Aus dem Inhalt

sid mandi djur sp

allo YII­

206bX IOL OFA

Pontifor

T

Frethel

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands  

Nummer 8 2. Jahrgang Saarbrücken  , Donnerstag, den 11. Januar 1934 Chefredakteur: M. Braun

-

1750

1966 196

476 Jahre Zuchthaus

aid but

117 Fahre Gefängnise

Seite 2

Jagd auf Pfaccee

Seite 3

Deutschlands Steuerzettel

Seite 4

Stavisky im Bild

Seite 6

6

Demonstrationen gegen br Reichsbischof

Seite 8

mind eldo of#stratio

Abrüstungskonferenz wieder vertagt?

Am Grabe noch pflanzt sie die Hoffnung auf

London  , 10. Jan. Der diplomatische Korrespondent des Daily Telegraph  " schreibt, in britischen Kreisen sei man der Meinung, daß der Zusammentritt des Abrüftungsbüros zn dem vorgesehenen Zeitpunkt, dem 21. Januar, zwecklos wäre und daß der 29. Januar das früheste Datum wäre, an dem der Zusammentritt in Frage kommen sollte.

In amtlichen Kreisen wird dementiert, daß die englische  

Regierung fich anschicke, in der deutsch  - französischen Fühlung­nahme eine neue Initiative in Sachen der Abrüstung zu er: greifen. Die Haltung Londons   bleibt abwartend. Die britische   Regierung nimmt Hitlerdeutschland die Verant wortung nicht ab, ja erleichtert nicht einmal die weitere Ent: wicklung.

Paris  , 10. Jan. Matin" erklärt, daß für Ende des Monats Norman Davis  , der amerikanische   Vertreter, in Europa   er­wartet werde. Es sei nicht ausgeschlossen, daß der für den 21. Januar anberaumte Zusammentritt des Büros der Ab­rüstungskonferenz um einige Tage verschoben werde, um Norman Davis   die Teilnahme an den Abrüstungsverhand­lungen zu ermöglichen.

,, Ein Zwischenspiel"

England unbedingt für den Völkerbund

London  , 10. Januar. Der Lord- Siegelbewahrer Eden hielt in Alcester ( Warwickshire  ) eine Rede, die dadurch besondere Bedeu­

tung erhält, daß das Foreign Office einen Auszug daraus

veröffentlicht hat. Eden sagte u. a.:

Nach fast zweijährigen Bemühungen sei die Abrüstungs­fonferenz zu feiner Vereinbarung gelangt, und es sei natürlich, daß die öffentliche Meinung in Eng= land diesen Mangel mit Besorgnis betrachte. Die Wochen seit Vertagung der Konferenz im November seien aber nicht vergeudet worden. Die Welt benötige vor allem eine Vereinbarung über die Abrüstung. Die Besprechungen durch diplomatische Kanäle sowie andere Besprechungen, die in der letzten Zeit im Gange gewesen seien, hätten nur diesen einen Zweck verfolgt. Sie feien fein Ersaz für Genf  , sie seien ein 3 wischenspiel, um der Arbeit in Genf   zu gestatten, mit bessern Aussichten auf Erfolg fortzuschreiten. Wenn eine Vereinbarung über die Abrüstung erzielt sei, so könne man bestimmt hoffen, daß die internationale Atmosphäre sich so geklärt habe, um nun die zweite Aufgabe, die Reform des Völkerbundes, in Angriff zu nehmen. Der Völkerbund  habe im letzten Jahr unter der Ankündigung des Austritts von zwei Großmächten, die ständige Size im Rat hatten, gelitten. Wie soll sich dann, so fragte Eden, die Zukunft dieser Körperschaft gestalten? Essei wesentlich, daß im Jahre 1934 eine Zunahme der Mitglieder des Völkerbundes erfolge im Verein mit der Aufrechterhaltung seiner vollen Autorität... Es sei daher klar, daß der gesamte Ein­fluß und die Autorität der britischen   Regierung der Auf­rechterhaltung einer Einrichtung gewidmet werden müssen, die England sicher als das stärkste Bollwert des Friedens ansehe.

