Pariser   Berichte

Nazi- Zellen in Paris  

Schiller   war ein Deserteur der Karlschule, Republikaner und Landesverräter, schrieb die Räuber" und den, Fiesco  " und später gar, vermutlich von Paris   bestochen, ein franzö­sisches Nationaldrama. Dies war die Jungfrau von Orleans". Früher mußte man es auf der Schule lesen, heute hat dies hoffentlich aufgehört und ist durch den., Schla­ geter  " von Hans Johst   und den ,, Horst Wessel  " von Hans Heinz Ewers   ersetzt worden. Enthält die Jungfrau" Schillers doch noch nicht einmal die im, Petit Parisien enthüllte For­derung auf Rückgabe von Lothringen   nebst Domremy  , woher das Heldenmädchen stammte.

Ach, wie weit sind wir heute von den berühmten Versen von Reims  , wenn auch nicht von denen vor dem Scheiter­haufen, auf dem Heuberge entfernt! Schon die edlen Worte,

die Talbot sagt:

Dummheit, du siegst, und ich muß untergehn Erhabene Vernunft, lichthelle Tochter...

trennen ihn auf ewig von dem im Schulgebrauch im dritten Reich" Nötigen!

Die Nachfolge des heute nach Einführung des römischen Grußes in der Rütliszene gleichgeschalteten Schiller in den deutsch  - französischen Bemühungen haben heute die Nazis übernommen. An Stelle von Hauff steht heute der Gauleiter Spieker als Bettler am Pont des Arts  , und statt der Verse von Heine und Rilke   und der Worte von Büchner und Grabbe, die um den Triumphbogen des Kaisers und das Danton­denkmal wehen, intrigieren die N azizellen und senden

eine Feme   ab.

-

Ja, wenn Hitler nicht des Barons Fabre- Luce sicher wäre, der auf Kurfürstendammhöhe eine Rassenschule für er­freulich hält, die Sache wäre schwierig! Aber so hat man neben dem alten Houston Stewart Chamberlain   und dem tibetanischen Wundermönch Trebitsch- Lincoln   sowie dem Balten Rosenberg doch wenigstens internationale Gesellschaft. Gottseidank hat man mit Hilfe des Nietzsche- Stocks jetzt aber weiter vorgefühlt und ist endlich, in Erweiterung alter Tir­pitz- Ziele, dem Kanal nahegekommen. Der Pg. Chef­ingenieur Fre derling hat bekanntlich in Dunkerque  auf französischen   Boden eine Nazi- Zelle gegründet, um dem Boykott der französischen   Docker entgegenzuwirken, und vom

********* Heute Eröffnung******

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Pas- de- Calais   bis Loire   und Gironde   wird hoffentlich das gute CONCERTS POULET BUCHHANDLUNG der Beispiel Nachahmung finden.

Auch der Graf Helldorf   hat bei seinem Aufenthalt in einem feudalen Pariser Hotel Spuren hinterlassen. Frank­ reich   ist ja das alte Land der Gotik, und auch die..Sainte­Vehme" ist ja eine mittelalterliche Einrichtung. Hüten wir uns, sie nicht nächstens auch an der Seine mit Lettern geschrieben zu sehen!-

Wenn einer

in Mode I heiraten will

gotischen Baptiste.

Eine Pariser   Geschichte aus dem Leben Nachdem er in der Zeitung gelesen hatte( so erzählt Michelle Deroyer), daß die Modelle der Maler auf dem Montparnasse   heute schlechte Zeiten haben, schrieb ein braver Mann an Mutter Rosa, das ist nämlich so ne Art Schutzpatron an der Akademie der Grande- Chaumière. Der gute Mann schrieb:

,, Also ich bin 45 Jahre alt. Ich bin Taxi- Chauffeur, munter und stark. Ich verdiene, was ich brauche, ausreichend und könnte eine Frau glücklich machen, sollts meinen. Kennen Sie nicht vielleicht unter den jungen Mädels, die da in die Aka­demie kommen, ein Modell, die gerne heiraten möchte... Mutter Rosa las aufmerksam diese ernsten Absichten. Dann lachte sie sich eins.

Also der Chauffeur wartete ein paar Tage auf ein Zeichen. Nichts geschah. Was tat er? Eines schönen Nach­mittags zog er sich mit besonderer Sorgfalt an, rasierte sich tadellos und suchte Mutter Rosa auf. Sie war da, achtung­

wollte wirklich eine Frau fürs eheliche Heim.

