Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschien Freiheit" Ereignisse und Geschichten

Sonntag, den 24. Dezember 1933

Weihnachtspredigt für Emigranten

Euch meine ich, ihr Vertriebenen dieser Erde, euch, die man hinausstieß aus so und soviel Vaterländern, weil ihr das Vaterland mehr im Herzen, als auf der Zunge tragt. Euch, die ihr alles hingabt, alles wagtet, Besitz und Ansehn oder auch den Nichtbesity, um nur eines zu behalten; die Freiheit. Euer Glaube, euer weihnachtlicher Glaube, ist es nicht eben der, welchen der Chor der Engel armen Hirten versang? ,, Selig die, die guten Willens sind!". Ihr glaubt an das Gute, und also glaubt ihr an Gott, auch die ihr nicht an ihn glaubt. Ihr glaubt an eine Erlösung zum Guten, auch die ihr jenes Gesicht für Sage haltet. Ihr glaubt an das Kind im Menschen, auch die ihr nicht mitanbetet in der Hütte. An die Bildungs- und Wandlungsfähigkeit, auch dieses ver­härteten Geschlechts. das man mit ganz andern Fabeln füt­tert, als der weihnachtlichen- wofern sie Fabel wäre!

Aber laßt uns auch derer gedenken, die zurück bleiben mußten in den Gefängnissen und in dem großen Gefängnis, das heute unser näheres Vaterland Deutschland   ist und noch manches andere Land. Ja, auch die Länder, in denen ihr nun seid wie viel freier könnten sie dastehn mit ihren Staa­ten, wenn die Menschen es endlich begriffen: daß sie zur Bruderschaft miteinander da sind, zu gemeinsamer Arbeit. Wenn alles Streben von Men h gegen Mensch, Rasse gegen Rasse, Volk gegen Volk, Stand gegen Stand endlich verwan­delt würde in ein gemeinsames Emporstreben! Ja, es gibt auch eine andere Politik, die der nicht kennt, der heute Deutschland   in den Abgrund des Machtwahnes führt, noch irgend einer jener vermeintlichen Staatsmänner. die gleich ihm mit in der Tasche geballter Faust schöne Reden führen vom Frieden und der Solidarität und vom Christentum.

Die über die Stärke ihrer stehenden Heere mit einander rechten, über Waffengattungen, erlaubte und unerlaubte Mordmittel, und doch von vornherein nur darauf sinnen, wie sie eine etwa abgeschlossene Konvention umgehen könnten, Nicht sie werden den Frieden wirken, den die Menschheit so dringend braucht nach den blutigen Jahrtausenden, noch werdens jene, die auf die Raubverträge vergangener Jahr­hunderte und Jahrzehnte wie auf heilige Urkunden pochen. Aus den genarrten und miẞbrauchten Völkern selber muß der Aufstand werden, derer, die Schluß machen mit allem Hitlerismus, deutschem und undeutschem, mit aller Feld­webelpolitik. Die zur Menschheit streben über allen Vater­ländern und in allen Vaterländern den Menschen beken­nen. Wie nannte sich doch Christus? ,, Der Mensch" und Des Menschen Sohn", nicht,.Uebermensch", noch Uebertier. Viel­leicht war auch er ein Liberaler", vielleicht gar ein ,, Sozia­list" und kein ,, nationaler". Am Ende gar Kommunist" und ganz gewiß Jude! Er gehörte zwar augenscheinlich der hellen Rasse an, aber ein Arier" war er bestimmt nicht, sonst hätte er seinen Gott um die zwölf Legionen Engel  " gebeten wider Juden und Römer und dem Petrus   nicht befohlen, sein Schwert einzustecken. Mein Mitchrist Müller freilich widerspricht. Ich bin gekommen, das Schwert zu bringen, nicht den Frieden." Jawohl. Nur. daß das Schwert der Men­schenliebe und des himmlichen Zornes über die Menschen­

mörder alle andern Schwerter verschlingen soll, wie Mosis Stab die Zauberstäbe der Aegypter. Und das Kreuz aller Hakenkreuze Herr werden.

Vortrupp einer neuen Christenheit, das seid ihr, ihr Vertriebenen, und ihr, die man im Heimatland schmäht und mißhandelt, denen man Arbeit und Gesundheit raubt. So tatens die Vorfahren der Hitler   den ersten Christen auch.

