Deutsche Stimmen Beilage zur Deutschien Freifieit" Ereignisse und Gescfitcfiten

Freitag, den 24. November 1933

Die braune Thalia

Das heroische Theater als politisches Instrument

Vier Theaterstücke über Fliegerei

Das gibt es heute

Schon an den Titeln der jetzt auf den deutschen Bühnen neu erscheinenden Stücke läßt sich ihre staatspolitische Thematik ablesen: Im Gefolge von Johsts ,, Schlageter" er­scheinen ,, Horst Wessel ", Geist der Freiheit" ,,, Düsseldorfer Passion" ,,, Langemarck ", Jugend von Langemarck " ,,, Fried­rich bei Leuthen" ,,, Die brennende Grenze" ,,, Der braune Soldat", U- Boot 116" ,,, Der Sturmtrupp"( behandelt Rathenaus Ermordung), Sturmführer X" das National­theater in Mannheim kündigt vier Uraufführungen an, die sämtlich das Thema der Fliegerei behandeln; auch hier zeigt sich die innere Aehnlichkeit des Theaters im ,, dritten Reich" mit dem Theater Moskaus , dessen Themen gleichfalls von oben kommandiert werden; vor einigen Jahren hat die oberste russische Kulturbehörde den jungen russischen Dich­tern das Thema ,, Eisenbahnwesen und seine Verbesserung" gestellt das Vorzugsthema des deutschen Theaters von heute scheint ,, Flugwesen" zu heißen.

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Bühnenverleger unter Stang

Das ganze Theatergeschäft wird nationalsozialistisch monopolisiert

Wie die nationalsozialistische Korrespondenz mitteilt, haben sich unter Führung des von Dr. Walther Stang, dem Führer des Reichsverbandes Deutsche Bühne und der Fach­gruppe Theater im Kampfbund für deutsche Kultur , ge­leiteten ,, Deutschen Bühnenvertriebs" des Zentralverlages der NSDAP.( Frz. Eher Nachf., München und Berlin ) die vier bedeutendsten deutschen Bühnenvertriebe zu einem Block zusammengeschlossen, der den Namen, Deutsche Bühnen­vertriebsgemeinschaft" erhalten hat. Der neuen Gemeinschaft, der sich nur handelsrechtlich eingetragene, arisch- nationale Verlage und Vertriebe anschließen können, gehören außer dem Deutschen Bühnenvertrieb und dem Mitbegründer, dem bekannten großen Theaterverlag Albert Langen Georg Müller, Berlin ( Dr. Ferdinand Junghans) noch an: der Dietz. mann- Verlag, Leipzig ( Gerh. Dietmann) und der Wolf Heyer­Verlag, Berlin ( Müller- Hagemann).

Der für die Weiterentwicklung des deutschen Bühnen­schrifttums und damit der gesamten deutschen Theaterkultur

sehr wichtige Zusammenschluß hat, so schreibt die gleich. geschaltete Presse, eine Kampf- und Gesinnungsgemein­schaft" begründet. Man hat sich folgende Aufgabe gesett: 1. die berufsständische, Neuordnung des Bühnenvertriebs­wesens und die Ausarbeitung gemeinsamer Richtlinien für eine neue allgemeine Standesorganisation der Verleger im Rahmen der Reichstheaterkammer. 2. Die Festlegung allge­meiner und für ihre Mitglieder verbindlicher Bestimmungen für die Zusammenarbeit zwecks Aufbaues einer verantwort­lichen deutschkulturellen Verlagsdramaturgie. 3. Bestim­mungen über die Neuordnung des Tarif- und Schiedsgerichts­wesens zwecks Schaffung und Verbürgung nationaler und moralischer Sauberkeit im deutschen Bühnenvertriebswesen. 4. Festsetzung von Richtlinien für Autoren, Aufführungs- und sonstige Verträge, wobei die Arbeit und der Kampf der neuen Gemeinschaft vor allem dem Schutz der Autoren und

bleibt. Und ähnliches gilt für die Massen, die heute nicht mehr oder nur ganz ausnahmsweise ins Kino gehen können, weil sie durch Lohnsenkung und Abzüge aller Art auf das äußerste Existenzminimum herabgedrückt worden sind.

Freilich wirkt da noch eine zweite wichtige Ursache mit. Die Gleichschaltung alles geistigen Lebens in Hitlerdeutsch­land auf das Normalmaß des amtlich approbierten Nazitums hat eine derartige Verödung bewirkt, daß auch diejenigen, die es sich noch leisten könnten, keinen Anreiz verspüren, ein Theater oder Kino aufzusuchen oder eine deutsche Zeitung in die Hand zu nehmen. Die nationalen Phrasen, die allüberall in großer Aufmachung serviert werden, sind heute bereits völlig unverdaulich geworden.

