3
#
M
M
M
T
Flüchtlingskommissar enttäuscht
Der folgsame hohe Kommissar Ausschußsitze-
-
-
Noch keine ,, konstruktiven Lösungen" Machtkämpfe um Abschluß mit Krach Jeder will dem anderen die Flüchtlinge zuschieben ( Von unserem Genfer Bertreter.)
Lansanne, im Dezember 1933.
Der Verwaltungsrat aus Vertretern von 16 Regierungen, der dem Hohen Kommissar des Völkerbundes für die Flüchtlinge aus Deutschland vom Völkerbundsrat beigegeben ist, fonnte auf seiner ersten Tagung in Lausanne ( 5. bis 8. Dezember) die wichtigsten technischen Grundlagen für seine Tätigkeit errichten sowie verschiedene Anregungen für konstruktive Lösungen wenigstens anhören. Wie bei allen umfang= reichen internationalen Unternehmungen, so war auch bei diesem Bemühen um die Heilung einer erschütternden menschlichen Tragödie der äußere Ablauf der Konferenz von einer glatten Regie geleitet, die aber gegen die krassen Bedingtheiten der handelnden Personen aus dem Zwang ihres Werdens und ihrer Verhältnisse überall trop vorsichtiger Formeln versagte. Die Gegenfäße brachen heftig in streitbaren Geheimverhandlungen und am Schluß sogar öffentlich durch.
Das ganze Hilfswerk steht und fällt selbstverständlich mit der Persönlichkeit des Hohen Kommissars James G. Mac= donald, weswegen seine programmatischen Erklärungen in der Eröffnungsfizung allgemein mit größter Spannung
erwartet wurden.
Dieser jugendlich wirkende Amerikaner mit der scharfen Hafennafe des leibhaftigen Uncle Sam und dem lichtblonden Haarschopf des Schweden aus dem Bilderbuch hat eine nichtssagende Rede abgelesen und überhaupt dauernd gehandelt wie ein vorsichtiger Mann aus der dritten Garnitur der Völkerbundsdiplomatie. Obwohl Verwaltungsrat und Kom missar autonom find, wurde alles peinlichst genau nach den ebenso ehrwürdigen wie erfolglosen Praktiken des Völkerbundes inszeniert. Es sollte alles zu glatt sein und zu be= flissen um die harten politischen Tatsachen herumgeleitet werden, als daß man sich des Eindrucks hätte erwehren fönnen, daß das Fell des Bären gewaschen, aber nicht naß gemacht werden solle. Herr Macdonald gab einen forretten Ueberblick über Zahl, Zusammenseßung und Lage der Flüchtlinge, über die Arbeit der privaten Hilfsorganisationen und über die Völkerbundsbeschlüsse zum Hilfswerk. Kein Wort siel dabei über die Urheber dieses Leidens und ihre Metho den, was man noch begreifen könnte, wenn Macdonald nicht ausdrücklich jede Intervention bei der Hitlerregierung für die Flüchtlinge innerhalb Deutschlands und die Freimachung von Besitz derer im Auslande abgelehnt hätte. Aber auch die „ Anregungen“ über seine positive Tätigkeit waren so vorfichtig gehalten, daß der Verwaltungsrat der Diplomaten wahrhaftig kein Wort daran auszusetzen fand. In der Negative hat Macdonald gewiß recht, wenn er sein Clearinghouse für die Flüchtlingshilfe nicht mit Unterstüßungs- und individueller Arbeitsvermittlungsfragen belasten will.
Auch ist er selbst von der amerikanischen Geldaristokratie gemanaged" worden, die ihre und anderer Lente beden: tenden Kapitalien besonders im bereits bestehenden jüdi= schen Hilfswerk wegen des big busineß nicht ans der Nontrolle läßt, weshalb der Vertrauensmann dieser Dollar: millionäre für große Umfäße im Flüchtlingshilfegeschäft zu foreen, aber die Finger von den Organisationsgeldern zu lassen hat.