Weihnacht

Es ist das Gleiche jedes Jahr; Sobald die Glocken läuten,

Da wird es allen Menschen klar, Daß Gott   dereinst ihr Bruder war; Ein Wunder, nicht zu deuten.

Es ist das Gleiche jedes Jahr: Die Menschen stehn und lauschen. Ein Lied fällt golden in die Schar Und macht sie edel, sanft und wahr; Und Gottes Harfen rauschen.

Es ist das Gleiche jedes Jahr: Das Heil geht um auf Erden. Es hat die Liebe wunderbar Verwandelt. was sonst friedlos war. Der Hirt ist bei den Herden.

Es hat die Welt in einer Nacht Ihr Angesicht erleuchtet.

Wir steigen aus dem dunklen Schacht Der Mühsal auf zu einer Pracht, Die uns die Augen feuchtet.

Dies Lied, ich sang es jedes Jahr Vor Hitlers   feigen Morden. Doch heute ist es nicht mehr wahr. Jetzt ist durch eine Lumpenschar Friedlos   die Welt geworden.

Horatio,

von Framan

Gejagt durch die Straßen, gejagt durch die Länder, wie Ver­brecher behandelt von den Anbetern der Lüge und des Machtgötzen, weil sie sich Bürger wußten eines andern ,, Rei­so sehen wir die Men­ches" als des Staates der Cäsaren schenfreunde von ehedem vor uns, ein erschütternder und doch auch tröstender Anblick. Es ist der Genius der Weih­nacht, der sie führt und noch vor den Richterstuhl und aufs Schafott geleitet, ja dessen Licht selbst von ihren entstellten, der Auferstehung in einer edleren Menschheit harrenden Leibern leuchtet. Es ist die Gewißheit, daß es eine Wahr­heit gibt und ein Recht, wenn nicht auf der Erde, dann anderswo, aber auch daß Wahrheit und Recht auf der Erde werden sollen.

Das ist die Hoffnung, die auch die heute verfehmten Rich­tungen beseelt, in denen sich jener Geist gleichsam nun aus der Erde heraufarbeitet. Dabei ging und geht es nicht ohne Fehde gegen das bisherige Macht- und Staatskirchen­tum, dessen legten Krampf wir eben erleben. Wie viel ehr­licher sind doch die Anhänger des Tannenbergbundes und verwandter Bünde  , die sich wieder ums Julfeuer" scharen wollen, statt von Staatswegen Deutsche Weihnacht" zu feiern. Und wenn schon Köpfe rollen" sollen, der des Gentleman Kommunisten Torgler und des halbverrückten Lubbe, dann doch lieber zu Ehren Wotans als eines Christus genannten Staatsgötzen. Aber der Himmel erspare uns wenig­stens diese Beschämung zu Weihnachten, uns anderen Deutschen  , uns Bekennern des Menschen, uns ganz oder halb Heimatlosen in allen Ländern. Mögen die Hitlergenossen alles verkehren, auch die Weihnacht, wir schämen uns um unser Volk, daß in seiner Mitte ein solchre Greuel, wie der in Leipzig   beabsichtigte, auch nur denkbar ist.

Was uns trennt, das sind Meinungen über den Weg. Was uns vereint, das ist der Geit des Guten, den einige Gott nennen. Wir glauben, daß er die Natur trägt, jenseits aller schicksalshaft bestimmten Kämpfe. Wir glauben. daß sein der Sieg ist, auch in der Menschheit. Er wirkt in allen, die sich zur Botschaft der Engel und zur Bergpredigt, die ihre Weiterführung ist, irgendwie bekennen, auch wenn sie nie Jesu Namen hörten oder aussprechen. Es gibt eine Nach­folge weit hinaus über den Christennamen, Jesus   selbst weiß davon. Im Gleichnis vom großen Abendmahl werden alle auf­gefordert zu nahen, auch die, denen es nicht gesondert ange­sagt ward, auch mie Armen, di Krüppel, die Menschen., auf den Landstraßen und an den Zäunen", weil die Geladenen ausgeblieben sind. Wahrscheinlich haben eben diese jene auf die Straße geworfen! Die andern passen wohl eher ins Haus des Herodes als des Armen von Nazareth  , des Verstoßenen von seinem Volke und dennoch seines Volkes Freund. Und es ist uns, als stünde um die Stätte seiner Geburt, den sternumfunkelten Stall, eine dunkle endlose Menge, alle, die sich die Hände geben mit dem Gelöbnis, das Werk des Menschen zu schützen und weiterzuführen, aller herodianischen Tyrannei entgegen.

