Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Freifiett" Ereignisse und Geschichten

Donnerstag, den 7. Dezember 1933

Der Lieblingsdichter des Führers" Aus Deutschlands   Ecneuerung

Heinrich Zeckaulen besucht Karl May  

Wir müssen den Autor eines vielseitig bebilderten Auf­autyes im nationalsozialistischen Westdeutschen Beobachter" ( 2 Dezember) unsern Lesern vorstellen. Er heißt Heinrich Zerkaulen  , wohnhaft zu Dresden  , wo er Feuilletonredakteur einer heute gleichgeschalteten Zeitung ist, und er schrieb bis vor neun Monaten hübsche Romane, die auch höheren geistigen Ansprüchen genügen konnten. Er war zudem Literaturkritiker mit einigem Geschmack, und er gehörte

den sogenannten praktizierenden Katholiken, die von der Warte ihrer Weltanschauung aus das literarische Ge­schehen würdig und sachlich zu beurteilen versuchten.

Was ist aus Zerkaulen im Fegefeuer des dritten Reiches" geworden? Wie hat ihn das Bekenntnis zum neudeutschen Umbruch verwandelt? Nun, er schreibt nicht mehr über die Großen des deutschen Geistes. Er schreibt über des Führers Liebling, über den verstorbenen deutschen   Kitsch­romanzier Karl May  . Er besuchte seine einstige Villa in Dresden  - Radebeul   und erzählt:

,, Man kann noch so nüchtern die Dinge betrachten, man kann literarisch und künstlerisch die Werke des Mannes angreifen, eines bleibt mit immer stärkerer Gewißheit: Karl May   hat nicht umsonst gelebt.

Als kürzlich an seinem so schlichten Geburtshaus in Hohen­stein- Ernsttal   im Erzgebirge   eine Gedenktafel enthüllt wurde, and als dabei ein alter Freund des Hauses feststellte, daß bis heute rund fünf Millionen Bände Karl Mays verkauft seien, daß diese fünf Millionen Bände auf ein Bücherregal gestellt, eine Strecke von etwa 150 Kilometer einnähmen, da lächelten einige und bedachten nicht, daß das Werk Karl Mays im Herzen der vielen Millionen Leser ein unvergäng liches Denkmal sich schon gesetzt hat.

Also die Villa ,, Shatterhand" in Radebeul  . Die Treppe hinauf zu den ehemaligen Arbeitsräumen Karl Mays ist ein Weg durch sagenhafte Kulturen Indiens   und Chinas  . Wir stehen in der Bibliothek des Dichters. Riesige Büchergestelle füllen den saalartigen Raum bis zur Decke. Da ist von seiner Hand alles katalogisiert und numeriert. Kulturgeschichten aller Völker, Geographie- und Religionsgeschichten. Koran   liegt auf einem Taburett neben dem Diwan, den ein gewaltiges Löwenfell ziert.

Der

Im sich anschließenden Zimmer pflegte Karl May   zu arbeiten. Meißner Indianer- Porzellan schmückt den Raum. Hier saß er und dichtete an seiner Welt voller Romantik und glücklicher Fantasien. Schrieb oft drei Tage und Nächte hintereinander, ohne zu essen. Totenstille herrschte der­weilen im Hause, Er, der bis zum 9. Lebensjahre blind war, der in seiner Jugend nur bitterste Not kannte, dem das hatte, er arbeitete fast in einem Traumzustand. Wenn ihn einer daraus unversehens weckte, fand er den Faden nicht mehr, das Werk war verloren. ,, Auf diese Weise sind Stöße von Manuskripten meines Mannes ins Feuer gewandert, er kam dann nicht mehr weiter," erzählt Frau May  .

so ein guter Mann wie er war." Und der Geist Winnetous  war beschworen.

Nicht zu übersehen bleibt die Feststellung: Welchem Wandel deutsches Geschick in den letzten Jahrzehnten auch unterworfen sein mochte, das Erlebnis Karl May  " wirkt in den heute Vierzigjährigen noch ebenso stark und unaus­löschlich, wie in den heute Zwölfjährigen einer neuen Gene­ration. In dieser Tatsache allein umschließt sich für mich der eigentliche Wertkern des Schaffens von Karl May  . Von solcher Wirkung her betrachtet, gelten mir als beispielhaft die warmen und herzlichen Dankesworte, die kein Ge­ringerer als unser Führer Adolf Hitler   im Bayreuther  Sommer dieses Jahres für die Witwe Karl Mays fand, da er ihr zugleich versprach, die Lebens- und Sterbestätte des Dichters in Radebeul   einmal aufzusuchen."

