Pariser Berichte
Pariser Straßenkalender
In der rue de Lille wurde als einziges Mitglied einer DefeAation, die die Hitler - Gesandtschaft wegen des Leipziger Prozesses sprechen wollte, der Professor Prenaut von erst inem, dann einem zweiten Beamten empfangen, der sich hinter formellen Ausflüchten versteckte.
Der Pariser Milchpreis( 1,60 Fr.) setzt sich nach Miteilung des Polizeipräfekten Chiappe im Stadtrat folgendermaßen zusammen: 87 Centimes Erzeuger, 53 Handel, Transport, Verteiler, 20 Kleinhändler. Die Spanne zwischen.Erzeuger und Kleinhändler ist um 6 Centimes herabgesetzt.
Das Fleisch in Paris soll, wie im Stadtrat mitgeteilt wurde, um 20 Prozent billiger als in den letzten Jahren sein. Der Stadtrat Fiancette verwies darauf, daß ein starker Preisunterschied besteht zwischen den sehr teuren besseren Stücken und den sehr billigeren schlechteren.
Der bekannte Montmartre - Sänger Jean Marsac hat in Orly sein Fliegerexamen bestanden. Er will jetzt auf dem Montmartre seine Lufteindrücke unter Accordeon - Begleitung besingen.
Die amtlich registrierte Arbeitslosigkeit in Frankreich hat nach der letzten Zählung vom 16. Dezember abermals um 15 800 zugenommen( Vorwoche über 5000). Gezählt wurden 235 400 Stempelnde, davon 56 400 Frauen.
Es fällt auf, daß der„ Temps", das maßgebende Blatt Frankreichs , ein ziemlich ungünstiges Urteil über Georg Bernhards Buch Der Selbstmord einer Republik" abgibt. Der„ Temps" bezeichnet dieses Buch als ,, touffu", d. h. etwa ,, vollgepfropft".
Beileid an den Seine- Präfekten
Die Deutsche Freiheit" spricht im Namen der deutschen Flüchtlings- Kolonie, der Gäste des französischen Volkes, dem Seinepräfekten M. Renard ihre aufrichtige Trauer und ihr tiefes Mitgefühl zu dem jähen Tode seines neunzehnjährigen Sohne Jean aus.
Der junge Renard ist als Flugschüler von der Fliegerschule Aulnat im Nebel getötet worden bei einem Uebungsflug, den sie zu vier Flugzeugen angetreten hatten. Er war einer der besten Flugschüler des Landes und bei der Prüfung erster. Der Präfekt ist zur Leiche seines Sohnes gefahren. Der Sarg wurde von Clermont nach Vimes übergeführt und in aller Stille beigesetzt.
Die deutschen Flüchtlinge bitten den Präfekten , dessen tiefes Mitgefühl sich auch ihnen gegenüber wiederholt in der Verwaltung des Seine- Departements gezeigt hat, ihr Beileid zu dem Tode dieses besonders Hoffnungsvollen seiner Kinder entgegenzunehmen.
Die Deutsche unter den Opfern der Eisenbahnkatastrophe
Die junge deutsche Frau mit ihrem schwarzen Haar liegt
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Die Not unter den Studenten in Paris
Der Student Jean Dabin , der Geliebte der Violette Nozières, war gewiß kein typischer Fall für die Sorbonne, die vom Hofkaplan Sorbon des heiligen Ludwig gegründete alte Schule der Weisheit. Aber die Tatsache, daß dieser verunglückte Rechtsstudent, der jetzt in Algier Dienst tut, von seinem Vater, einem Bahnhofsvorsteher, ganze 170 Franken Monatswechsel erhielt, zu denen die Mutter noch 80 aus Er. spartem heimlich zulegte, gibt zu denken. Sicher ist, daß ein großer Teil der französischen Studenten mit ganz unwahrscheinlichen Notgroschen auskommt.