Diese Erklärung, die man als amtlich einschäßen kann, ist ein neues unzweideutiges Bekenntnis zum Völkerbund und macht es für Hitlerdeutschland unausweichlich, ent­

Lubbe fingericitet

weder nach Genf   zurückzukehren, oder den Bruch mit ganz Der unbequeme Zeuge beseitigt Europa   herbeizuführen.

Mussolini   bescheiden

Wenn es um Abrüstung geht

Paris  , 10. Jan. Mussolini   hat den französischen   Botschafter in Rom   de Chambrun empfangen, um, wie der römische Korrespondent des Matin" meldet, ihn über seine Aus=: sprache mit Sir John Simon zu unterrichten. Der Duce habe erneut den Wunsch seiner Regierung betont, so schnell wie möglich zu einem, wenn auch bescheidenen, Abrüstungs­

abkommen auf einer für alle Länder annehmbaren Grund:

lage zu gelangen. England halte an der allgemeinea. fort schreitenden, kontrollierten Abrüstung auf der Grundlage des Macdonaldschen Planes fest. Italien   trete für die allgemeine Beibehaltung der Rüstungen auf ihrem gegenwärtigen Stand und die praktische Anwendung der militärischen Gleichberechtigung auf Deutschland   ein. Die englische These habe sich also in Rom   nicht durchsetzen können. Der Völker­bundreformplan trete gegenwärtig etwas in den Hinter grund, wahrscheinlich werde Italien   teine entsprechenden Vorschläge machen.

Wenn diese Meldung den Standpunkt Mussolin's richtig gibt, treibt er der allgemeinen europäischen   Ausrüstung. einem Wettrüsten zu, gegen dessen Wucht und Tempo cile papierenen Pakte lächerliche Feßen wären, M- A2

Radek zur Lage

99

Wir können nicht vergessen.

Mostan, 10. Januar.  ( Inpreß.) Die Jowestija" veröffent­lichen einen großen Artikel von Karl Radek   über die Kampf­vorbereitungen für eine neue Verteilung der Welt". Der gegenwärtig das unbeständige Gleichgewicht zu stören ſuchen, Verfasser stellt fest, daß zwei Mächte. Japan   und Deutschland  , das nach dem Kriege in der Welt geschaffen worden sei. Deutschland   versuche einen Bundesstaat zu schaffen, der sich von der französischen   Grenze bis zur Beresina und von Memel   bis zum Balkan   erstrecke. Die baltischen Staaten, die Kleine Entente   und der Balkan   sollen eine Einheit mit dem Deutschen   Reich bilden. Dieses Programm richte sich gleich­zeitig gegen Frankreich   und gegen die USSR  . Die deutschen  Nazis hätten nicht die Absicht, Elsaß- Lothringen   zu erobern, sie wollen Frankreich   nur von seinen heutigen Verbün­deten lösen, d. h. es aus seiner heutigen europäischen   Situa­Was Rußland betreffe, so könne es gegenüber der Frage, tion verdrängen, die die Grundlage seiner Weltposition sei. ob an seinen Grenzen Polen  , Litauen  , Lettland   und Estland  existieren oder Dominions und Kolonien Deutschlands  , in keinem Falle gleichgültig bleiben. Wir können nicht ver­gesien, schreibt Radek, daß die Politik des berühmten Mittel­Europa" nichts anderes bedeutet, als daß Weißrußland   und Ukraine   sich in Mittel- Europa" befinden. Radek erinnert weiter an den Offenen Brief, den Hitler   im Oktober 1932 an Papen   richtete. In diesem Brief sei angekündigt worden, daß es sich für Deutschland   darum handeln müsse, die Ver­antwortung für die Sprengung der Abrüstungskonferenz Frankreich   zuzuschieben, damit Deutschland   die Hände frei

bekomme.

