Nicht

Das ist das Schlimmste:

wenn der Mensch vergißt,

satt wird und sich die Ohren stopft,

am eignen Leid sich müde frißt

und sein Gewissen schwächer klopft.

Mein Freund, der du von Deutschland sei.

die bangen Tage leben mußt,

vergiß es nicht den Mörderherrn, daß sie dir nahmen Freud und Lust. Vergiß es nicht, daß Schuß um Schuß die Besten tückisch abgeknallt, daß Frauen, Greise, Kinder man auf Folterbänke dort geschnallt. Vergiß die tausend Opfer nicht, die qualvoll starben in der Nacht, vergiß der Tausend Marter nicht, die langsam man zu Tod gebracht. Bergiß nicht Freund das deutsche Land von feigen Räubern frech verhöhnt, vergiß nicht, daß ein ganzes Reich gefnebelt nach der Freiheit stöhnt. Denn wenn du einmal das vergißt, so set Bergessen auch dein Lohn, bewahr' die Flamme, Emigrant,

und deine Waffen für den Sohn.

Dein Sohn wird einst im Kampie stehn und rächen diese braune Schand. Du wirst die Heimat wiedersehn, Bewahr' die Flamme, Emigrant!

So ist es

Weh, daß wir scheiden müssen...

Ignotas.

h. b. Die Greuellügner sind endgültig entlarot. Wenn es auch dieses Mal nicht die Sonne war, die es an den Tag brachte, so ist es doch der milde Schein des Sternes von Bethlehem , dem wir die herrliche Offenbarung des deutschen Konzentrationslageridylls zu danken haben. Außerdem der verehrungswürdige preußische Ministerpräsident, der sein außerordentlich hohes kriminalistisches Geschick in jüngster Zeit mehrfach unter Beweis gestellt hat, nennenswert an den Enthüllungen be teiligt. Bekanntlich sah sich der hochmögende Herr ge­zwungen, im Interesse einer reibungslosen Neuaufnahme von Schußhäftlingen während der Weihnachtsfeiertage einen Teil der alten Konzentrationslagerinfassen vor­Täufig zu beurlauben. Die vom Schicksal so hart be= troffenen Entlassenen haben versucht, ihr Unglück mit

Statt Silvesterschießen- Bombenanschläge

In den bayerischen und in den österreichischen Alpen ge= hört das Silvesterschießen zu den uralten Volksbräuchen. Es dauert die zwölf heiligen Nächte von Weihnachten bis zum Dreitönigstage. In diesem Jahre hat dieses Schießen poli­tische Bedeutung befommen. Die Nazis haben sich seiner zu Demonstrationen gegen die Regierung bemächtigt.

Wie der Oesterreichische Pressedienst mitteilt, fanden in den legten Tagen in den Ländern Tirol und Vorarlberg De: monstrationen" gegen das Regierungssystem statt.

Die Kundgebungen erreichten ihren Höhepunkt am Sil: vesterabend. Ueberall wurden auf Schornsteinen, Bäumen und Starkstromleitungen Hafentreuzfahnen gehißt. Eine ganze Reihe von prominenten Vertretern des Re­gierungslagers wurde von Böllerschlägen heimgesucht. In Innsbrud explodierte in der Wohnung des chriftlich­sozialen Bürgermeisters Fischer ein Böller, der sämt er, de

I

liche Fensterscheiben in Scherben gehen ließ. In der Druckerei Tyrolia, in der sämtliche chriftlich- sozialen Parteizeitungen. Tirols hergestellt werden, wurde durch einen Luft­schacht ein Böller in den Hof geschleudert. Auch hier wurden sämtliche Fensterscheiben zertrümmert.

In Bregenz richteten Böller im Gebäude des christlich­sozialen Vorarlberger Voltsblattes", in der Wohnung des österreichischen Verfassungsministers Dr. Ender und im Landesregierungsgebäude beachtlichen Sachschaden an. Es gelang nirgend, der Täter habhaft zu werden, so daß die Behörden wieder Geiselverhaftungen vornahmen. Sowas nennen die Nazis dann Demonstrationen". Man merkt, wie freudig man" bewegt ist über diese Heldentaten" mit Bomben und Böllern, und wie sie darüber kichern, daß keiner von den Banditen gefaßt werden konnte. Das ist die neudeutsche Nazi moral.

