Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Greifieit" Ereignisse und Geschichten

Freitag, den 22. Dezember 1933

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Deutschland   wollen wir

Er saß in einem kleinen Café und starrte in den grauen Rauch einer billigen Zigarre. Um die Tische hockten Leute, die sich zu Hause fühlten. An den gleichmäßigen Mienen, mit denen alle ringsum in ihren Zeitungen versanken, merkte er, wie fremd er hier war. Schaute er in die Blätter, so suchte er Deutschland  , las einige Berichte und schob das Papier wieder zur Seite. Immer kam dasselbe Gefühl von Schmerz und Sehnsucht hoch. Was sollte er hier im fremden Land? Warten auf irgend etwas, das nicht kam?

Als er vor Monaten über die Grenze ging, weil ihn daheim braune Horden mißhandelt hatten, atmete er auf. Frei! Endlich einmal keine Landknechtsuniform mehr ringsum, kein Abzeichenrummel- richtige normale Menschen auf der Straße... Nichts von diesem Neugefühl war geblieben, nichts als dumpfe Sehnsucht. Da im Norden waren Wälder, die er kannte, Flüsse, in denen er geschwommen, Menschen, die er liebte, die seine Sprache verstanden, Häuser, in denen er gelebt. Heimat...

Er girff zum Hut und ging. Draußen umspielte ihn lautes, abendliches Großstadtgewühle. Harte, fremde Sprache schlug an sein Ohr. Das hatte ihm einmal wohlgetan jetzt schien es ihm ferner denn je. Was sollte er hier? Worauf wartete er? Alles schien ihm so leer. so zwecklos, so einsam, trot des Getriebes ringsum. In der Seele, oder wie man dies unbestimmbare Stück Leben in der Brust nennt, spürte er ein feines klingendes, schmerzendes Nagen, wie er es bisher so nur zweimal in seinem Leben empfunden.

Damals, in seiner Jugend, als er die Welt durchstreifte. Jahrelang Ein deutscher   Handwerksbursche. Maschinenbauer. Schweiz  , die Mosel  , den Rhein   herauf, Norddeutschland, Dänemark  ... Dann war es über ihn gekommen. Er wan­derte heim, fand die Wälder wieder, wie ehedem, den Strom seiner Kindheit, die Freunde. Manch Gesicht hatte sich verändert, die Heimat war geblieben. Er lernte zeichnen, wurde Techniker.

Und dann im Kriege. An drei Fronten hatte er gestanden. Zweimal verwundet. Zuletzt, das Schwerste, in Frankreich  . Immer dünner wurden Linien. Was noch stand, war grau, müde, verfallen. Man blieb stehen, weil es wohl so sein mußte. Aber jede Nacht kehrte dieses schmerzende Nagen stärker und stärker wieder. Nach Hause. Der Friede kam wie ein dumpfes Wunder, das keiner ganz fassen konnte... Wieder nahm ihn die Heimat auf. Menschen waren gestorben, verdorben, aber man war daheim, kannte die Straßen, atmete die Luft der Kindheit. Langsam fielen milde Schleier über die Schwere des Gewesenen...

Heim! Was sollte ihn hindern? Nichts hatte er verbrochen. Er war Sozialist, wie Millionen drüben. Man konnte ihn nicht fressen. Die braunen Aufzüge, den Hakenkreuzklamauk

daran würde man sich gewöhnen. Millionen mußten es aushalten. Dort grünten Wiesen. die er kannte, mit Teichen, in denen er als Knabe gewatet. Dort waren Kameraden von ehedem. Er hielt dieses Herumhocken im fremden Land nicht mehr aus. Ein paar hundert Mark waren ihm geblieben er brauchte daheim noch nicht zu betteln.

Noch am selben Abend packte er seine Sachen.

Als er gen Norden fuhr, war ihm leichter, freier, das innere Nagen verschwand. Vor der Grenze stieg er aus, wartete die Dunkelheit ab, ging dann auf Wiesen, die er im Mai schon einmal überquert hatte, hinüber ins Deutsche, lief bis zur nächsten Bahnstation und fuhr nachtschlafend in bekanntes Land. Wohin? Ach, es kam nicht darauf an. Seine Frau war gestorben, die Tochter lebte im Rheinland  . Warum sollte er sie behelligen, beunruhigen, mit seiner Vergangenheit ge­fährden?

In der Stadt, da er zuletzt gearbeitet hatte, stieg er aus. Eine Woche später hockte er in der Mansarde des alten Schuhmachers, seines früheren Logiswirtes, starrte wiederum

Sieg Heil den Bazillen!

Die Straße frei der Pest und Cholera!