Berlin   läßt sich Zeit

Baris, 10. Januar. Die Berliner   Korrespondenten des Matin" bereiten die französische   Oeffentlichkeit darauf vor, daß man mit der deutschen   Antwort auf die französische  Denfschrift zur Gleichberechtigungsfrage nicht so bald rechnen könne. Vielleicht wolle Deutschland   nicht allzu früh vor dem Busammentritt des Völkerbundes antworten, vielleicht möchte es die Einstellung der Engländer abwarten oder, wie der Sonderkorrespondent des Blattes einen Kommentar des " Angriff" umschreibt, abwarten, ob England sich zum Kom­plicen des Nationalsozialismus für die Revision der Ber­träge machen werde"." Die Wilhelmstraße wolle bremsen", erklärt der ständige Berliner   Vertreter des Blattes, weil fie genau wisse, welchen Wert der Quai d'Orsay darauf lege, die Lage vor dem Zusammentritt des Völkerbundes und des Hauptausschusses der Abrüstungskonferenz zu klären." Die Antwort der Reichsregierung werde also nicht vor Ende der Woche oder wahrscheinlicher Anfang fommender Woche be­reit sein, also gerade dann, wenn Paul- Boncour   sich bereits in Genf   befinden solle. Frankreich   werde auf diese Weise in die Verlegenheit gebracht, die Stellungnahme vorzubereiten, die es im Einvernehmen mit seinen Alliierten zu ver­teidigen gedenke.id

Die deutsche   Antwort soll, schreibt der Excelsior", der gifiziöjen Berliner   Preise aufolge ungünstig lauten. Dentich Land würde die sofortige, vorbehaltlose Anwendung der

grundsäglichen Gleichberechtigung fordern. Wird aber diese Intransigenz ebenso klar in der deutschen   Note zum Ausdruck fommen?

Daß Deutschland   Zeit gewinnen möchte, ist auch die Auf­fassung des Deuvre", das die Ergebnislosigkeit der italienisch- englischen Aussprache feststellt und dagegen polemi­siert, daß Deutschland   etwa aus den französischen   Vorschlägen die ihm genehmen Punfte herausgreifen könnte. Unsere Regierung, die die deutsche Note geduldig abwartet, ist fest entschlossen, die in unserem Abkommensentwurf enthaltenen Fragen nicht auseinanderreißen zu lassen. Dieser Plan bildet ein Ganzes." Das Blatt hofft, daß die Besprechungen, die Sir John Simon mit Paul- Boncour   in Genf   haben wird, die Lage klären, denn es sei wenig wahrscheinlich, daß die englische   Regierung auch nur im geringsten vor der Kennt nis der deutschen   Antwort Stellung nehme. Im Grunde genommen beginne das alte Spiel: Frankreich   habe Deutsch­ land   beinahe gezwungen, den Bankerott der Abrüstungs­fonferenz zu girieren". Jest versuche es, sich davon freizu machen durch ein letztes Manöver, das im Falle des Ge­lingens Frankreich   die Verantwortung für dieses schlimme Ereignis aufbürden würde, indem man behaupten tönnte, daß Frankreich   sich beharrlich weigere, abzurüften

Leipzig  , 10. Januar.

Die durch Urteil des 4. Straffenats des Reichsgerichts vom 23. Dezember 1933 gegen den Maurer Marinus van der Lubbe   aus Leyden  ( Holland  ) verhängte Todesstrafe ist, da der Herr Reichspräsident von seinem Begnadigungs: recht feinen Gebrauch gemacht hat, heute morgen um 7.30 Uhr in einem Hofe des Leipziger Landgerichtsgebäudes mittels Fallbeil vollstreckt worden.

