Englischer Brici
Dr. O. G. 2ondon, Ende November 1933.
Fünf Nacnwahlen
Von den sechs Nachwahlen zum Unterhaus, die in kurzen Abständen vorgenommen werden mußten, weil die bisherigen Mandatsträger durch Tod oder Mandatsniederlegung ausgeschieden sind, haben fünf inzwischen stattge funden. Man sprach gelegentlich in der Bresse von einer kleinen Generalwahl, obgleich es sich ja nur um die Erneuerung eines knappen Hundertitels der Unterhaussize handelte. Man konnte von einer kleinen Generalmahi aus dem Grunde mit einem gewissen Recht sprechen, weil diese Wahlkreise die verschiedenen Teile Großbritanniens und die verschiedenen Bevölkerungsklassen repräsentieren: neben Wohnvierteln von London und Manchester mit einer gemischt proletarisch kleinbürgerlichen
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fanden die Wahlen in einem rein ländlichen Bezirk, in einem gemischt proletarisch- ländlichen Bezirk Mitteleng lands und in einem Arbeiterbezirk Schottlands statt. Und überall das gleiche Bild. Die Regierung, die bisher alle diese Mandate beseffen hatte, hat zwar nur eines davon verloren( East- Fulham), aber überall hat der Regierungskandidat viermal ein Kon servativer, einmal ein Anhänger der Mac. donald Gruppe gewaltige Stimmvergewaltige Stimmver Iuste gegenüber der letter. Wahl erlitten. überall hat der Labourkandidat starke Stimmengewinne zu verzeichnen.( Die auch in der Deutschen Freiheit" miedergegebene WTB.- Meldung, wonach bei der Wahl in Stamford - Rutland der konservative Kandidat 3000 Stimmen gewonnen habe, ist, wie so viele WTB.- Meldungen, falsch, er hat fast 11 000 Stimmen verloren.) In fast allen Wahlkreisen sind die konservativen Stimmen unter das Niveau von, 1929 gefallen ein für die Kon servativen sehr schlechtes Jahr während die Labour Party mehr Stimmen erhielt als 1929 das für die Labour Party bisher beste Jahr. Ein deutliches Stimmungsbarometer, das den Konservativen großen Schrecken eingejagt hat. Schon denken sie daran, das fossile Oberhaus zu reformieren und ihm zugleich mehr Macht zu geben, um eine etwa kommende Labourmehrheit von vorneherein zu hemmen.
Trotzdem darf man noch nicht mit einem baldigen Regie: rungswechsel rechnen. Das jetzige Unterhaus mit seiner riesigen Regierungsmehrheit hat noch drei Jahre Lebensdauer, und es gibt noch keine Anzeichen für eine vorzeitige Auflösung. In drei Jahren aber kann viel geschehen. Auch darf ein anderer Unsicherheitsfaktor nicht übersehen werden. Bei den meisten der Nachwahlen stand kein liberaler Kandidat im Feld, bei Generalwahlen werden die Liberalen in der großen Mehrzahl der Wahlkreise kandidieren. Wohin sind aber bei den jetzigen Nachmahlen die liberalen Stimmen, die unter Umständen den Ausschlag geben können, gegangen? Sind sie als bürgerliche Antifozialisten zu den Konservativen gegangen oder als Gegner der Regierung zu der Labour Party ? Hier liegt ein Unsicherheitsfaktor, aber an dem Stimmungsumfchwung gegenüber 1931 ändert das nichts.