Nachdem die Nazi die" System" parteien, die" System". literatur, die ,, System"-Gesellschaftswissenschaften vernichtet haben, gehen sie nun daran, die ,, System" medizin zu ver­nichten. Die ,, System" medizin ist die Summe all dessen, was die großen Bakteriologen eines Jahrhunderts entdeckt haben, die Befreiung Europas   von der Pest, von den Blattern, von der Cholera, von den fürchterlichen Epidemien des Mittel­alters. All das ist materialistisch- marxistisch" und wider­spricht dem erhabenen Blutmythos nordischer Edelmenschen; der Münchener   Professor Oehninger hat daher einen Vortrag gegen die materialistisch- marxistische Systemmedizin ge­halten und folgende Offenbarung von sich gegeben:

,, Die rationalisierte Medizin unternahm es, den Menschen mit Giften zu impfen, die tierischen Ausscheidungen und kranken Blutabsonderungen entnommen wurden. Den Men­schen wurde Tierblut eingespritzt, Sera von Schweinen wer­den dem menschlichen Blut einverleibt und erzeugen eine unheilbare Erbmasse im Volk. Dies sei die höchste Blüte der ,, materialistisch- marxistischen Pseudowissenschaft". Auch in dieser Hinsicht setze ein Auf- und Umbau ein. Die materialistische Systemmedizin wäre die Wiederauflage der

in die Ringel einer billigen Zigarre und frug sich, was er hier wollte. Der Direktor jener Werkzeugfabrik, in der er gearbeitet, erklärt ihm: er bedaure sehr... Aufträge lägen zwar vor... tüchtig sei er auch in seinem Fach... aber Marxisten einzustellen, sei verboten, er bedauere sehr... Alte Kollegen, die er aufsuchte, waren merkwürdig einsilbig geworden, keiner wollte recht mit der Sprache heraus. Poli­tischen Fragen wichen sie mit scheuen Andeutungen aus. Er griff nach Zeitungen, legte sie wütend zur Seite. Eine sah so charakterlos aus wie die andere, nirgends so etwas wie eine eigene Meinung. Die politischen Artikel pfiffen alle auf dem gleichen Hurraton. Durch die Straßen rannten braune Uni­formen, einzeln und truppweise. Lastautos sah er, von be­waffneten SA.- Leuten besetzt, in der Mitte bleiche Gefangene, die irgendwohin geschleppt wurden. In einer Seitenstraße auf einem Wagen eine alte Frau, neben ihr SA.- Wache. Feiner kalter Regen rieselte hernieder; die alte Frau zog das Umschlagtuch enger um die frierenden Schultern und sah an dem Haus hinauf. Dort oben wurde gehaussucht; ihr Sohn war nicht daheim; man hatte einige Bücher gefunden, drum wurde sie mit zur Wache geschleppt.

Die Arbeitslosen

Wir schreiben jeden Tag Bewerbungsschreiben Und klopfen jeden Tag an eine Tür. Wir wissen, daß wir immer draußen bleiben. Das frißt an uns wie ein Geschwür.

Wir bilden die Armee der Hoffnungslosen; Man stieß uns aus dem Reich des Schaffens aus. Wir leben von gesetzlichen Almosen, notam Und wahrlich nicht in Saus und Braus. G

Man weist uns ab, wenn wir um Arbeit bitten. Wie dreiste Bettler, deren man sich schämt, Denn unsere Kleider haben stark gelitten, Und unsere Mienen sind vergrämt.

Wir sind gerichtet, weil wir ehrlich waren, Und weil wir immer arm geblieben sind. Das ist der Lohn nach mühevollen Jahren: Daß lebend wir vergessen sind!

Horatio.

Er ging zu seinem Sportplats; der war geschlossen, be nur ein Zuchtführer darf köcen!

schlagnahmt. Ueberall starrte ihn feindliche Fremdheit an. Selbst im nahen Walde mit seinen Birken und Kiefern strömte ihm das lähmende Gefühl von Leere und Unbehagen entgegen. Braune Trupps zogen durch Schneisen, imitierte Handgranaten im Gürtel; Kriegsübung im bunt gefleckten Herbstwalde. Alte moosweiche Plätze, auf denen er noch im Frühling mit Freunden gelagert, dünkten ihm leblos, un­wirklich. fern. Traurige Bilder des braunen Alltags folgten ihm auf Schritt und Tritt. Er suchte die Heimat und fand sie nicht. Als er einst von der Wanderschaft kam, nahm sie ihn auf wie eine Mutter. Nach dem Kriege erwachte er daheim aus einer blutigen Krankheit. Diesmal war das anders. Er suchte die Heimat, irrte umher und fand einen Trollspuk, wie er ihn als Kind in Märchen erlebte: Schreckhafte Er­scheinungen, viereckige Gesichter, Gestaltungen einer irren Welt. Vertraute Sprache ringsum. aber seltsam gedämpft, ge­flüstert, gehemmt, krank. Alles so lauernd, als müßten Millionen plötzlich aufwachen, Masken abwerfen, verhaßte Kulissen zerschlagen, Fahnen zerreißen, Flüche, Verwün­schungen, Anklagen laut heraus schreien: Deutschland  wollen wir! Deutschland  , unsere Heimat! Keine fremde Ka­serne, keine hunnische Schreckenskammer, kein feindliches Konzentrationslager, kein braunes Panoptikum! Deutschland  wollen wir!"

