Deutsche   Stimmen Beilage zur..Deutsɗfien Freifieit" Ereignisse und Geschichten

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Mittwoch, den 15. November 1933

Vergessen wir die Vergangenheit nicht"

Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht die Literarische Welt", ein hundertprozentig gleichgeschaltetes Blatt, in seiner Nummer vom 9. Juni(!) 1938 einen Artikel, der auch heute noch besondere Beachtung verdient. Wir ent nehmen ihm u. a.:

Können die Rechtskreise des alten Deutschland   den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, auf dem Gebiete der Kunst Pionierarbeit geleistet zu haben? Waren sie beteiligt an irgendeiner Entdeckung literarischer Werte von hervor ragendem Rang? Nein, alle Entdeckungen, jegliche Protek tion, überhaupt die Ermutigung aller freien Geister blieb den Leuten von Gegenüber" vorbehalten, den demokratischen Kreisen, vor allem in Preußen der Berliner   Demo­kratie, die sich vorwiegend aus Juden formierte.

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Wo ist der begabte deutsche   Dichter, der zu Ruhm und Ehren kam durch einen Verleger der Rechten? Machen wir uns feine Illusion. Die Entdeckung aller hervorragen­den literarischen Talente wurde durch die Berliner   Demo­traten gemacht, besser gesagt, durch die Juden.

Der Jude Brahm war der erste, der in Deutschland   das Geistesleben in großem Ausmaße beeinflußte. Er war es, der Gerhart Hauptmann   förderte und Jbsen und Strind­berg, auch Sudermann.

Es war Rodenberg   mit seinem bürgerlichen Namen Levy, der die Werke von Gottfried Keller  , von Konrad Fer­ dinand Meyer   und Marie von Ebner- Eschenbach   veröffent­lichte.

Und Fontane? Fontane, der keine andere Liebe kannte als die zum preußischen Adel, zum preußischen Bauerntum und zu allem, was das militärische Leben Preußens aus­machte?! Fontane, der die Schönheit der Brandenburger  Märsche entdeckte, der den Ruhm von Seydlig und Ziethen

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in unvergeßlichen Balladen besang, der Romane schrieb, die den preußischen Landadel verherrlichten?! Wer hat Fontane entdeckt?

Wer hat seine Werke herausgegeben? Beitung, ein demokratisch- jüdisches Blatt!

Die Voffische

Das deutsche   Kaiserreich und das preußische Königtum fümmerten sich wenig um die Existenz dieses Fontane, des besten Kenners und Verehrers preußischen und deutschen  Geistes. Die offiziellen Kreise, in der Hauptsache gebildet aus hohen Offizieren und preußischen Großgrundbesizern, ließen Fontane sich mit den schlimmsten materiellen Sorgen herumschlagen, und es ist einzig und allein das Verdienst der Linken", daß er schreiben und seine Werke veröffent lichen konnte.

Braucht man besonders darauf hinzuweisen, daß die glücklichsten Entdecker literarischer Talente, ein Samuel Fischer   in Berlin  , ein Albert Langen   und ein Georg Müller in München  , alle drei, demokratische und übernationale Tendenzen vertraten?!( Heute nicht mehr. D. R.  )

Die Gleichgültigkeit des alten deutschen   Regimes gegen­über allem, was talentiert und freigeistig eingestellt war, hat zu schwerwiegenden Konsequenzen und zu einem ung e- heuren Unrecht geführt. Mehr als ein   deutscher Schrift­

steller, mehr als ein   deutscher Dichter, die uns beute als

absolut neutrale Geister, vom Standpunkt des Rassischen und Ethischen betrachtet, erscheinen, hätte sein Talent bis zur Ethischen betrachtet, erscheinen, hätte sein Talent bis zur höchsten Entfaltung bringen können, wenn sich die gut­deutschen Kreise des alten Raiserreiches die Mühe gemacht hätten, sich um die Leute zu kümmern und eine Ehren­pflicht darin gesehen hätten, die jüdische Demokratie von der Miffton zu entbinden, die schöpferischen Kräfte des   deutschen Volkes zu entdecken und zu kultivieren.

Der braune Kater Lampe"

,, Soziale Töne sind kaum noch zu hören" Emil  

Rosenow hat als junger Mensch den Rater  Lampe" geschrieben. Nahezu dreißig Jahre ist er tot, aber fetne Komödie überdauert die Zeiten. Der sozialdemokra tische Redakteur aus   Köln, als Reichstagsabgeordneter eines erzgebirgischen Kreises vergöttert von den armen Webern, schrieb dieses Stüd mit anflägerisch- sozialem Kampfgeist. Der Streit um den Hasenbraten, der unter den Augen der hohen Obrigkeit von einer Proletarierfamilie verwahrt und verspeist wird: er ist nicht nur eine sanft- humorige Satire, sondern ein drastischer Anruf gegen soziale Knechtung. Es schreit darin die hungernde Kreatur.

