht widerrufen, denn es ist weder heilsam noch flug, etwas gegen sein Gewissen zu tun." Auch fie, die sich weigern, den „ Arierparagrafen" innerhalb der christlichen Kirche anzus nehmen, hätten mit ihm erklärt, daß die Freiheit" der Christen ein Maß von Liebe einschließt, das sie zum„ Diener aller" macht und nicht zum Verächter der Chriften, in deren Adern nichtarisches Blut fließt. Die deutsche evangelische Kirche hat Anspruch auf die Bewunderung ihrer Anhänger. Sie ist seit langem berühmt wegen ihrer Verdienste für die Religionsgemeinschaft und das Schulwesen. Aber Karl Barth und die 2000 Geistlichen haben jegt ein Ziel aufgesteckt, für das sie Achtung und Dankbarkeit verdienen: das Ziel, dem Gewissen zu gehorchen, ohne Rück: ficht auf irgendwelche Folgen.
( ,, Manchester Guardian", 24. Oft. 1988.)
Körperschaften als die Herde der Zersetzung des kirchlichen Einheitsgedankens unter allen Umständen aufzulösen". Durch die Verfügung des Staatskommissars vom 5. Juli wird die Zusammensetzung der kirchlichen Körperschaften in der Weise geregelt, daß zum mindesten 80 Prozent aus den Deutschen Christen entnommen werden sollten. Am folgenden Tag wird von dieser Anordnung erklärt, sie gelte als nicht erlassen. Sie werden sich nach diesen Erfahrungen nicht wundern, wenn die Verfügungen der gegenwärtigen Kirchenregierung nicht ernst ge= nommen werden können. Wer wird sich noch entschließen, eine Anordnung auszuführen, von der man annehmen muß, daß sie übermorgen wieder zurückgenommen wird.
3. Ihre Ausführungen verlegen die Würde der Kirche. Ste behaupten, es feien vier Jahrhunderte hindurch Worte ge wechselt", ohne daß durch die Bemühungen der Theologen auch nur ein einziges Dorf evangelischen Glaubens erobert worden ist. Später dagegen sagten sie, daß durch die Revo lution von 1918 der Kirche eine hundertjährige, gesegnete Tradition zerschlagen worden sei. Beide Säße laffen eine Kenntnis der tatsächlichen Kirchengeschichtlichen Entwicklung vermissen. Ferner werfen Sie der falschen Richtung in der Pfarrerschaft" vor, sie habe geglaubt, dadurch mit der Ewigfeit in engerer Beziehung stehen zu können, wenn sie es sorgfältig vermied, mit beiden Füßen in der Zeit zu stehen, und, die Zeit mit dem Volk erlebend, in das Licht der Ewigkeit zu stellen... Das ist offensichtlich eine kränkende Herabseßung von Männern, die mit tiefstem Ernst um eine den Aufgaben der Gegenwart entsprechenden Gestalt der Verkündigung gerungen haben, längst ehe es eine Bewegung der Deutschen Christen " gab. Sie werfen dem Evangelischen Oberkirchenrat und den unterstellten Konsistorien Verrat gegenüber Gott und Jesus Christus und Berrat gegenüber Volk und Vaterland vor. Die Konsistorien, von denen Sie so schreiben, sind heute noch unsere vorgesetzten geistlichen Behörden. Eine solche Diffamierung von Männern, wie D. Weirich oder seines Vorgängers D. Ziellner ist nicht geeignet, bei den Pfarrern Zucht, Ordnung, Unterordnung. Disziplin und Treue bis zum äußersten", die Sie mit Recht verlangen, zu stärfen. Sie werfen Pfarrern, die aus heißer Liebe zur Kirche und um wachsendem Unheil zu wehren, auf völlig gejezmäßigen Wege in Berlin persönliche Schritte tun, vor, sie fuchten jest mit ihrem Gewissen in den Ministerien zu hausieren". Damit tasten Sie die Lauterkeit von Männern an, von denen manche seit Jahren in der nationalsozialistischen Bewegung führend mitgearbeitet haben.
