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Deutsche Stimmen Beilage zur Deutschen Freificit" Ereignisse und Geschichten

Mittwoch, den 27. Dezember 1933

Familie Fürst Pless in Monte Carlo

Ein Kapitel neudeutscher Volksgemeinschaft

I

Einer der reichsten Männer Deutschlands ist der Fürst Pleẞ. Seine Hohe Gemahlin, die Fürstin Pleẞ , ist eine der bekanntesten Erscheinungen im internationalen Gesellschafts­leben. Sie besitzt in Luzern ein reizendes Sommerschloß und in Como ein entzückendes Chateau d'hiver.

Fürst Pleß ist Nationalsozialist. Also Anhänger der Idee von der Volksgemeinschaft. Seine Gemahlin weiß, was sie dem Rufe ihres Gatten schuldig ist. So bemüht sie sich in selbstloser und geradezu vorbildlicher Weise um die im Exil lebenden Prinzen deutschen Geblüts. Der Prinz von Hessen ( dessen abgeblaßtes Wappen von einer Amerikanerin neu vergoldet wurde), die Prinzessin Stephanie von Hohenlohe , der Herzog von Oldenburg, Prinz Stephan von Schaumburg­Lippe u. a. gehören zu den Armen, an die sie ihre Wohl­tätigkeit verschwendet.

Baron von Schröder, der bekannte Gönner des National­sozialismus und Kölner Bankier, dankt ihr diesen Dienst an der Volksgemeinschaft durch seine persönliche Freundschaft. Einen Teil ihrer kurzen Tage verbringt die Fürstin Pleẞ in Monte Carlo . An den grünen Tischen der Spielsäle ist sie eine dominierende Erscheinung. Besonders erfreut sie sich der Verehrung durch die Croupiers. Selbstverständlich sind es auch hier die im Spielparadies Monte Carlo lebenden deutschen Prinzen, die für die notwendige Zerstreuung und Unterhaltung der fürstlichen Frau Sorge tragen.

Darüber hinaus ist die Fürstin Pleß eine rührende Tier­freundin. Sie besitzt vier der entzückendsten Pekineser­hündchen, die man je in Monte Carlo gesehen hat. Sie hat sie eigenhändig in Paris gekauft( tausend Mark das Stück) und wacht höchstpersönlich darüber, daß den lieben Tierchen

ja nichts abgeht. Kleingehacktes Hühnerfleisch mit weichem Reis in Butter wird von ihren Lieblingen besonders bevor­zugt. Und ihre Gäste geraten in helles Entzücken, wenn die klugen und kultivierten ,, süßen Pummelchen" mit vor­nehmer Blasiertheit an der für sie reservierten Hundetafel ihre Mahlzeit einnehmen.

II

Zu den Besitztümern des Fürsten Pleẞ in Deutschland ge­hört auch das Waldenburger Revier. Das Hungerrevier. Ab­gerissene Menschen hausen hier in engen Höhlen, dumpfen Kasernen. Kein Gebiet in Deutschland kennt so viel Arme und Elende wie Waldenburg . Wer regt sich noch groß darüber auf? Wir sind ein armes Volk. Ein Volk, das unter den Fesseln des Versailler Vertrages ,, schmachtet". Wir müssen uns wieder ,, großhungern"

Und so kriecht der Kumpel tagaus, tagein, ein ganzes Leben lang hinunter in den schwarzen Schlund. Bringt ers auf zwanzig Mark die Woche, dann fühlt er sich besonders gut behandelt seinem Kollegen gegenüber, der es bei seiner Kurzarbeit auf höchstens 9 Mark die Woche bringt und sich und seinen Kindern mit Brot und Kartoffeln Kartoffeln und Brot den Magen füllt.

Die Waldenburger Kumpels wissen, daß Fürst Pleẞ eifriger Nationalsozialist ist. Sie hören sich die Reden von der Volksgemeinschaft mit unbewegten Gesichtern an. Nur wenige wagen ein wissendes Lächeln. Und hören dabei schon im Geist die Knute sausen.

Die Fürstin Pleẞ kommt nur ganz selten in ihr Schloß auf deutschem Boden. Meistens reist sie dann sehr bald wieder ab. Ihre zarten Hündchen können das rauhe Klima nicht vertragen. L. K.