( Theater Sarah- Bernhardt  )

"

Volksstimme" SONNTAG, den 3. Dez. um 17 Uhr 30 unter der Saarbrücken  , Bahnhofstr. 32 Leitung von GASTON POULET   und der M twirkung

von Denise LEWI- SORIANO( Violoniste): Symphonie Neunkirchen  , Hüttenbergstr. Nr. 4. en, Schumann, Concerto  ( Geige und Orch.) Brahms Denise LEWI- SORIANO. Die ,, Pêcheurs Catalans

( Erstaufführung) M. Boher. Das Meer

( 3 symph. Skizzen) Debussy.

auseinanderzusetzen, daß der Besucher ein Mädel suche. Die Kleinen stießen sich gegenseitg mit dem Ellenbogen an:

,, Er ist Maler?"

,, Er ist Bildhauer?" ,, Er ist Gravierer?"

,, Was ist er denn?"

,, Ach," sagte der Gute, ich bin Taxi- Chauffeur."

Na, das gab was zu lachen.

99

ララ

Was sind Sie?"

Was sagste dazu, kein Künstler..."

,, Na, so was. Was will er denn haben?"

Man stieß ihn scherzend an. Man lachte ihm in die Nase. Man blies ihm in die Ohren.

Es blieb ihm nichts übrig als abzuziehen, wutentbrannt und aus dem Häuschen.

Mutter Rosa aber jammerte mit erhobenen Armen: ,, Na, solche unklugen Dinger!. Lieber warten sie eine wie die andere, bis ein Maler kommt, bei dem sie hungern können, jahrein, jahraus, und Ruhm gibts nicht, und Geld gibts nicht. Bloß schade, daß unsereins nicht mehr an die Zwan­zig ist."

Vendredi  , le 1 Desembre

Leider können der Kölner Tünnes und sein Mariaux nicht alle Tücke der Hoedur- Richtung abwehren. So zum Bei­spiel kommt Einstein   die nächsten Monate wieder ans Collège de France   und liest über das Weltall  , statt daß ihm ein Plat neben van der Lubbe angewiesen wird. Auch Tos­canini, der dem Meister in Bayreuth   den Taktstock ver­sagte, erfreut die Pariser  , noch dazu durch Wagner. Max Reinhard   spielt ungehängt" in Paris  , und die Schwe­ster des Baldur von Schirach   singt Unter den Linden   in der Oper. All das ist peinlich. Auch die theatralische Nieder­legung von Kränzen mit Hakenkreuzen am französischen gebietend und liebenswürdig zugleich. Also richtig, der Mann Sariser Theater Totentage ist da nur ein schwacher Ersatz. Der Film ,, Morgen­rot", der auf den großen Boulevards nach dem Wunsche des Meisters gerne laufen möchte, ist zwar eine schärfere Dosis. Aber ach, einen Hauptcoup, die schöne Sedan Feier, die der Führer nach Ueberreichung der wieder zurückgezogenen Straßburg  - Fahne in Nürnberg   eingeführt hat, konnte die Nazi- Kolonie der Seine nicht abhalten. Die sonst so rührigen nationalen Handlungsgehilfen mußten mit langen Nasen abziehen, und die Männerworte mußten von dem pro­jektierten Fest in Joinville- le- Pont   auf einen anderen ,, Pont" ( man weiß ja, daß das Wort in Frankreich   zweierlei bedeutet) verlegt werden.

Auch dem mit Hitlerbild versehenen Leiter der deutschen  Handelskammer zu Paris   Herrn Karweg ist manchmal an­gesichts der für Frankreich   erwiesenen Passivität der beider­seitigen Handelsbilanz schlecht. Die eingefrorenen Gelder reizen selbst dann nicht immer, wenn man sie zeitgemäß am Braséro wärmt, und überhaupt weht Herbstluft auf den Ter­rassen. Es ist sicher nicht leicht, die Heimat von Waschpulver, Bier, Spielwaren usw. an der Seine würdig zu vertreten, wenn das vertrackte Schild ,, Vertreter deutscher   Häuser wer­den nicht empfangen" nicht verschwinden will, zumal vom Solinger Messer, das man verkaufen will, nicht bloß spritzt.

