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Freiheit

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Nummer 102. Jahrgang

35091

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Samstag, den 13. Januar 1934 Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalte din Decversinkende Reichsbischof Seite 2

Kammerdebatte

und Straßenkämpfe

Seite 2

Naziführer- Emigrant spricht

Seite 3

Van der Lubbes Hinrichtung Seite 4

and sid idiol de

Reichsgericht rühmt die Sozialdemokratic

Hohes Lob für ihre heldenhafte illegale Arbeit

dub. Berlin , 11. Jan. Im Rahmen des Abwehr­fampfes gegen die ausländische Grenelpropaganda hat des Reichsgericht heute eine wichtige, grundsägliche Entscheidung gefällt. Aus Anlaß des Strafverfahrens gegen einen tiche- ho­flowakischen Händler aus Hof i. Bayern , der mehrere Exem plare der Miniaturausgabe der in Karlsbad erscheinenden üblen Hez- und Wochenschrift Der neue Vorwärts" ein­geschmuggelt und hier verteilt harie, wurde vom höchsten deutschen Gericht nun auch der neue, von politischen Flücht lingen im Ausland bestimmte dentischfeindliche Turs der SPD. als hochverräterisch erklärt. Außerdem wurde bei dem Angeflagten ein Verstoß gegen die die Aufrechterhaltung des Zusammenhanges unter den früheren Parteien verbietende Verordnung gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juli 1933 angenommen und auf eine Gefängnisstrafe voa zwei Jahren erkannt. Der Vorsitzende betonte in seiner Urteilsbegründung, daß sich nun auch die SPD. durch ibre im Ausland betriebene Greuelhezze in die Front der staats= feindlichen marristischen Parteien eingereiht habe mit dem eindeutigen Ziel des gewaltsamen Umsturzes der Hitler: Regierung. Nach der Machtübernahme durch die National­fozialisten habe der frühere legale Kurs der Partei eine völlige Aenderung erfahren und sei nun zur unverhüllten Zllegalität übergegangen. Die Parteileitung habe sich, wie fich aus ihren Kampffchriften ergebe, auf neue revolutionäre Methoden umgestellt und versuche nun, durch hochverräterische Umtriebe von jenseits der Reichsgrenzen, insbesondere durch Grenelpropaganda, das Ansehen des Deutschen Reiches und die Autorität seiner Regierung zu schädigen.

D. F. In diesem Urteil mischt sich Wahrheit mit niedrigster Verlogenheit.

Nie hat die Sozialdemokratie das Ansehen des Deutschen Reiches herabgewürdigt und nie wird es ein Sozialdemo­Erat tun. Die Tatsache, daß im Reiche und außerhalb seiner Grenzen immer wieder deutsche Sozialdemokraten zeigen, daß wichtige Volksteile sich voll Abschen von den Schand­taten diftatorisch herrschender Banden abwenden, ist ein Starker Gewinn für die in der ganzen Welt bedrohte Ehre Deutschlands .

Das Urteil bewegt sich in sonderbaren Widersprüchen. In cinem Satze erhebt es den Vorwurf, daß die Sozialdemo­fratie sur unverhüllten Illegalität" übergegangen sei,

gehorsamspflichtig. Daß die regierende Partei und ihre Krea­

turen in den deutschen Gerichten einstweilen die Gewalt Abwärts haben, auf Grund dieser verfassungswidrigen Gesetzgebung Strafen zu verhängen und durchzuführen, ändert an ber

Rechtswidrigkeit nichts.

Die Sozialdemokratie hält es für ihre deutsche Voltspflicht, die verfassungsbrüchigen Reichsgewalten zu stürzen, und zwar mit allen, aber auch allen zweckdienlichen Mitteln. Diese Reichsgewalten haben sich außerhalb der in der Repu­blit von Weimar gültigen Gesetze gestellt. Diese Reichs­gewalten haben alle ihnen, wenn auch nur geistig, widerstre­benden Volksgenossen geächtet. Eine solche Herrschaft doif nicht erwarten, daß ihre Gegner lebenslang die Fesser tra­gen wollen, die sie ihnen auferlegt hat.

