oleneiter

Freiheit

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

180110

-

Nummer 132 1. Jahrgang

Saarbrücken , Freitag, 24. November 1933

Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalt

6 Monate

im Konzentrationslagee Seite 3

Wirtschaftsberichte

Seite 4

Deutsche Zukunft

Seite 5

Deutscher Studentenbrief

Seite 8

Inseratenteil beachten!

Neuer Konflikt zwischen Papst und Berlin

Der

50190

bedrohte Katholizismus- Ergebnislose Ergebnislose Verhandlungen

In dem vor einiger Zeit zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich geschlossenen Konkordat hat die katho­ lische Kirche formell bedeutende Erfolge erzielt. Die Priester wurden zwar vollständig aus der Politik verbannt, aber auf dem religiösen Gebiete blieben sie dem Wortlaut des Kon­fordates beinahe unbeschränkt. Es zeigte sich aber bald, daß die nationalsozialistische Weltanschauung" durch sehr viele ihrer Vertreter Totalitätsansprüche auch gegenüber den Kirchen durchzusetzen versuchte. In der protestantischen Kirche beschäftigen diese Kämpfe seit geraumer Zeit in wach­fendem Maße die Oeffentlichkeit. Die katholische Kirche sucht den Konflikt durch Verhandlungen zwischen Rom und Berlin auszugleichen. Dabei ist einzuschalten, daß auch unter den deutschen katholischen Bischöfen sich Spannungen ergeben. Gegenpole sind der Münchener Kardinal Dr. Faulhaber und der Freiburger Erzbischof Dr. Groeber. Der eine ist ent­schlossener Gegner des Nationalsozialismus, der andere ist nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich gleichgeschaltet.

Die Prager Presse" brachte dieser Tage eine Rede des Bischofs Wais in Feldkirch ( Vorarlberg ) anläßlich der Tagung der katholischen Lehrer, in der er u. a. folgendes berichtete:

Ein Saftbefehl gegen den Münchner Erz­bischof, Kardinal Faulhaber ( einen erbitterten Gegner Hitlers und seines Schüßlings, des Benediktinerabtes Al­ ban Schachleiter ) jei bereits unterschrieben gewesen, aber der bayerische Statthalter General v. Epp habe per: fönlich in Berlin bei Hitler interveniert und mit seinem Rücktritt gedroht, falls die Verhaftung erfolgen sollte. In München habe man damals schon einen Vertreter des Kar­dinals bestimmt, Waiz teilte weiterhin mit, daß in Bayern 140 Priester in Schußhaft seien und daß in der Pfalz ka­tholische Priester barfuß und mit Schandplaketten auf der Brust durch die Straßen geführt wurden. Der Papst habe in einer Audienz erklärt, daß in Deutschland das Christentum zurüdge drängt werde und ein anderes Kreuz zum Vorschein komme; das Heidentum mache sich geltend.

Diese Ereignisse liegen zum Teil schon etwas zurück, aber es ergeben sich immer neue Schwierigkeiten und Zusammen­stöße bei der Durchführung des Konkordats. So werden die fatholischen Jugendorganisationen planmäßig ruiniert. Die nationalsozialistischen Lehrer zwingen auch die katholischen Kinder und Jungmannschaften in die Hitlerorganisationen. Die katholische Presse, die sich durch Gleichschaltung willig prostituirt hat, wird entsprechend verachtungsvoll behandelt. Sie wagt feines führenden Katholiken Ehre mehr zu ver­teidigen. Ihr Bezieher und Annoncenschwund ist verheerend. Der bayerische Ministerpräsident Stebert rüffelt öffent­lich die Bischöfe, weil sie in ihrem Aufruf zur Wahl die vor­behaltlose Freudigkeit vermissen ließen und erteilt den Bi­schöfen den dienstlichen Befehl: Die Zeit der politi­sierenden Kirche ist vorbei." Der Reichsjugend­führer Baldur von Schirach , dem die Gleichschaltung auch die katholische Jugend ausgeliefert hat, bekennt: bin weder Protestant noch Katholik, ich glaube an Deutschland ." In den Ohren jedes gläubigen Katho­lifen aber wie viele davon gibt es noch?- eine unge­beuerliche Reßerei!

Ich

Nun hat sich vor drei Wochen der Ministerialdirektor Buttmann im direkten Auftrag des Reichskanzlers nach Rom begeben, um mit der Kurie zu verhandeln, aber er hat kein positives Ergebnis mitgebracht.

