Donnerstag, den 9. November 1933
Das Märchen vom Geist
Den verdammten Kerl, den Geis müssen wir doch kriegen, daß dem Demagogen nicht wir noch unterliegen!
Zehnmalhunderttausend Mann!
Auf Soldaten, drauf und bran! Ladet die Gewehre!
Rettet unsre Ehre!
Und sie schießen, wutentbran selbst sich tot, die Blinden ; fie vernichten Stadt und Land Geist ist nicht zu finden.
Das hier ist die letzte Stadt, hier müßt Ihr ihn fassen! Seht, verwegen hüpft er dort, munter durch die Gassen. Polizei, entwickle Dich! Du ergreifft ihn sicherlich! Ift er Dein geworden, schmücke Dich ein Orden.
Geist schaut dort, im legten ha..
aus dem Erkerstübchen,
lachet die Spione aus
und schabt ihnen Rübchen.
Jegt entwischt er uns nicht mehr!
Jezt ist er gefangen!
Morgen soll der Bösewicht
schon am Galgen hangen.
Schnell. die Stufen hier hinauf!
Hurtig, sprengt die Türe auf!
Greift den Kerl, da sitt er!
Aus den Augen blißt er!
Geist schlüpft in ein kleines Buch, deckt sich zu mit Lettern: Sicher ist er da genug,
wie sie späh'n und blättern! Schließt das Buch und bindets zu! Ohne zu bekennen
soll er auf dem Markt sogleich mit dem Buch verbrennen! Richtet schnell den Holzstoß her! Auf Soldaten, and Gewehr! Lodert, lodert, Flammen!' Gott foll ihn verdammen!
Wundersame Melodien. hört die stumme Menge, und in alle Herzen ziehn diese Zauberflänge.
Plötzlich donnerts durch den Dampf, wie ein fern Gewitter; lichtumfloffen steigt empor
drans ein goldner Nitter.
Auf Ihr Völfer! rufter laut, auf zum Freiheitstriege! Werdem ewigen Geist vertraut, Den führt er zum Siege,
Pauls stiller Held
,, Nationale Dramaturgie"
In Hitlerdeutschland wird jetzt offiziell soviel von Heldentum geredet und gekraftmeiert, daß es Leute von auch nur mittlerem Geschmack längst speiübel geworden ist. Jenen zum Trost soll eine Broschüre für Nationale Dramaturgie" zitiert werden, die jüngst im Verlag Theater- Tageblatt ( Berlin ) erschien und in der ein Herr Paul Beyer demonstriert, wie der neue nationale Held auf der Bühne aussehen follte:
" Der stille Held, dem man's ansieht, wird wiederfommen... Der lächelnde Held, der seine Wunde nicht zeigt, turz all die Gegenteile von Maulheld, die sich denken lassen." Gegenteil von Maulheld die ihre Wunden nicht zeigen, mag sich der Nazi- Dramaturg darüber mit seinen Parteigenossen auseinanderseßen. Da hat man jüngst Röhms brauner Garde ein Denkmal errichtet. In der Hitler- Presse ist das zu sehen mit dem Text:„ Im Schloßpark von Oranien burg wurde ein aus Holz geschnitztes Denkmal eingeweiht, welches einen verwundeten Kämpfer darstellt." Auf dem Sockel steht einer in SA.- Uniform mit verbundenem Kopf.
Moral.
Wie sie martern ihn und wie trachten nach dem Leben: Gott der Herr wird nun und nie feinen Geist aufgeben.
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Leistung Nebensache
cab Der Arzt, die Großmutter und der Kranke
Adolf Glasbrenner( 1849).
Die„ Landesheilanstalt der Provinz Sachsen ", Uchtspringe ( Altmark ) gibt in der„ Münchner medizinischen Wochenschrift bekannt, daß sie zwei Assistenzarzt- Stellen zu vergeben hat. In dem Inserat heißt es:
" Den Gesuchen sind selbstgeschriebener Lebenslauf mit Angabe der Religionszugehörigkeit und politischen Ein stellung, beglaubigte Abschriften der Approbation und et waiger Zeugnisse, polizeiliches Führungszeugnis, Lichtbild und Fragebogen über die arische Abstammung beizufügen." Also: etwaige" Zeugnisse genügen vollkommen, aber mit einer etwaigen" Großmutter ist es natürlich nicht getan, die Ahnfrau muß niet- und nagel-, stich- und hiebfest sein. Erst kommt die Großmutter, dann die Gesinnung und ganz zum Schluß der Patient, der ohnehin aus patriotischen Gründen baldigst im Grabe zu verschwinden hat.
