Berlin enttäuscht

Berlin , 25. Nov.( Eig. Midg.) Simon hat gestern mit keinem Wort davon gesprochen, wie sich England zu den im

Ministerpräsident Chautcmps?

Bordergrunde stehenden Problemen stellt, und infolgedeffen Der Kampf um die Finanzsanierung

auch nicht angeben könne, welche praktischen Folgerungen es für sich selbst daraus ziehen will. Wichtig ist ihm dagegen ein negatives Moment: die Abrüstungskonferenz soll theore­tisch aufrechterhalten bleiben. Das große Interesse der eng lischen Regierung an dieser Fiktion wird schon seit längerer Zeit darauf zurückgeführt, daß sie Henderson, dem Prä­sidenten der Konferenz, nicht die Möglichkeit geben will, end­gültig nach London zurückzukehren und im Unterhause die Führung der Opposition zu übernehmen. Die praktischen Vorschläge Simons beschränken sich auf die naheliegende An­regung eines Meinungsaustausches der Mächte auf diploma­tischem Wege. Wie vor einem Jahr kommt es der englischen Regierung auch jest in erster Linie darauf an, Deutsch­ land wieder als Verhandlungspartner zu gewinnen. Mit dieser formalen Ingangseßung des Met­nungsaustausches wird aber nur dann ein wirklicher Fort­schritt erzielt sein, wenn nicht zuletzt Sir John Simon seine frühere Haltung durchgreifend revidiert..

Faschismus Aufsehen zu erregen, Lärm zu machen und für feine Dreschmethoden zu werben vermochte.

Kurz, man beging den Grundirrtum, zu übersehen, daß man, um ein Uebel zu überwinden, seine Ursachen beseitigen und nicht bloß seine Symptome bekämpfen muß.

Es wäre ein schweres Unrecht, den deutschen Arbeitern und den Führern der deutschen Sozialdemokratie nachzu­fagen, fte hätten es gegenüber der faschistischen Gefahr an Willen zum Widerstand fehlen lassen. Sie verdienen manchen Vorwurf, aber diesen nicht. Seit sieben oder acht Jahren habe ich oft genug und offen genug ihr Verhalten kritisiert, so daß tch nicht mißverstanden werden kann, wenn ich aus persön­licher Kenntnis und Erfahrung heraus behaupte, daß der Fehler der sozialdemokratischen Führer nicht darin lag, die faschistische Gefahr zu unterschäßen. Vielmehr haben fie fich eher von den unmittelbaren Erscheinungsformen dieser Ge­fahr allzusehr gefangennehmen und von einer Politik auf abhalten lassen. Man hat den Kampf gegen den Faschismus geführt, man hat alle Kraft, deren man fähig war, in diesem Rampf aufgewendet aber man hat die Ziele dieses Kamp­aber man hat die Ziele dieses Kamp fes und infolgedessen die Mittel schlecht gewählt.

Lange Sicht, die sich gegen die tieferen Ursachen gerichtet hätte,

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In diesem Kampf haben die sozialdemokratischen und tom­munistischen Arbeiter Deutschlands eine Hingabe und einen Opfermut an den Tag gelegt, die denen ihrer Genossen in teinem andern Lande nachstehen. Sie haben nach Jahren schwerer Krise, am Brot ihrer Kinder gespart, um ihre Bet­träge sahlen zu können; ste haben sich während der Wahl­tämpfe Tag und Nacht geradkert; sie haben Dienst gebrummt wie die Rekruten, um dem Reichsbanner eine beachtenswerte militärische Kampffraft zu geben. Nur leider: alle diese Opfer waren umsonst, weil der Kampfwille, der sie beseelte, in ber falschen Richtung wirkte. Die Strategie der Führer bewegte fich auf dem für den Gegner günstigsten Kampfterrain und vernachläffigte, aus Mangel an Vorstellungskraft und schöpfe­rischer Kühnhett, den Boden, auf dem der Sozialismus un überwindlich gewesen wäre.