Göring , dann wehe Dir!

Anstand zu tragen. Wir lesen darüber in der gleich Moro- Giafferi über die Entführung der Leipziger Anklageschrift

geschalteten Presse:

" In Oranienburg , in Sonnenburg, in den Konzentra tionslagern Sachsens, Lübecks und Thüringens , ja in allen Lagern, die zur Abwehr der bolschewistischen Gefahr er= richtet werden mußten, werden die Schutzhäftlinge ent­lassen, denen man auf Grund ihrer bisherigen Führung zutrauen darf, daß sie sich in Zukunft einwandfrei be­wegen werden. Und diese Entlassungen gestalten sich oft zu Feiern, aus denen deutlich zu erkennen ist, wie schamlos die Meute der Emigranten" gelogen hat. So standen vor dem Eingang zum Sammellager in Sonnenburg zwei brennende Weihnachtsbäume, und unter fröhlichem Gesang zogen die Entlassenen zum Bahnhof. Aus dem Zuge heraus schüttelten sie ihren Wachtmannschaften immer wieder die Hand und winkten noch lange Zeit zurück, als sie der Heimat, der Familie, der Freiheit entgegenfuhren. Der Groll, der ohne Frage jeden von ihnen bei der Ver­Haftung und Einlieferung beseelt hatte, war verflogen in diesen Wochen und Monaten, in denen sie wohl als Gegner, aber auch als Menschen behandelt wurden. Die Großmut des Siegers, der auch in ihnen Volksgenossen sah, die sich lediglich hatten verführen lassen, wird ihren feelischen Widerstand überwunden haben... So und nicht anders entpuppen sich die Greuel", die vor gar nicht langer Zeit die Welt empörten. Wir freuen uns, freuen uns von ganzem Herzen dieses Weihnachtsgeschenkes, das der nationalsozialistische Staat den Schußhäftlingen macht. Nicht nur des Auslandes wegen!... usw."

Demnach kann man also annehmen, daß die armen Ent­lassenen ihr trauriges Weihnachtsschicksal, das sie mit fröhlichen Liedern und dankbaren Händedrücken an ihre braununiformierten Beschützer feierten wenn man den gleichgeschalteten Zeitungen glauben darf! nur dem ununterbrochenen Wirken der Emigrantenpresse" zu ver­banken haben. Ohne dieses säßen sie sicherlich auch über die Feiertage in Sicherheit.

Der geköpfte Neunzehnjährige

,, Ich bin doch unschuldig"

h. b. Durch Mittelsmänner wurden uns die Einzelheiten einer furchtbaren Tragödie mitgeteilt.

Unter den in letzter Zeit zum Tode verurteilten Opfern des Dritten Reiches " befand sich auch ein junger, neunzehn­jähriger Genosse, der angeklagt war, im vorigen Jahre ( 1982) an einem politischen Zusammenstoß beteiligt gewesen zu sein, bei dem ein SA.- Mann ums Leben tam. Als das Todesurteil gegen ihn gefällt wurde, rief er entfeßt: Ich bin aber ganz gewiß unschuldig!" Dann brach er zusammen. Später, als er in seiner Zelle saß, erlaubte man ihm, nach Hause an seine alten Eltern zu schreiben. In jedem dieser Briefe stand: Ich bin unschuldig. Ich schwöre es. Man muß mich begnadigen!"

Seine Eltern waren verzweifelt. Sie liefen und schrieben und machten Gesuche, um ihren Sohn zu retten. Die Mutter rennt von einer Behörde, von einer Parteidienststelle zur anderen. Ueberall weist man sie mit nichtssagenden Worten ab. An einer Stelle fagt ein SA.- Bonze faltschnäuzig zu ihr: " Ihr Marristenpack habt doch nichts anderes verdient. Ihr wolltet es ja so haben!"

Ein Bruder des Verurteilten, der einige Jahre älter ist, macht die gleichen Wege. Schließlich erhält er einen Bescheid des preußischen Ministerpräsidenten: Ich lehne die Be­gnadigung ab. Göring ."