Die Liberalen
Auch in England, wo der Liberalismus eine so stolze und ruhmreiche Tradition hat, ist die Liberale Bartei hein aktiver Machtfaktor mehr. Die einzige Rolle, die sie noch spielen kann, ist es, eine klare Mehrheitsbildung zu verhindern. Der Liberalismus hat dem Bolk nichts mehr zu sagen. Seine alten Menschheitsideale werden von den Konservativen und von der Labour Party ebenso vertreten, mit der reichlich sterilen Freihandelsparole lock! man heute keinen Hund vom Ofen. Die Rolle der Libe ralen ist daher auch in England eine recht traurige. Sie sind in drei Teile gespalten Lloyd George mit Sohn und Tochter bilden das eine Grüppchen, er ist, seitdem er Land wirt ist, stark agrarisch eingestellt und hat jogar faschistische Sympathien er ist der lauteste Lobpreiser für Hitler. für einen sogenannten Liberalen eine seltsame Rolle. Außenminister Simon führt die zweite Gruppe, die sich in so gut wie nichts von den Konservativen unterscheidet. Diese Gruppe unterstützt die Regierung, fie bekennt sich auch zur Schußzollpolitik. Die Kerntruppe, über die die
Immer noch beachtenswerte Barteiorganisation verfügt, wird von Sir Herbert Samuel geführt. Sie spielt eine klägliche Rolle. Jm Rotkabinett von 1931 stellte sie den Innen- und Außenminister. Aber schon während der Wahlen wurde sie von den Koalitionspartnern schlecht be handelt, gegen den Parteiführer und Innenminister Samuel wurde sogar trotz Burgfrieden ein konservativer Gegenkandidat aufgestellt. Die Liberalen ließen es sich gefallen. Nach der Wahl nahmen sich die Konservativen die Mehrheit der Ministersitze, die Liberalen erduldeten es. Dann wurden die liberalen Minister im Kabinett schonungslos überstimmt, sie blieben in der Regierung. Dann ham der Uebergang zum Schußzzoll. Run traten die Liberalen um Samuel zwar aus dem Kabinett aus, aber fie unterstützten nach wie vor die Regierung und blieben auf den Regierungsbänken sitzen. Erst jezt, nach vielem Drängen aus der Mitgliedschaft und unter dem Eindruck der Oppositionserfolge bei den Wahlen, hat sich Herbert Samuel entschlossen, seine Gruppe in die offene Opposition zu führen. Er hat eine in England übliche symbolische Handlung den Gang, der die Regierungsbänke von den Oppositionsplägen trennt, überschritten, aber er hat zu gleich jede Tuchfühlung mit der Labour Party vermieden. Ob ihm diese Halbheit viel nüßen wird, ist mehr als fraglich. Die Liberalen können heute nur noch eine negative
Rolle spielen.
Sir John Simons Stellung
So kurios es klingt, der Uebergang der Samuel- Gruppe in die offizielle Opposition hat die Stellung des national liberalen Außenministers Simon wesentlich gestärkt. Die Regierung legt Wert darauf, als nationale", über parteiliche Regierung zu gelten. Nach ihren Wahlmiß erfolgen kann sie es trot ber konservativen Barlaments mehrheit deshalb nicht ertragen, daß die letzten Reste der Regierungsliberalen abschwimmen. Die Konservativen wünschen es nicht, weil sie dann ihre Herrschaft nicht mehr als überparteilich tarnen können; Macdonald wünscht es nicht, weil er dann noch mehr in konservativen Händen wäre als heute. Diese Position nutzt Simon aus. Er ist ein schlechter Außenminister, das ist ein offenes Geheimnis. Man hätte ihn gerne für das Scheitern der Abrüstungskonferenz verantwortlich gemacht, obwohl er dafür gewiß nicht allein verantwortlich ist. Man spielte mit dem Gedanken, seinen konservativen Unterstaatssekretär Eden zum Kabinettsmitglied zu ernennen und ihm die ganze
brüftungspolitik zu übertragen. Man wollte, wie es of ziell hieß, Simon„ entlasten". Aber Simon wehrte fich und da man seinen Rücktritt aus den obengenannten Gründen nicht ertragen konnte, siegte er Gründen nicht ertragen konnte, fiegte er- wenigstens in der persönlichen Frage.
Wohin?
Sachlich schwenkte Simon zusammen mit dem ganzen Kabinett. Benn England bisher mit Frankreich gemein sam operierte, jo operiert es jezt mit Mussolini zuſammen. Die englische Außenpolitik bat zugleich eine sichtbare Wendung zu Deutschland hin vollzogen. Man ist nach mie vor mißtrauisch. Man migbilligt nach wie vor die deutsche Innenpolitik wenngleich auch hier die raffinierte Propaganda nicht völlig wirkungslos geblieben ist- ist, aber man will Hitler eine Chance geben, seine Friedensworte in die Tat umzusetzen. Simon sprach nicht mehr von einer allgemeinen Abrüstung, sondern von regulierter Rüstung d. h. man denkt offenbar an eine gewisse deutsche Auf rüstung. Man redet Frankreich gut zu, man spricht in sehr verschwommener Form von Revision des Versailler Bertrages, vor allem aber ergeht man sich in einem sehe unrealistischen Bazifismus und hofft, die tatsächlichen Gegensätze durch schöne Worte verkleistern zu können. Die
verhängnisvoll werden wird, eingeleitet; die Regierung ist
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nicht zuletzt unter dem Eindruck der englischen Wahlen eingeschwenkt. Selbst Blätter wie„ Times" und„ Daily Telegraph ", die die Wahrheit sehen, haben sich mit fauer füßer Wiene eingefügt. Nur die rechtskonservative Morningpost" poltert, aber man merkt den Rüstungs willen. Nur der bedeutendste politische Journalist Eng lands, Garvin, bleibt Realist. Auch er hat refigniert. Gr hält die deutsche Aufrüstung für unvermeidlich, aber er macht den Illusionspazifismus nicht mit. Seine sehr ernsten Artikel sind von tiefem Pessimismus erfüllt, e glaubt nicht an die Friedensworte Hitlers . Er sieht Deutschland in wenigen Jahren als die stärkste Militär macht, und dann könne nur die. Entschlossenheit und der zusammenschluß aller friedlichen Mächte das Aeußerste verhindern- menn es dann nicht zu spät ist. Wir fürchten, Garvin hat recht. Nur die deutsche Revolution hann die Welt vor einer neuen Katastrophe retten. Mit Friedens beschwörungen ist es heute nicht mehr getan. Faschismus heißt Krieg. Wer den Frieden will, muß den Faschismus
zertrümmern.