Suchend schritt er durch eine lange Vorortallee. Hier mußte der Platz sein, wo sie einst als Buben . Lautes Trommeln schreckte ihn auf. Die Straße daher zog ein SA.- Trupp. Fahnen voran. Leute blieben stehen, mußten die

Sichert die Reinheit des Pferdeblutes!

Das ,, Landwirtschaftliche Wochenblatt und Genossenschaft­liche Mitteilungen für Schleswig- Holstein  " veröffentlicht in Nummer 45/6 im Wortlaut einen Vortrag, den der preußi­sche Oberlandesstallmeister im Auftrage der Deutschen Ge­sellschaft für Züchtungskunde über nationalsozialistische Hengstkörung gehalten hat. Dieser Vortrag ist für den Nichtnazi vergnüglich zu lesen. Der Herr Oberlandesstall­

meister sagte:

,, Die Pferdezucht kann nur im neuerstandenen ,, dritten Reiche" emporgeführt werden wenn geborene Zucht­führer an der Spige stehen. Das Führerprinzip muß das erste Prinzip für jede Landeszucht sein.

Am nächsten steht die Pferdezucht in jenen Gebieten, wo Bauerngeschlechter unvermischten Blutes seit Jahr­hunderten auf den Höfen sitzen. Dort herrscht der Sinn für die Reinheit des Blutes in der Pferdezucht. Gemischt. stämmige Bauern und solche, die ihre Scholle wechselten, sind nie die Elite der Pferdezüchter.

Ich möchte in Zukunft, daß in jeder Provinz oder in jedem Landesteil nur ein Mann kört. Mein Ideal ist er reicht, wenn alle Hengste in Preußen von einem Manne gekört werden."

Das dritte Reich" hat seine Idealisten! Die Anhänger der Kreuzung zwischen Warmblut und Kaltblut mögen zittern!

Max Dessoir   geht

Fahnen mit ausgerecktem Arm grüßen. Er schwenkte in eine Zeit- Notizen Seitenstraße, wollte den Rummel nicht sehen. Da sprangen ihm schon einige braune Lümmel nach. ,, Willst du wohl salutieren. Lump!" Gummiknüppel sausten. Vor seinen Augen drehte sich Straßengrau mit Braun untermischt. Er ballte die Faust, schlug irgendwohin. Wieder hämmerten Gummiknüppel. Dann packten sie den halb Bewußtlosen und schleppten ihn davon.

Man hörte nichts mehr von ihm. Der alte Schuhmacher wartete drei Wochen, dann schickte er den Koffer an die Tochter im Rheinland  . Gregor.

Leider scheint jetzt für Deutschland   die einzige Hoffnung in der Zerstörung zu sein. Unsere Leiden kommen nicht von außen, sondern von innen. Seume  .

Kant auf völkisch

Wird die Kant- Gesellschaft gleichgeschaltet?

Das soeben erschienene Heft der Kant- Studien" enthält folgende Mitteilung: ,, Das Erscheinen des Heftes 2/3 der von der Tochtergesellschaft herausgegebenen Zeitschrift( ,, Der

Der ordentliche Professor an der philosophischen Fakultät Berlin  . der bekannte Philosoph Max Dessoir  , ist auf seinen Antrag zum 1. April 1934 von den amtlichen Ver­pflichtungen entbunden" worden.

Verboten

Laut Kriminalpolizeiblatt 1720/21: Die Welt  "( Brünn­Prag); ,, Schweizerische Bau- und Holzarbeiter- Zeitung ( Zürich  ). Laut Kriminalpolizeiblatt 1718/19: Berliner Herold" vom 26. 11.2. 12.; ,, Abrechnung! Der Weg der deutschen   Politik in Wort und Bild", Köln  , Gilde- Verlag; ,, Das wahre Christentum und die Frauen", Herausgeberin: Alix von Falkenhayn( Gestapa, Aktenzeichen: II D 1368/33); Billung, Rund um Hitler  ", München  , Bernhard- Funke- Ver­lag( Gestapa II D 887/33); Röd Kurs", Kopenhagen  ; Der Arbeiter- Rad- und Kraftfahrer", Wien  ; ,, De Uitkiyk", Rotter­ dam  ; Pressedienst der,.Jüdischen Telegrafenagentur", Prag  ; ..Der österreichische Volkswirt", Wien  ; das Flugblatt ,, Kämpfende Kirche", Bärenreiter- Verlag  , Kassel  ; als Schund­und Schmutzschrift: Haffner ,,, Jugend auf der Landstraße", Berlin, Bruno Cassirer.  

