Deutsche Stimmen Beilage sur..Deutschen Freifieit" Ereignisse und Geschichten

Donnerstag, den 11. Januar 1934

nur ein kleiner Schönheitsfehler

Ein Ignorant und sein Kritikus

Aus Nummer 45 der ,, Medizinischen Welt" läßt sich einer Besprechung eines Werkes von Dr. Johannes Hädicke ,, Die physikalische Unhaltbarkeit der Relativitätstheorie Einsteins ", Verlag Otto Hillenmann, Leipzig , folgendes Er­götzliches entnehmen:

,, Die Schrift bespricht der Hauptsache nach in erfreulich klarer Darstellung ,, den Zweck, die Anordnung und die Er­gebnisse des Michelsonschen Versuches"... Verdienstlich bleibt dieser Versuch( d. h. die rezensierte Schrift) wie alle, die über ,, das Anerkannte und Vorhandene zu etwas neuem und besserem führen wollen, in jedem Falle".

Aber nun höre und staune:

,, Für eine künftige Neuauflage wären einige Schönheits­fehler auszumerzen, die der Absicht und dem Wert der Schrift jedoch keinen Eintrag tun. So wird Seite 39 die Ge­schwindigkeit der Elektrizität von ,, einem Fachmann" auf 450 000 Kilometer- Sekunden angegeben, mit Bezug auf eine Behauptung in Meyers Konversationslexikon ! Seite 72: Die Erkenntnis von Raum und Zeit ist nach Karat wenigstens ,, apriorisch". Seite 80: Das Gewicht eines Luftwürfels von 57 Meter Kantenlänge soll ungefähr 230 000 kg sein-? Seite 82: Die angezogene Atom­theorie stammt von Bohr. Nils ist sein Vorname, nicht ein Mitarbeiter. Seite 98: Die kürzesten Aetherwellen sind nicht die Röntgenstrahlen, sondern die Gammastrahlen des Radiums und noch kürzer ist die sogenannte durchdrin­

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gende Strahlung aus dem Weltenraum, ungefähr zehnmal so durchdringend wie die Gammastrahlen."

Aber nein:

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Wie gesagt, sollen diese kleinen Korrekturen den Wert dieses Versuches nicht herabsetzen, sondern nur für künftige Neuauflagen einen Verbesserungsvorschlag brin­

gen.

Also: Zwar ist dem Einsteintöter eine geradezu heroische Unwissenheit nachzuweisen, zwar ist ihm eine so grund­legende Größe, wie die Geschwindigkeit der Elektrizität un­bekannt Zwar kennt er auch nicht den Namen Nils Bohr, den Begründer der modernen Atomtheorie. Zwar fehlen ihm die primitivsten Kenntnisse über die Aetherstrahlen, viel­leicht, weil er es unterlassen hat, die entsprechenden Schlag­worte in Meyers Lexikon nachzuschlagen, aber dies alles um mit dem Renzensenten zu reden nur ,, Schön­heitsfehler", die den Wert des Versuches nicht herab­

sind

setzen."

Offen bleibt nur die Frage: welchen Rang in der SA. oder SS. mag wohl der Verfasser einnehmen, der solches tat, Ein­stein wissenschaftlich umzulegen, da ihm eine so huldvolle Rezension trotz alledem zuteil wurde. Sie gestattet sich lediglich, den blamablen Schnitzern eines Ignoranten einen ,, Verbesserungsvorschlag" zu unterbreiten.

Sigt nicht vielleicht irgendwo auf einem Lehrstuhl der Physik noch ein Jude, der die Wissenschaft ebenso jüdisch­marxistisch verseucht, wie jener berüchtigte Einstein? Run­ter mit ihm, habemus Hädicke! Promotionsschrift liert be­reits vor.

Pg. Gorsleben , der Fernzeuger

,, Das Jus primae noctis diente der Aufzucht der Bevölkerung"

Die Bücherproduktion im Reiche Hitlers zeigt wunderbare Blüten. Es kommen jetzt Auto­ren zu Wort, die überzeugt sind, daß, je größer der gedruckte Unsinn ist, desto mehr Abnehmer er finden wird. In einem Buch, das sich stolz ,, Hoch- Zeit der Menschheit" nennt, 700 (!) Seiten hat und von einem Pg. Rudolf John Gors­ leben verfaßt ist, wird folgende Weisheit verzapft: ,, Wir Deutschen," betont Gorsleben , stellen, trotz weitgehender Mischung nach unserer geistigen, seelischen und körperlichen Schichtung, ein arisches Volk dar, das, wie der Welt Dinge liegen, berufen ist, sein körperliches und geistiges Erbe gegen die ganze Welt und sogar gegen einen Teil seines eigenen Blutes zu verteidigen. Große Zeiten und Menschen erkann­ten, daß nicht alle Rassenmischungen harmlos sind. Rassen­mischungen mit tieferstehenden Rassen selbst mit fast gleichwertigen müssen einer höheren Rasse immer ver­derblich sein. Wie sich die Rassenmischung an einem einzel­nen Menschenpaar auswirkt, sei an dem Gesetz der Fernzeugung nachgewiesen.