Warum wir das abdrucken? Nicht, um unsere Spottlust an dem toten Karl May   zu üben, der in seinem Hause zu Dresden   Radebeul  , mit Filzpantinen an den Füßen, heldische Abenteuer in den Steppen Amerikas   erlebte und sie zum Genuß aller schwärmenden und schweifenden Jungens in mehr als zwei Dutzend Bänden niederschrieb.

Uns interessiert etwas anderes. Hitler   hat Karl May   su seinem Lieblingsautoren erkoren. Mehrere Meter seines Bücherschrankes sind erfüllt von Old Shatterhand, Old Shurehand und Winnetou. Die Abenteuer, die Karl May  mit Tomahawks und Skalpen in seiner Fantasie erlebte, sind die bedeutendsten Anregungsmittel für den Führer" ge­worden, dem sie zugleich als Ersatz für Alkohol galten. Nicht nur die hysterische Aktivität des Führers, sondern auch sein Stil sind ohne Karl May   nicht denkbar. Hier lernte er die verschraubten und verblasenen Sätze, die gequollene Pathetik und die Equilibristik mit der Grammatik, die bei jedem Freunde deutscher Stilkunst immer wieder Entsegen er­

regen.

Aber da der ,, Führer" den Karl May   liebt, muß ihn auch Zerkaulen lieben. Er schreibt über May gegen Anstand und Gewissen, um sich für die Berechtigungskarte der Reichs­schrifttumskammer hinreichend zu legitimieren. Er schämt

Von Alfred Kerr

I

Wir säubern keusch den Kurfürstendamm  

Von der Unnatur und dem schlimmen Schlamm, Wir strafen streng vom Richterstuhl

Die Dekadens in dem Sündenpfuhl­Wir selbst sind schwul.

Uns leuchtet das Licht und das Hitler- Heil Im arisch allerwertesten Teil

Der Zukunft, die wir erneuen- Mit deutschem Gruß in Treuen  !

Wir zerren ohne Gnade

II

Das Hungervolk zur Parade. Das Geld der Aermsten wird verjust ( Denn wir sind streng sozial) Und wer da murrt, und wer da muckst, Liegt bald im Hospital; Bleibt hier zu seinem Schut in Haft, Massiert, bis ihm die Birne klafft, Zerwalkt, gefoltert und gekillt, Daß reichlich rote Suppe quillt. Doch rein ist unser Ehrenschild.

-

Dann klebt am Sarg ein Etikett: ,, Verstorben auf der Flucht im Bett" Wir lügen feig und leugnen wild­Mit arisch reinem Ehrenschild.

III

Die ganze weite Welt entpuppt

Sich als verschüchtert und korrupt

Manch deutscher   Jude kam auf den Hund, Will seine Koffer nicht packen;

Er spricht: Zum Klagen ist kein Grand­Sie spucken uns nicht direkt in den Mund, Sie spucken jest bloß auf die Backen; Da beugen wir nebbich den Nacken."

Dann ruft die Makkabäerschar:

,, Hoch Hitlerleben! bis hundert Jahr!"

sich nicht mehr, ein Typus der traurigen geistigen und Kant und Kroner

moralischen Korrumpierung, wie sie heute die einstmals Honorigen unter den deutschen Schrifttums bataillonsweise hinrafft.

Um diese Leute zu entlarven: wahrhaftig, Karl May   hat nicht ,, umsonst gelebt". A. H.

Erbe seiner Großmutter im Blute lag, die das zweite Gesicht noch etwas aus Dresden  

Verzaubert ist der Abend, geheimnisvoll und unwirklich. Denn jetzt treten wir den Gang durch den nächtlichen Park an. Kleine Taschenlampen funken auf, und bald hebt sich gegen den dunkeln Sternenhimmel groß und gewaltig der Umriß des Blockhauses ab. Drei Schläge mit dem eisernen Ring gegen die klogige Holztüre. Im Schlapphut erscheint der Trapper Patty Franck.

Nein, es ist kein Kitsch. Man mag es drehen und wenden wie man will. Die Illusion ist völlig, es bleibt eine Welt für sich, schicksalhaft verbunden mit dem Werk eines Toten.