Wenn auch der Abschluß des kirchenpolitischen Konkor bats keine Anerkennung der nationalsozialistischen Welt­anschauung bedeutet, sondern nur die Verhinderung größe­ren Uebels gegenüber dem deutschen Katholizismus herbei­führen sollte, fo gewinnt das Verhältnis zwischen dem " dritten Reich" und dem Vatikan doch insofern erheblich an internationaler Bedeutung, als, wie gerüchtweise in Genf behauptet wird, der Vatikan vor einer großen Protestaktion teht. Ein päpstliches Rundschreiben werde lich gegen die Gewaltatte und Terrormaß= nahmen in Deutschland richten in entschie= dener Form gegen das Arierunwesen und leine Auswirkungen Stellung nehmen und vor allem die strikteste Innehaltung der Ronkordats: Bestimmungen von Hitler fordern

Wie die Batter National- Reitwna" erfährt. ist auf Ver: anlaffung zur Saltena der vänstlichen Aurie die 3enfu= rierung der Rundgebung des bayrischen Episkopats geweien, die dieser zur Wahl vom 12. No: vember erlassen hatte. Die Verlautbarung der bayrischen Bischöfe, mit Kardinal Faulhaber an der Spike, wurde von der Kanzlei des Reichskanzler als weder notwendig noch

zufriedenstellend bezeichnet und der Aufruf des Breslauer Erzbischofs, Kardinal Bertram , wurde als uner­wünscht abgetan. Diese Kennzeichnungen oberhirtlicher Funktionen betrachtet die päpstliche Staatskanzlei als einen Bruch des Konkordats, insbesondere der Art. 4 und

Wir

16, die die ungehinderte Beröffentlichung von Anweisungen, Verordnungen, sirtenbriefen, amtlichen Diözesanblättern und von sonstigen, die geistliche Leitung der Gläubigen be: treffenden Verfügungen betreffen. Ministerialdirektor Suttmann ist unverrichteter Sache nach Berlin zurückge= tehrt, und selbst der Sondermission eines zweiten, dringend nach Rom beorderten deutschen hohen Diplomaten ist es nicht gelungen, die Bedenken des Vatikans zu zerstreuen. Die Lage wird daher als sehr ernst angesehen. Ausländische Zeitungen glauben aus diesem Konflikt einen Kulturkampf prophezeien zu können, der weit über den unter Bismarck hinausreichen werde. halten das für stark übertrieben. Der deutsche Katholizismus h nicht religiös und nicht organisatorisch noch die Kräfte, die er in den siebziger und den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelte. Die feige Charakterlosigkeit gegen­über dem politischen Sieger Nationalsozialismus war in feinem Lager größer als in dem des deutschen Katholizismus. Auch das Wort des Papstes wird nicht genügen, sieghafte Widerstandskräfte in Deutschland zu mobilisieren. Ist doch im Lager des Katholizismus durch Konjunkturkatholiken, wie die um den Vizekanzler von Papen, die Spaltung tief. Eben erst hat sich der Erzbischof Dr. Groeber von Freiburg durch eine öffentliche Erklärung an die Seite der Papen­schen Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher gestellt, und er wünscht ihr weiteste Verbreitung. Es ist gewiß kein Zu seinen Münchner Kollegen und dessen Anhang öffentlich auf fall, daß der Freiburger gerade in diesem Augenblick gegen

Der deutsche Katholizismus hat sich selbst entwaffnet. Er hat ferner durch seine Unterwerfung unter die Kommißstiefel der Glaubensfräfte erschüttert. So ist er mit in die große poli­SA. in vielen bis dahin treuen Seelen, die katholischen

tische Katastrophe hineingerissen worden, die nur Hohlköpfe als beendet ansehen können. Jedes kommende Regime in Deutschland wird aus der unerwarteten Schwäche der katho­ lischen Kirche die Folgerungen ziehen.

Unversöhnlich!

Goldene Worte des Nationalsozialismus

Wir alle wissen als Nationalsozialisten und als Deutsche Chriften: Es gibt ein Walhall für die Toten des Dritten Reichs , und gäbe es das icht, so hätte das Sterben nach den Jahren des Kampfes feinen Sinn."

Evanngelischer Brandenburger Landes. bischof am Grabe des Nationalsozialisten Rose. " Der Staat der nationalsozialistischen Revolution ist selbst ein Glaubensgut, das die Herzen der Menschen stärker bes wegt und die Bereitwilligkeit zu jeglichem Opfer mächtiger aufruft, als es die Kirchen seit langem vermochten. Es ist teine Frage: Der Staat hat auch das Regiment über die Seelen und läßt die Kirchen nur daran teilnehmen. Es ist gewiß kein Zufall, daß auf dem Siegesfest in Nürnberg bei der Grundlegung des nationalfozialistischen Kulturprogramms der christliche Glaube keine Rolle gespielt hat."