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philosophische Unterricht") hat sich verzögert, weil die Epigramme von Franz Grillparzer  

Schriftleitung auf das Eintreffen neuer Manuskripte warten mußte. Das umfangreiche Heft, dessen Drucklegung bereits begonnen hat, darf besondere Aufmerksamkeit beanspruchen, weil es in einem von Ministerialrat Dr. Martin Löpelmann verfaßten Aufsatz über Die Bedeutung der Philosophie für die künftige Bildungsarbeit in der Schule" Richtlinien für die Einordnung und Behandlung der Philosophie bei dem jetzt erfolgenden Neuaufbau des deutschen Bildungswesens gibt. Das Heft wird außerdem folgende Aufsätze enthalten: ,, Der philosophische Unterricht im Dienste der völkischen Erziehung" von Max Vanselow. ,, Die Behandlung von Pla­tons Phaidon  " als Beispiel philosophischer Vertiefung im griechischen Unterricht von Egon Kirchner. Und das im Namen Platons und Kants.

mittelalterlichen Dreckapotheke". Eine Tiertherapie, welche Ex Wilhelm, über Afrika   informiect

Urin, Leichenteile und Leichenblut für ihre Zwecke benützt, eine solche widerliche Leichenmedizin müsse jeden Zusam­menhang mit der göttlich- geistigen Sendung des Menschen verlieren. Wir kämpfen auch gegen die Vivisektion. Noch ist dieser Kampf aber nicht beendet. Das Ergebnis dieses Kampfes auf dem Gebiet der Medizin wird eine der größten Kulturtaten des neuen Deutschland   sein."

Ob wir die faschistische Massenbewegung wirklich nur den vielen Einspritzungen mit Schweineblut verdanken, ob die SA. wirklich das Produkt einer vertierten Erbmasse ist, gemischt mit Urin, Leichenteilen und Leichenblut? Fast könnte man es glauben aber die Nazi werden die göttlich­geistige Sendung des Menschen wiederherstellen und zu diesem Zweck den Bazillen und Bakterien die volle Hand­lungsfreiheit zurückerobern.

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,, Doorner Arbeitsgemeinschaft"

Leo Frobenius   gibt einem neuen Buch folgenden Vor­spruch: Am 16. Dezember des Jahres 1912 hat Seine Maje­stät der Kaiser und König von Preußen Wilhelm II.   Sich von mir zum ersten Male über die Kulturen Afrikas   und was diese für die Weltgeschichte der Kultur bedeuten, Vortrag halten lassen. Die erste Folge dieses Vortrages war, daß Seine Majestät der Kaiser unserer Arbeitsgemeinschaft als­bald die Möglichkeit zu einer Expedition gab,... eine zweite, daß in späteren Jahren eine Reihe von Fachgenossen alljährlich zusammengerufen wurden, die sich als Doorner Arbeitsgemeinschaft... oftmals vereinigten So ist es

denn..

natürlicher Wunsch, dies Werk dem Hohen Förderer... vorlegen zu dürfen."

Nationalität

Ein Vorzug bleibt uns ewig unverloren, Man nennt ihn heut Nationalität,

Sie sagt: daß, irgendwo der Mensch geboren, Was sich nun freilich von selbst versteht.

Deutschland   gewidmet torbe x& Die Eigensucht ist, sagt man weit, Der Fehler unsrer neuen Zeit; Da kam aus tiefster Hölle Winkel Zur Eigensucht der Eigendünkel. Nationaltracht

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Auch in der Kleidung unterscheidet euch, Wollt euren Fehl nicht auf die Menschheit wälzen. Die gleiche Bildung macht die Trachten gleich, Die Tiere aber gehn noch heut in Pelzen.

Den Deutschen  

Da eure Fantasie verwildert,

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Statt zu bilden, denn doch nur bildert, Und euer Verstand, wenn ihrs nicht verübelt, Statt zu denken vielmehr nur grübelt, Machen sie aus euch, was Menschen nie noch kannten. Ein Monstrum von phantastischen Pedanten.

Entwicklung

Der Weg der neuern Bildung geht

Von Humanität

Durch Nationalität

Zur Bestialität.