Pariser Berichte

Pariser Straßenkalender

In der Sorbonne begann unter dem Vorsitz des Franzosen Jean Dupuy der internationale Studentenkongreß. Deutsch­ land   ist durch Gerhard Haucke als Generalsekretär auf diesem Kongreß vertreten.

Am Silvestertage sind die Pariser   Warenhäuser geöffnet. Der französische   Marineminister Marineminister Daladier  , früherer Ministerpräsident, und der Finanzminister Bonnet wirkten als Trauzeugen im Rathaus von Louviers   bei der Heirat des Abgeordneten des Kreises Eure.

Bei einem Feuer in Lagerräumen in Ivry   gingen 350 000 Flaschen Mineralwasser in Trümmer.

Die deutsche Rugby- Mannschaft, die am 1. Januar gegen Frankreich   im Parc des Princes antreten wird, ist dieselbe wie im Vorjahre, nur Berkowsky und Amelung sind neu. Im Vorjahre siegte Frankreich   leicht mit 38 gegen 17.

Nach einer neuen Weltstatistik steht Frankreich   mit 145,9 Liter pro Kopf Jahreskonsum 1932 an der Spitze der wein­trinkenden Länder in Deutschland   wurden nur 2,5 Liter pro Kopf im Jahr getrunken. Die französische   Weinpro­duktion mit 47,5 Millionen Hektoliter umfaßte ein Drittel der Weinernte dre Erde, trotzdem wurden noch 14 Millionen importiert.

Das ,, Journal stellt fest, daß noch viel, viel Wasser durch die Seine fließen wird, bevor die Schauspieltruppen der Comédie Française   und des Odéon nach dem Plan des Finanz­ausschusses vereinigt werden.

Einstein und Michelson

Wie man weiß, ist Professor Einstein  , dessen Ein­treffen in Paris   zu Vorlesungen im Institut de France   wir angekündigt haben, mit Nachprüfungen der Relativitäts­theorie sehr beschäftigt. Der Temps" berichtet jetzt aus Amerika  , daß die wissenschaftliche Welt aufgerüttelt ist durch die Veröffentlichung des Nachlasses von Professor Albert B. Michelson. Die letzten Experimente dieses Ge­lehrten in Pasadena   in Kalifornien   sollen erwiesen haben, daß die Lichtgeschwindigkeit keineswegs konstant ist, son­dern Fluktuationen unterliegt. Diese Beobachtung, die ein für erwiesen gehaltenes Gesetz zerstört, habe, neben anderen Konsequenzen, auch die Erschütterung der Relativitäts­theorie des Professors Einstein zur Folge. Die Relativitäts­theorie war nämlich auf die vorhergehenden Untersuchungen Michelsors aufgebaut, die eine konstante Lichtgeschwin­digkeit nachweisen wollten.

Professor Einstein wurde an der Universität Princeton  , an der er lehrt, über diese Ergebnisse interview t. Einstein habe erklärt, daß die Experimente Michelsons mit einem neuen Apparat zu verschiedenen Tagesstunden gemacht seien und daß dies Phänomen keine Beziehung zu der Relativitätstheorie habe.

Schaljapin   in Paris  

im Théatre des Champs- Elysées

Wenn der große russische Bassist zu kurzem Gastspiel in eines der europäischen   Opernhäuser einzieht, pflegen böse Leute zu fragen:, Nun, und was für Skandal wird es dies­mal geben?" In Paris   und Wien  , in Berlin   und Monte Carlo; die Bühnen- und Garderobenwände könnten einiges erzählen von den Launen, den Extravaganzen dieses Stars. Mehr noch die Kapellmeister. Erinnert man sich, wie in den geheiligten Räumen der Wiener Staatsoper vor etwa sieben Jahren der Vorhang fallen mußte, weil Schaljapin   auf offener Szene den Mann am Pult beschimpfte? Und in Berlin  , bei Kroll, ent­stand 1928 jenes Zerwürfnis, das Schaljapin   bis heute mit seinem jahrzehntelangen Kollegen, dem Dirigenten Cooper,

auseinanderbrachte.

Der Grund zu alledem ist nicht nur Laune, Kraftüberschuß und Größenwahn. Die Quellen reichen tiefer.

Man hat den großen, lyrischen Tragöden", wie die Fran­zosen Schaljapin nennen, einmal mit dem deutschen   Herrn v. Possart   verglichen. Schaljapin   gehört wirklich jenem Kreis der pathetischen Schauspielkunst" an, zu dem der Münch­ ner   Hoftheaterintendant gehörte. Künstlerische Gestaltung aus vollstem pathetischen Ergriffensein, nach der komischen oder tragischen Seite hin, das ist die Grundlage der Schal­

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japinschen Darstellungskunst. Die Grenzen erkennt wohl

niemand besser als die Generation von 1933. Und doch

müssen auch die Jüngsten die immer wieder überwältigende Wucht dieser Persönlichkeit bewundern, die schon wie eine geschichtliche Figur in unsere Zeit hineinragt.

Dieser Mann, der sein Dirigent, Regisseur und Protagonist in einem sein muß, der seine Rollen, auch die häufigst ge­spielten, an jedem neuen Abend wieder neu erschafft, stammt aus südrussischem Bauerngeschlecht. Er ist vor langen Jahren mit Maxim Gorki  , dem er heute noch in Freundschaft verbunden ist, mittellos und obdachlos über russische Land­straßen gewandert. Er war Chorist bei herumziehenden Trup­pen, wurde wegen ,, unzureichender Stimmittel" zum Teufel gejagt, war Lastträger in Odessa  !