Liebe mich mit der Seele
oder ein wenig Konzentrationslager
Der Leiter der Fachschaftsarbeit und des Amtes für Wissen schaft der Berliner Universität, Schumann, schreibt in Nr. 13 der Berliner Hochschulzeitung":
" Von der zwangsmäßigen politischen Erziehung( lies: Nazisierung) wurden im vergangenen Semester 4000 Studenten im ersten bis dritten Semester erfaßt Leider ist festzustellen, daß ein großer Teil derselben sich gegen unsere Weltanschauung ablehnend verhält. Sollten diese, trotz unserer eifrigen erziehe rischen Tätigkeit, ihre Einstellung nicht bald ändern, so werden wir gezwungen sein, mit den schärften uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen sie vorzugehen."( p
Herr Göbbels hat seinerzeit verkündet, daß die NSDAP . es sich zur vornehmen Aufgabe stelle, die„ Seele des Volkfes" für die nationalsozialistische Weltanschauung zu gewinnen. Man sieht, welche angenehmen Mittel hierbei angewendet
werden.
Der Mann kommt uns bekannt vor. Man sah solche Leute Ufa mit dem Sowjetstern ehedem oft an der Spiße von Naziumzügen Reflame laufen. ,, Bolschewistischer" Bauernfilm 196 10 In mehreren Fällen wurde festgestellt, daß die Verbände einen Schwindel verdeckten. Sie rochen nach Karbol, aber die Wunden fehlten.
Der Reichsbauernführer. Darre hat das Verbot eines Bauernfilms der Ufa Du sollst nicht begehren" veranlaßt. Nach der offiziellen Erflärung Darres ist die Hauptfigur, der junge Erbbauer Soerk, der Typ des bolschewistischen Menschen von der Art des Brandstifters van der Lubbe."
Wenn die Verteidiger des Sozialismus und der deutschen Demokratie mit Verwundeten hätten prozen wollen- zu Hunderten konnten sie damit aufwarten! Hunderte fielen im Kampfe gegen die braune Pest, aber Hunderte wanderten in die Gefängnisse. Jedoch sie machten kein Theater aus alldem. Einfach, in grauen, abgetragenen Windjacken, traten die sozialistischen Formationen an, so oft sie zum Schuße der Freiheit gerufen wurden. Biele ermangelten der notdürftigsten Ausrüstung, mit durchlöcherten Stiefelsohlen marschierten sie für ihre Sache durch Eis, Schnee und Schlamm, schlecht genährt, arbeitslos die Hälfte, eine graue Masse der Not: genährt, arbeitslos die Hälfte, eine graue Masse ber Not: Kroupiers mit dem Hakenkreuz Gegenteile von Maulhelden!
Daß das Werkzeug Görings, van der Lubbe, kein Bolsche wist ist, weiß alle Welt; daß aber der Geheimrat Hugenberg, Hitler- Minister a. D. und Beherrscher der Ufa,„ bolschewistische Filmtendenzen" hat, erfährt die Welt aus dem Munde des Herrn Bauernführers Darre jest zum ersten Male.
Die Geschichte wird diesen unbekannten Soldaten der Freiheit ein Denkmal setzen, und von ihrem einfachen, selbstverständlichen Opfermut werden kommende Geschlechter noch künden, wenn braune Denkmäler und verlogene faschistische Heldenbilder längst im Panoptikum als letzte Reste deutschen Mittelalters vermodern.
Lebt der Luthergeist noch?
Auch die Kieler Theologen in Opposition
Die Kieler Theologische Fakultät gibt auf Grund einer Anfrage dortiger Pfarrer ein Gutachten zur Frage des Pfarrbesetzungsgesetzes vom 5. Oktober 1933 bekannt, in dem es heißt, daß die Bestimmung wie§§ 1 und 2 dieses Gesetzes, durch die das Recht der Berufung der Pfarrer dem Landesbischof zuerteilt wird, sich mit den evangelischlutherischen und den reformierten Bekenntnisschriften zum Teil nicht vereinbaren lasse. Denn erstens komme dem evangelischen Bischof feine obrigkeitliche Befugnis, feine Herrschaftsgewalt über die Kirche zu; sein Aufsichtsamt sei ebenfalls ein Amt der Liebe, nicht aber der Gewalt.( Hierzu Hinweis auf die Augsburger Konfession 18, 20-23, 76). Und zweitens, das geistliche Amt sei nicht trotz des allgemeinen Priestertums, sondern auf Grund des allgemeinen Priestertums notwendig. Dieses sei unveräußerlich und untrennbar verbunden mit der reformatorischen Lehre von der
,, Spielbank Baden- Baden ist Trumpf"
Die nationalsozialistische Tageszeitung für Württemberg , der„ NS.- Kurier", teilt unter vorstehender Ueberschrift mit, daß eine besondere Schule für deutsche Kroupiers errichtet werden soll. Heute müsse am Roulette in Baden- Baden leider noch französisch gesprochen werden. Aber trotzdem habe der Spielbetrieb so lebhaft ein gesetzt, daß mehr Roulette aufgestellt werden mußten, um den Andrang der Spieler zu bewältigen". Gespielt wird um Beträge von 2 bis 1000 Mark.„ Man eilt," schreibt die sorg Iose Nazizeitung, fort vom Spieltisch, die einen hinaus in die kühlende Herbstlust, die andern hin zur Bar im benach barten Blumensaal, wo zahlreiche Erfrischungen winken, und man sich bald fröhlich, bald resigniert zutoastet."
