Banffor
Freiheil
da 201
Home dol 112
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Nummer 156-1. Jahrgang
Aus dem Inhalt T
Dominions gegen
Seite 2
deutsche Aufrüstung
Voc einer Erklärung
Seite 2
Paul- Boncours
Mustergültiger Marxismus
Seite 4
ribnd15710V
Katholikenverfolgung
Seite 7
Unser Blatt macht der Geheimen Staatspolizei einige Sorge, obwohl es nicht zur Massenverbreitung im Reiche be= stimmt ist. Das ist schon wegen des Formates nicht möglich. Eine Zeitung, die illegal von Hand zu Hand gehen soll, muß auf dem leichtesten Papier und in sehr kleinem Format ge= druckt sein. Der Wunsch nach Aufklärung ist aber drüben so groß, daß trotzdem zahlreiche Exemplare der Deutschen Freiheit" ins Reich gelangen. Ab und zu gehen uns zer: lesene Exemplare zu, die uns zeigen, daß sie solange die Runde machen, bis die Buchstaben kaum mehr zu erkennen sind und die oft gefalteten Blätter zerfallen. Die meisten dieser Zeitungen gehen auf Wegen in das Reich, die den Zu griffen der Polizei und ihrer Spigel nicht ausgefeßt sind. Ab und zu freilich wird einmal ein Leser der Deutschen Freiheit" im Eisenbahnzug gefaßt und zu schwerer Strafe verurteilt. Bis zu achtzehn Monaten Gefäng: nis sind schon für den Besitz eines einzigen Blattes der Deutschen Freiheit" verhängt worden. Die Bestraften waren durchweg harmlose Lente, die sich der Größe ihres Ver= brechens nicht bewußt waren oder Auslandsdeutsche und Saarländer , die feine rechte Vorstellung von den Gefahren des„ dritten Reichs" hatten. Jedenfalls zeichnet uns die Ge: heime Staatspolizei dadurch aus, daß sie ständig an allen Grenzstationen auf die„ Dentiche Freiheit" fahnden läßt.
Damit begnügt sich diese eifrige Behörde nicht. Nunmehr hat sie uns eine Ehrung von geradezu internationaler Bedeutung zuteil werden lassen, die wir nicht nur aus Bescheidenheit, sondern auch aus Rücksicht auf die deutschen Interessen ablehnen müssen. Zwei Beamte der Geheimen Staatspolizei haben auf offener Strecke einen Schweizer Schnellzug überfallen und die zahlreichen Schweizer Bürger in dem Zuge strengstens vernommen, ob sie nicht etwa die " Deutsche Freiheit" bei sich zu führen wagen.
Auf der Strecke Zürich - Schaffhausen durchfährt der Zug einen schmalen deutschen„ Korridor", und zwar zwischen den Weltstädten Jestetten und Lottstetten . Die Geheime Staats= polizei kam auf die ihrer würdige Idee, auf diesem Fleckchen deutschen Hoheitsgebietes den Schweizern einmal einen Kleinen Anschauungsunterricht von den Freiheiten im nenen Deutschland zu geben. Es tauchten plötzlich zwei Kerle zwischen den Schienen auf, schwangen die rote Notflagge und brachten so den Schnellzug zum Salten. Der Lokomotivführer muß nach seinen Bestimmungen den Zug zum Halten bringen, wenn die rote Notflagge gezeigt mird.
Die zwei Leute, der eine Zivilist, der andere in einem verschliffenen Uniformmantel, gingen durch den Zug und ver: langten schnauzend, ohne sich zu legitimieren, von den Reisenden Pässe und Zeitungen. Sogar die„ Neue Zürcher Zeitung " fam ihnen verdächtig vor. Ein Schweizer , der es wagte, in diesem Schweizer Schnellzug, der im inneren Schweizer Verkehr bleibt, auch wenn er ein paar Minuten deutsches Gebiet berührt, das Züricher Blatt zu lesen, wurde hochnotpeinlich vernommen. Das Blatt wurde ihm erft wieder zurückgegeben, als er sich als Schweizer Bürger aus: wies. Zahlreiche Reisende hatten teine Pässe bei sich, da sie mit Recht glaubten, sich im internen Verkehr der Schweizer Bundesbahnen zu befinden. Mehrere Reisende wurden mit der Verhaftung bedroht:„ Sie befinden sich hier auf deutschem Boden. Wenn Sie sich nicht fügen wollen, werden Sie mit
genommen!" Der Reisenden bemächtigte sich wegen der Frechheit und Rücksichtslosigkeit der beiden Polizeibeamten große Erregung. Als der Zug wieder aufuhr, verabschiedeten fie sich von den neben den Schienen stehenden Störenfrieden mit fräftigen Schimpfworten.