Ruhm

Mutter Rosa zog los, von Saal zu Saal, und suchte erst Mal die mageren, schlimmen und bemitleidenswerten Mo­delle aus, die nicht alle Tage zu futtern haben, aber lebens­froh bleiben. All diese kleinen Dinger hopsten die Treppe herunter, um in die Loge der Mutter Rosa zu kommen, wo der Chauffeur verschüchtert seine Mütze zwischen den Fingern drehte.

Na, nette Mädels, was?" ermunterte Mutter Rosa. Der Chauffeur sah sie der Reihe nach ein, sagte nichts, die Wahl fiel ihm schwer.

,, Klar," murmelte er, alle gut gewachsen." Das alles.

war

Nun war es an der Reihe von Mutter Rosa, den Mädels

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Gegen Levine? Levine ist unschuldig an der Erschießung

E'ne Zelle, ein Hof, eine Mauer der Gefangenen,

Von Ernst Toller  

Im Korridor vor meiner Zelle postieren sich zwei Sol­daten mit aufgepflanzten Bajonetten. Rasch hat es sich im Polizeigebäude herumgesprochen, daß ich gefangen bin, an die Bellenfenster aller Stockwerte pressen sich Köpfe, Hände winken mir, alte Kameraden grüßen mich, selbst die Straßen­mädchen verleugnen ihren Beruf, Mir san a politisch". schreien sie im Chor und Hoch die Retterepublik!" Vor meiner Zelle defilieren in großer Prozession die Polizei­funktionäre, jeden Augenblick wird die Klappe am Spion ge­öffnet, eine Auge gloßt. Wie grauenhaft ein menschliches Auge aussehen kann, aus dem weißen Augapfel quillt gierig die Pupille. Ich drehe der Tür den Rücken zu.

Die Zellentür wird aufgeschloffen, herein trampeln zwei Beamte, Polizeiassessor Lang und ein Schmied.

Welche Fesseln? fragt der Schmied. Wie bei Levine, antwortet Lang.

Der Schmied faßt eine grobe Rette, nietet ein Ende an mein linkes Handgelenk, das andere an den Knöchel. Ich lache.

Ihnen wird das Lachen vergehen!

Wenn Sie meine Gedanken fesseln könnten, vielleicht. Die Tür knallt zu. Mir ist eigentümlich leicht und heiter zumute, die zerrende Spannung der letzten Wochen hat sich gelöst, ich schleiche nicht mehr gebückt und lauernd, ich fann wieder frei mich aufrichten, frei durch die Zelle gehen. Ich werde zum Fotografen geführt, ich muß mich auf einen Stuhl setzen, der meine Verbrechernummer" trägt. Der Fotograf drückt mir eine Reisemüße ins Gesicht und foto­grafiert mich von allen Seiten, später bringen die Zeitungen das Bild, mit retouchierten wulstigen Lippen und stechen­den Verbrecheraugen", zum Abschrecken.

- Wenn die Bilder gut werden, geben Sie mir ein paar, sage ich.

Aus dem steifen hohen Kragen schießt die Antwort: ,, Bis die fertig sind, fressen die Würmer an Ihnen." Als ein Beamter meine Fingerabdrücke nehmen will, pro teftiere ich:

- Ich bin fein Krimineller.

Du Pump, Du Schurke, hier wird nicht protestiert, er packt meine Hand. flatsch ste in die Farbe und nimmt die Abdrücke.

Ich werde ins Vernehmungszimmer geführt, am Tisch fizzt Etaatsanwalt Lieberich, ein kleiner hagerer Mann mit ver­fnittertem Geficht von alten überzogen, die Augen flach, von unzähligen Krähenfüßen umrissen, die Lippen dünn und schari.

o find die Soldaten? schreit er. 9chts Tints neben meinen Stuhl stellen sich Soldaten mit aufnepflanztem Bajonett.

Paffen Sie die ette nicht abnehmen? frage ich. Kurz und scharf die Antwort: Nein... Sie werden gegen Revine aussagen!

*) Aus dem Buch Eine Jugend in Deutschland  ", das im Verlag Querido, Amsterdam  , erscheint.

