E. P. schreibt im Neuen Wiener Tageblatt":
Der einstige Glanz der Berliner City ist vollständig verblaßt. Konnte man einst kaum ein vermietbares Büro oder Geschäft, auch in den entlegensten und verstecktesten Seitenstraßen, finden, so ist heute das Gegenteil der Fall. Nicht nur das Gegenteil, es ist weit schlimmer, es ist tatastrophal. Ganze Häuserfronten sind in der Friedrichstraße zu ver mieten, oft stehen mehrere nebeneinanderliegende Läben leer. In den Nebenstraßen glaubt man sich schon in einer ausgestorbenen Stadt zu befinden. Nur zwischen Bahnhof Friedrichstraße und der Ecke der Leipziger Straße ist in der Fried richstraße ein Abglanz der Zeiten, die noch vor zwei Jahren geherrscht haben, übriggeblieben. Und die Leipziger Straße , die die einzige Straße der Berliner City ist, die ungefähr
noch dem früheren entspricht, wenigstens was die Schau- og 4:00 fenster betrifft. Aber auch hier sind viele Geschäfte um=
gezogen, haben ihre Plätze gewechselt, sich verkleinert, unde 816 6 so manches berühmte Geschäft, das jahrzehntelang, auch vor dem Kriege, zu den Anziehungspunkten der Leipziger Straße gehört hatte, ist nicht mehr. Die größten Konfektionshäuser haben wiederholt Konkurs gemacht, nur die bekannten
Namen sind stehengeblieben, während neue Besitzer die Ge- 62 schäfte übernommen haben.
Der Glanz der belebten Friedrichstraße zwischen den Linden und der Leipziger Straße reicht jedoch nur bis zum ersten Stock. Was darüber liegt, ist ein trauriger Anblick. Ganze Etagen dieser Häuser, ganze Eckhäuser sind vom Parterre bis zum Dachboden zu vermieten. Alle Fenster weisen ein und dieselbe Dekoration aufschräg aufgeklebte rote Zettel: 3u vermieten!" Man kann sich buchstäblich fast in jedem Hause die Etage aussuchen, die einem gefällt, und kann den Preis diftieren. Die Vermieter sind zu allem bereit. Die übrigen Mieter zahlen auch nicht mehr die fantastischen Preise, die noch vor einigen Jahren in Berlin gezahlt wurden, die sich nur noch mit Neuyork vergleichen ließen. Läden, für die man oft bis 15 000 Mark und mehr im Monat bezahlt hatte, sind heute für 2000 bis 3000 Mark zu haben. Büroräume, für die man pro Zimmer und Monat 150 Mark zahlen mußte, bekommt man heute oft für 30 bis 40 Mark inklusive Heizung. Die Eckläden in dem noch belebten Teil der Friedrichstraße , einst von Geschäftsinhabern begehrt, die sich gegenseitig in den Preisen überboten, sind heute nicht mehr vermietbar. Ede Friedrichstraße und Leip atger Straße ist ein fleiner Krawattenhändler eingezogen, der Ramsch im wahren Sinne des Wortes, Krawatten für 50 Pfennig das Stüd, verkauft. Die gegenüberliegende Ecke der Leipziger Straße , wo einst das Sportmodehaus S. Adam sich befand, das sich jetzt einen billigeren fleineren Play ausgewählt hat, steht leer, wie fast das ganze Haus. In Ermanglung an Mietern hat sich dort die nationalsozialistische Volkswohlfahrt eingenistet, die hier Lose für die Winterhilfe, Stüd eine Mark, abgibt.