Judenwolf und arisches Geißlein

Nazi- Pädagogik: ,, Hütet euch vor dem Mitleid, Kinder!"

Im Mitteilungsblatt des nationalsozialistischen Lehrer­bundes für den Bereich Norddeutschland"( Beilage für Ober­ schlesien  ) wird die bekannte Geschichte vom ,, Wolf und den sieben Geißlein" folgendermaßen gedeutet:

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Wie im Rotkäppenmärchen verabschiedet sich auch hier eine Mutter von ihren Kindern, und wie dort, so auch hier das leicht gesprochene Wort: Hab' keine Bange, wir kennen ja den Bösewicht!"... Aber der Wolf ist ja zu schlau, zu gerissen, als daß er käme, wie er in Wirklichkeit ist. Und nun wollen wir im folgenden bei dem Worte ,, Wolf" immer an den Juden und bei dem Worte ,, Geißlein" ans deutsche   Volk den­ken. Dann werden wir sehend werden.

Also der Jude will ins deutsche   Volk und Land ein­brechen. Er will sich seiner Güter, seiner Seele, seines Leibes bemächtigen, wie es seiner Natur entspricht. Gott Jahve hat es ihm ja schon in seiner Urzeit verheißen: Du sollst alle Völker fressen, und du sollst Städte haben, die du nicht gebaut hast, und Weinberge, die du nicht gepflanzt hast, und Völker werden dir dienen! Er will herein, aber er wird erkannt.. Vor allem: Hütet euch vor dem Mitleid mit ihm! Ihr wärmt eine Schlange an eurem Busen, die euch dann aus ,, Dankbarkeit" beiẞt! Aber leider der Wolf ist ein Anpassungskünstler. Sich eine hohe Stimme, eine weiße Pfote anzulegen, ist ihm eine Leichtigkeit...

Führer, ihr habt alle den Wolf weißfärben helfen, das ist eure Schuld! Nun schaut euch euer Werk an! Blickt hinein in die Geißenstube! Da ist alles umgestürzt, zerwühlt und zerrissen, und alles Leben ist vernichtet. In der Stube des Volkes zeigte sich dasselbe Grauen. Alle Türen, die ein stilles Heiligtum, alter Sitten und Gebräuche, alten Glan­bens und Brauchtums hinter sich peinlich hüteten, sind gewaltsam aufgerissen und dem Spott preisgegeben. Alles war ins Gegenteil verkehrt, das Gute war zerpflückt und in den Dreck getreten...."

Endlich wird aber der Wolf entlarvt, erschlagen. Das Prinzip des Guten triumphiert über das Böse:

,, Dann wird eine befreiende Fröhlich keit durchs Volk gehen, dann werden wir uns alle vor Freude die Hände reichen, tanzen und singen: Der Wolf ist tot! Der Wolf ist tot!

Dies ist der neue Grundsats deutscher Erziehung: ,, Hütet euch vor dem Mitleid...!"

Für den Judenwolf gilt kein Tierschng. Tanzt an seiner Leiche!

Tot ist nicht der Wolf, sondern das Erbe eines Jahrhun­derts menschlicher Erziehung, der Kinderliebe und der Wißt ihr, wie leicht es dem Juden ist, eure Muttersprache Kindererweckung, der Nachlaß Pestalozzis, verwüstet von Lehrern!

zu lernen. Wenn er über die Grenze bei Nacht und Nebel schleicht, jiddelt er noch. Aber er guckt euch aufs Maul, und bald kann er's... Die Gettolocken fallen, die Kleidung ist gewechselt, und nun sind sie geschäftig, handeln, werfen euch billige Lumpenware auf den Hals, sie werden seẞhaft, und dann habt ihr sie als Besitzer von Kaufhäusern. Ihr helft ihnen, mit eurer Dummheit, aufwärts von Stufe zu Stufe..