Der Tag der Hinrichtung naht. Die Mutter will ihren Sohn noch einmal sehen. Sie erhält keine Besuchserlaubnis mehr. Kurze Zeit darauf erhalten die Eltern und der Bruder je eine Nachricht. Die tamen an demselben Tage. Die eine fam aus dem Gefängnis. Darin stand: Liebe Eltern, lieber Bruder! Soeben teilt man mir mit, daß mein Urteil morgen vollstreckt werden wird. Das darf man doch nicht. Ich bin doch unschuldig!"

Die zweite Nachricht aber stand in der Zeitung: Gestern morgen wurde der... durch Handbeil hingerichtet."

Justizrat Werthauer klagt im Vortragssaal des Deut­ schen Clubs zu Paris die S utzhaft an: Die Schutzhaft ist das Schrecklichste, was je für ein zivilisiertes Volk erdacht wurde. Vom eigenen Volk wurden Geiseln genommen, so schen Clubs zu Paris die Schutzhaft an: Die Schutzhaft ist die Erforschung der Wahrheit unmöglich. Ich bin kein Poli­tiker, ich spreche hier nur als Jurist und als logischer Mensch: aber ich sage, daß der Reichstagsbrand nur den Nationalsozialisten nützen konnte. Es besteht der Verdacht, daß sie den Reichstag anzündeten, gerade deswegen be­steht der Verdacht, weil nicht nachgeforscht wurde, wer die wahren Täter waren. Eine spätere Zeit wird dies ergründen: wenn Hitler fällt und ein neues Verfahren kommt oder wenn einer der Beteiligten plaudert oder wenn dieser ge­heimnisvolle Holländer spricht.( Moro- Giafferri betritt gegen Ende der Rede unter allgemeiner Erregung den Saal.)

Dr. Arthur Wolf( vormals Düsseldorf ): Sie hören vor allem den Menschen Moro- Giafferi. Seien Sie stolz, daß ein solcher Meister des Rechts sich für eine solche Sache der Menschheit einsetzt! mit jener Humanität, die der echte Franzose seit 1789 dem Unrecht auf der Welt entgegensetzt ( die ganze Versammlung erhebt sich).

Moro Giafferri( er verbeugt sich vor der schwarzrot. goldenen Fahne): Ich grüße die Fahne Eurer Freiheit mögest Du bald über der Befreiung Deines Landes neben den Fahnen aller Völker wehen!

Die anderen haben gesagt, daß ich diesen Prozeß führe, um Deutschland zu schaden. Ich schwöre, daß es nicht wahr ist. Ich gehöre zu denen, die das Deutschland Goethes und Schil­lers, Kants und Nietzsches über alles lieben. Auch als Kriegs­teilnehmer habe ich nicht aufgehört, Deutschland zu lieben. Ich lag als Offizier der Infanterie vor Reims ,- als damals die Granaten auf die Kathedrale fielen, wurde unsere Deutschen­liebe auf eine harte Probe gestellt, aber ich sagte mir, daß die Völker nicht schuld sind, daß der Wille nicht der ihre war!

Ich glaube an eine Internationale der Völker, des Geistes und der Kunst! Ich glaube an die innige, an die redliche Verbündung von Deutschland und Frankreich .

Sie haben Briand bei uns des Verrats des Landes be­schuldigt, wie sie Stresemann dessen bei Euch be­schuldigt haben.

Dieser Prozeß ich habe diese Rolle nicht gewollt. Ich versichere auf meine Ehre als Anwalt und Mensch, daß ich mich erst der Verteidigung versagt habe. Ich wollte die An­klageschrift kennen lernen.

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Man hat mir die Anklageschrift gebracht Die Blätter sind wohl herausgenommen und fotografiert worden dann hat man sie hergebracht, unter Lebens­gefahr! Unbekannte, namenlose Menschen, meinen Gruß diesen Namenlosen! Ihr habt einen größeren Edelmut ge­zeigt als der auf dem Schlachtfelde ist! Ich hoffe, Euer großes

Nun schreibt der Bruder des Hingerichteten ein Gesuch, man möge die Leiche des jungen Menschen zur Bestattung freigeben. Im Namen der Mutter schrieb er, die wenigstens auf dem Friedhof eine Stätte stillen Gedenkens für ihren unschuldigen Sohn haben möchte. Auch dieses Gesuch wird vom preußischen Ministerpräsidenten abgelehnt.