Natur und Nation

,, Der Lenz ist da", an der Bergstraße

In der ,, Frankfurter Zeitung "( 16. November) lesen wir: ,, Der Frühling hält an der Bergstraße früher als in anderen Gegenden Deutschlands seinen Einzug. Das hat maßgebende Personen auf den Gedanken der Schaffung und Aufführung eines deutschen Frühlingsspiels gebracht. Als Aufführungsort wurde das Fürstenlager ausersehen. Wie wir erfahren, soll ,, Das deutsche Frühlingsspiel" von Mitte April bis Ende Juni jeden Samstag und Sonntag abend auf der Wiese vor dem alten Herrenhaus zur Aufführung kommen. Man denkt dabei an ein Spiel das etwa im Stile des Shakespeareschen ,, Sommernachtstraum" gehalten ist. Musik und Tanz beleben das Stück, das allegorisch das Erwachen der Natur mit dem Erwachen der Nation verknüpft. Die Hauptrollen werden mit Berufsschauspielern besetzt, während die reichlich vor­

Keach um Krause

Seht in Berlin den Sportpalast, Der kaum die Riesenmenge faßt Der artgemäßen Christen! Erfaßt hat sie der Heil'ge Geist. Sie wollen, wie die Losung heißt, Zum Glaubenskampf sich rüsten. Zwar hat das Hakenkreuz gesiegt, Doch Vieles noch im argen liegt In unsern Kirchenlehren. Weg mit dem blut'gen Opferlamm, Genagelt an den Kreuzesstamm! Wir wollen Helden ehren!

O

Mit Speer und Brünne soll er gehn, Die Feder ihm am Helme wehn, Den wir als Gott anbeten. Weg mit dem Judentestament, Das Demut winselt, reuig flennt! Wir wollen es zertreten! Verjudet ist das Christentum! Wir wollen deutschen Waffenruhm! So schreit Herr Doktor Krause. Herunter mit dem Kruzifix! Das taucht für, Deutsche" Christen nix! Man klatschet mit Gebrause. Reichsbischof Müller kratzt sein Ohr: ,, Die Sache kommt mir kritisch vor, Zu kühn ist doch Herr Krause. Das Christentum bleib' positiv, Sonst geht uns noch die Sache schief." Herr Müller schickt den Krause " ach Hause.

Animus.

handene sonstige Verwendung von Volk, Tänzern, Kindern ,, Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!"

usw. Laienspielern vorbehalten bleibt. Das Frühlingsspiel selbst wird wahrscheinlich von einem Bergsträßer Dichter verfaßt.

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Schade, daß es uns nicht vergönnt ist, dabei zu sein. Die neudeutschen Rüpelscenen dieses Sommernachtstraumes an der Bergstraße werden das Erwachen der Natur mit dem Er­wachen der Nation aufs glücklichste vereinigen, wenn man kampf- und prügelerprobte SA.- Leute als Laienspieler ge­winnt. Vielleicht hat der Bergsträßer Dichter an einen Akt ,, Konzentrationslager" gedacht.

Erst werden die Stücke geprüft Die Laienspielbewegung wird eingeschränkt

Die Laienspielbewegung wird in Zukunft durch die Gau­kulturwarte der NSDAP . einer eingehenden Kontrolle unter­zogen werden. Laienspiele und Theatervereine erhalten nach einer Mitteilung des Kampfbundes für deutsche Kultur in Zukunft nur dann die polizeiliche Genehmigung für öffent­liche Darbietungen, wenn die Kreiskulturwarte der NSDAP . die Stücke geprüft und den Kulturreferenten des Regierungs­präsidiums entsprechend berichtet haben. Diese Kontrolle richtet sich gegen den überhandnehmenden Dilettantismus, der alle Schranken überschreite, die dem Vereinstheater ge­zogen seien. Jede Duldung eines derartigen Dilettantismus bedeute eine nicht tragbare Schwächung der Existenzbasis der öffentlichen Theater."

der Ausmerzung aller Methoden unlauterer Uebervorteilung Deutsche Sendung

gegenüber den jungen oder geschäftlich unerfahrenen deutschen Dichtern gilt.

Zur Durchführung dieser Aufgaben ist ein ständiger Aktionsausschuß unter Leitung von Dr. Stang eingesetzt worden. Das offizielle Mitteilungsblatt der Deutschen Bühnenbetriebsgemeinschaft ist die ,, Deutsche Bühnen­

korrespondenz".