Die Ueberfüllung der Universitäten und Hochschulen in Frankreich ist schlimm, wenn auch nicht ganz so gefährlich wie in Deutschland . Im Vorjahre wurden in Frankreich 83 000, in Deutschland 138 000 Studenten gezählt. Dazu strömt eine jährliche Zunahme um 3 Prozent, während allerdings von 1935 an ein Nachlassen infolge Anrückens der spärlichen Kriegskinder zu erwarten ist. Vergleichsweise gab es in Deutschland im Vorjahre 40 000 Abiturienten, von denen die meisten, hoffnungslos, ohne Aussicht auf ein Amt, in den örsälen drauf los studierten. Als Jurist, Lehrer, Ingenieur, Chemiker, Architekt kam kaum einer unter, und der Anwalt- und Arztberuf war erstens gewissermaßen kontingentiert, zweitens zu teuer. Das so entstandene akademische Lumpenproletariat war das Hauptreservoir der Führer des Hakenkreuzes.
Ganz so schlimm ist es in Frankreich nicht. Zunächst muß man das verschiedene Alter berücksichtigen, da die französischer Hochschüler im allgemeinen bereits als Sechzehnjährige das ,, Baccalauréat"( die Reifeprüfung) bestehen, also jünger in den Entwicklungsjahren stehen, in denen normaler Weise die Jugend nichts oder nur Lehr- und Taschengelder verdient. Zweitens sind von den 83 000 Studenten, darunter 20 000 Frauen, nicht weniger als 17 000 Ausländer, die in Würdigung der französischen Kultur und ihrer Hochsite sowie der Sitten des Landes nach Gallien zogen. Ein großer Teil dieser Amerikaner, Balkanstudenten, Chinesen usw. sind reiche Leute.
relativ glücklichsten Lande Europas zu. Ein neugeschaffenes Aber der Prozentsatz der Cerpowerten nimmt auch im akademisch- statistisches Büro, das auf Veranlassung des Unterrichtsministers de Moncie errichtet wurde, veroffentlicht soeben die von seinem Leiter M. Rosier gesammelten Ziffern, die ziemlich beunruhigend sind. Die Arbeitsämter der Seine, die Handarbeiter oder kaufmännischtechnische Angestellte für die Wirtschaft vermitteln, haben
Umarbeitungen, Reparaturen und Neu anfertigungen zu billigsten Preisen. Gelegenheiten in Persianer, Silberfüchsen
in der weißen Eisenbettstelle im Hospital des heiligen Lud- FOURRURES ELITE"
wig zu Paris . Das Hospital ist ein gewaltiges ehemaliges Kloster am Ostbahnhof. Sie verbringt dort das erste Weihnachten ihrer Emigration.
Am Tage, wo in Deutschland ,, Stille Nacht" gesungen wird, bringt man die Verstümmelten des großen Eisenbahnunglücks herein. Einer nach dem andern, sie sterben wie die Fliegen. Neben ihr liegt eine junge französische Frau, vielleicht 35jährig, der ist der rechte Arm im Ellbogen abgeschnitten. Die Frau schreit immer: ,, Mein rechter Arm tut so weh," sie weiß noch nicht, daß sie keinen mehr hat.
Im Saale sitzt auch eine Mutter am Bett des Kindes. Sie erkennt die Kleine nicht. Das Gesicht ist verquollen, völlig verschnitten, die Mutter schreit und weint fassungslos: ,, Ma cherie..."
Ein zwölfjähriges Mädel hat völlig zerschnittene Hände. Die Augenhöhlen sind blau aufgequollen. Sie haben ihm eine Puppe ins Bett gelegt. Mit einer Hand kann sie noch ein bißchen spielen. Es ist ein hübsches Kind, hat schwarze Augen und lacht manchmal schmerzvoll. Sie weiß nicht, wo ihre Eltern sind.
Am Weihnachtstage kommt der Präsident der Republik und geht freundlich durch die Säle, tröstend, ein grauer Herr.
Die Schwestern des Hospitals huschen und schreiben die Fieberkurven auf. Die Amputierten schreien. Die junge Deutsche schließt die Augen und wartet auf eine schwere Operation am ersten Weihnachten nach der Flucht...
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Der Bürgermeister der Totenstadt
Unter den Toten sind zwei französische Abgeordnete, einer der Bürgermeister von Verdun , der Totenstadt. Er hieß Victor Schleifer, stammte aus einer lothringer Familie aus Metz , die nach dem Bismarck- Frieden nach Ver dun Er war lange Jahre Notar, dann Bürgermeister und zog. nationaler Abgeordneter, Organisator des großen Totenkults um Verdun , Aufbauer der Stadt, Pfleger der Heldenfriedhöfe, Herlenker des Fremdenstroms und der Fremden
autos.