Daher wird erst die konstruktive Arbeit für Ansiedlung und Kolonisation, für Berufswechsel und Placierung der Flüchtlinge vom Kommissariat zusammengefaßt; daher werden die neuen, beträchtlichen Gelder für dieses konstruktive Programm auch ausschließlich vom Herrn Hohen Kommissar selber gesammelt und verteilt werden. Von diesem mysteriösen Konstruktiven Programm" selbst sprach Mocdonald aber kein Wort. Es geht dabei nämlich nicht ohne Politik, es geht nicht ohne kräftiges Anpacken der Großmächte, die den Erdball in einem Netz von Kolonien, Dominions und Mandatsgebieten durch eiserne Einwanderungsverbote gesperrt halten. Der Bahnbrecher für die Ansiedlung der deutschen Flüchtlinge wird also zuerst schön brav diplomatisch mit den Regierungen über das erlaubte Maß seiner Forderungen auf Land verhandeln, statt sie, wie einst der Eisenkerl Nansen für die Armenier, im Namen der Menschheit vor dem Weltgewissen öffentlich zu verkünden ohne Rücksicht auf machtpolitische Egoismen. War es nicht bezeichnend, daß gerade der prächtige Lord Cecil als neugewählter Präsident des Verwaltungsrates in befter puritanischer Ueberzeugung von den weiten Gegenden unseres Erdballs sprach, die noch unbekannt seien und mit den Flüchtlingen erschlossen werden fönnten. Wer spürt da nicht unwillkürlich die Bitterkeit des Wortes„ Kulturdünger" auf der Zunge?
Ebenso enttäuschend begann auch der Tag der Privatorga nisationen. Eiskalt- freundliche Erklärungen zur Hilfs= bereitschaft, vorgelesen von sehr vornehmen, sehr hochbe: foldeten, aber gänzlich uninteressierten Beamten der reichen jüdichen Hilfsorganisationen aus Amerita leiteten ihn ein.
Dann gab der Genfer Professor Rappard ein gutes, warm mitgefühltes Bild von der Arbeit der Komitees für die Unterbringung der Intellektuellen, wobei er wenigstens wagte, den Hohen Kommissar um einige konkrete Aktionen zu bitten. Bei der Forderung auf Verhandlungen mit der
-
Hitlerregierung über Freimachung des zurückgebliebenen Eigentums der Flüchtlinge schüttelte Macdonald mit erstaunter, fnabenhafter Grimasse den Kopf. Endlich aber eine starke, überragende Persönlichkeit: die erregend heisere Stimme des Zionistenführers Dr. Weizmann bändigt kaum die Energie, mit der er für die Aufnahmen der Menschen in den beiden Amerika , in Süafrika, Australien und den französischen Kolonien eintritt. Er zeigt unerbittlich, daß alles Gerede um den politischen Kern herumgeht, daß jede Regierung sogar lieber Geld gibt, als Flüchtlinge in ihr Land hereinzulassen. Und selbst im einzigen Lande der Erde, wo der Jude nicht als Flüchtling, sondern im Rechte hinfommt, in Palästina, ist der Wille zur Aufnahme der gequälten Menschen durch fremde Vorschriften gefesselt.
Niemand antwortete auf den einzigen echten Ruf an die Menschheit! Dafür brauchte man anschließend anderthalb Tage, um den erbitterten Kampf um die Vertretungen in den beratenden Ausschüssen der privaten Organisationen auszutragen. Schließlich erhöhte man die Siße im großen Ausschuß von 16 auf 18, von denen 9 durch jüdische und 9 durch nichtjüdische Organisationen besetzt werden. Gegen die antidemokratische Gesinnung Macdonalds und seiner reichen Hintermänner aller Konfessionen wurde von den loyalen Vertretern der Auffassung, daß doch den Flücht= lingen und nicht den Geldgebern geholfen werden solle, schließlich auch in der zweiten Kategorie der Internatio nale Gewerkschaftsbund eingesetzt.