Der gebundene und ausgerichtete Kritiker

Das Unbefriedigende nicht nennen

Hermann Lepel, ein vortrefflicher Kenner der Theaterverhältnisse des dritten Reichs", schreibt in der ,, Basier National- Zeitung"( 22. Dezember):

-

Einer der neuen Theaterintendanten, Dr. Noboe in Wei­ mar , hat sich in diesen Tagen entschieden geäußert: ,, Nach meinem Empfinden Empfinden paßt. paßt das libera. listische System des Kritisierens nicht mehr in unsere Zeit der Aufbauarbeit wie es ja auch keine politische Kritik mehr gibt. So bin ich letzten Endes überhaupt für die Abschaffung der Theater­kritik. Auf die schüchterne Frage des Dialogpartners: in welcher Form soll dann die Werbung der Presse für das Theater erfolgen?, erwiderte der Bühnenleiter: Der Presse ist allenfalls eine Berichterstattung, ein möglichst sachliches Referieren über die Aufführung zuzugestehen. Dabei aber sollte nur das Positive zur Behandlung kommen, das Un­befriedigende sollte dann überhaupt nicht genannt werden, denn welchen Zweck könnte es haben, die schwache Leistung in aller Schärfe anzuprangern und da­mit dem Künstler allen Glauben an seine Berufung zu nehmen?"

Drakonischer noch äußert sich Wilhelm v. Schramm in einer lesenswerten Broschüre( ,, Die Theaterkritik im neuen Deutschland "), die mit den Worten beginnt: Das libera­listische Zeitalter, das am 30. Januar 1933 für die deutsche Nation und damit für die kommende Weltent­wieklung beendigt wurde, hat einen ebenso totalen An­spruch verwirklicht wie alle anderen Weltanschauungs­perioden der Weltgeschichte." Schramm weist dem Theater­kritiker in einem neuen Weltzeitalter mit neuen Lebens­gesetzen" eine völlig neue Rolle zu, er leugnet das Verdienst der bisherigen Kritik am Aufblühen der Theaterstadt Berlin radikal und verlangt von der Theaterkritik von heute, daß sie in ihrer Gesamthaltung nationalpolitisch gerichtet" werde. Der Kritiker ist gebunden und aus gerichtet auf Staat und Nation, auf Gedeihen, Zukunft und neue Gemeinschaft des deutschen Volkes, die

Aufreizender Don Carlos

Das Wiener Straflandesgericht II hat die nachfolgende Szene aus dem Don Carlos wegen Aufreizung(§ 300) in der Gewerkschaftszeitung der Postler: Post und Telegraphie"

konfisziert:

Don Carlos

Infant von Spanien

r: ,, Post

Ein Trauerspiel von Friedrich Schiller

( Dritter Akt, zehnter Auftritt)

König:

Und mit diesem Spiel des Wiges, diesen künst­lichen Sophismen, gedenken Sie die Pflichten zu be trügen, die Sie dem Staat schuldig sind?

Die Eclöser

Die Erlöser der Menschheit, das merke, mein Sohn,

nou

sigen auf keinem güldenen Thron, tragen keinen zackigen Edelsteinhut, haben nicht Länder, nicht Geld und Gut und kein blaues Blut.

Wohnen in der Höhe nicht, der eisigen, und von Rossen und Reisigen

dient ihnen weder Huf noch Speer. Sie wandeln auch nicht in strogendem Kleid wie die Narren zur Fastnachtszeit

mit Sporen und Ligen und Orden einher. Sie bellen nicht wie blutlechzende Hunde nach Krieg, Zerstörung, nach Tod und Wunde sind auch nicht pfiffige Rechtsverdreher, nicht Diplomaten, nicht Geisterseher

Die Erlöser der Menschheit, das sollst du wissen,

schlafen meistens auf harten Kissen. Sie wandern auf steinigen Straßen dahin und haben die ganze Menschheit im Sinn. Und weil ihr Herz so groß und weit und voller Wahrheitsfreudigkeit, und weil sie ganz der Freiheit gehören und die alten sklavischen Lügen zerstören, und weil für dein Recht sie rebellieren, läßt man sie hungern, betteln und frieren. In Fron und Marter, in vergitterten Wänden, im Exil und unter den Henkershänden, verraten, bespien, geschmäht von den blinden Knechten, so kannst du sie wiederfinden.