4. Ihr Aufsatz geht bei der Beurteilung der Kräfte und Willensregungen in der evangelischen Kirche von irrigen Vorausießungen aus. Es wird bei den Lesern der Anschein geweckt, als ob nur bei der Deutschen Christen " der Wille zur Neugestaltung der Kirche vorhanden sei, während der andere Teil eine volksferne Pastorenkirche und eine Schule der Schriftgelehrten und Pharisäer" haben wollte. In Wirklichkeit liegen die Dinge ganz anders. Es ist auch bei denen, die nicht mit der Reichsleitung der Deutschen Christen " gehen können, eine entschlossene Bereitschaft da, am Zusammenschluß der deutschen evangelischen Kirche und an ihrem äußeren Neubau mitzuarbeiten. Nur sind sie der Meinung, daß dieses Ziel auf dem jetzt beschrittenen Weg der Gewalt und der Unterdrückung jeder freien Meinungsäußerung nicht erreichbar ist. Und sie will für das Verhältnis von Staat und Kirche, die Grenzen festhalten, die der Reichskanzler in seinen programmatischen Ausführungen so eindeutig festgelegt hat. Vor allem aber wünschen sie, daß die Erneuerung der Kirche aus einem neuen Verstehen und Verkünden des Evangeliums erfolgt. Das ist die Sorge, die viele ernsthafte Christens menschen auch beim Lesen Ihres Auffages erfüllen wird und die ich Ihnen, sehr verehrter Herr Landrat, nicht verschweigen möchte. Er enthält zwar sehr orthodore Wendungen, ist aber im Grunde doch von dem Geist des Liberalismus und Ratio= nalismus erfüllt, den Sie bekämpfen möchten. Darum wird die Fortsetzung dieses Weges in Wirklichkeit unsere Kirche vom Evangelium entfernen, während Sie mit Ihren Freun den hoffen, unserem Volf das Evangelium nahe zu bringen. Sier liegt die tiefe Tragit der gegenwärtigen Entwicklung. Ich kann nur herzlich und dringend bitten, diese Fragen, losgelöst von der Kirchenpolitischen Erregung der gegenwär
tigen Tage, in ihrer letzten Tiefe zu prüfen.
Eine Abschrift dieses Schreibens lasse ich dem Herrn Reichspräsidenten und dem Herrn Reichsminister des Innern zugehen.
Mit vorzüglicher Hochachtung!
gez.: F. v. Bodelschwingh.
Bitte eines deutschen Christen aus dem Bergischen Land an die Herren vom Evangelischen Oberkirchenrat
Ihr Herren! Euch ist Macht gegeben. Darum aber auch Verantwortung. Im Rundfunk hat der Kultusminister eine Rede gehalten. Die war Lästerung des lebendigen Gottes. Könnt Ihr dazu schweigen? So macht Ihr Euch teilhaftig fremder Schuld". Meine Freunde und ich sind einfache Christen, aber wir kennen unsere Bibel... Du sollst feine
anderen Götter haben neben mir"! Soll das im neuen Kirchenregiment nicht mehr gelten? Wo wird Euer Zeugnis bleiben?
Im Rundfunk hat der Kultusminister und sein Kirchenkommissar über unsere alte Kirchenleitung die schwersten Beleidigungen ausgesprochen. Wir kennen unseren Generalfuperintendenten. Wir wissen, daß er nicht lügt. Er hat die Dinge anders erzählt. Euch und Eure Herren, nach deren Willen Ihr reden müßt, kennen wir nicht. Die angegriffenen Führer unserer Kirche sind immer noch unsere Führer. Sie entziehen sich ihrer Pflicht nicht. Schutzlos sind sie der öffentlichen Schmähung preisgegeben. Aber es heißt: Du sollst fein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten! Ich denke, das gilt auch in Eurem Katechismus? Wo wird Euer Zeugnis bleiben?
Ihr seid jung in Eurem Amt. Ihr kennt die Aften und die Abmachungen mit dem Staat nicht. Wir kennen sie aus treuer Zeugen Mund, die für unsere Kirche berieten und fämpften, ehe Ihr davon eine Ahnung hattet. Auch der Kultusminister kennt die Aften nicht. Das mag ihn ent= schuldigen. Aber jetzt könnt Ihr Euch und ihn besser unterrichten. Wir erwarten den Erfolg. Die Menschen müssen Rechenschaft ablegen von jedem faulen Wort". Das sagt Gottes Wort.
Wir stehen dankbar und treu zu dem Werk unseres Führers Adolf Hitler . Ihr aber habt gemacht, daß unsere Stillen im Lande denken, er stehe nicht mehr zu seinem Wort und nehme uns die Freiheit des Glaubens. Schon spricht man in den stillen Stunden vom Kommen des Antichristen . Unsere Pfarrer können nichts dagegen sagen. Man glaubt ihnen nicht mehr. Sie müssen ja nur reden, was befohlen wird. Ihr handelt ja nicht danach. Unsere Pfarrer