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Freiheit

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Nummer 135-1. Jahrgang Saarbrücken , Dienstag, den 28. November 1933 Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalt Verschäcfung

dec Protestantenkrise

Seite 2

Rettung

der deutschen Bauern? Seite 4

Frick

gegen SA. Volk im ,, Pandurenkeller"

Seite 5

Brief aus Mexiko Seite 8

Chautemps und Hitler

Die beginnenden Vorverhandlungen- Die Saar als europäisches Schicksal- Verantwortung des Völkerbundes und Frankreichs

Chautemps

Keine neuen Männer

Paris , 27. Nov. Das Kabinett Chautemps ist um 2.50 Uhr französische Zeit gebildet worden, und zwar n. a. mit Paul- Boncour ( Auswärtiges ), Daladier ( Krieg), Sarrant ( Kriegsmarine ), Got( Luftfahrt), Bonnet( Finanzen).

Zeiten politischer Krisen eine gewiffe Stabilität zu wahren. In meinem Kabinett herrscht das radikale Element vor, die Devise der neuen Regierung wird sein, den natio nalen Notwendigkeiten Rechnuna zu tragen."

Herriot

Paris, 27. November. Chautemps hatte Herriot um seine Mitarbeit in der Regierung gebeten. Herriot hat, wie es in einer Havaserklärung heißt, aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt, jedoch, um seine Solidarität mit der neuen Re­gierung zum Ausdruck zu bringen. sich bereiterklärt, Dele­gierter Frankreichs beim Völkerbund zu sein und außerdem Frankreich bei seinen diplomatischen Miffionen zu vertreten, die die neue Regierung ihm anvertrauen werde

Neusozialisten: Noch nicht..."

Eine Rede Renaudels

Paris, 27. Nov. Jn Toulon hielten die Neusozialisten eine Bersammlung ab, bei der der Abg. Renaudel die Ablehnung feiner politischen Freunde, in die Regierung einzutreten, da­mit begründete, daß die Lage innerhalb des sozialistischen Lagers noch nicht hinreichend geklärt sei. Wenn dagegen ein tei bereit sein, die Regierung zu unterstüßen, falls sie ein Zusammenschluß der Linksgruppen erfolge, würde seine Par­annehmbares Programm unterbreite. Den Eintritt in eine Regierungsmehrheit, der auch die Linksrepublikaner an­gehörten, müßten dagegen seine politischen Freunde ab­lehnen.

Die Ernennungsdekrete der Mitglieder der neuen Res gierung erscheinen heute früh im Journal Officiel". Die Liste der Unterstaatssekretäre wird erst im Laufe des heutigen Tages aufgestellt werden. Um 10 Uhr vormittags hat Ministerpräsident Chautemps seine Mitarbeiter dem Pr Zwischenspiel

fidenten der Republik vorgestellt.

Chautemps hat nach der Bildung seines Kabinetts fol­gende Erklärung abgegeben: Einige Kreise werden finden, daß die neue Regierung feine neuen Persönlich­teiten aufweist. Ich für meinen Teil erachte es für sehr Rüglich, durch Beibehaltung der gleichen Persönlichkeiten in

Amtliche Bekanntmachung betreffend den aufgelösten ,, Notring" der NSDAP . des Saargebietes Aufforderung

Auf Grund der Bundesratsverordnung vom 15. Februar 1917 und in Erweiterung der Aufforderung vom 7. 11. 1933 werden hiermit alle Personen, die als Vor­ateher, Geschäftsführer, Angestellte oder Beauftragte des ,, Notringes" der NSDAP . des Saargebietes tätig waren, insbesondere die früheren Kreis-, Ortsgruppen- und Stützpunktleiter sowie Kassenwarte des Notrings" aufgefordert, bis längstens 5. Dezember 1933 dem unterzeichneten Verwalter abzuliefern( durch Einsendung oder Uebergabe an seine Beauftragten im Regierungsgebäude, Hindenburgstraße in Saar­ brücken , Zimmer 133 bzw. durch Einzahlung auf das Postscheckkonto Nr. 7366 Saarbrücken):

1. Bericht und Rechnungsabschluß über die Verwendung der eingezogenen Mit­rings";

gliedsbeiträge und der erhaltenen Beitragsmarken seit Gründung des Not­2. den Erlös aus der Verwendung von Beitragsmarken und die auf andere Weise eingezogenen Mitgliedsbeiträge sowie alle sonstigen Einnahmen und Barbestände; 3. den danach verbleibenden Bestand an Beitragsmarken;

4. schriftliche Anmeldung aller dem ,, Notring" zustehenden Rechte, wie For­derungen, Ansprüche auf Herausgabe u. a.;

3. alle Gegenstände, die zum Vermögen des Notrings" gehören, insbesondere Akten, Verzeichnisse und sonstige Schriftstücke, sowie Möbel und andere Sachen.