Die beiden staatspolizeilichen Beamten begründeten ihren Ueberfall damit, daß wiederholt die„ Deutsche Frei: heit vom Schnellang Zürich Schaffhausen auf deutsches Gebiet abgeworfen worden sei. Die Aktion sollte nun Pro= pagandisten unseres Blattes ermitteln. Es wurde aber bei teinem Reisenden ein Exemplar gefunden. Der staatspolizeiliche Schlag ist also daneben gegangen. Er hat nur für die „ Deutsche Freiheit" Propaganda gemacht und den Schweizern, die ohnehin zu vielen Tausenden Freunde unferes Blattes sind, noch mehr bewiesen, wie sehr das große mächtige„ dritte Neich" nervös wird, wenn auch nur in dem fleinsten Winkel deutschen Gebietes die Deutsche Freiheit" eindringt.
Die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen hat durch diesen Ueberfall eine Quittung dafür bekommen, daß sie jüngst unser Blatt in den Personalräumen der Grenzstationen verboten hat. Je mehr die Schweiz Ent gegenkommen zeigt, umso nichtachtender wird sie vom dritten Reich" behandelt. Ein Bericht der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen über die Durchsuchung des Schnellzuges Zürich Schaffhausen durch deutsche Polizeiorgane ist dem eidgenössischen Eisenbahndepartement zn= geleitet worden. Auch das politische Departement befchäftigt sich mit der Angelegenheit. Die Regierung in Bern ist der Meinung, daß auf Grund der bestehenden Staatsverträge Deutschland zur Durchsuchung des Schnellzuges auf seinem Hoheitsgebiet berechtigt war. Man verhehlt aber auch nicht, daß man in der Art des Vorgehens eine unfreundliche Maßnahme und unerwünschte Härte empfindet. Die Schweizer Bevölkerung ist empört, weil sie nicht begreift, daß man nicht einmal mehr in einem Schweizer Zug vor der Geheimen Staatspolizei sicher sein soll. Bennruhigt ist auch das Bahnund Postpersonal, das seine besondere Bespikelung durch die Geheime Staatspolizei befürchtet. Nach einem Bericht der Basler„ Nationalzeitung" haben die beiden deutschen Polizeibeamten zu ihrem Manöver eine Arbeiter: gruppe benutzt, die unter Leitung eines ichweizerischen Vorarbeiters auf deutschem Gebiet arbeitete. Die benachbarten Stationen find durch die deutsche Polizei nicht benachrichtigt worden. Der von der vorhergehenden Station gemeldete Zug traf auf der nächsten Station nicht rechtzeitig ein. ohne daß man dort den Grund erfahren konnte. Man erblickt in dem polizeilichen Ueberfall auf den Schnellzug eine Störung des Fahrplanes und eine ernstliche Gefährdung der Betriebssicherheit.
Da es noch mehrere„ Korridore" gibt, die man im Grenzgebiet im internen Verkehr zu durchfahren hat, find die Schweizer der Meinung, daß die Bundesbehörden schleunigst eine Klärung herbeiführen müssen, ob die Schweizer in ihrer eigenen Bundesbahn noch lesen dürfen, was ihnen beliebt, und ob sie von einer Schweizer Stadt zur andern eines Paffes bedürfen, wenn die Geheime Staatspolizei des dritten Reiches" ihnen das vorschreibt.
400 000 werden sterilsiert
17/11/1
1700..Erbgesundheitsgerichte" sa Pil
Am 1. Januar tritt das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses in Kraft. Wie verlautet, werden im ganzen Reichsgebiet bis zum 1. Januar annähernd 1700 Erbgefund heitsgerichte, davon allein rund 1000 in Preußen, ferner 27 Erbgesundheitsobergerichte entstehen, die sofort ihre Arbeit aufnehmen. Die Wissenschaft hat sich bemüht, einen vorläufigen Anhaltspunkt über die Zahl der Personen zu finden, die innerhalb furzer Zeit einer Sterilisation unter zogen werden müssen. Sie schätzt diese Zahl auf rund 400 000 Menschen. Sie verteilen sich auf alle neun Krankheiten, die das Gesetz als Erbkrankheiten aufzählt, der größte Teil jedoch, die Hälfte leidet an angeborenem Schwachsinn. Die rund 400 000 Kranfen bestehen etwa ie zur Hälfte aus Männern und Frauen. Auch über die Kosten der Unfruchtbarmachung sind bereits Erhebungen angestellt worden. Sie dürften im Laufe der Zeit eine nicht unerhebliche Minderung erleben, weil die Erfahrungen auf diesem Gebiete größer werden. Heute setzt man für die Operation eines Mannes etwa 20 Mark an. Sie ist so einfach durchzuführen, daß der Mann nur vier Tage zu liegen braucht. Auf 200 000 Männer gerechnet, würden die Gesamtausgaben also rund vier Millionen betragen. Etwas umständlicher ist der Ein
griff bei Frauen. Sie bedürfen mindestens eines achttägigen Krantenlagers und eines Aufwandes pro Kopf von etwa 50 Mart, so daß die Sterilisation von 200 000 Frauen 10 Millionen Mark kosten würde. Diese 14 Millionen Mark bedeuten zunächst eine Sonderlast in den ersten Jahren. Professor Lenz hat den jährlichen Aufwand für die Erbkranken im geringsten Falle mit 350 Millionen berechnet. Friedrich Burgdörfer kommt sogar zu einem Betrag, der von einer Milliarde nicht weit entfernt ist. Gemessen an diesen Ziffern ist die Ausgabe von 14 Millionen gänzlich unbedeutend. Nach zehn, zwanzig oder dreißig Jahren wird man feststellen können, daß wir jährlich Hunderte von Millionen durch Minderaufwendungen für die Erbkranken sparen. Die Aufbringung der Lasten geschieht zum größten Teil durch die Träger der Sozialversicherung, insbesondere also durch die Krankenkassen. Für nicht frankenversicherte Personen werden im allgemeinen die Fürsorgeverbände einzutreten haben.
