Todeskampf
im Wasserwerk
Cada Im ,, Oberelsässer Volksfreund" schildert ein bei der Katastrophe im Wasserkraftwerk am Schwarzen See Geretteter grauenvolle Stunden:
Ich war mit meinem Kollegen, dem Schweizer Fürling, allein ganz unten im„ Pumpenstod", dem tiefsten Raum der Zentrale, in etwa dreißig Meter Tiefe und zwölf Meter unter dem normalen Wasserstand des Sees, während unsere übrigen Arbeitskollegen sich zwei Stockwerke höher, im Maschinenraum befanden. Ich war gerade im Begriffe, mich vom Turbinenbetrieb zum Pumpenbetrieb zu begeben, als plöglich ein gewaltiges Getöse erfolgte und das Gebäude ergittern ließ. Jm selben Augenblick wurde der Regulterarm am Pumpenwerk abgeriffen und flog in Stüde . Sofort gab ich das vorgeschriebene Notsignal zum Anhalten der Maschinen. Dabei vernahm ich von oben her ein ohrenbetäubendes Geräusch: Das hereinstürzende Wasser. Mein Freund und ich erkannten sofort die große Gefahr. Wir stürzten die Treppe hinauf. Bald wurden wir vom Wasser in den Maschinenraum geschwemmt, wo unsere Arbeitskameraden gegen das rasende Element vergeblich ankämpften. Wir versuchten zum Ausgang zu gelangen. Doch vergeblich, da gerade aus dieser Richtung der Wasserstrom hereinbrach.
Mit Entsezen sahen wir den Wasserspiegel unaufhörlich fteigen.
Bald erstarb die letzte Hoffnung. Als wir in Brusthöhe im Wasser standen, ging das Licht aus. Völlige Dunkelheit umgab uns.
Bald stand uns das Waffer an der Kehle
und hilflos schwammen wir im Raum umher, getrieben vom hereinbrechenden Wasserstrom. Immer mehr nahten wir uns der Decke des Raumes, vor der uns graute, denn einmal hier angelangt, gab es keinen Ausweg mehr. Mit Entsetzen spürten wir diese plötzlich einige Zentimeter über unseren Köpfen und machten uns fertig für das schreckliche Ende. Das Wasser stieg bis zur Decke. Da sich zwischen den Trägern, die die Decke stüßen, Luft befand, die nun auf beiden Seiten durch das bis an die Träger heranreichende Wasser dicht abgeschlossen war, blieb diese enge Luftfam mer von einer Höhe von etwa 20 Zentimeter wasserfrei. Zwischen diesen beiden Trägern hielten wir unsere Köpfe
noch über Wasser. Einzelne meiner Kameraden waren in
diesem Augenblick bereits tot, da sie nach meiner Ansicht
gleich bei dem Hereinbrechen der Sturzwellen vom Schlage
getroffen wurden. Doch die Mehrzahl war in diesem schrecklichen Augenblick noch am Leben.
Einer nach dem andern sanken meine Freunde neben mir, erschöpft und vom kalten Wasser erstarrt, Ieblos in die Tiefe. Ueber uns hörten wir das unheimliche Geräusch der vom Weißen See hereinbrechenden Wassermassen. Dieses Geräusch wurde dann und wann vom Getöse der oben an uns zusammenbrechenden Teile der Zentrale unterbrochen., Wie furchtbar war das verzweifelte Schreien der Kameraden, die nach ihren Frauen und Kindern riefen. Andere verrichteten mit erstickender Stimme ein letztes Gebet.„ Hilfe! Kameraden, rettet mich! Ich gehe unter!" schrie ein Arbeiter dicht neben mir. Sein Geschrei ging in einem kurzen Wassergurgeln unter... Das Wasser hatte ein neues Opfer verschlungen.