Die Tätigkeit einer Spionin
nanbrenda sob mais at tegni
Paris, 2. Dezember( Inpress.„ Wir befizen unwiderlegliche Beweise für einen unglaublichen Korruptionsstandal in der engsten Umgebung des Führers," schreibt der Gegen Angriff" in seiner neuesten Nummer und belegt leine Enthüllungen mit folgenden Einzelheiten:
An einem der letzten Oktobertage erichtenen zwei Beamte der Geheimen Staatspolizei im Berliner Esplanade Hotel, nahmen eine Haussuchung bei dem Berliner Korrespondenten des großen englischen Blattes„ Manchester Guardian" vor und verhafteten seine Sefretärin Die Sekretärin wird in die Zentrale der Geheimen Staatspolizei, Prinz- AlbrechtStraße 3 gebracht und bis 3 Uhr nachts verhört. Die Polizei versucht vor allem an erfahren, wer der Verfasser einer Reihe von Artifeln im Manchester Guardian " war, die neben den Berichten des offiziellen Berliner Korrespondenten erichienen waren der Schweinehund von Manchester Gnars dian, der Deutschland so mit Dred beschmeißt". Man verjucht, die Frau dadurch einzuschüchtern. daß man ihr flar macht, 15 Jahre Zuchthaus wären ihr dafür sicher, daß sie als die Sekretärin des jetzt noch in Berlin befindlichen Korrespondenten der englischen Zeitung gearbeitet hätte. Nichts hilft. Um 3 Uhr nachts schicken fie fie nach Hanse mit der Weisung. sich am nächsten Mittag wieder in der PrinzAlbrecht- Straße zu melden.
Und nun, bei der zweiten Bernehmung, traten zwei höhere Beamte der Gestapo in Attion, Kriminalfommiffar Dr. Teblaff und Oberkriminalrat Nußbaum. Die Herren Kri minalräte gaben sich äußerst charmant, die Frau auf ber an deren Seite ließ alle ihre Reize spielen. Und nach einiger Zeit war das Gespräch so weit gedichen, daß die Güter der
gebelmsten Staatsgebetmniffe, die schon seit langer en Kenntnis davon hatten, daß hohe Funktionäre der NEDF Berrat übten, ihrem Häftling das Angebot machten, bie obersten Streise der Nationalsozialistischen Partei uus the Emiffäre Spigeldienste zu leisten. Die Frau fagte ja, erflört fich zu allem bereit fie will ja nur eins: ihren Paß wieder haben, um so schnell als möglich über die deutsche Grenze zu kommen. Als Refultat der„ Spionage Tätigkeit der Sekretärin veröffentlicht der Gegenangriff" folgendes:
Herr Dr. Ernst Hanfstängt, der Pressechef Hitlers , ver fauft Nachrichten aus dem engsten Kreis um die Reichskanzlei und die Parteileitung. Ein Interview mit Adolf Hitler foftet 300 englische Pfund, das sind rund 4000 Mart. De Preis ist so hoch, daß sich der Vertreter der Daily Mail geweigert hat, ihn zu bezahlen. Herr von Wiegand aber, der Botschafter der Hearst- Presse in Berlin , hat den Betrag gewendet. Dabei war er aber so vorsichtig, sich diesen und andere Beträge, die er zur Stübung der Privatkaffe D Ernst Hanfstängls abführte, quittieren zu lassen. Die Quil tungen liegen wohlverwahrt bei seinen Atten im Hotel Adlon .
Hanfstängt ist einer der engsten persönlichen Freunde Adolf Hitlers . In der Villa Banfftängle sand der Führer nach dem Zusammenbruch seines Putsches vom 9. Rovember 1923 Zuflucht. Am 27. Februar hielt sich Hanfftängt begei nenderweise im Reichstagspräsidentenpalais auf und ga dort die erste telefonische Meldung an Hitler , der flis Göbbels Wohnung befand. In den letzten Wochen wurde der Better Ernst Banfftängls, Dr. Edmund Hanfftängt, au Direktor der Nationalgalerie ernannt.
Der umsichtige Geschäftsmann inseriert mit Erfolg in der
,, Deutschen Freiheit"
dem Weltblatt
Inserieren in der Deutschen Freiheit" verbürgt allerbeste Erfolge
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