So lautet die offiziöse Meldung. Hunderttausende zittern in Hitler- Deutschland vor einem gewaltsamen Eingriff mit für sie unübersehbaren Folgen.
Liebeskrbeiter und Antichaschiften.
10. Dezember
Anser Vater Franz Stinger würde am 22 Augüft 19 33 in Konzentrationslager dachait von den Faschistal ermordet, wid is für die Befreiung der Unterdrückten gekämpft hat. Die Note Hilfe deutschlands hat unsere Mutter und ums geholfen. Konst hätten wir nicht gewüßt, wohin warwir gehen sollten. Die Röte Hilfe Aut alles, was sie kann, um den Frauen und Kindern ermordeten Arbeiter und aller Politischen Gefangenen zu helfen. Liebe Genossen Antifaschisten! Unterstützt die Roten Helfer in Colikarität! Helft mit daß unsere Gefangenen Genossen ber freit werden, und auch ihre Frauen. Blätter und Kinder sollen durch die Hilfe von Hauch durch die Rote Hilfe vor Hungerund Kälte geschätzt werden. Enum Neazer – Else SeizerStenzer
Lilli Stanz
Wir veröffentlichen ein Bild der Familie Stenzer nebst einem Brief der Frau Stenzer . Das tragische Geschick der Familie und ihrer Kinder, deren Mann Reichstagsabgeordneter in Deutschland war und von den Nationalsozialisten im Konzentrationslager Dachau ermordet wurde, ist erschütternd:
Frau Stenzer selbst wurde im April d. J. in München als Geisel verhaftet und ins Gefängnis Stadelheim überführt. Ihre drei unmündigen Kinder blieben schutz- und hilflos zurück. Nach sechs Wochen verhaftete man ihren Mann. Dieser wurde in das Konzentrationslager in Dachau eingeliefert, wo man ihn drei Monate lang, dauernd ge= fesselt, im Arrestkeller des Konzentrationslagers gefangen hielt. Seine Nahrung, die ihm nur alle drei Tage verabfolgt wurde, bestand aus einem Krug Wasser und einem Stück Brot. Bei seiner Einlieferung wog er 87 Kilogramm, furz von seinem Tode 53 Kilogramm. Während der Zeit seiner Gefangenschaft hielt man auch seine Frau weiterhin gefangen. Am 22. Auguft wurde der Reichstagsabgeordnete Stenzer nachts um 12 Uhr auf dem Hof des Konzentrations= lagers Dachau füfiliert, Frau Stenzer wurde eine halbe Stunde vor seiner Beerdigung freigelassen. Frau Stenzer Jeht nach ihrer Entlassung in den schlimmsten wirtschaftlichen Verhältnissen, mußte sich tagtäglich bei der Polizei moen, und wenn nicht die Solidarität der Roten Hilfe thr aus Deutschland herausgeholfen hätte, so wäre sie mit ihren drei Kindern der größten Not preisgegeben.
An alle!
Paris , im Dezember 1988. Mein Mann, Franz Stenzer , wurde am 22. August 1933 von Faschisten im Konzentrationslager Dachau ermordet, nachdem man ihn drei Monate lang auf bestialische Weise gequält und gemartert hatte. Seine Leiche war völlig untenntlich. Erst als ich an seiner rechten Hand eine Narbe sand, konnte ich glauben, daß es wirklich mein Mann war. Ich selbst war vier Monate im Gefängnis und in dieser ganzen Zeit ohne Nachricht von meinem Mann. Denn es war ihm verboten, mir zu schreiben. Unsere drei Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren lebten inzwischen unbeaufsichtigt in den schlechtesten Verhältnissen und waren auf die Hilfe fremder Menschen angewiesen.
Auch als ich schließlich aus dem Gefängnis entlassen war, wurde ich von Nationalsozialisten überwacht und auch ge= schlagen. Meine Kinder wurden in der Schule gezwungen, die Mörder ihres Vaters mit Heil Hitler" zu grüßen.
Die Rote Hilfe hat uns nun geholfen, aus diesem faschistischen Mörderdeutschland herauszukommen, so daß wir wieder als Menschen leben können. Ohne ihre Hilfe hätte uns auch weiter Verfolgung und Kerker bedroht.
Emma Stenzer