Es muß nicht gut beftellt fein um die neue dramatische An­furbelung, daß die Herren Theaterdirektoren in ihrer Ber aweiflung fogar zu Stücken von Marristen" aurückgreifen müssen. Nur weil er tot ist, kommt   Rosenow zu der Ehre; lebte er, so wäre der Rater   Lampe" auf dem Inder und Jein Autor im Konzentrationslager. Aber man mußte dem armen Kater ein neues braunes Fell überziehen, denn nun ficht er, nach dem Bericht der Vossischen Zeitung" über die Aufführung im staatlichen Schillertheater, so aus:

Die naturalistische Komödie steht als Volksstück wieder auf, die sozialen Töne sind kaum noch zu hören, und der Humor um den Kater, den die Be­

Die Rache Bruno  

Paul entlassen

Der preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Bolts­bildung hat auf Grund des Paragraphen 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des   Berufsbeamtentums in den Ruhestand versetzt: Den Vorsteher eines akademischen Meisterateliers bei der Akademie der Künste in   Berlin, Professor Bruno  Paul, den Kammermusiker i. e. N. Eduard Turba am Nassauischen Landestheater in   Wiesbaden, die Professoren an der Hochschule für Lehrerbildung, Professor i. e. R. Fried. rich Bender(   Frankfurt a. M.), Professor i. e. R. Dr. Karl Asmus in   Frankfurt a. M. und Professor i. e. R. Dr. Otto Grüters in   Dortmund.

Von den hier Genannten, die dem Fallbeil Rufts aus Gründen der Raffe oder der Gesinnung zum Opfer fielen, ist Bruno   Paul der Bekannteste. Auf seinen Namen stieß man zuerst im Vorkriegs- ,,   Simplizissimus". Seine wuchtigen Beichnungen, soziale Satiren ersten Grades, machten ihn zu einem Pionier dieses Kampsblattes gegen bourgeoisen Spießergeist. Heute- wie schon einmal während des Krieges hat der Simpliziffimus" sich den Herrschenden gebeugt und verkauft. Bruno  

Paul war indes mehr als Zeichner. Er gewann als Runstgewerbler und Architett mit neuartiger Ge­ftaltungskraft einen großen Ruf. 1919 wurde er an die Aka­demie der Künfte in   Berlin berufen. Man hat nie davon ge­hört, daß er, der Rassearter, sich politisch betätigte. Aber aweifellos: er war, vom alten Simplisiffimus" her, immer­bin vorbelastet".

Ein Gehetzter starb Hermann  

Heller

Aus   Madrid fommt die Nachricht, daß dort in jungen Jahren der Professor des Staatsrechts Dr. Hermann Heller einem Herzleiben erlegen ist. Genosse Hermann Seller, ein gebürtiger Defterreicher, war Universitäts­professor in   Leipzig,   Berlin und   Frankfurt. Er gehörte zu ben Vertretern Preußens in dem großen Prozeß vor bem Staatsgerichtshof wegen des Staatsstreiches vom 20. Juli 1982. Hermann   Heller ist in breitesten Kreisen durch sein Buch über den Faschismus bekannt ge­worden. Als die Nazi zur Macht famen, verjagten fie ben Jungen sozialdemokratischen Gelehrten von seinem Lehrstuhl. Bier Jahre Front nüßten bem mit österreichisch- jüdischer Herkunft und margistischer Gesinnung doppelt Belasteten

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Chinesisches Loblied

Stehende Heere müssen wir haben, stehende Heere im himmlichen Reich. Wär es nicht wahrlich Jammer und schade, wenn wir nicht hätten manchmal Parade, wenn wir nicht hörten den Zapfenstreich? Stehende Heere müssen wir haben, stehende Heere im himmlichen Reich. Stehende Heere müssen wir haben, weil sie in Umlauf bringen das Geld; wo die Soldaten zechen und zehren muß sich der Handel und Wandel vermehren, und es verdient dann alle Welt. Stehende Heere müssen wir haben, weil sie in Umlauf bringen das Geld. Stehende Heere müssen wir haben, wo sie bestehen, bestehen auch wir. Wenn wir die stehenden Heere nicht wollten, wüßten die Junter nicht was sie sollten, ach! und die meisten verschmachteten schier. Stehende Heere müssen wir haben, wo sie bestehen, bestehen auch wir. Hoffmann von  