Am nettesten konnte man sich über verwaltungstechnische Fragen einigen. Das Statut bestimmt Lausanne als Sig des Hohen Kommissars( um ja teinen Verdacht bei dem ausgetretenen Deutschland auf einen Zusammenhang mit dem Völkerbund in Genf aufkommen zu lassen):
re
es macht den Verwaltungsrat zum Unterstüßungsgremium für den Hohen Kommissar, dem es alle Initiatve und futive läßt, und zur Verbindungsstelle mit den vertretenen Regierungen. Das Büro des Hohen Kommissars wird von dessen Gönnern auf Geschäftsspesen bezahlt. Bei seiner Zusammensetzung ist der Arierparagraf streng durchgeführt, obwohl 86 Prozent aller Flüchtlinge Juden sind. Ebenso wird grundsätzlich fein Flüchtling eingestellt, obwohl gerade die Flüchtlinge doch am besten um die Not ihrer Leidensgenossen wiffen müßten. Kleine Arbeitsfomitees und Budgetausschuß liefen glatt durch die Amtsmaschiene.
Indessen mußte nach aller Mühe für die glatte Fassade doch die nüchterne Wirklichkeit in der Schlußißung den Zauber des unverbindlichen Wohlwollens zerstören. Die Vertreter der Regierungen hatten fich endlich zum Kernproblem zu äußern. Organisationen waren da, Geld sollte aufgebracht werden, Zusammenfassung aller Arbeit war nun durch die Tagung geschaffen.
Wo aber konnte all das angesezt werden, um die Flücht: linge aus Deutschland unterzubringen?
Wieder hielt der Vertreter der Vereinigten Staaten eine freundliche Rede, versprach sogar Geld, aber on der Aufnahme der Menschen sagte er fein Wort. Das brachte den Fran osen Berenger in Harnisch , er verlangte, daß beide Amerika und die englischen Dominions sein Land von sinem Teil der 30 000 lüchtlinge entlasten müßten, inmal fer Zustrom unaufhaltsam weitergehe. Niemand habe sine e.be Katastrophe für möglich gehalten im Zeitalter der menschlichen Zivilisation. Das Flüchtlingsproblem sei eine gemeinsame Aufgabe der gesamten Menschheit. Polen , Sol= land und die Tschechoslowa fei erklärten, daß fie feine weiteren Flüchtlinge mehr aufnehmen könnten, Uruguay fonnte nichts sagen, weil Argentinien und Brasilien nicht anwesend waren, jeder wehrte fich gegen die Aufnahme neuer Menschen und wollte sie den anderen zuschieben. Lord Cecil wollte beruhigen, er zählte Englands Leistungen für die Flüchtlinge auf und erklärte resigniert, Europa sei voll, Amerika müsse Flüchtlinge nehmen. Aber mit Englands eigenen Dominien fönne er natürlich nur reden, da sie ihre Selbstverwaltung ängstlich hüteten.
Nichts ist also, wie auf allen Gebieten der größten internationalen Probleme, bisher geschehen, der trübfte Scha cher um die Abschiebung der Flüchtlinge wird erst begin: nen. Und ihn soll der folgiame Hohe Kommissar durchfechten, der nach solcher enttäuschenden Verneinung menfchlicher Solidarität wieder nur beamtete Formeln diplomatischen Dantes an alle Versammelten fand.
Um das Schicksal der deutschen Flüchtlinge sähe es bitter aus, wenn nicht troß Kabinetten und Diplomaten, geschobenen Kommissaren, pietistischen Sekretären und eifersüchtigen Organisationsbeamten doch noch überall in der Welt der prächtigste dealismus unbeamteter Rämp ferinnen und Kämpfer in übermenschlicher Anstrengung ihr Bestes leisten würden. Deren Energie zwang schon den Hohen Kommissar zu überhaupt den venigen Anregungen, die er über den negativen Befehl seiner inte männer hinaus vorzutragen wagte; deren glühender Wille tre.bi unentwegt das große Werf weiter an und wird hoffentlich trob Krise und nationalen Egoismen den Flüchtlingen auch Länder und Arbeit erschließen. Um der min. hheir villen sei ihnen vor allem gedankt!