Eine Frau wird wesentlich durch den Mann bestimmt, dem sie sich in jungfräulichem Zustande hingibt. Kinder aus zweiter Ehe sind im Wesen vom ersten Manne seelisch und körperlich bestimmt, beeindruckt, gestempelt, imprägniert

man nennt diese Tatsache Fernzeugung( Telegonie): die dauernde Beeinflussung aller späteren Geburten durch den ersten Mann, dem sich ein Weib jungfräulich hingab. Die Imprägnation des Weibes ist nicht etwa durch die moderne Wissenschaft entdeckt worden Auf der Kenntnis dieser Dinge beruht ja auch der uralte Brauch des Jus prima enoctis", das Recht auf die erste Nacht

Jgel und Banane

durch den Grundherrn oder Priester, das eine Art Aufzucht der Bevölkerung zu m Ziele hatte und nicht nur eine Ausschreitung, einen Mißbrauch der Macht darstellte.

Infolge dieser Maßnahme ist in vielen Gegenden der Menschenschlag durch die rassisch und geistig höherstehende Standesherrschaft veredelt worden. Im Mittelalter war es noch das Recht des Grundherrn, daß er, wenn ein Leib­eigener eine Ehe einging, mit dessen Braut die erste Nacht nach der Trauung verbrachte. Das Recht wurde auch von den geistlichen Standesherren in Anspruch ge nommen, wie noch viele Urkunden beweisen. Heute findet durch die Imprägnation eher eine Auslese nach unten als nach oben statt, denn der Tschaudale, der Untermensch, be­herrscht heute wirtschaftlich Stadt und Land und nützt die Gelegenheit, seine Macht zu gebrauchen, mit Roheit und Rücksichtslosigkeit aus."

Jede Zeile verrät, daß Pg. Gorsleben selbst ein Sprößling aus den Jus primae noctis ist. Leider vermissen wir in seinen an sich sehr geistreichen Ausführungen praktische Vorschläge, wie es möglich ist, unter den gegenwärtigen Hoheitsrechten dieses alte Prinzip der Bevölkerungsaufzucht wieder zur Geltung zu bringen. Dabei wäre die Reglung an sich sehr einfach. Man braucht das Jus primae noctis nur zu einem Gesetz des totalen Staates zu erheben und jedem national­sozialistischen Amtswalter vom Sturmbannführer aufwärts die entsprechenden Rechte und Pflichten zu verleihen, so­fern er in erotischer Hinsicht nicht anderweitig orientiert ist.

Dec vechitlerte Wilhelm Tell im Schweizer Ucteil

In den nächsten Wochen soll auch in der Schweiz der neue Wilhelm- Tell - Film laufen. Die Aufnahmen wurden letzten Sommer und Herbst gemacht von den Herren aus Berlin , die diesem Film zu Gevatter stehen. Gleichgeschaltete und unter einem Geßlerhut lebend, gegen den jener des österreichischen wie die sanfteste Idylle anmutet! Diese ge­schäftliche Nazischwefelbande verfilmte Freiheit und Frei­heitskampf. Mitten in diese Arbeit hinein haben sie bekannt­lich dem größten lebenden Geßler die Reverenz erwiesen und ihm untertänig und hündisch die Peitsche geküẞßt.

Da kann sich jeder vorstellen, was da herauskommen muß. Tells Knabe wird durch den Berliner Hitlerjungen Quex dargestellt, Tell selbst ist ein gleichgeschalteter Cäsa­rendiener, echt und unverfälscht kann nur der Geßler ge­raten sein. Sämtliche Rollenträger kommen aus dem großen Kanton und sind durch die Propagandaabteilung des Reichs­lügenministers Göbbels bestimmt worden. Die edle Gattin dieses teutschen Ariers Göbbels hat bekanntlich die Patro­nage über diesen Film übernommen. Die Regierungen der Urkantone gaben seltsamerweise die Bewilligung, unsere historischen Stätten für das Kostümfest der Nazis mißbrauchen zu lassen.( Nicht zu ver­gessen das Landesmuseum. das glaubte, durch einige seiner " Waffenhelden" wissenschaftliche Beihilfe leisten zu

für die Schweizerdeutsch und schweizerisches Empfinden so fremd sind wie dem Igel eine Banane.