Aber mit diesen Schändlichkeiten ist die Sache noch nicht erledigt. Der Gesuchsteller wurde kurz nach dem ablehnenden Bescheid verhaftet, weil er geäußert hat, daß sein Bruder unschuldig gestorben sei. Ob die Mutter diesen zweiten Sohn wiedersehen wird?

Jedermann wird es verstehen, daß wir diesem Bericht nichts hinzufügen als die Bemerkung, daß er aus absolut

Opfer soll nicht vergebens sein! Ihr sollt die Freiheit wieder erringen!

Eine Frau, die Dimitrova hat mich gerufen. Wenn eine Frau in einer solchen Stunde einen Mann ruft, muß er ihr folgen, oder die Steine müssen sich auf ihn stürzen! Als ich sagte:, Göring , c'est toi" ,, Du bist der Mörder" war ich brutal. Aber ich war brutal, um diesen gefähr­lichen Morphiomanen herauszufordern.

WO

Sofort erkannte ich, daß nicht die Kommunisten und die Sozialisten die Brandstifter waren. Es ist ein gestellter Pro­zeẞ, ein Räderwerk. 28 Brandherde sind entdeckt, sind die Täter? Hat sie der Würgengel getötet? Sie sind ver­schwunden im unterirdischen Gang, und der unter­irdische Gang führte in Görings Palais. 5 bis 6 Tonnen Brandstoff ein Mann, in wenigen Minuten? L' incendiaire du Reichstag , Göring ,

c'est toi!

Ich bin stolz darauf, die Londoner Depesche redigiert zu haben, die den Göring beschuldigte. Denn wahrlich, dieser Göring , der zu Dimitroff sagte: Canaille, si tu es libre, je me charge de toi, c'est un assassin vulgaire" ein gemeiner Mörder!

Das Leipziger Gericht hatte zu entscheiden: ,, Sie oder Du." Das Leipziger Gericht hat entschieden: ,, Sie nicht." Und die Welt antwortet: ,, Göring , c'est toi." Aber unsere Aufgabe ist noch nicht zu Ende. Die Ange­klagten, freigesprochen, sind noch nicht frei.

Es wäre eine Infamie, eine Gemeinheit, wenn Göring die Bulgaren dem Bulgarien an das Messer liefern würde. Das Gastrecht ist in der Welt heilig. In dem tiefen Afrika , oben unter den Polarvölkern gegen den weißen Mann er. kennt man das Gastrecht an. O, du Deutschland der alten Ritterlichkeit, du Land des Edelmuts- wie groß auch mein Haß ist gegen Deine heutigen Herrscher, ich kann nicht glauben, daß sie es tun, daß die das Gastrecht verletzen. Wenn Du es aber tust, Göring , dann wehe Dir die Verachtung der Welt soll Dich treffen, dann, Göring , prends garde à toi!

Meine Freunde, Ihr Deutsche , wenn wir Franzosen eine allzu heftige Manifestation für Euch vermeiden, so müßt Ihr es verstehen, es geschieht für Euch, die Wunden sind tief. Der Fortschritt der Welt kommt nur in schweren Kreisen Mutter, Du wirst nicht anders als unter Schmerzen ge­bären.

Freunde, einst wird kommen das Morgenrot des Frie­dens aller Völker Schwarzrotgold wird wehen und sich mit der Trikore vereinigen. Erheben wir denn unsere Waf. fen, die wahren Waffen der Hoffnung und des Friedens und der Freiheit für die Einheit des Menschengeschlechts.( Stür­mische, minutenlange Kundgebungen. Die ganze Versamm­lung erhebt sich. An der Saaltür ruft Moro Giafferri : Es lebe das freie Deutschland .")

zuverläffiger Quelle stammt. Namen. Orts- und Zeitangaben liegen vor. Sie fönnen nicht genannt werden, um der schwer­geprüften Familie weiteres Unheil zu ersparen.

Wegen zu geringer Beteiligung.

Die einzige gewerkschaftliche Leistung des Arbeiterver­bands des grafischen Gewerbes" war die Einführung von Frauenschwimmabenden. Diese Abende waren so gut, daß Die große Schwimmhalle zu Berlin aufgegeben werden mußte. Es ist fraglich, ob die Abende überhaupt noch zu Stande kommen werden. Viel Liebe scheint die Gewerf­schaft" bei ihren Mitgliedern nicht zu finden.