Nach einem kräftigen Atemzug und einem zitternden „ Lebt wohl, Rameraden!",
das auf immer in meinen Ohren weiterflingt, tauchte Für ling, ein ausgezeichneter Schwimmer, unter und schwamm unter dem Wasser aufs Geratewohl nach der Rich tung, in welcher er den Ausgang wähnte. Tatsächlich hörten wir ihn auch bald uns zurufen: Hier her, Kameraden! Hier ist der Ausgang!" Doch keiner wagte sofort das große Wagnis, das Fürling gelungen war, nachzuahmen, und wir hatten noch immer Hoffnung, daß von außen her Rettung fommen könnte. In dieser schwachen Hoffnung schwammen wir noch während einer für uns unendlich langen Zeit zwischen den beiden uns schützenden Balfen umher unter dem infernalen Getöse von oben und den Verzweiflungsschreien der Sterbenden. Oft war auch ich der Verzweiflung nahe. Meine übermüdeten Glieder wollten nicht mehr. Moralisch und physisch war ich zusammengebro
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Die Beisetzung der Todesopfer von Ossegg
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Oben: Kameraden der ums Leben gekommenen Bergleute bei der Beiseßung. Unten: Die Särge der dreizehn geborgenen Opfer.
In Offegg wurden unter ungeheurer Beteiligung die geborgenen Leichen der bei der Explosionsfatastrophe ums Leben gekommenen Bergleute beigefeßt. Die Trauerfeier galt aber nicht nur den 18 Särgen, die auf den Friedhof kamen, sondern ebenso den 129 anderen Opfern, die tief unter Tag im Innern des Berges ihr Grab fanden.
Die Bergleute
fordern Verstaatlichung
In Prag hielten die Bergarbeiterorganisationen, und zwar sowohl die deutschen wie die tschechischen, eine Sigung ab, in der sie folgende Entschließung faßten:
Zur Beruhigung der durch die Katastrophe erbitterten Bergarbeiter Nordwestböhmens möge die Regierungsverordnung vom 13. Dezember 1933 über die Beschäf= tigung, Entlassung und Löhne der Arbeiter bis Ende 1934
verlängert werden. Bei der bevorstehenden Sanierung der Bergarbeiterversicherung mögen die rechtlichen und materiellen Ansprüche der Bergarbeiter, die schon bisher unzureichend gewesen seien, ungekürzt aufrechterhalten bleiben. Im Interesse eines ordentlichen Betriebes in den Bergwerfen möge an die Verstaatlichung der Bergwerke geschritten werden. Der Senatsbeschluß vom Juni 1932 über die Zwangsverwaltung der Bergwerke erfordere unter den gegebenen Umständen die sofortige Durchführung. Die wirtschaftlichen und nationalen Rechte der Angestellten seien dabei durchaus zu respektieren."
Finanzskandal und Politik
Rücksichtslose Aufklärung
,, Die ehrlichen Elemente haben es satt"
Paris , 11. Jan. Der Vollzugsausschuß der Radikalen Partei nahm gestern zur politischen Lage im Zusammenhang mit der Stavisty- Affäre Stellung. Nach einer Ansprache des
soll von Stavisky zwei Millionen Franken erhalten haben und der als Deutschenfresser bekannte Aymard 55000 Franken. Der Abgeordnete Bonnaure soll sich seine Wahl= fompagne und eine Schneiderrechnung in Höhe von 15 000 Franken durch Stavisky haben bezahlen lassen.
Parteivorsitzenden Herriot, der u. a. ausführte:„ Die ehr Freunde des Hochstaplers
lichen Elemente, aus denen unser Land besteht, haben es satt. immer wieder in den ersten Spalten der Blätter von Verbrechen, Diebstählen und Skandalen zu lesen", und nach einem Rechtfertigungsversuch des zurüdgetretenen Kolonial ministers Dalimier wurde eine Entschließung angenommen, in der die rücksichtslose Aufklärung des letzten Standals ohne Schonung auch noch so hochstehender Persönlichkeiten gefordert und angekündigt wird, daß die Partei von sich aus unerbittlich gegen alle Mitglieder vorgehen werde, die nicht mehr würdig seien, ihr anzugehören.