Man muß ja staunen über das Toupet der Herren aus dem gleichgeschalteten Reiche, die es ausgerechnet als ihre be­sondere Berufung empfinden, den Freiheitskampf der Ur­schweizer gegen ihre Tyrannen darzustellen( oder besser in ein richtiges Nazistück umzuschwindeln). Aber noch größer muß das Befremden über schweizerische Behörden sein, die so naiv sein konnten, in einem solchen Unternehmen, dem Frau Göbbels nahegestanden hat, eine Reklame für unsere Fremdenindustrie zu wittern, die mit allen verfügbaren Mitteln unterstützt werden müsse. Wenn etwas eine Sünde gegen Sinn und Geist der Schweizergeschichte und ihre An­fänge ist, so sicher die Tatsache, daß dieses nationale Epos verkitscht wird durch eine Hitler - Filmge­sellschaft, daß die Helden der Schweizer­geschichte aus dem Reichederschlimmsten und ärgsten Barbarengeholt werden.

Der Hitlerjunge Quex aus Altdorf und sein Vater Wilhelm Marr aus Berlin ! Höher gehts nimmer. Das ist der Terra­Film der Schweizer Freiheit! ( ,, Luzerner Arbeiterblatt.")

müssen!) Die Schwyzer und Urner allerdings durften Staffage Die koloniale Die koloniale Fahne wird entcollt

spielen und, um die Berliner Nazis versammelt, die Hirtenhemden zeigen. Sie waren zu stummen Rollen verur­teilt, während die Berliner mit ihrem bessern Mundwerk den Wilhelm Tell , Stauffacher und Walter Fürst ( die bekanntlich sämtliche aus der märkischen Sandwüste stammten, vor­führten.

,, Mädel im Dienst" heißt ein ,, Handbuch für die einheit liche Ausbildung der gesamten weiblichen Jugend". Danach muß ein Mädel u. a. lernen: Jiu- Jitsu, Fechten, Ordnungs­übungen( Gruß, Kommando), Marschieren, Kartenlesen, Entfernungsschätzen, Geländekunde, Nachrichtendienst, Bogenschießen, Verwundetenpflege, Luft- und Gasschutz, Rassenpflege( Reihenuntersuchung). Für Knaben gibts den

Einige schweizerische Filmverleiher geben sich, wie ver­lautet, große Mühe, diesen Nazi Wilhelm- Tell besonders bei uns laufen zu lassen. Es darf diesen unbedenklichen Ge- ,, Spurkalender 1934",( ,, Kampf der Jugend um schäftemachern heute schon prophezeit werden, daß ihre Spekulationen fehl gehen werden. Denn jene Schweizer möchten wir zählen, die ihren Wilhelm Tell , an einer Ber­ liner Hitlersauce angerichtet, noch genießen könnten. Und gar die Gattin Tells, dargestellt durch eine Filmkünstlerin,

unsere Kolonien"). dem Ritter von Epp die Worte vorausschickt: ,, Die Stunde wird kommen, da wir die kolo. niale Fahne entrollen!" Hindenburg , Lettow- Vorbeck und Schnee haben Geleitworte gespendet. Eine Jungen. schaftsfahrt nach Südwest" wird angekündigt,

Ein SA.- Mann denkt nach

Von Georg Wilman

Zehn Jahre lang habe ich Hitler gewählt Und schenkte ihm blindes Vertrauen. Ich habe in keiner Versammlung gefehlt, Ich hab' zu den gläubigen Schafen gezählt, Um das neue Deutschland zu bauen.

Er versprach uns Arbeit und Freiheit und Brot. Er versprach uns auch höhere Löhne. Er sagte, er mache ein Ende der Not Und bringe den Ausbeutern Elend und Tod Und uns alles Edle und Schöne.

Ich glaubte an alles, was er uns versprach, M Ich glaubte an Deutschlands Erwachen. Ich wartete, daß er die Zinsknechtschaft brach. Ich kämpfte gegen die jüdische Schmach. Ich ließ den Revolver krachen.

Nach zehn Jahren Kampf war es endlich geschafft Hielt der Führer, was er uns versprochen? Ging er an die Arbeit mit ganzer Kraft? Statt der vielgelästerten Zinsknechtschaft Hat er seine Versprechen gebrochen.

Er brachte nicht Arbeit, nicht Brot und nicht Recht! Die Bonzen bekamen die Posten.