Dann ein Aufstieg, beispiellos! Vom alten Rußland her erobert er sich die Welt. Er bringt die russische Opernkunst, die Europa   bis dahin nicht kannte, erobert sich die Partien des westlichen Repertoires. Weltkrieg, Revolutionen kom­men, Schaljapins Weltruhm bleibt. Die junge Sowjetunion  ehrt ihn mit dem Titel eines Volksschauspielers". Er ist irgendwo im Westen, führt ein merkwürdiges Dasein zwischen unauffindbarer Zurückgezogenheit und greller Sensation.

Heute ist er schon 60. Eine Fono- Gesellschaft beschenkte ihn zum Geburtstag mit einer goldenen Grammofonplatte. Das war das letzte, was die staunende Oeffentlichkeit vor Monaten von ihm erfuhr.

Jetzt hört Paris   ihn wieder in den Champs Elysées  : italie­nisch als Basilio in Rossinis ,, Barbier" und französisch erstmalig als Caspar in Planquettes Glocken von Corne­ville". Das ausgezeichnete Ensemble der Pariser   russischen Oper, ein Ballett alt- neuer russischer Schule, wird ihn be­gleiten. P. W.

Der große

Pariser Spionageskandal

Das Pariser Hotel, in dem die Beschuldigten ihr Haupt­quartier aufgeschlagen hatten. In den Kreisen die Ver­hafteten: Oben links Swidz, der unter dem Spitznamen ,, Der Flieger" arbeitete; rechts Frau Stahl und unten links die Lehrerin Fräulein Marmet. In Paris   ist die Polizei einem großen Spionagefall auf die Spur gekommen. Es handelt sich um Männer und Frauen, meist Ausländer, die angeblich im Dienst der Sowjetunion   gearbeitet haben.

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Gastspiel von Kurt Jooẞ

Elysées die Tanzgruppe Kurt Joo B, die frühere Folkwang­Vom ersten Januar 1934 ab gastiert im Théatre des Champs Tanzbühne der Stadt Essen  , die im Vorjahre für das Tanz­drama Der grüne Tisch" den ersten Preis des internatio nalen Tänzerkongresses erhielt. Es wird von besonderem Interesse sein, bei dieser Gelegenheit die neuesten Schöp­fungen des russischen und deutschen   Bühnentanzes mitein­ander zu vergleichen. Bekanntlich ist das ,, Ballett Joo B seit Ende der vorigen Spielzeit aus den Diensten der Stadt Essen   ausgeschieden und befindet sich seitdem auf einer großen internationalen Tournee. Besonders in Neuyork hatte Jooß   mit seinen neuen Tanzschöpfungen, die in Paris   zur Aufführung kommen, sensationellen Erfolg.

Die großen Konzerte der Woche Samstag, 30. Dezember: Théatre Champs- Elysées, 17 Uhr, Concerts Pasdeloup. Dirigent: P. Coppola. Solisten: Giacosta und Conna( Pian).

Salle Gavean, 16.45 Uhr, Concerts amoureux  . Diri­gent: A. Wolff  . Solist: M. Frécheville( Cellist). Pro­gramm: Beethoven  ( Pastorale), Schumann( Konzert für Cello).

Salle Gavean, 21 Uhr: Chorale Hasomir. Jüdische Volkslieder und Chöre.

Silvester- Konzerte

Théatre des Champs- Elysées  , 16.30 Uhr: Concerts Pas deloup. Dirigent: P. Coppola. Solistin: M. Lavrence ( Sängerin). Salle Gavean, 15 Uhr: Concerts amoureux  . Dirigent: A. Wolff  . Solist: L. Kartan( Pianist). Programm: Beet­ hoven  ( Pastorale), Mozart  ( Klavierkonzert).

Silvesterfeier im Deutschen   Klub

am

Der nichtgleichgeschaltete Deutsche   Klub( Adresse: Uni­ versité   du Parthénon, 64, rue du Rocher, Paris   8°. Bahnhof St. Lazare  ) veranstaltet am 31. Dezember um 21 Uhr ein Silvesterkostümfest, zu dem Gäste willkommen sind. Auf dem Programm: Verschiedene Ueberraschungen. Ger­ hart Hauptmann   als Emigrant hält die Silvesterfestrede. Prämiierungen Tanz.

Zur Unkostendeckung werden 9,75 Franken erhoben ( Steuer eingerechnet), von Stellungslosen 5,75 Franken. Kostüm oder Straßenanzug.- Kein Kartenvorverkauf.

Die Folgen des Leipziger Urteils

Im Deutschen Klub( 64, rue du Rocher) spricht am Sams tag, 30. Dezember, 21 Uhr, Herr de Moro Giafferi über Die Folgen des Leipziger Urteils". Der sozialistische Anwalt Maurice Délépine hat in Aussicht gestellt, daß er kommen wird. Einer der bekanntesten Berliner   Strafver­teidiger wird reden.

Unkostendeckung: 5 Franken( Stellungslose 2 Fr.). Kein Kartenvorverkauf. Anmeldungen oder Auskünfte über den Deutschen   Klub nur schriftlich oder mündlich Samstag abends, nie im Laufe der Woche und nie telefonisch.

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Autos, die auf einer Landstraße in dem meterhohen Schnee steckenblieben. Gewaltige Schneestürme suchten in den legten Tagen fast ganz Frankreich   heim. Vor allem auf den Landstraßen entstanden die schwierigsten Situationen für den Verkehr..

Die schweren Stürme, die in den legten Tagen über Nordwestfrankreich und Südengland  hinwegbrausten, haben auch unter der Tierwelt des Atlantik ihre Opfer gefordert. So wur­den bei Cap Finistere in der Bretagne   fünf riesige Pott- Wale von etwa 10 Meter Länge ans Ufer geworfen. Gewöhnlich halten sich diese Walfische in viel nördlichesen Go­

wässern auf