Rechtfertigung allein aus dem Glauben. Luther und Melanchton hätten aus dem allgemeinen Priestertum drei Rechte der Gemeinde gefolgert: das Recht über die Lehre zu urteilen( Augsb. Konf. 1, 1), das Recht, den Pfarrer selbst zu berufen( Luthers Tractatus über die Macht des Papstes§ 67) und das Recht, Einspruch gegen Lehre und Wandel und Gaben eines Berufenen geltend zu machen. Insbesondere wendet sich das Gutachten auf Grund dieser Darlegungen gegen die Bestimmung des genannten Gesetzes, daß ein Einspruch gegen eine vom Landesbischof vorgenommene Berufung unzulässig sei; aber auch die uneingeschränkte Béfugnis des Landesbischofs selbst unterliege auf Grund der reformatorischen Lehre starten Bedenken. Dieselben Grundsäße der reformatorischen Lehre werden auch auf das neue landesbischöfliche Recht angewandt, Pfarrer zu versetzen und zu beurlauben.
Melanchton hätten aus dem allgemeinen Priester Familie Eintopf
ombiw sw
Man caubt ihm die in Jahrzehnten gesammelten Kunstschätze
Im„ Deutschen Reichsanzeiger" und" Preußischen Staatsanzeiger" ist eine Bekanntmachung des Geheimen Staatspolizeiamts veröffentlicht worden, wonach das Vermögen des Schriftstellers Eduard Fuchs und seiner Ehefrau, die jetzt im Auslande leben, auf Grund des Gesetzes über die Einziehung kommunistischen Vermögens in Verbindung mit dem Gesetz über die Einziehung staats- und volksfeindlichen Vermögens zugunsten des preußischen Staats eingezogen worden.
Hinter dieser sachlichen Mitteilung verbirgt sich ein hitleramtlicher Raubzug der selbst in diesen an Exempeln so reichen Monaten seinesgleichen sucht. Eduard Fuchs war mehr als dreißig Jahr sozialdemokratischer Redakteur. Später wandte er sich von der aktiven Politik ab und trieb kulturhistorische Studien, deren Frucht eine Reihe viel gelesener, auch in der
Welt der Wissenschaft anerkannter Schriften war. Er besaß eine der größten internationalen Sammlungen politischer und gesellschaftlicher Karikaturen von außerordentlichem Wert. Seine mehrbändige„ Geschichte der politischen Karikatur" gehört zu den bedeutendsten Werken auf diesem Gebiet. Sie wurde von Interessenten und Kunstliebhabern geschätzt und benutzt. Daneben aber hatte Eduard Fuchs eine große Sammlung von Gemälden und Zeichnungen des großen französischen Malers und Karikaturisten Honore Daumier , um die ihn die Museen in der Welt beneideten.
Eduard Fuchs hat nie einen Hehl daraus gemacht, daß er politisch wie weltanschaulich zur radikalen Linken gehörte. Nun hat der Hitlersche Raubstaat die süße Rache an Eduard Fuchs erfolgreich mit dem Diebstahl von Kunst- und Kulturwerten verbunden, deren materieller Wert in die Hunderttausende geht.
Eine Szene, die der zwangsweise gleichgeschaltete Hans Rei mann nicht geschrieben hat....
Ort der Handlung: Eine spießbürgerlich eingerichtete Wohnung irgendwo in Sachsen . Das Eintopfgericht dampft auf dem Tisch.
Der Vater:' choffe, Ihr seid Euch alle der Bedeidung der Schdunde bewußd; nicht alle Dache hammir das Glück, midn Deberschden der Nadsion aus een Dobb ze essn. Baul, schlirf nich so.
Die Mutter: Nu, de dusdia gerade, als ob mir an den annern Dachn aus zehn Debbn essn dädn.
Der Vater: Das is egal. Feierdach is Feierdach. Der Führer wills eso un damit bastda. Baul, mach nich son Grach bein Effn.
Die Mutter: Nu, wenn Feierdach is, da freßd Ihr immer zeviel. Fordn Garl muß voch noch ewas iwrich bleim. Paul: Wo ißn der heide?
Der Vater: Der had heide Dienst beidr SA. Der had schon gesdrn ahmd gesaachd, daßr heid& EK. kriecht. Paul: Was meendn der drmit?
Der Vater: EK., das heeßt Essenkontrolle. Der muß heide den Leidn indn Dobb guckn, obse ooch bloß alle een Gang ham.
Die Mutter: Nu, da wird der awr derwechn hibschn Hunger ham, wenn der von der Essengondrolle heem gommd. Und Ihr, Ihr freßdn alles weg!
Der Vater: Nu, warum machsdn nich mehr von der Gelumbe?
Die Mutter: Nu, warum gibstn mir nich mehr wird. schafdsgeld?
Der Vater: Nu, wer hadmr denne& Gehald abgebaut? Die Mutter: Nu, wer wardn der greeßde Nazi indr Familche un had immer gesachd, wenndr Hidler gommd, wird alles besser? Nu mußde de Suppe ooch ausleffln. Paul:' 3 is doch gar feene mehr da!
Die Mutter: Nu, du maderialisdscher Briezt, das midd* Suppe, das meench doch bloß simbolisch