In der Räterepublik bekämpften Sie ihn? Ja, diesseits der Barrikade. Lieberichs Stimme wird ölig:

-Herr Toller, Sie haben jest Gelegenheit, Ihre Situa­tion zu verbessern.

Bitte protokollieren Sie meine Aussage.

Wie Sie wollen. Welche Konfession haben Sie? Ich bin konfeffionslos.

Er wendet sich zur Stenotypistin:

Schreiben Sie: Jude, jetzt konfessionslos... Also Ste mollen den Mord verteidigen?

- Wer hat gemordet, wer hat Gustav Landauer   erschlagen, wer die zahllosen Unschuldigen erschossen?

Ich verbitte mir diesen Ton, Gustav Landauer   war ein Rebell, er wurde mit Fug und Recht legal gerichtet.

Stundenlang werde ich vernommen, Herr Lieberich macht fich fleine Notizen, dann diftiert er ein Protokoll, das manch­mal meine Worte wiedergibt, oft ihren Sinn entstellt.

Nach der Vernehmung bitte ich um die Erlaubnis, Zeitungen zu lesen.

Im Intereffe Ihrer Nerven kann ich Ihnen die Er­laubnis nicht erteilen, schonen Sie sich, regen Sie sich nicht auf... Abführen!

Nachts in meiner Relle wache ich auf, über mein Bett beugt fich ein fremder Mann:

-

Haben Sie diese Verordnung unterzeichnet? Lassen Sie mich schlafen, ich antworte jeßt nicht. Ich meine es gut mit Ihnen, wollen Sie eine Siga­

rette rauchen?

- Ich will schlafen.

Ich fehre mich zur Wand und schweige.

Das Klappfenster öffnet sich, draußen stehen die Posten, zwei Arbeiter aus Stuttgart  , wir sprechen wie Kameraden, über den Krieg, über die Revolution, ich bin nicht mehr Ge­fangener, fie find nicht mehr wärter.

Einer der Soldaten bringt mir ein Päckchen Butter, zwei Stunden später wird er abgelöst und bestraft, aber nachts öffnet fich die Klappe wieder, einer steckt mir Zeitungen zu. Levine erschossen! lese ich.

Mein Herzschlag Jest aus, diefe Erichießung ist ein Justiz­mord und die Rechtssozialisten haben ihn nicht verhindert, der Kriegsminister, der mit seinem Kopf fich für die Räte­republik verpfändete, bat fich der Stimme enthalten, als der Ministerrat über die Begnabigung bertet. Daß die sozial demokratischen Führer diesem Justizmord nicht wehrten, zeigt ihre Ohnmacht, ihre Schwäche, ihren moralischen Verfall, doch die Millionen Anhänger haben sie nicht mit Schimpf und Schande davongejagt.

Und mit welch infamer Rechtskonstruktion wurde das Todesurteil begründet! Als Levine Mitglied der Räte­regierung wurde, die er anfänglich bekämpft hatte, hielt fich die Räterepublik schon eine Woche, der angebliche Hoch­verrat war begangen, Levines Tätigkeit nach juristischen Begriffen also nur Beihilfe zum Hochverrat, ein Verbrechen, das mit Festung oder Buchthaus geahndet werden kann, nicht mit dem Tod. Doch v ne fete zum Tode b

Finger: morbor Die wien   her rouen   fich au helfen. Die erfte" Räterepublit, erklärten sie, jei nur eine Auflehnung" gewesen, erst mit Levines Eingreifen habe der

Opera. 8 h Marouf.

Op. Comique, 8 h Contes de Hoffmann. Com. Française. 8 h La Marche Nuptiale. Odeon 8 h 30 Jeanne de Pantin, Le Joli rôle, Gaite Lyrique,& h 45 Le Pays de Sourire.

St. Ch. Elysées. 9 h Yvette et ses enfants, Lettre d'une inconnue, Stiopic et Mania.

Th. Pigalle. 8 h 30 Opérette ,, La Chauve Souris"( Max Reinhard  ).

Samedi, le 2 Décembre

Concerts Pasdeloup. Th. Ch. Elysée, 17 h. Chef d'Orchestre Pierre Coppola, sol. Marg. Chattenet( pian.). Roger Boardin( chant).

Opera 8 h Faust.

Op. Comique. 8 h Tosca  , Cav. Rusticana. Com. Française, 8 h Primerose.