Ich war auch zugegen, als die Sioux- Indianer Karl Mays Grabmal besuchten. Schutzpolizei   hatte absperren müssen. Dumpfer Trommelwirbel, die Indianer formierten sich, hielten feierlich die gewaltigen Kränze mit der blau- weiß­roten und der grün- weißen Schleife vor sich hin. ,, Der Häupt­ling der Sioux grüßt seinen großen weißen Bruder" stand auf der einen, ,, Dem Lieblingsschriftsteller der deutschen Jugend" auf der andern. Da standen wir vor dem Marmor­denkmal Karl Mays auf dem Radebeuler   Friedhof. Die Kapelle stimmte gedämpft die amerikanische   National­hymne an. Hunderte, oder waren es Tausende, von Rade­beulern umsäumten rings die Grabstätte. Ein alter Mann hinter mir sagte immerfort: ,, Nee, May Karle, was hättest du dazu gesagt, nee so was ,, Kannten Sie ihn denn?" drehte ich mich um. ,, Aber gewiß, kannte ich den May Karle,

Neue Bücher

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André Maurois  : Amerika  , Neubau oder Chaos? Preis 12 Fr. Verlag des Europäischen Merkur, Paris  . Was geht in Amerika   vor? Wieder einmal ist diese Frage von bren­nender, fast schicksalhafter Wichtigkeit. Seit Monaten füllt der Roosevelt  - Plan mit seinen überraschenden Wirtschafts­maßnahmen, seinen verblüffenden, kühnen Experimenten die Spalten sämtlicher Zeitungen. Aber was ist aus ihnen zu ersehen? Nichts wenn die Zusammenhänge unbekannt wenn der Hintergrund unsichtbar bleibt,

bleiben. Nichts

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,, Hege und Pflege" Dichters Aengste

Vom Frickschen Reichsinnenministerium protegiert, er­scheint in Dresden   eine Monatsschrift für ,, völkische Kul­tur". In der Propagandanummer fordert ein gleich­geschalteter Skribent den ,, Einbau des Dichters in den Staat". Das steht wörtlich so ein paarmal schwarz auf weiß. Staatliche ,, Hege und Pflege" wird gefordert, damit der Dichter nicht ,, dem Juden in die Arme getrieben" wird und damit das, was der Dichter muß und was der Staat will, zwanglos zusammen fällt..." Auch dieses hilflose Zeng steht wörtlich da. Dann aber gehts weiter:

,, So muß die Hege und Pflege sich vor allen Dingen und zu allererst dahin auswirken, daß dem Dichter die Angst genommen wird, er dürfe jetzt nicht mehr schreiben, was er wolle, er müsse sich etwa auch noch an gewisse Stoffe halten, die besonders ,, deutsch  " seien. Diese Angst ist nämlich vorhanden und sie ist gerade bei unseren Besten vorhanden."

Aber wie die ,, Besten" das nun machen sollen, daß sie in der Angst das völkische Richtige treffen und dabei rich­tige Kunst entsteht den Trick hat noch niemand entdeckt und darüber zerbrechen sich alle Beteiligten im ,, dritten Reich" die Köpfe. Die selbstverständliche Voraussetzung je­des wirklichen Kunstschaffens, nämlich Freiheit, wagt keiner der besorgten Kulturhüter zu fordern. Ein ekelhaftes Bild hilfloser Feigheit und Heuchelei!

Siehe oben: Exempel Zerkaulen!

Heimatlosigkeit ihr Schicksal und ihre Aufgabe? Feucht­ wanger   stellt fest: ,, Das Ziel des wahren jüdischen Nationa­lismus ist die Durchdringung von Materie und Geist. Er ist kosmopolitisch." Und Arnold Zweig   schließt mit den Worten: Jenseits der Gewalt und ihrer blutigen Prophe­zeiungen steht das Wort, auch das des Juden, und sie werden es müssen stehen lassen". Wenn die kommenden Broschüren das Niveau der ersten halten, so kann uns diese Diskussion wirklich einen großen Schritt weiterhelfen.

auf dem diese Ereignisse erst eigentlich Bedeutung ge- Die falsche Welle

winnen. Diese großen Zusammenhänge, dieser überwälti­gende Hintergrund treten aus dem knappen und klaren Situationsbericht André Maurois  ' mit atemberaubender Ein­dringlichkeit vor. Dieses Buch ist geschrieben für den Tag und die Stunde. Es muß gelesen werden, ehe der Tag, ehe die Stunde herum ist. Ehe es zu spät ist.

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Lion Feuchtwanger   Arnold Zweig  . Die Aufgaben des Judentums. Preis: 5 Fr. Verlag des Europäischen Merkur, Paris  . Ein neuer deutscher   Buchverlag in Paris   eröffnet mit dieser Broschüre die Reihe der ,, Streitschriften des Euro­päischen Merkur", die ein Forum schaffen sollen für die Diskussion der wichtigsten Probleme unserer Zeit. Der An­fang ist vielversprechend! Zum hundertsten Male in ihrer Geschichte werden die Juden von ihren Wohnsigen ver­triehen zielen sie, die schon seßhaft zu sein glaubten, hei­matlos in die Welt hinaus. Sollen Sie den Nationalsozialisten mit einem eigenen Nationalsozialismus antworten? Sollen he wieder in Palästina heimisch werden oder liegt in ihrer

Hopla! Nicht arisch!