chen. Nur dank zäher Willenskraft konnte ich mich über Abgeordnete und Journalisten
Waffer halten. In Gedanken bei all denen, die mir so lieb sind, begann ich mit unmenschlichen Anstrengungen gegen das mörderische Element anzufämpfen. Infolge der Dun felheit war es mir absolut unmöglich, mich zu orientieren. Als Anhaltspunkt diente mir lediglich der Ruf eines Schickfalsgenossen, der uns mitteilte, daß er sich auf dem Kran der Maschinenhalle befinde. Da sich der Ausgang in entge= gengesetter Richtung befand, schwamm ich nach diesem Ziel. Infolge eines plöglichen leichten Rückganges des Wassers fonnte ich unter den ersten Querbalken, ohne stark zu tauchen, durchschwimmen. Bei den drei letzten Balken mußte ich unter Wasser schwimmen. Ein Glück für mich, daß ich in der Finsternis die Richtung nicht verloren habe. So erreichte ich den Ausgang der Zentrale.
Ich war noch nicht gerettet. Immer noch drohte mir die
Paris , 11. Jan. Der Untersuchungsrichter von Bayonne hat die Aufhebung der parlamentarischen Immunität des Abgeordneten Bonnaure von der Radikalen Partei beantragt. Außerdem hat er Vorführungsbefehle aegen den Direktor der„ Volonte ", Dubarry, und den früheren Direktor der„ Liberte" Camille Aymard erlassen. Dubarry
Paris, 11. Januar. Die Gegenüberstellung des verhafteten Direktors des Credit Municipal von Bayonne , Tissier, und des gleichfalls verhafteten Bürgermeisters der Stadt, Abgeordneten& arat, die vom Untersuchungsrichter vorgenommen wurde, hat keine Klärung gebracht. Tissier bleibt bei seiner Behauptung, nur auf Anweisung Garats gehandelt zu haben, der mit Stavisky unter einer Decke steckte. Beide hätten sich auch in den Gewinn aus den Finanzgeschäften, deren betrügerischen Charakter er nicht gefannt haben will, geteilt. Garat bestreitet die Aussage Titfiers, muß aber zugeben, mit Stavisfy eng befreundet gewesen zu sein. Die Bekanntschaft des Hochstaplers will er durch Vermittlung Hochstehender Persönlichkeiten gemacht haben. Er weigert sich jedoch, Namen zu nennen, und läßt fich schließlich auf Drängen der dem Verhör beiwohnenden Verteidiger zu der Aeußerung herbei, Stavisky habe sich urbi et orbi aerühmt, bei dem Pariser Polizeipräfeften einund ausgegangen zu sein; jedoch habe er beide niemals zu sammen gesehen.
Gnadengesuche als Geschäft
doppelte Gefahr, infolge meiner völligen Erschöpfung unter Der belgische Korruptionsskandal
zugehen oder durch die mit Wucht niederprasselnden Stein und Eisenmassen totgeschlagen zu werden, denn ständig mußte ich mich unter dem fürchterlichen Wasserstrahl, der von der Bruchstelle her kam, bewegen. Längs der Gangwände mich an Leitungs- und Kabelröhren festhaltend, konnte ich mich bis zur Türe durcharbeiten. Ich atmete auf! Doch die Türe war verschlossen! Mit Mühe gelang es mir endlich, ein Fenster zu erreichen.