Ein Förster im dritten Reich"
In den Händen der braunen Banden
Die Saarbrücker „ Volksstimme" veröffentlicht folgenden Bericht: Saarbrüden, 13. Dezember.
Wir lassen dem Zeugen gleich das Wort: „ Um dem deutschen Volke zu zeigen, wie in unserem jetzigen deutschen Vaterlande unter der Regierung Hitlers Andersdenkende behandelt werden, seien diese Zeilen geschrieben. Seit dem Jahre 1926 war ich bei der Ardener Waldgenossenschaft als Privatförster angestellt. Vor dieser Zeit bin ich als ehemaliger Bergarbeiter Mitglied der Soaialdemokratischen Partei gewesen, doch habe ich mich jett meiner Anstellung nicht mehr politisch betätigt. sondern mich im Gegenteil polittich vollständig neutral verhalten. Trotzdem bin ich im jezigen Hitler- Deutschland mit Frau und Kind wie folgt behandelt worden:
In der Nacht vom 11. zum 12. August 1933, gegen 11,30 Uhr. wurde an meiner Haustür stürmisch Einlaß begehrt. mit dem Bemerken, sofort aufzumachen, andernfalls die Türe aufgebrochen würde. Meine Frau, die infolge vorher schon bei mir eingegangener Drohbriefe, schon wochenlang keine richtige Nachtruhe gehabt und mehrfach Nächte hindurch zusammen mit mir und unserm Söhnchen in der Nähe unier Hauses im Walde zugebracht hatte, öffnete die Türe, während
ich zu gleicher Zeit versuchte, mit unserm Jungen durch eine Hintertüre aus dem Haus zu entkommen. Aus der Dunkelheit hallte mir aber sofort der Ruf entgegen:„ Stehen bleibei, oder es knallt!" An ein Entkommen war tatsächlich nicht zu denken, denn das ganze Haus war von SS. - Leuten um stellt. Ich wurde wieder in meine Wohnung zurückgebracht und es begann eine Durchsuchung und Durchwühlung jämtlicher Zimmer. Man suchte angeblich nach verbotenen Waffen, obwohl die SS. - Leute genau wußten, daß ich als Förster Waffen im Hause haben mußte, diese aber vorschriftsmäßig polizeilich angemeldet hatte. Troßdem ließ der Truppführer, ein gewisser Erwin Knop aus der Lange Straße in Witten , mein Schlafzimmer vollständig durchwühlen und ein 10jähriger Junge meines Schwagers, der in dem Zim mer im Bett lag. hörte, wie Snop zu seinen SS. - Leuten sagte: „ Sucht nur gut, damit ja etwas gefunden wird." Es sollte mithin absolut etwas gefunden werden, womit sie aber kein Glück hatten, da ich, wie erwähnt, meine Waffen angemeldet hatte.
Nachdem man auf diese Weise nichts gegen mich erreichen fonnte, wurde ich gefragt. ob ich gegen die Regierung Hitler ei, denn ich sollte angeblich einmal den Ausdruck„ Braune Pest" gebraucht haben. Da ich mir aber feiner Schuld bewußt
war und es sich hierbei nur um eine der jetzt in Deutschland leider üblichen Denunziationen handeln konnte, verneinte ich die Frage des Truppführers Knop. Troßdem wurde ich für verhaftet erklärt. Ich wurde aufgefordert, mich schleunight anzuziehen, denn ich sollte mit zu meiner Vernehmung bei der politischen Polizei in Witten , Marktplatz 1. Dort sollte mich, so erklärte man fälschlicher Weise meiner Frau und mir der uns bekannte Kriminal- Polizeisekretär Neumann vernehmen Als meine Frau aber trotzdem noch gegen meine Verhaftung" protestierte, erhielt sie von den SS. Leuten zur Antwort:„ Er muß mitgehen, Gewalt geht vor Recht!"