Die Erlöser der Menschheit, das merke, mein Sohn,

räkeln sich nicht auf Sessel und Thron. Soll dich ihr leuchtendes Auge erquicken, darfst du nicht in die Höhe blicken. Schau umher ein wenig in deinem Revier: Vielleicht werkt einer neben dir.

Peter Labor.

am und um das Theater sichtbar zum Ausdruck" kommen Dozentenschaft mit Stiefelschaft

soll. ,, Der Kritiker ist heute überhaupt kein Kritiker mehr, sondern ein schöpferischer Führer zum neuen Deutschland auf dem Gebiete des Nationaltheaters eingeordnet in seinen Aufbau und der deutschen Evolution verpflichtet." Das Mittelalter ist für Schramm bereits in ganzer Fülle ange­brochen: die Kritiker schließen sich in Gilden zusammen, üben strenge Kontrolle über alle Standesgenossen und haben bei freiwerdenden Posten ein Vorschlagsrecht. Die Theater stücke sind nicht nach ihrem ästhetischen oder theatralischen Wert, sonder na ihrer politischen Bedeutung, nach ihrer Rangordnung im Dienste der Werte des eigenen Blutes" zu kritisieren. Der H manismus ist auch in der Kritik zu über

winden, auch die Klassiker vertreten keine absoluten, son­

dern nur an ihrer politischen Brauchbarkeit abzuschätzende Werte: Es gibt vom völkischen Standpunkt aus eine Rang­ordnung der Stücke... dessen, was im geeigneten Augen­ordnung der Stücke... dessen, was im geeigneten Augen­blick wichtig und weniger wichtig ist, oder selbst wenn es zum klassischen Erbgut gehört, geradezu schäd­lich ist( der Teufel hole mich, wenn Schramm hier nicht an ,, Nathan d Weisen" gedacht hat!): darüber muß der Kri­tiker Rechenschaft geben." s

Man erkennt: der Prozeß der totalen Erfassung aller künstlerischen Arbeitsgebiete durch den Staat ist mit riesen­hafter Geschwindigkeit fortgeschritten und hat heute das Theater restlos erfaßt. Man darf gespannt sein, ob der starke staatliche Druck auf die ohnehin stagnierende und in der Hauptsache nur in Konjunkturstücken sich er­schöpfende dramatische Produktion in Deutschland völlig lähmend wirken wird oder ob aus dieser bisher in der Ge­schichte unerhörten Verbindung von Theater und Staat ein neuer Typus von Staatsdrama hervorgehen wird. Bisher allerdings ist die Bühne da, wo die Dramatik vom Staats­dogma beherrscht war, nur um Lehrstücke zweifel­haften künstlerischen Charakters bereichert worden.

Des Bürgers Glück in nie bewölktem Frieden; Und diese Ruhe gönn' ich den Flamändern. Marquis( schnell):

Die Ruhe eines Kirchhofs! Und Sie hoffen, Zu endigen, was Sie begonnen?, hoffen, Der Christenheit gezeitigte Verwandlung, Den allgemeinen Frühling aufzuhalten, Der die Gestalt der Welt verjüngt? Sie wollen Allein in ganz Europa sich dem Rade Dem Weltverhängnisses, das unaufhaltsam In vollem Laufe rollt

entgegenwerfen?

Mit Menschenarm in seine Speichen fallen? Sie werden nicht. Nein, wahrlich, nein! Bei Gott, nicht! Kraftvoller, unerschöpflicher stemmt sich

Marquis Posa: il mon0 910 Des Unterdrückers Riesenarm entgegen

Der Staat,

Dem ich sie schuldig war, ist nicht mehr. Ehemals

Gabs einen Herrn, weil ihn Gesege brauchten; Jetzt gibts Gesetze, weil der Herr sie braucht. Was ich dort meinesgleichen gab, bin ich Jegt nicht gehalten, Königen zu geben- Dem Vaterlande? Wo ist das? Ich weiß Von keinem Vaterlande. Spanien Geht keinen Spanier mehr an...

König:

.. Sehen Sie

In meinem Spanien sich um. Hier blüht

M

Begeisterung...

Der Mensch ist mehr, als sie von ihm gehalten. Hier fehlten Sie- und hier allein

Mit stolzem Hohngelächter wird er einst Auf des Gebäudes morschen Trümmern stehn, Das ihm zum Grabe zugedacht gewesen. Zu einem Nero und Busiris wirft

Er ihren Namen und das schmerzt mich, denn Sie waren gut.