Wir gingen für ihn in jedes Gefecht. Und heute, da sind für ihn zu schlecht Und bezahlen trotzdem die Kosten.

Zehn Jahre versprach er uns Arbeit und Brot,

Und doch ist der Hunger geblieben!

Wir schlugen für ihn die Proleten tot. Und doch ist geblieben die gleiche Not Und wir müssen Kohldampf schieben.

Jetzt dürfen wir Arbeitsdienstpflicht markiern Für sieben Pfennig die Stunde! Wir wollten gegen die Herren marschiern. Jetzt sehn wir die Herrn mit dem Führer regiern Die Herrn und den Führer im Bunde!

Jetzt ist es genug! Jetzt weiß ich Bescheid! Der Führer er hat uns verraten! Wir schweigen nicht mehr! Es kommt unsre Zeit! Dann Kameraden, dann ist es soweit Schon gärt's bei den braunen Soldaten!

Jetzt weiß ich endlich, um was es geht! Jetzt Schluß mit dem falschen Vertrauen! Mein Platz ist an deiner Seite, Prolet! Die rote Fahne der Zukunft, sie weht! Wir werden die Zukunft uns bauen!

Zwei Heidelberger Professoren

Radbruch

Der Senat der litauischen Landesuniversität Kowno na den ehemaligen Heidelberger Strafrechtslehrer und Reichs­justizminister Professor Rad bruch nach Kowno berufen. Ihm soll der Lehrstuhl für memelländisches Strafrecht über­geben werden.

Gumbel

Wie wir erfahren, ist Professor Gumbel, vertriebener Heidelberger Dozent und Inhaber eines Lehrauftrags am In­stitut Henri Poincaré zu Paris , soeben an die Universität Lyon als Gastprofessor für Versicherungsmathematik be­rufen worden. Professor Gumbel wird dem Rufe Ende Ja­nuar Folge leisten.

Mit Radbruch und Gumbel hat die Heidelberger Univer­sität zwei ihrer hervorragendsten Gelehrten verloren. Rail­bruch gehörte zu den bedeutendsten deutschen Strafrechts­lehrern. Bis vor einigen Jahren rissen sich die deutschen ni­versitäten um ihn. Nach Ausbruch der ,, nationalen Revolu­tion" wurde er zuerst beurlaubt, dann entlassen. Den Vor­wand bot seine Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie, zu der er sich auf Grund einer tief sittlichen Gesinnungsentscheidung bekannte. Er war Reichsjustizminister im Kabinett Wirth im Jahre 1922: später gehörte er den beiden Kabinetten Strese­ mann an. Einstimmig wählten ihn 1930 dieselben Juristen in das Präsidium des Deutschen Juristentages, die heute für seine brüske Verabschiedung kaum ein bedauerndes Achsel­zucken übrig haben... Außer zahlreichen wichtigen juristi­schen Schriften verfaßte er ein Buch:..Sozialistische Kulturs lehre", in dem das Ethos eines menschheitsgläubigen Gelehr­ten überzeugenden Ausdruck fand.

Jetzt geht er nach Kowno Junge Litauer werden Gustav Radbruch zu Füßen sitzen. Und junge Franzosen in Lyon zu Füßen des hervorragenden Mathematikers Professor Gumbel, den die deutschen Nationalisten seit langem haßten ob les kämpferischen Mutes, mit dem er ihre Fememorde aufdeckte. Das geistige Deutschland kann kaum noch ärmer werden. Diese Autarkie ist bereits auf Leere und Armut begründet. Aber sie genügt für die Wehrsport- Wissenschaft.

Spender der Weltenschöne

Oder: Der Denker im Goldhelm

Im Verlag der Christengemeinschaft , Stuttgart , ist jüngst ein Buch erschienen ,, Christus bei den Germanen" von Dr. Friedrich Doldinger, dessen Einleitungskapitel sich ,, Geistesführerschaft" betitelt. Wir entnehmen diesem Kapi­tel folgende Sätze:

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Seinen

,, Dann heißt: Sich der Erkenntnis befleißigen Helm hämmern! Dann heißt: Heiligkeit und Weihe des Füh­lens erflehen Seine Brünne weben! Dann heißt: Segens­kraft erstreben im Wollen Seinen Speer bauen! Speer­erbauer im Geisteswollen! Rüstungsfreudige, Menschheit­schützende Sonnengetreue! Denker im Goldhelm, der Er­kenntnis des höchsten euch erkühnend! Waffenfreudige Ger­manen! Dann seid ihr berufen, Offenbarer des Weltenlichts, Spender der Velten - Schöne, Mehrer von Christi Aufer­atehungskraft zu werden!"