Die vielen Sozialdemokraten, die im Reiche der harten und übermächtigen Gewaltregierung durch die Tat trogen, wagen und leisten viel. Wir, die wir ihnen nur die geistigen Waffen reichen können, nehmen uns nicht heraus, unsere Leistung mit der ihrigen zu vergleichen. Das Urteil von Leipzig aber wird die ganze illegale Sozialdemokratie sich als ein Ehrenzeugnis an die Fahnen ihres Kampfes hesten. Die Sozialdemokratie geht den Weg, der ihr durch die hechkapitalistische Gegenrevo­lution vorgeschrieben worden ist. Der Wee friedlicher Evo­Intion ist verbaut. Die Sozialdemokratie sammelt und schult und führt zur deutschen sozialistische nRevolution.

13 Das Rätsel der Lohnsteuer 197 19019911 Dr. N. N. Durch eine Anzahl deutscher Zeitungen tief in der letzten Zeit eine Veröffentlichung der Telegrafen­Union" unter obigem Titel, worin versucht wurde, die Tat­sache zu erklären, daß in Deutschland trotz der angeblich stark gesunkenen Arbeitslosenzahl die Lohnsteuer weniger einbringt. Aus drei Gründen wurde diese Erklärung ver­sucht: 1. Aenderungen der Lohnsteuer- Gesetzgebung, 2. soll das Lohnsteueraufkommen überhaupt kein Maßstab für das Lohneinkommen, und erst recht nicht für die Zahl der Beschäftigten sein, und 3. sei aus verschiedenen Gründen das Lohneinkommen des Volkes gegenüber dem Vorjahre weniger gestiegen als die Zahl der Beschäftigten.

"

Zum ersten Punkte wird in der Erklärung der , Telegrafen- Union" bemerkt, daß die gesetzlichen Aende­rungen der Lohnsteuer- Gesetzgebung im Jahre 1933 den Ertrag der Lohnsteuer verminderten. Jeder, der das deutsche Lohnsteuergesetz von früher und von diesem Jahre kennt, weiß, daß diese Behauptung der Telegrafen- Union falsch ist; es werden deshalb auch nur einige Zahlen an gegeben, ohne den Schatten eines Beweises zu liefern.

Das gilt noch mehr für den zweiten Punkt: soziale Ge­staltung der Lohnsteuer. Gerade auf diesem Gebiete haben die Aenderungen der Lohnsteuer- Gesetzgebung im Jahre

Zuchthauskittel als Ehrenkleid 1933 einschneidende Berschlechterungen gebracht. Die Be­

Die Schande deutscher Parteirichter

In der ganzen zivilisierten Welt wird geistiger polis In der ganzen zivilifierten Welt wird geistiger poli: tischer Kampf nicht mit ehrenrührigen Strafen belegt. Der deutschen Schandjustiz bleibt es vorbehalten, für die Berteilung von oppositionellen Flugschriften-- Zuchthaus und Ehrverlust zu verhängen. Freilich wird dadurch nicht den Verurteilten die Ehre genommen, Josondern der Regierung, die schändliche Verordnungen erläßt und den Richtern, die sich zu schändlichen Urteilen hergeben.

Vor dem Sondergericht in Frankenthal standen sechs Vor dem Sondergericht in Frankenthal standen sechs während es vorher schon seitgestellt hat, daß durch die Ver- Angeklagte, die sich wegen Verbreitung verbotener Druck: schriften zu verantworten hatten. Es handelt sich um den 36 Jahre alten Arbeiter Wilhelm Difenbacher aus Berg , den 45 Jahre alten Maurer Jafob Bretten meier aus Hagenbach , den 37 Jahre alten Arbeiter Alois Schneider aus Pforz, den 37 Jahre alten Arbeiter Otto Reisch aus Pforz, die 33 Jahre alte Ehefrau Karoline Offenbacher aus Berg und die 41 Jahre alte Ehefrau Anna Reisch aus Pforz.

ordnung vom 14. Juli 1933 alle Parteien verboten worden find, die Reichsregierung also selbst jeden Deutschen zur Ille­galität treibt, der aufrecht nach seiner politischen Ueber­zeugung handeln will.