So gleicht sich der Jude uns an. daß wir ihn äußerlich fast nicht erkennen, nur sein Wesen ist dasselbe geblieben. Und das ist das Gefährliche. Sein Wesen bleibt immer: vernichten, zerstören!... Da ist der Krämer. Warum gibt er einem Wolf die Kreide? Weiß er nicht, daß ein Wolf nur immer und immer böse Absichten damit hat? Da ist der Bäcker: müßte er nicht darüber nachdenken: Was bezweckt der Wolf damit, daß er sich Teig auf die Pfote streichen läßt? Der Bäcker ist zu dumm und zu faul, darüber nachzudenken... O ihr falschen

Wenn um die Herrschaft ein Kampf entbrannt war, setten

Lasset die Vöglein zu uns kommen Appell an das Herz

Wir lesen im ,, Westdeutschen Beobachter"( 14. Dezember): ,, Gebt uns ein Stücklein Brot", so rufen es uns unsere ge­fiederten F.eunde vom Fenstersi ms zu, denn Hunger tut weh und ganz besonders dann, wenn es so bitter kalt ist. Welcher Mensch könnte den bittenden Blicken der Vögel widerstehen. Es ist gleich, ob Sperling oder Singvogel, ob groß oder klein, jeder bekommt aus mitfühlender Hand seine Krumen gestreut. Nicht wenige bauen dem Star sein Käst­lein und jagen doch den Spatz nicht raus, wenn kein Star kommen will. Das geflügelte Wort: ,, Gedenket der hungernden Vögel im Winter" hat Wurzeln ge­schlagen in der Menschen Herz. Jeder, selbst der ärmste Volksgenosse, hat einige Brosamen übrig und gibt sie gern dem hilflosen Vöglein, dem der Frost die Futterquellen ver­schließt. Um wieviel mehr sollten wir nun den Armen und Aermsten geben, denen auch ein hartes Geschick die Quellen verschloß, aus denen sie sonst für sich und die

Ihrigen das Brot auf den Tisch und dazu die warme Suppe beschafften. Auch die Glut in den Oefen der Stuben, wo die Not Einkehr hielt, muß durch uns wieder entfacht werden, damit keiner friere. Das Winterhilfswerk des deutschen Volkes ist ein großes und herrliches Werk."

Der Westdeutsche Beobachter" darf in einigen west­deutschen Konzentrationslagern gelesen werden. Gefangene werden diese Notiz mit tiefer Rührung zu sich nehmen und sich überzeugen lassen, daß sie ihren Peinigern unrecht getan haben. Da klopft noch ein Herz in der Brust! Da denkt man an hungernde Vögel, gedeckte Tische und Glut in den Oefen! Was Menschenliebe betrifft, ist die nationale Revolution" ein einziges großes und herrliches Werk. Darum haben auch so viele Konzentrationaslagerinsassen am 14. November überzeugt mit Ja gestimmt.

sich die Sieger in so ausschließlichen Besity aller staatlichen Was man sich zuflüstert

Gewalt, daß sie den Besiegten auch nicht den mindesten An­teil an der Regierung gaben, weder ihnen selbst noch ihren Nachkommen, vielmehr wachen sie ihr lebelang mißtrauisch darker daß ja nicht irgendeiner der Gegner ein obrigkeit­liches Amt erhalten und eingedenk des ihm widerfahrenen

leinen Aufruhr anstifte. Diese Staaten nun lassen wir nicht für eigentliche Staaten und diejenigen Gesetze nicht für rechtmäßige Geseke   gelten, die nicht um des allgemeinen rechtmäßige Geseke   gelten, die nicht um des allgemeinen Besten willen für den Staat als Ganzes gegeben warden, viel­mehr nennen wir eine Gesetzgebung, die nur den Interessen einer Cartei dient. Parteisache, nicht Staatssache, und dem durch sie bestimmten sogenannten Recht sprechen wir jeden Anspruch auf diesen Namen ab, Platos Gesegen" s

Ein Mann steht vor dem Richter.

Sagt der Vorsitzende: Angeklagter, sind Sie Jude oder sonst vorbestraft?"

Professor O., Chefarzt eines großen Berliner   Kranken­hauses, ist jetzt auch abgebaut worden.

Warum?" wurde er eines Tages von einem allzu naiven Bekannten gefragt.

,, Fragen Sie Ibsen  !" erklärte O. lächelnd. ,, Wenn wir Groß­mütter erwachen...

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