Nun hat ihn der Tod von Douaumont, den er so oft gezeigt hat, der Tod der Grabkammern in veränderter Gestalt der Technik verschlungen. Verdun , die Totenstadt, fitzt an seiner Bahre.
Die ,, bayerischen Schwestern" im Zuchthaus
Nach einer Meldung aus Aix- en- Provence wurden die und Schwestern" Philomène Catherine ,, bayerischen Schmidt. die Gehilfinnen des Versicherungsmörders Sarret. vom Untersuchungsgefängnis in Aix nach dem Zuchthaus Montpellier gebracht, um jede ihre zehnjährige Zuchthausstrafe zu verbüßen. Anfangs hatte man damit gerechnet, daß Cathérine, die jüngere, weniger als ihre stark belastete Schwester erhalten würde, aber das Gericht entschied im Sinne der Rede von Moro- Giafferi auf gleiche Strafen
Ein
nach Art der schwachen Salben auf schwere Wunden. Da aber die akademische Teilkrise in allen Ländern besonders sichtbar ist, verdienen die französischen Wahrheiten vom ,, heiteren Völkchen" um den Luxembourg- Garten und den Boulevard Saint- Michel bekannt zu werden.
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Der Korsar des Kaisers
Baptiste
Der„ Temps", das angesehenste Weltblatt Frankreichs , hat kürzlich in dem ,, literarischen" Restaurant Drouant das ist dasselbe, in dem auch der Goncourt- Preis das Licht der Welt erblickt den Preis für den besten Roman verteilen lassen.
Den Preis des" Temp" erhielt Paul Jolidan für den Roman ,, Die Korsaren des Kaisers", der zur Zeit im ..Temps" erscheint. Die Jury bemerkte dazu, Jolidan sei Zollbeamter und Kriegsteilnehmer.
Wie aber jetzt durch die ,, Nouvelles Littéraires" bekannt wird, ist Jolidan Elsässer, zur Zeit Sa arbewohner. Er hat den Krieg auf Vorpostenschiffen und Minensuchbooten der deutschen Marine in der Nord- und Ostsee mitgemacht und kannte 1918 noch kein Wort Französisch. Er hat Französisch durch eigenen Unterricht in Büchern und Zeitungen gelernt, indem er unaufhörlich das Wörterbuch befragte.
Von ärztlicher Seite erfahren wir, daß die Not bei den deutschen Aerzten in Frankreich besonders groß ist. Während beim Anwalt die in Deutschland abgelegten Examina zum Teil anerkannt werden, wird vom Arzt sogar verlangt, daß er die Reifeprüfung( Baccalauréat) nachmacht. so daß er erst nach vier Jahren die französische Schlußprüfung bestehen kann. Erst danach könnte er eine Praxis ausüben allerdings erfordert das, abgesehen vom Lebensunterhalt der vier Jahre, die Investierung eines erheblichen Vermögens für Praxis- Kauf oder Instrumentarium.
Die deutschen geflüchteten Aerzte haben eine Notge. meinschaft gegründet, die in Paris in der rue Bassano im Ica- Hause besteht, mit Hilfe, Beratung und Auskunftei. Es besteht die Absicht, eine eigene Küche für Aerzte zu gründen. Eine eigene Vereinigung sozialistischer Aerzte ist ebenfalls tätig, wohl mit starkem Einschlag nach links.
Dem Vernehmen nach sind einige deutsche Aerzte nach
gutgehendes Kino
in einer aufblühenden Lothringer Stadt ist wegen besonderen Umständen preiswert zu verkaufen. Angebote an die ,, Deutsche Freiheit" unter K. M.
nicht weniger als 1000 Gesuche von Akademikern empfangen, die zu jeder Arbeit bereit waren. Nach Ausweis der Stempelkassen sind von den Jungingenieuren bereits 10 Prozent arbeitslos, und die Hälfte davon ist bereits deklassiert. Ganz schlimm sind die Zustände natürlich unter den akademischen Künstlern: die Pariser Hilfswerke für diese Berufe teilen bereits 1400 Beihilfen an Hungernde aus.