Man hat eine Verteidigungsschlacht um serfallende Stellun­gen geschlagen- statt einer Angriffsschlacht um neue Pofi­Honen. Man hat sich von dem Grundsaß des fleineren Uebels

Paris , 25. Nov. Der Präsident der Republik Lebrun wird heute vormittag seine Besprechungen zur Lösung der Regierungskrise abschließen und zu Beginn des Nachmittags die Persönlichkeiten berufen, die das neue Kabinett bilden sollen. Nach allgemeiner Auffassung dürfte seine Wahl auf Abg. Chautemps fallen, der dem letzten Kabinett als Innen­minister angehörte. Diese Annahme scheint bestätigt zu wer­den durch die Tatsache, daß Chautemps gestern abend zu einer mehr als einstündigen Besprechung ins Elysee gerufen

wurde. Man glaubt nicht, daß der neue Ministerpräsident versuchen wird, das Kartell der Linken zustandezubringen, sondern sich darauf beschränken dürfte, eine Regierung zu bilden, die in der Hauptsache aus radikalen Elementen be­steht und in seiner politischen Zusammensetzung im großen und ganzen dem zurückgetretenen Kabinett gleichen wird. Der Sammelpunkt einer Mehrheit im Plenum der Kammer würde unter diesen Umständen das Finanzprogramm fein. Herriots Eintritt in das Kabinett wird für wenig wahr scheinlich gehalten.

Vom Himmel hoch...

Paris , 25. November. Gestern nachmittag wurden von einem Flugzeug aus über verschiedenen Pariser Stadtteilen Flugschriften abgeworfen, die unter Hinweis auf die kläg= Itchen Regterungskrisen die Beseitigung des parlamen tarischen Regimes fordern. Selbst in der republikanischen

und demokratischen Presse wird die Befürchtung laut, daß die jezigen parlamentarischen Methoden einen Zustand herbei. führen, der für den Bestand der parlamentarischen Republik gefährlich werden könnte. Der Gedanke, die Lage vielleicht durch die Auflösung der Kammer und die Ausschreibung von Neuwahlen zu bereinigen, ist Gegenstand lebhafter Erörte

rungen.

Ein Manifest

Leider zur Zeit nur eine Deklamation

Paris , 25. Nov. Der Populaire" veröffentlicht in seiner heutigen Ausgabe ein von Paul- Faure im Namen des Lan desausschusses der sozialistischen Partei( Nichtung Blum) unterzeichnetes Manifest, das für die sosta Listische Partet die Macht verlangt, um die durch eine absurde Zentralisierung verstopfte Verwaltung zu vereinfachen und zu verjüngen, sowie das alte kompli aterte Steuersystem durch drei einfache Steuer zu ersetzen( Ausgaben-, Einkommen- und Erbschafts­steuern!); um allen das Recht zum Leben und Ar beiten zu sichern; um die großen kapitalistischen Mono­pole zu beseitigen und um ein außenpolitisches Pro­gramm für Frieden und internationale witte schaftliche Verständigung durchzuführen,

Die Enthüllungere

Schimpfende Raserei in der deutschen Presse Es ist von fedem deutschen Standpunkt aus bedauerlich, wie die deutsche Presse unter dem Diktat des Herrn Göbbels die schwerwiegenden Veröffentlichungen des Petit Part ften" behandelt. In nicht einer einzigen deutschen Zeitung wird auch nur eine gedrängte Inhaltsangabe gebracht. Dar­aus wird allgemein in der Welt gefolgert werden, wie pein­lich den in Deutschland Regierenden das Dokument ist. Statt einer Widerlegung geht ein Hagel der gemeinsten Schimpf­worte auf den Chefredakteur des angesehenen Pariser Blat­tes nieder. Selbst Herr N. K. in der Frankfurter Zeitung " konkurriert in dieser Beziehung mit jedem Winkeljourna Itften.