Die S.- Leute, etwa 30 bis 35 Mann, führten mich dann in ein bereitstehendes Auto und als meine Frau bei meinem Abtransport verzweifelt zusammenbrach, hatten sie dafür nur ein höhnisches Lachen.
Anstatt mich aber nun wirklich zur politischen Polizei zn führen, brachte man mich in das Lyzeum, in dem die SS. von Witten ihren Hauptsitz hatte. Nachdem ich dort unter starfer Bewachung etwa 10 Minuten lang auf dem Flur gestanden hatte, hörte ich, wie einer fragte:„ Jst alles fertig?". Nach Bejahung dieser Frage führte man mich dann in den Keller des Hauses, den die SS .- Leute Konzertfeller nannten. Hier wurde ich nochmals gefragt, ob ich gegen die Regierung Hitler wäre und ob ich„ Braune Best" gesagt hätte. Als ich abermals verneinte, wie es auch richtig war, sagte man mir:" In eineinhalb Stunden kommen wir wieder. Wenn wir dann noch nicht die richtige Antwort erhalten, wie wir sie wünschen, bekommen Sie Ihre Familie nicht wieder zu sehen!"
Nachdem etwa eine Stunde vergangen war, kamen drei Mann zu mir in den Keller. Ich saß auf einem Stuhl. Einer der SS .- Leute stellte sich vor mich, während die beiden anderen hinter meinen Stuhl traten. Der vor mir Stehende wiederholte die schon so oft an mich gerichteten Fragen und im gleichen Augenblick erhielt ich blißschnell von hinten mehrere Schläge über den Kopf. Was dann mit mir geschehen ist weiß ich nicht mehr. Als ich wieder zur Besinnung tam, standen in einer Ecke des Kellerraumes die drei SS.Leute, wovon zwei mit Stuhlbeinen und einer mit einem Polizeiknüppel bewaffnet waren. Zwei Mann hiervon habe ich erkannt. Es waren Erich Röhrig aus der Kruppschen Kolonie in Witten - Annen und ein gewisser Rohde, der in Witten , Marktplatz 2 wohnt. Die drei Mann schleppten mich schließlich nach oben und ich wurde um 3 Uhr nachts entlassen mit dem Bemerken von meiner Festnahme und Mißhandlung nichts zu erzählen, sonst würde ich nochmals geholt werden.
Durch die furchtbaren Mißhandlungen schwer verletzt, ichleppte ich mich unter größten Schmerzen und größter Mühe nach Hause, wo ich gegen 5.30 Uhr anfam Meine Frau rief sofort den Arzt Dr. Voß von Nüdinghausen, der meine Verlegungen untersuchte. Obwohl dieser Herr selber sowohl das Stahlhelm- Abzeichen wie auch das Hakenkreuz der Nationalsozialistischen Partei trug, war er sehr entrüstet und er riet mir, gegen die SS .- Leute Strafantrag zu stellen. Meine Försteruniform war total zerfetzt und von den furchtbaren Schlägen zeigte mein Körper alle Farben. Außerdem ch durch die Schläge auf dem linken Ange die Sehkraft zur Hälfte verloren, obwohl ich lange bei cinem Augen- Spezialarzt in Behandlung war.