Selten verdeutlicht sich die Herrschaft des Hakenkreuzes über die deutschen Bühnen so wie hier. Es gibt keine freien Bühnenverlage mehr, sondern nur noch solche, die Monopol­recht unter der Hakenkreuzzentrale genießen. Die bei ihnen erscheinenden Werke werden nach nationaler und moralischer Sauberkeit geprüft, das heißt: nur angenommen, wenn sie der im Propagandaministerium arbeitende Reichsdramaturg Dr. Reiner Schlösser vorher geprüft hat.

Nacht über der deutschen Bühne! Selbst die überzeugten Nationalsozialisten gehen nur noch unter Zwang ins Theater der abgestempelten Kampf- und Gesinnungsgemeinschaft, das vor Langeweile und Geistlosigkeit, strotzt.

Öde und Pleite

Die Folgen sind eine allgemeine Pleite. In Berlin zur Zeit

Endlich ein Kapitel aus dem unerschöpflichen Wellenbuch des deutschen Rundfunks:

Von dem badischen Pressechef beim Staatsministerium, Franz Moraller , wurde ein Hörspiel Hölzschlacht" ge­sendet. Der nationalsozialistische ,, Führer" bemerkt dazu, daß das Hörspiel für alle SA. - Männer, die selbst im Toben jener größten Saalschlacht Karlsruhes standen und dem Mordbrenner aus dem Vogtland seine so dringend notwendige Abreibung erteilten, ein Wiedererleben und eine Erinnerung an vergangene ,, schöne" Zeiten ist". ,, Abreibung" ist das Symbolwort des kämpferischen Nationalsozialismus. Für Theater, Film und Radio wird es fortan der Inbegriff der Volksordnung der deutschen Nation", um ein markiges Wort des Herrn Göbbels zu ver­wenden, sein und bleiben.

Friedrich Schiller wird konfisziert

Auf Anordnung des Untersuchungsrichters des Straflandes­gerichtes Wien I wurde die neue Nummer der vierzehn­täglich erscheinenden Zeitung Post und Telegrafie", die von der Einheitsgewerkschaft herausgegeben wird, konfisziert. Die Konfiskation erfolgte auf Grund des Paragrafen 300 des Strafgesetzbuches( Aufwieglung). Der eigentliche Auf­wiegler kann sich leider nicht mehr vor Gericht verant worten, er heißt Friedrich Schiller und hat sich seinerzeit, vor mehr als hundert Jahren, durch einige volksverhegende, die staatliche Autorität untergrabende Theaterstücke unlieb­sam bemerkbar gemacht. Später ist er allerdings durch einige Zitate in die vaterländischen Lesebücher eingegangen und die Obmänner vaterländischer Vereinigungen haben auf diese Zitate ihre Festreden aufgebaut; in jüngster Zeit aber hat man wieder die Bedenklichkeit dieses deutschen Klassi kers aufgespürt und die Staatsanwälte machen den Literatur historikern die Erbschaft des großen Dichters streitig. Die Zeitung der Einheitsgewerkschaft hat, ohne redaktionelle Einleitung, ohne ein Wort hinzuzufügen, unter dem Titel ,, Don Carlos , ein Trauerspiel von Friedrich Schiller , 3. Akt, 10. Auftritt" einen Teil des berühmten Gespräches zwischen Marquis Posa und König Philipp abgedruckt; die Verse wurden in Bausch und Bogen konfisziert. Es dürfte sich überhaupt empfehlen, die Werke deutscher Klassiker poli­tisch zu überprüfen

Seltsames Verbo

Berlin , 19. Nov. Das Groß- Berliner Aerzteblatt teilt in seiner Nummer vom 11. November 1933 auf der ersten Seite des redaktionellen Teils folgendes mit: Auf Grund einer Verfügung des geheimen Staatspolizeiamts vom 10. Novem­ber 1933 ist das Erscheinen der Berliner Aerzte- Korrespon­denz ab sofort bis auf weiteres verboten." Die betreffende Nummer des Berliner Aerzteblatts bringt nur Anzeigen und geschäftliche Mitteilungen für die Aerzteschaft.

Diebstahl an Einstein perfekt und ,, legalisiert"

Im Deutschen Reichsanzeiger wird eine Bekanntmachung des Geheimen Staatspolizeiamts. veröffentlicht, in der mit geteilt wird, daß auf Grund des Gesetzes über die Ein­ziehung staatsfeindlichen Vermögens die Vermögensgegen­stände der Eheleute Albert und Else Einstein, zuletzt Ber­ lin W 30, Haberlandstraße 5, zugunsten des Preußischen Staats eingezogen worden sind.