Die Hausbesitzer wissen sich keinen Rat. Die Etagen find nicht au vermieten, die Häuser sind praktisch unverkäuflich. Millionenobjekte an Ecken oder Plätzen bringen heute nicht einmal einen Bruchteil der früheren Mieten ein, im Gegenteil, die Hauswirte zahlen drauf. Der Zustand der Häuser wird täglich schlechter und die Häuser werden ununterbrochen weiter entwertet. Theoretisch soll ein Haus in der Gity, gleichgültig auf welchem Platz es steht, etwa das Sechsbis Siebenfache der Friedensmiete wert sein, aber verkäuf= Itch tft es für diesen Betrag nicht. Ein ununterbrochenes Sieben hat eingesetzt, eine Rette von Zwangsversteigerungen bringt den Leidensweg der Berliner City und den Niedergang seiner internationalen Geschäftsbeziehungen zum Ausdruck. Seit dem 30. Januar ist man frampfhaft bemüht, eine Wiederbelebung der Wirtschaft herbeizuführen. Hier, in der Friedrichstraße , tritt sie nicht in Augenschein. Denn statt eines Konfektionshauses oder eines gut gehenden Restaurants oder eines Juwelierladens ist jetzt eine Schießbude oder ein ärmliches Geschäft, das billige Gelegenheitsfaufe anbietet, eingezogen, oder hat die Zengmeisterei der SA. einen„ Nazi- Bedarf" eingerichtet, wo die angehenden SA.- Leute und Amtsanwärter ihre Uniformstücke auf Teilzahlung kaufen können. Ueberall ist der Umsatz katastrophal
zurückgegangen, eine Umfrage in den Geschäften ergab ein
wenig erfreuliches Bild. Die Kaufleute und Geschäftsinhaber, nach dem Geschäftsgang befragt, schütteln wehmütig den Kopf. Wiederbelebung? Mag ja sein, aber nicht bei mir..." Rüdgang, Stillstand, feine Rundschaft. Die Leute kaufen nichts oder nur das Notwendigste. Die jüdische Kundschaft bleibt weg, Ausländer kommen so gut wie gar nicht mehr nach Deutschland .„ Wenn das so weitergeht," äußerte sich einer,„ mache ich meinen Laden zu." Das ist die Stimmung, mit der die Berliner City in das kommende Weihrachtsgeschäft geht. Nur hie und da bekommt ein Handwerfer Reparaturarbeiten an den Fa, aden der leerstehenden Häuser, die die Regierung durch Zuschüsse subventioniert, damit das Bild der City nicht zu trostlos wird. Es wird ein harter Winter.
Die Jägerstraße, einst das„ Glatteis", auf dem früher die Provinzontels ausgeglitten sind, wo sie geneppt wurden, macht fatastrophale Geschäfte. Die fleinen Lokale existieren noch, wie die„ Weiße Maus", die kleine„ MaximBar", der„ Grobe Gottlieb". Aber sonst ist alles tot, steht gähnend leer. Die großen Leuchtbuchstaben kleben wie Ver
NIEN
5
Albana
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>> Auch mit Schuftwaffe vorzugehen
Das Staatspreiseantr Seifen& gibt amtlich bekannt: Die Polizeibehörden haben die Anweisung, gegen Flugblatt
Büros einen Posten erhalten haben. Armut und Glend be Butter als Luxus
herrschen das Bild.
Unter den Linden ist es wenigstens etwas besser, reil sich dort der Strom des Verkehrs abwickelt und die Lücken wieder gefüllt werden konnten. Aber auch hier ist nech so manche Etage verhältnismäßig billig zu haben. Die Hotels klagen aber gleichfalls und sind metst zum großen Teil unbesetzt. Es kommen Feine Fremden; hie und da ein Amerikaner, Engländer und Franzosen überhaupt nicht mehr. Auch hier beherrscht das Braunhemd das Bild wegen der nahen Wilhelmstraße. Nur wenn die Wache mit klingendem Spiel die Linden entlang zieht, steht man Tausende von Menschen, jung und alt, mitmarschieren, einen seligen Ausdruck in den Augen, den Arm zum Hitler- Gruß erhoben. Berlin hat sein Antlig verändert...
WTB. und TU.
Die armselige deutsche Presse
Das Wolfische Telegrafenbüro und die Tele grafen Union haben ihre Vereinigung beschlossen. Die neue Gesellschaft nennt sich Deutsches Nachrichtenbüro.