Gute Freunde brachten mich noch am gleichen Tage heimlich in Sicherheit und Pflege. Nach etwa acht Tagen erhielt ich jedoch von meiner Frau die Nachricht, sofort nach Hause zurückzukommen, da die Sache gegen die SS .- Leute ange= zeigt wäre. Außerdem hatte der Sturmführer Welle aus Witten meiner Frau eine Bescheinigung geschrieben, nach der die SS. mein Haus nicht mehr betreten dürfe. Diese Bescheinigung habe ich noch im Befizz. An einem Sonntagvormittag wurde ich dann einem größeren Trupp SS .- Leuten gegenübergestellt und ich sollte die Schuldigen heraussuchen, die mich geschlagen hatten. Die Leute, und namentlich die oben erwähnten Röhrig und Rohde, waren aber unter dem Trupp ut zu finden, und ich hütete mich, ihre Namen zu nennen. Ich hatte nämlich zwischendurch fortgesetzt neue Drohungen erhalten und meine Freunde rieten mir, zu schweigen, weil ich sonst nochmals geholt werden sollte. Zudem wurde mein Haus fortgesetzt beobachtet. Wie ich später feststellte, war der schändliche Plan zu meiner Mißhandlung am Abend vorher bei der Einführung des neuen fommissarischen Bürgermeisters Zimmergraff von Witten beschlossen worden. Obwohl ich seit 1926 nicht mehr politisch tätig war, mußte ich diese Mißhandlungen durchmachen, nur weil ich vor 1926 Mitglied der SPD . war. Aber meine Stelle als Förster mußte freigemacht werden, denn an meine Stelle follte der SS .- Truppführer Erwin Knop kommen. Außerdem hatte ich einen persönlichen Feind in dem Oberlandjäger Wippich aus der Waldstraße in Witten .
Da nach meiner Kenntnis vor der Wahl am 12 November feine Einzelaktionen mehr vorgenommen werden sollten, verblieb ich bis zum Wahltage zu Hause. Noch am Vormittag des 12. November ging ich zur Wahl, weil ich genau mußte, daß ich beobachtet wurde. Nachmittags aber wollte ich heimlich zu meiner Frau fahren, die ich schon bald nach meiner ersten Verhaftung nach Holland in Sicherheit gebracht hatte. An der Grenze in Herzogenrath verhaftete man mich jedoch abermals und man nahm mir neben anderen Papieren, einen holländischen Paß, neun Zeugnisse und 605 Reichsmart ab, wovon ich meiner Frau Geld zum Lebensunterhalt bringen wollte. Hierbei möchte ich ausdrücklich bemerken, daß diese 600 RM. aus dem Verkauf einer Kuh, von zwei Schweinen, einer Zentrifuge sowie einigen anderen Gerätschaften und 50 Zentner Kartoffeln stammten. Man nahm also mir und meiner Familie auch noch das Letzte. Durch die Hilfe auter Freunde war es mir dann möglich, bis hierher nach Saarbrücken zu kommen. Hier muß ich jetzt als Emigrant leben, mittellos, die Stellung verloren und von meiner Familie getrennt! Ob das das Programm des dritten Reiches" sein soll?!
Aber leider ist es nicht mir allein so ergangen. In meiner Heimat Witten sind eine ganze Reihe ähnlicher Aktionen vorgekommen. So wurden neben anderen Leuten ein gewisser Käufer aus Witten - Annen ähnlich mißhandelt, Des= gleichen die Gebrüder Schreiner aus Witten - Annen und der Landwirt Heinrich Sträterhoff aus Witten - Stockum . Dem Leptgenannten wurden unter anderem drei Rippen eingeschlagen und außerdem schlug man dem Manne den linken Arm entzwei. Bei den Mißhandlungen taten sich besonders hervor die Gebrüder Trapp aus Witten , einer von ihnen ist ja auch wegen seiner Tüchtigkeit" befördert worden. Außerdem ist der SA.- Mann Erich Scharf von Witten noch sehr bekannt. Man möge nur einmal im Marien- Hospital in Witten die Schwester fragen, die das Rimmer 41 betreut! Und wenn ich dann an die Friedensrede des Reichs= fanzlers Adolf Hitler denke sowie an seine Rede am letzten Tage vor der Wahl, in der er erklärte, in Deutschland wäre feinem ein Haar gekrümmt und keine Fensterscheibe eingeschlagen worden! Man soll einmal in Witten und Annen nachfragen, wo in einer Nacht sämtliche Fensterscheiben her iüdischen Geschäftshäufer zertrümmert wurden. Ich selber habe genua vom dritten Reich" ch mill lieber als Emiorant leben als noch länger diesen Betrug im jeßigen Deutschland mitmachen. Wilhelm Rohlfing, ehemals Förster.