Odeon. 2 h 30 Jeanne de Pantin, Le Joli rôle. 8 h 30 La Cagnotte.

Trocadero. 8 h Le Trouvère.

Gaite Lyrique. 8 h 45 Le Pays de Sourire.

St. Ch. Elysées. 9 h Yvette et ses enfants, Lettre d'une inconnue, Stiopic et Mania.

Th. Pigalle. 8 h 30 Opérette ,, La Chauve Souris"( Max Reinhard  ).

Hochverrat begonnen. Sie sprachen ihm die Ehre ab und verurteilten ihn zum Tod. Gestern hatten die gleichen Richter Männer, die an der Auflehnung" teilgenommen hatten, des vollendeten Hochverrats schuldig befunden und zu vielen Jahren Festung und Zuchthaus, ja zum Tode verurteilt. Sie wunderten sich, wenn das Volk das Vertrauen zu ihren Richtersprüchen verlor. So gedächtnisschwach waren sie, daß fie in heller Empörung flammten, wenn jemand aufstand und fie anklagte, Klaffenjustiz zu üben.

Ueberall in München   regieren die alten Herren, sie ver­teidigen die Republif. Die gleichen Männer, die im Auftrag der Monarchie Pazifisten und Sozialisten verfolgten, ver­folgen heute im Auftrag der Republik Revolutionäre, einige Jahre später werden sie ihre Brotgeber einsperren, die Roth und Pöhner.

Nach einigen Tagen bringt man mich ins Gefängnis Stadelheim  , im Auto size ich gefesselt zwischen zwei Kriminal­beamten, mir gegenüber mit entsichertem Revolver Offiziere, ein Lastauto esfortiert uns, Soldaten stehen darauf, vor sich, schußbereit, Maschinengewehre.

Wir fahren durch die Maximilianstraße, welch anderes Ge­ficht zeigt heute die Stadt, auf dem Trottoir flaniert Militär, ordensgeschmückt, Monokel im Auge, elegante Damen flirten, die Bourgeoisie ist obenauf, in den Arbeitervierteln ducken sich die Menschen und schielen nach unserm Wagen, sie haben so viele Gefangene gefehen in der letzten Zeit.

Vor dem Tor des Stadelheimer Gefängnisses halten wir, weiße Kreideschrift. Menetekel dieser Reit, leuchtet: Hier wird aus Spartakiftenblut Blut- und Leberwurst gemacht, hier werden die Roten kostenlos zu Tode befördert."

Johlend, schimpfend, empfänat uns die Soldateska. Ein Kriminalbeamter will mir meinen kleinen Koffer tragen

helfen.

Dem Hund wird nicht geholfen! schreien die Soldaten, erschossen wird er!

Im Aufnahmezimmer muß ich mich ausziehen, man be­tastet mich, meine Kleider, Kamm, Zündhölzer, Taschentuch, Taschenspiegel werden mir weggenommen, ich werde in eine Zelle geführt, die Türriegel knallen, mich umfängt die töd­liche Stille des Stadelheimer Zellenbaus.

Ich hause im Gang der Schwerverbrecher.

Troftlos grau und leer find die Wände, das Fenster aus Mattglas liegt hoch an der Decke, wenn ich es öffne, sehe.ch emen Feßen Himmel. Ein Klapptisch, eine Bank, eine Pritsche mit graugewürfeltem groben Leinen, in der Ecke der stinkende Abortkübel. Im Polizeigefängnis spürte ch das Leben der vielen hundert anderen Gefangenen, ich sab ihre Gesichter, ich hörte ihre Stimmen und manchmal, nach's, den warmen Lärm der Stadt. Ich bin sehr allein, im Käfig der schmeren Stille überfällt mich die Angst der großen Ver­laffenheit, um einen Menschen zu hören, spreche ich ein paar Worte laut vor mich bin, die Worte tönen hohl und ohne Echo, mitten im Sab zerbricht meine Stimme.

Ich lese die Tafel der Hausordnung, ich suche auf den Wänden die Zeichen der Gefangenen, ich finde eingefragte Ramen von Menschen, die in diesem Reum Jahre geferfert moren, in einer intel   sebe ich mit Belfist geschriebene Worte, ich entgiffore fie:

Gleich holen sie mich zum Erschießen, ich sterbe unschuldig, 2. Mai 1919." ( Schluß folgt.).