Ebenso werden alle anderen als die vorgenannten Personen, welche zum Vermögen des Notrings gehörende Gegenstände oder Barmittel in Besity haben, aufgefordert, diese in obenbezeichneter Weise abzuliefern. Nach Ablauf obiger Frist wird gegen alle, die vorstehender Aufforderung nicht nachgekommen sind, auf Grund der Strafbestimmungen der genannten Verordnung vorgegangen werden; diese sieht für solche Fälle Geldstrafe oder Gefängnis bis zu 6 Monaten vor.

In diesem Zusammenhange wird vor der irrigen, auch in der Presse geäußerten Auffassung gewarnt, die Bundesratsverordnung vom 15. Februar 1917 sei eine reine Kriegsverordnung und gehöre daher zu den mit Rücksicht auf den Kriegszustand getroffenen Bestimmungen", die nach dem Friedensvertrag von Versailles im Saargebiet nicht in Kraft sind.

Es wird vielmehr darauf hingewiesen, daß nach einer Entscheidung des Reichs­gerichtes diese Verordnung auch für die Nachkriegszeit anzuwenden ist( Urteil Yom 15. 10. 1923) und der für das Saargebiet maßgebende Oberste Gerichtshof in Saarlouis in seiner Entscheidung vom 28. April 1932- S 5/32 außerdem ausdrücklich hervorhebt, daß die Bundesratsverordnung vom 15. Februar 1917 im Saargebiet noch zu Recht besteht. Saarbrücken , den 25. November 1933.

Der Verwalter des aufgelösten Notrings" der NSDAP . des Saargebietes. #gez. C. Kloppenburg.

Für die Richtigkeit der Abschrift:

Der Direktor des Innera und des Kabinetts: ( Unterschrift.)

Der neue Ministerpräsident Chautemps und sein Kabinett werden als Männer einer Uebergangsregierung betrachtet. Solche Zwischenregierungen hat der radikalsoziale Chan­temps auch früher schon geführt. Man bemühte sich in den letzten Tagen um das Zustandekommen eines Lintskartells, Renaudel wohnte einer Fraktionssizung der Radikal­sozialisten bei, nahm neben Herriot Platz und entwickelte seine Gedankengänge. Ein Ergebnis hatten diese Be­mühungen nicht. Die Bemerkungen Renaudels in Toulon , daß die Klärung im sozialistischen Lager noch nicht weit genug vorgeschritten fet, flingen etwas refigniert. In

der Tat ist auf der Linken nicht die Einigkeit, die Ent­schlußkraft und der Wille zur Konzentration auf Notwendig keiten zu finden, der für eine starke Linksregierung erforder­lich wäre.

Inzwischen glaubt die Rechte, daß ihre Stunde herannaht. Der Abgeordnete Tardieu hat am Sonntag in zwei Reden heftig gegen den marxistischen Materialismus" ge­sprochen, der auf die französische Politik Einfluß gewonnen habe. Es ist also dieselbe Phraseologie, mit der in Deutsch­ land die Agitation der Sechten sich betätigt hat. Tardieu stärkt das Mißtrauen der Sparer gegen die bisherige zögernde Finanzpolitik, spielt mit der Gefahr einer Inflation und macht das Zusammenwirken der Radikalen mit den Sozialisten für die mangelnde Stabilität des politischen und wirtschaftlichen Vertrauens verantwortlich.

Die innere Krise Frankreichs bleibt jedenfalls auch unter dem Ministerium Chautemps ungelöst. Die Innen- und Außenpolitik Frankreichs erfordern bald eine Regierung auf breiter parlamentarischer Grundlage und mit starkem Rück­halt im Volfe. Vor einigen Tagen sind demagogische Flug­schriften gegen das parlamentarische Regime aus Flugzeugen über Paris abgeworfen worden. Der Eindruck war nicht start. Mehr als eine spielerische Sensation waren diese Bettel nicht. Von einer Strise des parlamentarischen Systems, wie sie zerstörend Jahre hindurch in Deutschland sich ausge­wirkt hat, kann nicht die Rede sein. Die französischen Parteien und das französische Bolt werden die Kräfte zur Ueberwin­dung der inneren Schwierigkeiten finden, aber die politischen Wegzeichen weisen nach rechts. Eine kommende Konzen­trationsregierung wird start tonservativ- kapitalistische Ein­flüsse enthalten, und es scheint, daß die Widerstände der Radikalsozialisten gegen ein solches Ministerium allmählich geringer werden.