Das Wolff- Büro ist seit langen Jahrzehnten der offiziöse deutsche Nachrichtendienst. Die Telegrafen- Union stand unter dem Einfluß der deutschen Schwerindustrie. Die Fusion ist eine Folge des Schrumpfungsprozesses in der deutschen Presse. Beide Büros waren seit Jahren Zuschußunter nehmungen und sind es durch die Notlage von tausenden deutschen Zeitungen noch mehr geworden. Durch die Zusammenlegung wird die deutsche Presse noch mehr uniformiert werden als bisher und auch noch unzuverlässiger, da jetzt jede Rücksicht des einen Nachrichtenbüros auf Konturrenzunternehmen fortfällt. Die wenigen unter Furcht und Schrecken noch bestehenden kleineren Rorrespondensbüros tommen kaum mehr in Betracht.
ſteinerungen aus vorfintflutlichen Zeiten an den Falfaben Schrumpfung bei den Banker
der Häuser, um von einer entschwundenen Hochtonjunktur zu zeugen, die vielleicht nie wiederkehrt. Meist sind in diesen Pokalen nur ganz wenige Tische befeßt. Südlich von der Leipziger Straße bezeichnete man die Friedrichstraße als Filmviertel. Dicht gedräfaßen hier die Vertreter amerikanischer und ausländischer Filmgesellschaften, die Vitros zahlloser deutscher Filmproduzenten, verleiher und-vermittler. Ein lebhaftes Bild von eleganten Filmschauspielern, die die Treppen auf und ab rasten, um ein Engagement nach dem andern abzuschließen, fecker Filmstatistinnen, die sozusagen auf der Etraße wegengagiert wurden, pelzverbrämter Filmproduzenten und elegantester Burusautomobile war man einst hier gewohnt. Heute ist alles leer. Seitdem die Amerikaner ihre Filmbeziehungen zu Deutschland ab gebrochen un ihre Berliner Büros aufgelöst haben, ist nicht mehr viel los. Der Arierparagraf für den Film hat hier den Rest fast vrständia vernichtet. Nur weniges ist übrig geblieben. Die Berichtannaicher führen das große Wort; Fungrige, ärmlich gekleidete, junge Mädchen und Schauspieler stehen an den Ecken der Straßen, um mit einst berühmten Regisseuren und Operateuren, die nun keine Stellung mehr bekommen er die troftlose Page zu flagen. Um so häufiger trifft man aber Menschen in SA.- Uniform, die, die Aftenmappe unter dem Arm, in einem der übriggebliebenen
Der Bevollmächtigte für Landwirtschaft in Bayern , Staats sekretär Luber, teilt mit:
beit hat dazu geführt, daß von manchen Moltereien " Die in den letzten Wochen aufgetretene Butterfnapp erhebliche Ueberpreise verlangt und vom Handel er hebliche Ueberpreise geboten worden sind. Desgleichen wird Klage darüber geführt, daß Molkereien ihren vertraglichen Lieferverpflichtungen nicht nachkommen und daß Milcherzeuger zur Landbutterherstellung übergehen unter Ein stellung oder Beschränkung der Milch anlieferungen an ihre Molkereien. Sie werden hierin bestärkt durch die Tätigkeit der Auffäufer, die Bauern oder Landbutter häufig unter irreführenden Bezeichnungen und zu ungerechtfertigten Preifen in den Verkehr bringen. Dem gegenüber weise ich mit allem Nachdruck darauf hin, daß nach der Weisung des Reichskommissars für Milchwirtschaft eine Erhöhung der seitherigen Butterfleinverkaufspreise nicht in Frage kommen fann. Wer Kleinverkaufspreise fordert, die 30 Pfg. ie Pfund über der Notierung der entsprechenden Qualitätsstufe Itegen, ſept sich unter Umständen Unannehmlichkeiten aus, vor denen ich ihn nicht schüßen will und kann. Die Aufteilung des Zu schlages von 30 Pig. zwischen Notterung und Kleinverkaufspreis bleibt der Vereinbarung der Beteiligten vorbehalten. Die Zuschläge für Marten butter fönnen in allen Absabitufen bis zu 10 Pig. pro Pfund in Rechnung gestellt werden. Da auch der Butterabsaß in die Neureglung des Milch- und Milchproduktenmarktes einbezogen werden wird, erscheint es zweckmäßig, von Abschlüffen lang. fristiger Lieferungs- und aufverträgen Abstand zu nehmen."