Abweichend von den deutschen Verhältnissen gibt es in Frankreich bekanntlich ein Sonderstudium der ,, lettres" und der ,, sciences", die beide in Deutschland in der philosophischen Fakultät" vereinigt sind. In der eigentlichen Philologie( ,, lettres") gab es in einer ungeheuer gestiegenen Zahl 19 300 Studierende und davon wieder gegen 1300, die die akademische Würde des ,, Licentiaten " davon trugen, eine gern gesehene und wissenschaftlich schwierige Auszeichnung. aber 767 Licentiaten lagen auf der Straße, der Schulunterricht verschloß sich ihnen. In der mathematischnaturwissenschaftlichen Fakultät( ,, sciences") gab es 15 000 junge Leute in den Hörsälen und Laboratorien, und davon 1100 Licentiaten", aber 491 Licentiaten konnten weder Schulprofessor noch„ Repetitor" werden( der ,, Repetitor" ist bekanntlich ein besonderer Pauker der französischen Schule, man nennt ihn scherzhaft auch„ pion".).
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Die erhabene Rechtsfakultät in diesem großen Lande der Advokaten zählte 23 000 junge Justiniane, von denen 2100 das Licentiat und bloß 400 den Doktor ,, machten",
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der
im Gegensatz zu dem Zustand in Deutschland , wo er hauptsächlich eine besondere Einnahmequelle der Professoren bildete und eine wissenschaftliche Spielerei ist, ungewöhnliches Wissen und Denken verlangt. Selbst von den 10.200 jungen Medizinern, deren weitere Ausbildung im,.Internat" auch von der deutschen Verarztung verschieden ist, brachten es nur 1300 zum Doktorat.
In Deutschland gilt gegenwärtig der„ Exameneinser" wahrscheinlich nicht so viel wie die Auszeichnung in der Felddienstübung und im parteipolitischen Gewehrdienst. In Frankreich ist das anders: da soll, nachdem bereits bisher schon ungeheuer gebüffelt" wird, das Niveau jetzt noch weiter gehoben und das System noch verschärft werden, um dem Andrang zu steuern. In der Geschichte und in der Philosophie ist das bereits durch einen Erlaß des Vorjahres geschehen. Rosier schlägt jetzt weitere Vorrechte für die Diplomierten vor, u. a. auch für die Juristen, während die zwei- oder dreimal hintereinander Durchgefallenen ausgemerzt werden sollen. Für die Mediziner wird ein Ausgleich auch nach regionalen Gesichtspunkten vorgeschlagen, für die Apotheker ein zweites Gehilfenjahr, ferner erörtert man formen der akademischen Lehrer- Ausbildung Schließung überzähliger Schulen und erteilt de einen zweite
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der Türkei , nach China , Tunis gegangen, wo die dentschen Diplome anerkannt werden. Mit anderen Ländern bestehen Unterhandlungen. Man hofft auf Oeffnung einiger Kolonien für die deutschen Aerzte, wo insbesondere für Aerztinnen Aussichten zu sein scheinen in den Gebieten, in denen die Religion es den eingeborenen Frauen verbietet, einen männlichen Arzt aufzusuchen. In Frank reich selbst sind alle Verhandlungen mit dem Aerzte- Syndicat erfolglos geblieben, da der ärztliche Beruf und die medizinische Fakultät außerordentlich überfüllt sind. Immerhin wurden einige deutsche Mediziner von Rang, hauptsächlich Wissenschaftler für das Institut Pasteur und für einige Universitäts - Kliniken, z. B. in Lyon verpflichtet.
Die Napoléon - Andenken im Invalidendom
Der französische General Mariaux hielt am Sarge Napoléons im Invalidendom eine Ansprache über die Napoléon - Andenken, den Hut von Eylau, den Degen von Marengo diesen sollte der Sohn, der König von Rom erben, und Joseph Napoléon verhinderte nach dem Tode, daß ihn Marie- Louise erhielt. General Mariaux führte dann durch das Armeemuseum und zu den 139 Schwerverletzten, die das Invalidenhotel noch birgt...
Es ist bekannt, daß Göbbels die Geschmacklosigkeit besessen hat, einen deutschen Nazi namens Franz Mariaux als Ullstein- Vertreter nach Paris zu senden, um die Franzosen durch den in Frankreich gut klingenden Namen Mariaux zu täuschen, was insbesondere dem General Mariaux als Gouverneur des Invalidendoms peinlich sein dürfte.
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