Der Präsident des amerikanischen Arbeiterverbandes Green gab bekannt, daß die Gesamtzahl der Erwerbslosen 10,076 Millionen betrage,

Sozialistensieg in Genf

Absolute Mehrheit im Stadtrat

Der Siegeszug der schweizerischen Sozialdemokratie geht weiter. Am Sonntag fanden in Genf Stadtratswahlen att. Es gelang der Sozialdemokratie, die schon jüngst bei den Wahlen zum Großen Rat ihre Stimmenzahl auf etwa 48 Pro­zent steigern konnte, die absolute Mehrheit zu er= ringen. Bei einer Wahlbeteiligung von 85 Prozent wurden alle vier von ihr aufgestellten Kandidaten, darunter auch der vor einigen Monaten wegen Aufreizung zum Widerstand gegen die Staatsgewalt verurteilte Nationalrat Nicole ge= wählt; infolgedessen blieben für die vereinigte bürgerliche Liste nur mehr drei Size frei.

Mikrofon

D. F Die Aufmerksamkeit der Weltpresse für das unter Völkerbundsregierung stehende Saargebiet mächst, je mehr das Jahr 1935 herannaht, das die Wünsche der Bevölke rung für die fernere staatliche Zugehörigkeit ihrer Heimat Saargebietes davon unterrichtet, daß sich eine Deutsche dem Bölkerbund kundtun soll. Man ist auch außerhalb des nicht zu den Sozialdemokraten, Kommunisten und son­Front" gebildet hat, die alles zusammenfassen will, was stigen landesverräterischen Untermenschen gehört. Schon der Name dieser Gründung ist irreführend, da niemand das Deutschtum der Menschen an der Saar bezweifelt und bisher niemand aufgetreten ist, der die Wahnidee verträte, dieses Gebiet zu entdeutschen. Es geht immer nur um die Frage, wie zu verhindern ist, daß dieses letzte Restgebiet des früheren deutschen Rechtsstaates einer Barbaren- und Banditendiktatur ausgeliefert werde, und dazu um die Vorfrage, wann und wie eine wirklich freie Abstimmung sich ermöglichen lasse. Die Deutsche Front" ist Trägerin und zugleich Opfer des nationalsozialistischen Parteiterrors. Die Gegenströmung, als deren Kern die sozialistische Freiheitsfront" sich entwickelt, ist für die freie deutsche Selbstbestimmung. Daß diese unter nationalsozialistischer Parteidiktatur unmog lich ist, kann nicht gut beftritten werden.

Nur scheinbar ist die Deutsche Front" geeint. Das trifft höchstens für ihren lärmenden und allen Widerstand nie dertrampelnden nationalsozialistischen Anhang und die gedankenlosen Mitmarschierer zu. Die politisch Denkenden aus den äußerlich aufgelösten Parteien machen nur wider­willig und vielfach nur aus wirtschaftlicher Angst vor den vermeintlichen Herren des Saargebiets im Jahre 1935 mit. Gelänge es, diese Furcht: Was wird aus meiner Existenz bei einem nationalsozialistischen Sieg im Jahre 1935?" von diesen besorgten Leuten zu nehmen, würden die berufs­mäßigen Heilhitlerschreier unverzüglich eine schwere Ent­täuschung erleben.

Das wissen sie auch, und darum trauen sie insbesondere den Katholiken, soweit sie wirklich kirchentreu geblieben sind oder als charakterfeste Zentrumsleute oder christliche Gewerkschafter sich bewährt haben, nicht über den Weg. Das sei nicht wahr? Nun, dienen wir mit einem Vorkomm nis, für das wir uns verbürgen.

In einem Orte des Saargebietes sollte eine Vorbe­sprechung zur Gründung der Deutschen Front" statt, finden. Es fiel auf, daß die beiden eingeladenen Vertreter der NSDAP . sich entschuldigen ließen. Abgesandte anderer Parteien kamen zur festgesetzten Stunde in den Versamm­lungsraum. Entweder waren nun die Herren durch das Fernbleiben ihrer braunen Brüder mißtrauisch geworden oder es war von dritter Seite eine Warnung erfolgt. Jedenfalls lugte einer der Versammelten vorsichtig hinter die Gardine und sah dort ein Mikrofon, bereit, alles denunziatorisch aufzunehmen, was die angehenden Deutschfrontler in Abwesenheit der nationalsozialistischen Aufsicht aus übervollem, begeisterten Herzen sagen mür den. Die Herren waren klug genug, ihre heiße Liebe zu Hitlerdeutschland nicht dem Mikrofon anzuvertrauen. Die beiden nationalsozialistischen Delegierten, angeblich am Erscheinen verhindert, konnten in einem anderen Zimmer des Hauses nur abhören, daß sich die Zusammenkunft