Fallersleben,

Musik mit Staatsanwalt Hitlers Lieblingsmarsch

Hitlers Lieblingsmarsch ist angeblich der Badenweiler   Marsch". Das Recht, ihn zu drucken, hat allein die Firma B. Schotts Söhne,   Mainz-   Leipzig. Run aber hat sich eine Firma gefunden, die den alten Ritsch ,, unberechtigt" nachdruckt. Schotts Söhne verlautbaren in cinem aus Konkurrenzneid und Patriotismus gemischten Gefühl: Als Hersteller und Verbreiter hat die Staats­anwaltschaft die Firma Alfred Lehmann, Musikverlag und Großsortiment,   Leipzig, ermittelt. Die bei den Haussuchun gen aufgefundenen Bestände und Druckplatten wurden be schlagnahm t." Die Fälscherfirma Lehmann aber ist eine bekannte Nazifirma und ist bemüht, verschiedene Gauleiter für sich in Trab zu sehen. Schotts Söhne wieder hoffen auf den Osaf selbst. So werden heute in   Deutschland privat­rechtliche Konflikte ausgetragen. Aber auch das gehört zum Bild dieses heroischen Staates.

schränktheit der Großfopheten und der Hunger der kleinen Leute in die Bratpfanne bringt, wird mit fräftigem Theater zu fräftigen Wirkungen geführt. Emil Rosenows abgeordneten fächsisches Milieustüd hat lange genug feinen satirischen, antlägerischen Zwed erfüllt und wird feine Uebertragung in eine harmlosere Form überdauern. Bei dieser Umformung erweist sich Franz   Ulbrich als ein Regiffeur, der die dörfliche Atmosphäre der Ver­sippten, Verquickten, Verfeindefen, Verfreundeten zu zeichnen versteht und die Enge und die Behaglichkeit zu den legitimen Effekten des Theaters aufzutreiben vermag. Zu weilen sieht er die Szenen( etwa den Beginn des dritten Attes) allzu lange hin, manchmal übertreibt er die Romik ( den hilflosen Abhang des Kazen- Erwischers unter dem Gejohl der Dorfjugend) mit groben Mitteln- das tut nichts, da das Ganze belebt, aufgeheitert, wirksam, mit­reißend wird. Ein regulär, durchschlagender Theaters abend...

des sozialdemokratischen Redakteurs und Reichstage Strafe ohne Gesetz

Der juristische Rerngedanke der   deutschen Rechtspflege is das Verlassen des Grundsatzes Reine Strafe ohne Gefeh". Dieser neue juristische Gedanke, der in Wahrheit die Auf­hebung jeder Rechtssicherheit bedeutet, ist nach " Deutschen Zeitschrift für Wohlfahrtspflege" nur deshalb möglich, weil die Einheit von Volk und Staat und die Volksverbundenheit des Richters feine Beibehaltung( näm lich des Grundsatzes: Reine Strafe ohne Gefeß!) überflüssig macht. Auch eine nicht für strafbar erflärte Tat, soll bestraft werden können, wenn sie nach ge= sunder Boltsanschauung verwerflich ist....

Regulär" ist das gerade nicht. Man hat den Willen Emil Schminke dich- deutsch!

Rosenows frech verfälscht. Freilich, es gibt einen Satz in der Besprechung der Bossischen Zeitung", der den Schaden beinahe wieder gut macht. Soziale Töne sind kaum noch zu hören" das ist eine aktuelle Ansicht, die wirklich durch­schlagend" ist.

nicht das geringste. Auch er mußte fliehend das Land ver­laffen und irrte mit Frau und vier unerwachsenen Kindern in der Welt herum, bis er endlich an der Universität   Madrid gaftfreie Aufnahme fand. Entbehrungen und Aufregungen hatten indes die Gesundheit des erst 42jährigen so unter­graben, daß er einem Herafchlag erlag. Heller ist der Ver­faffer zahlreicher wertvoller Schriften wie Hegel und der nationale Machtstaatgedanke"," Politische Ideenkreise der Gegenwart" und   Europa und der Faschismus". Eine von ihm vollendete Staatslehre" liegt im Manuskript voll­endet vor.

Man erinnert sich, daß in den ersten Wochen der natio ist eine orientalische Sitte und typisch für die Vertreterinnen nalen Erhebung" mit Emphase verfündet wurde: Schminken der jüdischen Rasse. Die deutsche Frau schmintt sich nicht. Die kosmetische Industrie wird das nicht ge­rade mit Begeisterung vernommen haben. Es ist anzu­nehmen, daß sie Einspruch erhoben hat. Also wird auch dieser Feldzug für die Erneuerung der   deutschen Frau eingestellt, ,, um vor der größeren Aufgabe zurückzutreten: Arbeits­beschaffung". Die fosmetische Industrie atmet auf und ver schickt Werbeschreiben, die der Sehr geehrten gnädigen Frau" mit deutschem Gru ß" übermittelt werden.