Die sinkende Entwicklung der Großbankbilanzen, die schon im September zu bemerken war, prägte sich im Oktober noch stärker aus, obwohl die Banken verschiedentlich berichten, daß der Umsaß sich auch bei ihnen etwas belebt habe. Während im August ein rebitorenschwund von 106 Mill. und im September ein solcher von 52 Mill. zu verzeichnen war, ergab sich im Oftober noch eine Verminderung um 6 Mill. Allerdings machte die Entwertung von Dollar und Pfund, die in den Vormonaten erheblichen Anteil an der Schrumpfung batte, im Oktober einer leichten Erholung Play Jedoch hielten die Registermarkfündigungen an. so daß die Auslandseinlagen doch wohl eine weitere Verminderung erfahren haben. Wenn trotzdem die Gesamtfre= ditoren nur unwesentlich gesunken find. so müssen die in= ländischen Einlagen. ebenso wie schon im September, gestiegen sein, was dann auch von den Banken beſtätigt wird. Die Gelder, die die Industrie in den vergangenen Monaten infolge der Wirtschaftsbelebung abgezogen hat, tehren zum Teil, wenn auch auf anderen Konten, erst jett wieder zurück. Manche Banken bemerkten dabei Eingänge namentlich seitens solcher Firmen. die an Arbeitsbefchaffungss aufträgen beteiligt wurden und erklären dies mit her er einnahmung von Anzahlungen, die nur allmählich für Lohnzwede usw. beansprucht werden
Keine ,, Schwierigkeiten" bei Entlassung.
In einem Erlaß des Reichsarbeits- Seldte beauftragt det Minister die Treuhänder", dafür Sorge zu tragen:„ daß dem Arbeitgeber bei der Entlassung von furzfristig zu vor übergehenden Zwecken eingestellten Arbeitnehmern feine Schwierigkeiten entstehen".
Der Leiter des Winterhilfswerks im Kreise Offenbach , Pang, erklärte nach einem Bericht der Frankfurter Zeitung ": Infolge der langandauernden Wirtschaftsfrise ist heute Offenbach wohl die ärmite Stadt Heiiens. Bon feiner( ins wonhnerschaft lebt beinahe die Hälfte von öffentlichen Unters fügungen. Auch der Mittelstand, Handwerk und Gewerbe, ist non dieser wirtschaftlichen Bedrängnis aufs stärkste betroffen."
Goldzufluß der Schweizerischen Nationalbank 98,42 v. S. Golddeckung
Der in der ersten Hälfte des November fast zum Stillstand gefommene Goldaufluß hat plöblich in der britten November moche ernen fräftia einenicht. Der Goldbestand hat sich um 41 auf 1982 Millionen achoben, während der Tevisenbestend infolge non Umwandlungen um 5% auf 19 millionen b genommen hat. Die vermehrten afabedürfnisse haben den sonst um diefe Zeit eintretenden Notenrüciluk in ee Kermehrung des Notenumlaufs um 22 auf 12.0 Milltonen verwandelt. Die täglich fälligen Berbindlichkeiten haben um 47 aut 768 907iionen zugenommen. Sie und der Notenumlou find mit 98,42 Prozent durch Gold und GoldSevisen nedeckt.
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, Voller Sieg der Bankiers"
In einer Enquete- Aussprache über Kreditverforgung, der führende deutsche Banfleute beimohnten, erlaubte fich der iunge Mann der deutschen Wirtschaft, Herr Staatssekretär Dr. Feder, einige Vorschläge zu machen. Die Untersuchung endete, wie Bizepräsident Drener bemerfte, mit einem vollen Sieg bes Bankiers and Bankdirektors",