Die sadistischen Fantasien, die der Reichskanzler Hitler  und der preußische Ministerpräsident wiederholt öffentlich Reichstagsgebäude   schwärmten, sind mit Rücksicht auf das Aus­von sich gabe, als sie von einem Galgenschauspiel vor dem land nicht verwirklicht worden. Man hat den van der Lubbe mit der Guillotine und nicht mit dem Handbeil. Gleichgültig wie: nicht öffentlich gehängt, sondern im Geheimen geföpft. Sogar der unbequeme Zeuge ist beseitigt, wie vorher Hanussen   und Dr. Bell ihr Leben lassen mußten. Nur noch ganz wenigen einstweilen streng nationalsozialistischen Verbrechern ist der Ursprung des Reichstagsbrandes bekannt. Dennoch wird ein­mal Klarheit geschaffen werden, und die wirklichen Brand­stifter werden dann mit viel größerem Recht in den Hades geschickt werden als der im Grunde harmlose van der Lubbe.

Wenn die deutsche   Justiz durch das Leipziger   Urteil einige günstige Auslandstimmen sammeln konnte, so wird dieser Eindruck durch die Hinrichtung wieder beseitigt werden. Van der Lubbe ist auf Grund eines Gesetzes enthauptet worden, das noch nicht bestand, als seine Tat begangen wurde. In­sofern widerspricht die Verurteilung und die Hinrichtung den Rechtsbegriffen aller zivilisierten Völker. Die freund­schaftlichen Vorstellungen, die von der holländischen Regie­rung in Berlin   erhoben worden sind, wurden ebenso in den Wind geschlagen wie die energischen Proteste angesehener Kulturträger aus vielen Ländern.

Van der Lubbe ist geföpft. Die Freigesprochenen sind noch im Kerfer. Die Sorge um sie wird durch die Meldung aus Leipzig   nicht geringer. Wir fordern sofortige Entlassung und Abreise unter sicherem Geleit für Dimitroff  , Torgler  , Popoff und Taneff.

Noch eine Hinrichtung

Hamburg  , 10. Jan. Der Mörder des Polizeimeisters Perske, Ernst Lindau, der durch Urteil des Hanseatischen Sondergerichts vom 30. Dezember v. J. zum Tode ver­urteilt worden war, ist am Mittwochmorgen durch Ent­hauptung hingerichtet worden.

Außenpolitisches Tollhaus

Man stelle sich vor, jemand würde die englische Regierung beschuldigen, sie lasse öffentliche Gebäude an zünden, um dann ihren politischen Gegnern wegen an geblicher Brandstiftung den Prozeß zu machen, oder man stelle sich vor, jemand würde von der französischen  Regierung behaupten, sie lasse durch ihre Meuchelmörder fremde Regierungschefs morden welche Wirkung würde wohl eine solche Anklage in der Weltöffentlichkeit hervorrufen? Gewiß keine andere als die, daß man in den Zeitungen eine Notiz von einem armen Jrrsinnigen lesen würde, der wirre Redensarten geführt habe und deshalb in eine Heilanstalt gebracht worden sei.

Von der gegenwärtigen deutschen   Regierung hat man jedoch in einem großen Teil der Weltpresse lesen können, daß sie die eigentliche Urheberin des Reichstags­brandes sei, und jetzt nach der Ermordung des rumänischen Ministerpräsidenten durch Mitglieder einer rumänischen Faschistenorganisation versichern große ernsthafte Zeitun gen, die tödlichen Schüsse seien eigentlich deutsch   e Schüsse gewesen. Man erinnert in diesem Zusammenhang an das verunglückte Attentat auf den österreichischen Bundeskanzler Dollfu ß. Dieser selbst hat in einer Auf­sehen erregenden Neujahrsrede freundschaftliche Beziehun­gen zu allen Nachbarländern festgestellt ausgenom men Deutschland  , gegen das er die Anklage erhob, sich in die inneren Verhältnisse Desterreichs eingemischt und Terrorakte in noch nicht dagewesener Weise unterstützt zu haben.

-

Wie man sieht, steht das dritte Reich" in einem guten Ruj! Seine Untertanen dürfen aber nicht einmal fragen,