faffer zahlreicher wertvoller Schriften wie Degel und der Um voczutauschen"

Die beaune Ulla

Im Alter von sieben bis zehn Jahren"

Um bie Kinder für die Nasibewegung zu mobilifieren, wirft der Naziverlag Schneider eine Reihe von natio nalsozialistischen Jugendbüchern auf den Markt. Sie beginnt mit einem Buch für Sieben- bis Zehnjährige Kinder, was wißt ihr vom Führer?" und endet vorläufig mit dem Kitsch buch: UIIa, ein Hitlermäbel." Zwischen diesen Büchern gibts natürlich einen Kampf" um die   Münchener  Feldherrnhalle, den man packender nennen könnte: Des Führers volle Hosen", dann einen Horst   Wessel", einen Hitlerjungen namens und einen Banditen von der   SA.

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Vom Kriminalroman zum Nazitum

Der Reichsinnenminister Branddirektor Hermann   Göring hat folgendes Rundschreiben an die Unterrichtsminister der Länder zu erlassen geruht: Der nationalsozialistische Durchbruch hat ver fchiedene Verleger veranlaßt, eine Unmenge sogenannten national sozialistischen Schrifttums für die Jugend herauszubringen. Jugendschriftenverlage, die noch im vergangenen Jahre fast aus­schließlich mit Kriminalromanen für die Jugend auftraten, bringen in diesem Jahre in geradezu ungeheuerlicher Zahl sogenannte notionalsozialistische Werke heraus. Bücher und Zeitschriften werden häufig in ben veuen Farben und Sinnbildern des national­frzialistischen   Deutschland herausgebracht, um vorzutäuschen, als handle es sich um Werke, die im Geist des neuen Staates und der ihn tragenden Bewegung geschrieben seien. Die Unterrichtsminister der Länder wollen daher die ihnen unterstellten Schulverwaltungen derauf hinweisen, daß die größte Vorsicht gegenüber diesen Neu­erscheinungen am Plaze ist." In Wirklichkeit sind natürlich die Kriminalromanverleger durchaus im alten Bereich geblieben, wenn fie nun Naziliteratur herstellen.

namens Schott. Dem Berlag Schneider gehts materiel Zeit- Notizen

schlecht. So will er sich helfen. Wer aber seine Bücher kauft, hilft einem militanten Ragi!

Die Kleinheit und Erbärmlichkeit der   deutschen Seele war und ist ganz und gar nicht eine Folge ber Kleinftaaterei: man ist bekanntlich in noch viel fleis neren Staaten stolz und selbstherrlich gewesen: and nicht die Großftaaterei an fich macht die Seele freier und männlicher, In weffen Seele ein fflavischer Imperativ bu sollst und mußt fnien!" eine unfreis willige Nadenbengung gebietet vor Ehrentiteln, Orden, gnädigen Bliden von oben hinunter, ber wird sich in einem Reiche" nur noch tiefer büden und hen Staub vor dem groken Landesvater nur noch inbrünftiger aufleden, als er es vor dem fleis nen tat: baran ist nicht zu zweifeln.

Fr. Nietzsche.

Verboten

wurden folgende Druckschriften: Franz Podufal Chrifti Gegenwart zum Weltgericht", Selbstverlag, Schwiddern; Herbert Jhering Reinhardt- Jeßner- Piscator oder Klassikertod",   Berlin, Rohwolt; bas mit den Worten Der Herr Reichsminister für Boltsaufffärung und Propaganda äußert sich mit Schreiben vom 7. 9." beginnende Werbeschreiben des Rheingoldverlages in   Mainz; Reinhold Bulle Die Sendung des Nordens",   Leipzig, Köhler; Ernst Ipberner­Haldane Der Chiromant", Neckar- Gmünd; 28ider einen faulen Frieden mit den   deutschen Chriften, für einen wahren Frieden in unserer evangelischen Kirche," Herausgeber Freie Evangelische Presbyterianer, Enen; Ernst Ißberner-   Haldane Menschen und Leute",   Berlin, Verlag Reichstein; Bolksblatt zur Wedung und Förderung christlichen Lebens,"   Marburg, Neichsverlag des DGD.; J. Güttler Bibelkommentare",   Prag; Hermann Sander Mit Freis geld zur Festwährung Der Weg aus der Not", Echte Post, Nort heim: Gewerkschaftliche Rundschau für die Echweiz",   Bern; Mar­geuer Tageblatt,   Aarau; Besboznit", Jülustrierte Monatsschrift,  Moskau. Das Verbreitungsverbot von De Nieuwe Dag Amsterdam, ist aufgehoben.( Kriminalpolizeiblatt 1600-1809)