Ein Sprung ins Freie, und ich war gerettet Rings um das Turbinenhaus nichts wie Basser. In der Dunkelheit stieß ich an einen Balken, der mir mehr oder weniger als Floß diente, und mit dem ich schwimmend das Ufer des Sees erreichte, wo ich völlig erschöpft anlangte. Im tiefen Schnee machte ich einige Schritte. Das Empfinden in meiner Brust, als ich wieder festen Boden unter mir hatte, fann ich nicht schildern. Kaum hatte ich mich am Ufer etwas vorwärts bewegt, als ich zwei Männer auf mich zukommen sah, nachdem ich zwei Stunden, die mir eine Ewigkeit waren, nur Sterbende und Tote gesehen hatte. Ich rief den beiden aus Peibeskräften entgegen und von diesem Augenblick an wukte ich nichts mehr. Als ich wieder erwachte, befand ich mich in einem auten warmen Bett, in einem Nebenraum der Kantine. Ich sah bekannte Gesichter, in denen Schrecken und Entsetzen zu lesen waren. Ich gab den Anwesenden Direktiven, wie eine Rettunasaftion im Maschinenhaus eventuell durchgeführt werden könnte. Leider blieben alle Bemühungen erfolglos.
Ein neuer Standal, dessen Charakter vielleicht noch ernster ist, als die Angelegenheit der Polizeibestechung, ist in der belgischen Beamtenschaft aufgedeckt worden. Diesmal ist das Justiz ministerium kompromittiert. Der Mann im Mittelpunkt dieses neuen Standals scheint ein katholischer Expriester namens Verreece zu sein, ein früherer Kaplan in der belgischen Armee, mit einer ziemlich dunklen Vergangenheit, der aus Frankreich in Verbindung mit dem Skandal der Frau Hanau ausgewiesen worden sein soll. Dieser Erpriester, der, obwohl er die Kirche vor Jahren verlassen hat, noch immer in halbgeistlicher Gewandung herumging, unterhielt einige sogenannte Beratungsbüros in ärmlichen Brüsseler Straßen. Seine Klienten waren ausschließlich strafrechtlich verurteilte Männer und Frauen oder Freunde und Verwandte im Gefängnis befindlicher Personen. Diesen bot Verreecke Ratschläge und Hilfe zur Erlangung der Begnadigung, der Strafumwandlung oder der bedingten Entlassung für verurteilte oder eingesperrte Missetäter. Die Hilfe scheint sehr wirksam und der verlangten Belohnung entsprechend gewesen zu sein. Das Beratungsbüro scheint nicht immer gewartet zu haben, bis sich die Kunden selbst vorstellten, sondern scheint seine Dienste den Familien verurteilter Personen oftmals angeboten zu haben.
Die Behörden erfuhren von der Sache im Gefolge feltjamer Vorfälle in der flämischen Stadt Souriret dis
einer der Hauptsächlichsten Schauplätze der Tätigkeit Verreedes war. Dort kam die Tatsache ans Licht, daß ein verurteilter Mann niemals freigelassen wurde, obwohl die zuständige Begnadigungskommission ihn einstimmig zur Begnadigung vorgeschlagen hatte. Eines Tages fam ein Ver treter von Verreeckes Beratungsbüro zu der Familie des betreffenden Sträflings und versprach, seine Befreiung gegegen Bezahlung einer Summe von 2000 Franfen zu erwirken. Um diefelbe Zeit wurde auch bekanni, daß ein andrer Sträfling, dessen Gnadengesuch von der Kommission einstim mig abgewiesen worden war, freigelassen wurde, und zwar wie es hieß, mit Hilfe Verreeckes.
Der Staatsanwalt hörte von diesen merkwürdigen Dingen und ließ eine Untersuchung anordnen, die die interef= sante Tatsache zutage förderte, das Verreecke und eine seiner Helferinnen oft im Büro eines Hilfsstaatsanwaltes sowie auch im Büro eines hohen Beamten des Justizministeriums gesehen worden waren, dessen Aufgabe es war, die Gnadengesuche, Strafumwandlungsgesuche und bedingte Entlas sungsgesuche zu behandeln. Beide Beamte wurden ebenso wie Verreece und einige seiner Helfer verhaftet. Einer der Beamten hat bereits gestanden, von Verreecke Ge= schente entgegengenommen zu haben.
Die Sache hat, da sie unmittelbar dem großen Polizeibestechungssfandal folgt, in der Oeffentlichkeit große Bestürzung erzegt