Eine neue Schimpftanonade geht auch gegen Saturday Review" los. Diefe englische Beitschrift hat nämlich in awischen festgestellt, daß der Bettrag des Herrn Dr. Göbbels echt ist. Man hat sich nur die Bosheit erlaubt, ein Göbbels­Interview aus dem Jahre 1982 jest au veröffentlichen, und das ist gewiß eine peinliche Geschichte. Aber nur für Herrn Dr. Göbbels . Er und der Reichstanzler möchten jetzt man­ches nicht geschrieben haben, was sie einst munter und ver­antwortungslos hingeschmiert haben.

Französische Pressestimmen

Wann werben wir Holtert sein, wann wird Deutschland

letten laffen statt von dem Grundsatz des größtmöglichen Gu ten. Man hat vergessen, was Brailsford jüngst in einem Artikel schrieb: Die Demokratte ist ein Biel, das wir er- ,, Figaro": obern, nicht ein Bests, den wir verteidigen müssen." Und wetter: Man kann die Demokratie nur verteidigen, wenn man den Sozialismus erobert." Je mehr man die Gefahr des Sitlertums wachsen sah, desto weniger hat man erkannt, daß, um fte zu besiegen, nicht der Antifaschismus das richtige Mi­tel war, sondern der Sozialismus.

Die antifaschistische Verteidigungsaktion erreicht nur die Symptome; nur die sozialistische Offensivaktion ermöglicht, bas Uebel an den Wurzeln zu packen.

Warum wird der Faschismus der sozialistischen Bewegung gefährlicher als irgendeine der früheren reaktionären Be­megungen? Der tiefste Grund liegt darin, daß der Faschis­mus eine reaktionäre Bewegung ist, die vom Mißbrauch revolutionärer Empfindungen lebt. Die faschistische Dema­gogte macht ihren sozialreaktionären Sweden die antikapt­talistischen Stimmungen der Mittelschichten dienstbar. So wendet sich die soziale Unzufriedenheit, die der Kapitalismus tu feiner Berfallstrife erzeugt, gegen den Antikapitalismus ber Arbeiterklasse.

Dieses Zurückschlagen der Flamme bedeutet den grund­Tegenden Widerspruch, der an der Wiege des Faschismus teht, und ihm entspricht die Grundfrage, die der sozialistischen Attion gestellt ist: Wie kann man den Antikapitalismus der Mittelschichten zu unseren gemeinsamen Sielen hinlenken, um zu verhüten, daß er zum Werkzeug der nationalistischen, antiproletarischen und antisozialistischen Reaktion werbe? Die Lösung dieses Problems ist nicht ein Zurückziehen der Sostalisten auf beschränktere Stellungen, sondern eine scharf antitapitalistische Aktion, die kühn zu neuen Zielen borwärts strebt.

Reichstagsbrandprozeß- 44. Tag

Leipzig , 25. Nov. Als erster Zeuge in der Samstag verhandlung gegen van der Lubbe und Genossen wird der Schriftsteller Werner Hirsch aus dem Konzentrations­lager vorgeführt. Hirsch war von 1928 bis 1930 Redakteur bei der Roten Fahne" und von 1930 bis 1932 Mitarbeiter beim Zentralkomitee der Partet. Im Dezember sei er aus dem Parteidienst ausgeschieden. Er sei aber im Januar von der Partet noch einmal gebeten worden, abschließend einige in fein Fachgebiet fallende Materialien zu liefern. Der Angeklagte Popoff wird gefragt, ob er den Zeugen Hirsch kenne. Popoff erklärt, er habe Hirsch zum ersten Mal in der Haft im März im Berliner Polizeipräsidium ge­seben. Der Zeuge Hirsch bestätigt das und betont, daß er vor diesem Verfahren Popoff nicht gekannt habe.