.... auch wenn man im Auge behält, daß kürzlich in einem Zwiegespräch zwischen dem stellvertretenden Reichsleiter der Deutschen Christen, Pfarrer Loerzer, und der Germania ", die chriftliche Kameradschaft" zwischen den beiden Konfeffio= nen gefordert wurde, so bleibt doch der Eindruck bestehen, daß die katholische Kirche in ihrer heutigen einigen dritten Reich" empfunden werden könnte." Form u. a. auch als ein Fremdkörper in dem " Es gibt keine katholische Gesellschaftsordnung neben der nationalsozialistischen. Es gibt dort nur ein tathos Tisches Ghetto. "

Vive la France!

Martin Goetz in der Zeitschrift Die Tat

Der neueste Heilruf des deutschen Reichskanzlers

Straßburg , o Straßburg - wir holen Dich zurück!" Noch haben wir das zum Revanchegesang umgedichtete deutsche Volkslied in den Ohren. Noch sehen wir die schwarz­weißroten und die Hakenkreuzfahnen rings um den jetzigen Reichskanzler und seine Paladine leuchten, während das Ge­lebnis zur Rückeroberung Elsaß - Lothringens aus hundert­tausend Kehlen zum Himmel sich schwingt. Noch ist der un­übersehbare Wall von zum Schwur erhobenen Armen vor uns: O Straßburg, O Straßburg, wir holen Dich zurück." Jetzt aber verkündet derselbe Mann, der mit hunderttau­senden diesen Racheschwur, ablegte in seiner neuesten Frie­densgeste an die Franzosen , in einem Interview mit dem Journalisten de Brinon von' Information":

Ich habe die Ueberzeugung- so habe der Reichskanz ler erklärt, daß, wenn die Frage des Saargebie: tes, das deutsches Land ist, einmal geregelt ist, nichts Deutschland und Frankreich in Gegensatz zueinander brin­gen kann. Elsaß Lothringen ist teine Streit: frage."

Und so geht es in ultrapazifistischen Tönen weiter.

Aber das ist noch nicht alles. Der deutsche Reichskanzler macht sich die schwersten Sorgen um die Sicherheit Frank­ reichs und ist bereit, alles, aber auch alles an Garantien für Frankreichs Sicherheit zu unterschreiben, denn daß Frank­ reich flug genug ist, keine Unehre" Deutschlands oder gar eine Drohung" gegen Deutschland zu verlangen, versteht sich von selbst.

Man beleidigt mich, ruft der Reichskanzler aus, wenn man weiterhin erklärt, daß ich den Krieg will! Sollte ich wahnwißig sein? Wenn Frankreich aber feine Sicherheit in einem Abkommen finden will, bin ich bereit, alles anzuhören, alles zu begreis fen, alles zu unternehmen.... Aber jpre: chen wir doch von der französischen Sicher heit! Wenn man mir sagen würde, was ich für sie tun tann, würde ich es gern tun, wenn es sich nicht um eine

Unehre oder eine Drohung für mein Land handelte. Ein englischer Journalist hat geschrieben, daß man Frankreich die zusätzliche Sicherheit eines Verteidigungsbündnisses mit England geben muß. Wenn es sich um ein ders artiges Bündnis handelt, will ich es gern unterschreiben, denn ich habe keineswegs die Absicht, meine Nachbarn anzugreifen. Tief beleidigt wehrt sich der Reichskanzler dagegen, daß man seine Ehrlichkeit bezweifelt. Wie wäre es, wenn er zur Bekräftigung seiner Glaubwürdigkeit sein eigenes Buch Mein Kampf " mit den wilden Haßreden gegen Frank­ reich einstampfen und seine eigenen zahllosen Reden von früher verbieten würde?

Noch steht Hitlers Friedensbeteuerungen , sein altes in dem Buche Mein Kampf " für immer gültig niedergeschrie­benes Programm entgegen:

Aufrüstung, Eingliederung der deutschsprachigen Gebiete rings um Deutschland , Vernichtung Frankreichs und seis ner fleineren Verbündeten, Eroberung von Siedelungs­gebieten im Often.

Der Reichskanzler hat auch seine diesmalige Liebeserklä rung an Frankreich dadurch entwertet, daß er diktatorisch er flärte: Wir werden nicht nach Genf zurück. Lehren." Gerade das aber will Frankreich , weil es keine Möglichkeit sieht, isolierte Verhandlungen mit Deutschland oder auch nur zwischen den Großmächten einschließlich Deutschland so zu führen, daß Ergebnisse für den Frieden Europas herauskommen.

Allerdings sind nun allmählich die Angebote des deutschen Reichskanzlers so hizig- Stresemann und Brüning wären dafür als Landesverräter gefillt worden, daß man Herrn Hitler nicht mehr lange als schmachtenden Liebhaber inmit­ten Europas wird stehen lassen können. Sein Vive la France", ist so rührend, daß Frankreich wohl in irgend welcher Form sich zu einem Gramen herbeilaffen wird. Die Gefahren, in die es sich dadurch begibt, sind freilich groß

genug.