,, Der SA.- Mann", das in München   erscheinende ,, Organ der Obersten SA.  - Führung der NSDAP  ." bringt einen Aufsat von Oberst a. D. Max Blümner über die Technik im Weltkrieg, in dem sich folgende goldene Worte finden:

Die Deutschen  , das Volk der Denker, neigen leider dazu, die Verwertung neuer Gedanken ihrer Erfinder und Gelehrten, häufig anderen Völkern zu überlassen. So wars bei Lilienthals Flugversuchen, bei der Elektrischen Straßenbahn, bei den Herzschen Wellen.

Der Physiker mit dem unsterblichen Namen, der die nach ihm benannten Wellen entdeckt hat, war nach neudeutscher Auffassung keineswegs ein dem deutschen   Volk gehörender Gelehrter. Herz war nämlich ein Jude! Lebte er noch, so wäre er längst von seinem Lehrstuhl entfernt. Seine Tochter, die als Privatdozentin an der Berliner   Universität seine Ar bait fortsette, ist längst entlassen wordand

Honorige Studentenarier

Das Hauptamt V für Presse und Propaganda der Kieler Studentenschaft teilt mit: Aus den Reihen der Studenten ist stärkste Verwunderung darüber laut geworden, daß die Kant- Gesellschaft, die am Sonnabend, dem 18. November 1933 einen Vortrag in der Universitätsaula veranstaltet, immer noch von dem nichtarischen Professor Dr. Richard Kroner   geleitet wird. Die Studentenschaft hat nicht die Ab­sicht, gegen Prof. Kroner, der nach den Vorschriften des ministeriellen Beamtengesetzes im Lehramt belassen werden mußte, in seiner Eigenschaft als Beamten vorzugehen. Sie ist aber der Ansicht, daß es untragbar ist, daß die private Kant- Gesellschaft unter dem Vorsitz eines Juden steht. Die sich ihres Deutschtums bewußten Studenten werden den Vor trägen und Veranstaltungen der Kant- Gesellschaft bis zur Abstellung dieses Zustandes fern bleiben und fordern die nationalsozialistischen Einwohner Kiels auf, sich diesem Bei­spiel anzuschließen.

Die deutsche Frau liebäugelt nicht

sagt Günther

Der von den Nazis zum Professor gemachte Dr. Hans Günther   schreibt in seinem Buch Der Nordische Gedanke unter den Deutschen" über die deutsche Frau:

99.

... Grade dieses selbstsichere Wesen aus weiblicher Scheu, grade die Abneigung gegen das Liebäugeln sind so bezeichnend nordische Züge, und eben die kinen aus­gelassenen Gefallsüchtigen" mit dem schnell welkenden Jugendreiz( beaute de diable) sind für die nichtnordischen Rassen Europas   bezeichnend... Durch die ganze moderne Literatur" haben sich viele Deutsche   vorschreiben lassen, daß sie die ,, schillernde", die ,, differenzierte", die interessante" Frau lieben sollen oder das rassische Weib" oder gar den ., Dämon Weib". ,,... Demgegenüber richtet der nordische Ge danke sein Vorbild der Ertüchtigung auf...", das in einer vollendeten Kreuzung der Liebling Hitlers  , Hans Heins Ewers mit Vampir" und Horst Wessel  " geschaffen haben dürfte....

Zeit- Notizen

Der Volksoberrat des flachen Dachs

Berlin  , 3. Dezember.  ( Inpreß.) Um zu verhindern, daß die ,, orientalisch- jüdische Bauweise weiter um sich greift und das Zehlendorfer   Stadtbild weiter verschandelt", hat der Zehlendorfer   Oberbürgermeister das Bauen von Häusern mit flachem Dach verboten.

Max Hodann   entkommen

Der bekannte Sexualforscher und Schriftsteller Max Hodann  , der in der Nacht des Reichstagsbrandes verhaftet, für einige Monate ins Konzentrationslager überführt und zulegt entlassen, aber unter Polizeiaufsicht gestellt wurde, ist mit seiner Frau aus Deutschland   entkommen. Das Braunhemd unpfändbar

Das Braunhemd darf nach einer Darlegung von Landes gerichtsdirektor Staudt in der ,, Preußischen Justiz" nicht ge­pfändet werden, da es sich um ein Kleidungsstück handelt, das für den Bedarf des Schuldners unentbehrlich ist.

Sarottis Pech

Die bekannte Berliner   Schokoladenfabrik Sarotti   het eine neue Konfektpackung herstellen lassen: Schwarzweißrot mit Eichenlaub! Das Berliner   Polizeipräsidium hat doch auf Grund des Gesetzes über den Schut der nationalen Symbole dicae Packung verboten,