Die Vernehmung des Zeugen wendet sich dann dem Haupt­punkt zu nämlich dem Namen Peter, den der Zeuge eine mal geführt hat. Hirsch erklärt, daß er in der deutschen Partei nie einen anderen Namen geführt habe. Er sei aber tm Jahre 1924 und 1925 in Oesterreich gewesen, um dort an der Parteiarbeit teilzunehmen. Dort habe er als Deck­namen den Namen Peter geführt. Als er nach Deutschland zurückgekommen fei, habe es sich dann eingebürgert, daß er im Kreise seiner engeren Mitarbeiter und Freunde Peter genannt wurde. Das sei aber niemals fein Name gegnüber ben Behörden geweien denn ihnen aerenüber sei er immer unter dem richtigen Namen aufgetreten. Die Verhandlung dauert fort,

aufgerüstet haben und wann wird das Deutschland , durch seine für den Krieg geschulte Bevölkerung mächtig, unsere kleinen, bereits winselnden Politiker bedrohen. Deutschland wird von ihnen Handelsverträge fordern, es wird als Nation sprechen, die ihre Niederlage überwunden hat, die ihre Nache genommen hat, die über alles" gebietet. Wenn Deutschland das alles erreicht hat, wird es die Flamme des Unbekannten Soldaten unter dem Arc de Triomphe aus­löschen und behaupten, diese bedeute einen beleidigenden An­griff auf seine Ehre, einen Verstoß gegen die Gleichheit der Rechte, die wir anerkannt haben.

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Echo de Paris "( Pertinax):

Deutschland unterhält einen Botschafter in Paris und wir

haben einen in Berlin . Offenbar bemühen sich Herr Roland Koester und Herr Francois Poncet an jedem Tage in un unterbrochener Folge in Unterhaltungen die Möglichkeiten einer Annäherung zu bestimmen und zu ergründen. Bisher hat fich die französische Regierung nur beshalb aurüdge halten, weil sich keine Lösungen zeigten, die hätten verwirt licht werden können. Ist der Kriegsminister Daladier , beffen Vertrauensmann de Brinon tft, anderer Ansicht? Er möge sich äußern! Was uns angeht, wir erklären die deutsche Po Ittit als pergermanistisch, solange man uns nicht das Gegen teil beweist, und wir glauben, daß die Dokumente, die soeben im Petit Parifien" veröffentlicht wurden, der Wahrheit näher kommen, als die Erklärungen des Führers".

L'Homme Libre":

Es ist sehr merkwürdig: wir haben franzöfifche Gitler jünger und französische Mussolini - Anhänger. Das heißt, wir haben eine gewisse Anzahl Verrüdter. Vielleicht nicht mehr als gewöhnlich. Aber ste treten mehr in Erscheinung, weil der Rest des Landes schweigt. Er beginnt faum, fich zu rühren und zu ahnen, daß weder draußen noch drinnen die Dinge gut stehen. Er hält an dem System im ganzen feft und flammert sich nicht an eine Partet mehr als an die an dere. Er mißt sie alle mit gleichem Maß. Er hält sie weber einer großen Bemühung, noch eines großen Erfolges fähig. Eugene Lauties

Petit Journal"( Jean Darc):

Einerseits sehen wir, daß Hitler uns mtt etnem Nachbrnd, der uns zunächst überrascht, die Hand reicht; auf der anderen Seite, daß sein Propagandadienst für das Ausland die Welt meinung so bearbeitet, daß auf Frankreich und England die Verantwortung für das Scheitern jedes Annäherungs­versuches fällt; seine Bemühungen in dieser Richtung find fogar größer als der Versuch, Stimmen zu gewinnen für den Gedanken, daß Deutschland Grund hat, Gleichheit der Rechte und Rüstungsgleichheit zu fordern. Wir schließen daraus, dak die deutsche Politik nicht die gleiche ist, wenn sie vor aller Welt oder wenn sie im Verborgenen gemacht wird. Es würde schwer fallen, uns vom Gegenteil zu überzeugen. Siehe auch Seite&

Ein Zeichen der Zelt

HEUER KEINE VERTEILUNG DES FRIEDENS NOBELPREISES

SPRENGSTOFF. ERZEUGUNG

GIFTGAS

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AUFRÜSTUNG

Alfred Nobels Sprengstofferfindungen finden viel mehr Anklang als sein Friedensprets.