Das sind wahrhaftig aufwieglerische Worte daher Kon fiskation! Wann steht Don Carlos" in Hitler- Deutschland auf dem Index?

Die Dozenter akademie der SA.

In den nächsten Tagen, so wird amtlich gemeldet, werden an allen preußischen Universitäten in feierlichem Akt die neuen Dozentenschaften gegründet werden. Dadurch werden die Assistenten, Privatdozenten und außerordentlichen Pro­fessoren, also der gesamte wissenschaftliche Nachwuchs, zu einem geschlossenen ständischen Verband, der einen innungs­mäßigen Zusammenhalt schaffen soll, in verschiedene Auf. gabenbereiche bei gleicher Grundlage zusammengefaßt. Studentenschaft, SA.- Hochschulamt und Dozentenschaft bilden eine gemeinsame politische und geistige Front; entscheiden­des Gewicht wird auf die Wehrsportausbildung aller Dozenten gelegt. Voraussetzung für jede Habilitation ist der Nachweis eines mehrmonatlichen Dienstes im Arbeitslager oder im Wehrsport, der auch im Semester auf besondere Erlaubnis abgedient werden kann. Die drei Grundpfeiler der neuen Organisation sind SA.- Wehrsport, Arbeitsdienst und Dozen. tenakademie; hinzu kommt die Pflege der Beziehungen zum Auslandsdeutschtum und die Behandlung der Grenzprobleme. Die Dozentenakademie soll vor allem eine Isolierung des jungen Gelehrten als Spezialist seines Faches verhindern und seine Kräfte in den Staats, und Volksdienst einspannen. ,, Einspannen": Das ist das richtige Wort. Die neue Do­zentenschaft" ist die Kadettenanstalt, die Universität die Kaserne mit wehrsportwissenschaftlichen Instruktionsstunden. Das genügt für die Ertüchtigten des ,, dritten Reichs"

Wilhelm Schäfers Wanderjahre

Stolz auf den Rückfall ins Mittelalter

Vor einiger Zeit hat Romain Rolland ,, als Sprecher der Weltmeinung" die Barbarei des dritten Reiches" den ,, moralischen Rückfall in das Mittelalter" genannt. Ueber ,, den Rückfall in das Mittelalter" sprach in Anleh­nung an das Wort Romain Rollands Wilhelm Schäfer vor der Berliner Fichtegesellschaft. Schäfer verteidigte sich nun nicht etwa gegen den erhobenen Vorwurf, sondern bemerkte, daß man ruhig zugeben soll, daß Deutschland zum Mittelalter zurückkehrt sei. Das neue Deutschland sei stolz darauf, seine Wurzeln im Mittelalter zu wissen. Denn: Sobald der Deutsche von seiner ihm vorgezeichneten Bahn abwich, um sich dem sogenannten Fortschritt zu verschreiben, ent­artete er immer mehr. Der Fortschritt hatte lediglich Nüg­lichkeitszwecke im Auge, um dem Menschen das größtmög lichste Maß an Wohlleben zu verschaffen. Erst der Welt­krieg brachte den Untergang dieser Nützlichkeitsepoche und ,, Auf diesem Wege falsche Fortschrittsanschauung ( zum neuen Deutschland ) muß uns das Mittelalter wieder Richtschnur werden und uns als Vorlage dienen.. Der Fortschritt: ist Entartung und bringt ,, nur Nüglich­keitswerte" hervor! Modernes, also humanistisches Denken: es hat ,, nur" im Auge, dem Menschen ,, das größtmögliche Maß an Wohlleben zu verschaffen"!

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Ganz anders das Mittelalter! Es ist das genaue Gegenteil von, falscher Fortschrittsanschauung" und von humanisti­schem Denken. Und da wir dieses Gegenteil wollen, wollen wir auch zurück zum Mittelalter!

Solch einen barbarischen Unsinn darf in einer Gesellschaft von Wissenschaftern ein Redner sprechen! Noch dazu in der ,, Fichtegesellschaft", die doch das Andenken an jenen Mann ehren soll, der einmal in seinen ,, Reden an die deutsche Nation" in dem Vordergrund der Rufer für Freiheit, Gleich­heit und Demokratie stand und keinen größeren Feind als die Despotie und geistige und politische Unterdrückung kannte!

,, Ich bin heruntergekommen, und weiß doch selber nicht " Goethe hat wieder red