Görings Balmung

die sieben größten Theater geschlossen. Es sind die Theater Das Schwert an seiner Linken

unter ihnen, mit denen Max Reinhardt den Weltruhm der Theaterstadt Berlin begründet hat. Eines der größten Ber­ liner Kinos, der Ufa- Palast am Zoo, mußte dieser Tage ge­schlossen werden.

Man mag berechnen, wieviele Schauspieler und Bühnen­arbeiter, wieviele Kinoangestellte, wieviele Buchdrucker und Zeitungsangestellte durch diese Zusammenbrüche ihr Brot I verloren haben. Aber das ist nicht einmal das Entscheidende. Zusammenbrüche, die viele Tausende und Zehntausende um ihre Existenz bringen, sind ja auch in der Industrie Nazi­deutschlands an der Tagesordnung, wenngleich sie dort nicht so offenkundig und daher leichter zu verheimlichen sind. An der Pleite der deutschen Meinungs- und Vergnügungs­industrie sind vor allem die Ursachen interessant. Zwei Hauptursachen spielen da eine Rolle.

Das eine ist die immer mehr wachsende Verarmung der breiten Schichten des deutschen Volkes. Eine Unzahl von Beamten und Angestellten, Kaufleuten und Gewerbe­treibenden, die sich vor einem Jahre noch ganz gut einen Theaterbesuch leisten konnten, finden heute kaum mehr zum nötigsten ihr Auslangen; den Beamten und Angestellten sind ihre Bezüge gekürzt worden, die Geschäftsleute haben von Monat zu Monat geringere Einnahmen außerdem aber müssen sie alle fleißig für allerhand nationale" Zwecke spenden, bis ihnen k'n ,, überflüssiger" Pfennig mehr übrig

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In Köln hat man zum Direktor der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule, nachdem man den vortrefflichen, nicht arisch verheirateten Dr. Karl With davongejagt hatte, einen Goldschmied aus Frankfurt namens Karl Berthold gewählt.

Jetzt erfahren wir, welch guten Beziehungen der treue Nazi seine Krönung zu verdanken hat. Die Nazipresse be­richtet: Als Karl B. Berthold noch in Frankfurt tätig war, wurde er des öfteren von dem jetzigen preußischen Minister­präsidenten Hermann Göring besucht. Bei diesen Besuchen wurde wiederholt von germanischen Schwertern gesprochen, vor allem auch von dem sagenhaften Schwert Balmung, das nach dem Nibelungenlied der Schmied Mime für den Recken Siegfried schuf, der mit diesem Schwert dann den Drachen tötete. Berthold ging daraufhin an die Arbeit und schmiedete ein ähnliches Schwert, das von der Stadt Frankfurt erworben wurde, um es ihrem Ehrenbürger zu überreichen. Unsere Abbildung( dem Artikel ist ein Bild des wild und kitschig ziselierten Schwertes beigegeben. Red. der ,, Deutschen Frei­heit".) zeigt das Schwert ohne Scheide. Der reich mit Edel­steinen geschmückte Griff ist silbervergoldet, die über ein Meter lange blauflammende Damaszenerklinge ist aus fein­stem Stahl geschmiedet und mit dem mit Goldbuchstaben eingelassenen Spruch ,, Treue und Ehre sind das Fundament des neuen Reiches" verziert. Die Uebergabe des Schwertes erfolgte in der verflossenen Woche in Frankfurt und zwar

im Kaisersaal des Römers. Außer Ministerpräsident Hermann Göring waren alle führenden Persönlichkeiten des Rhein­Main- Gebietes anwesend, u. a. auch der Reichsstatthalter für Hessen , Jakob Sprenger . Oberbürgermeister Dr. Krebs über reichte dem Minister den Ehrenbürgerbrief und als besondere Ehrengabe das von Berthold geschaffene Schwert, dessen künstlerische Ausführung allgemeinen Beifall fand. Die sinn­volle Ehrengabe rief in dem Minister nicht nur Bewunde rung hervor, sondern auch dankbare Freude, die er in herz­lichen Worten zum Ausdruck brachte."

Balmung wird eine neue Zierde von Görings düsterer Schwerterburg in Berlin werden. Hier hängt unter strengen Spitzbögen neben dunkeln Vorhängen bereits ein mittel­alterliches Richtschwert.

Was General Göring damit tut? Es gehört nicht viel Fantasie dazu, es zu erraten. Wenn er seine Zornesausbrüche bekommt und ihm der Spuk eines Feindes entgegentritt heißa, da ist er gut gerüstet, da zückt er sein Schwert. Wie oft mag schon der Kopf Dimitroffs zu Boden gerollt sein? Die dankbare Freude, die Göring beim Empfang Balmungs empfand, läßt erkennen, daß sich der ritterliche Mann von der meterlangen, blauflama Damaszenerklinge viel verspricht.