Der Vorwurf des Hochverrats wirkt in solchem politischen Kampfe leicht. Außerhalb einer wirklichen Demokratie sind große, für die innere Entwicklung eines Volkes notwendige Ziele so gut wie nur durch Hochverrat zu erreichen, durch den Massensturm des Volkes gegen die herrschenden Cliquen, die durch Waffengewalt das Volk niederhalten.

Richtig gesehen ist nicht die Sozialdemokratie illegal, son­dern die jetzige Reichsregierung. Ihr ist der Weg gebahnt morden durch eine vom Reichspräsidenten geübte Auslegung der Reichsverfassung, die mit deren Inhalt und Geist nicht au vereinbaren ist. Das war Verfassungsbruch und Illegali­tät von oben. Der Reichskanzler Hitler hat vom ersten Tage feiner Amtstätigkeit trop seinem Eide die Reichsverfassung wie einen Feßen Papier behandelt. Er hat das Vertrauens­votum eines frei gewählten Parlaments, wie es Me noch

heute gültige Reichsverfassung vorschreibt, und auch nie das Vertrauensvotum eines freien Volksentscheids erlangt.

Die sehr knappe Mehrheit der sogenannten nationalen Barteien" bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 murde nur durch Verfassungsbruch erreicht. Nur dadurch, daß der Reichsfanzler entgegen seinem Verfassungseid die Opposition ihrer verfassungsmäßigen Rechte beraubte. Dadurch auch, daß der Reichspräsident die von ihm beschworene Reichsverfassung tagtäglich durch die Reichsregierung und durch die Länder regierungen verletzen ließ.

Eine Zweidrittelmehrheit für das verfassungsändernde Fr­mächtigungsgesetz tam in diesem verfassungswidrig gewählten Reichstage nur durch einen neuen Verfassungsbruch zustande. Der Reichspräsident und die Reichsregierung beraubten nic tommunistischen Volksvertreter ihrer Mandate, obwohl für diesen Gewaltakt, der in der deutschen Geschichte ohne Bei­spiel ist, feinerlei Begründung aus der Reichsverfassung ge­nommen werden kann. Nur durch dieses Staatsverbrechen war die Annahme des Ermächtigungsgesetzes im Reichstage möglich. Dieses Gefeß und alle Berordnungen auf Grund dieses Gesetzes find Brfassungsbruch. Rein staatsrechtlich be trachtet, ift fein Deutscher dieser eidbrüchigen Gesezgebung

Das Sondergericht verurteilte Schneider zu zwei Jahren sechs Monaten Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust, Reisch zu zwei Jahren Ehrverlust, Zuchthaus und drei Jahren Offenbacher, unter Einrechnung einer vom Amtsgericht Kandel gegen ihn ausgesprochenen Gefängnisstrafe von einem Monat, zu einem Jahr, sechs Monaten, 14 Tagen Zuchthaus und zwei Jahren Ebr verlust, Brettenmeier zu einem Jahr Zuchthaus und zwei Jahren Ehrverlust. Die beiden Ehefrauen erhielten je sechs Monate Gefängnis.

freiungssäge haben schon immer bestan­den; darüber hinaus konnten früher die Lohnsteuer­pflichtigen durch Antrag bei den Finanzämtern eine Er­höhung durch Werbekosten, Kulturaufwand usw. erzielen, so daß früher Steuerfreifäße von 150, 180 Mk. und noch mehr sehr wohl möglich waren. Dieses ist durch die Aende­rungen der Lohnsteuer- Gesetzgebung heute unmöglich ge­macht. So sollen Gewerkschaftsbeiträge usw. jegt nicht mehr abgezogen werden. Die Basis für die Erfassung der Lohnsteuer ist also nach unten erweitert worden, und sehr viele Arbeiter und Angestellte, die früher keine oder nur wenig Lohnsteuer zahlten, werden heute viel höher be­steuert. Das beweisen die Lohnrechnungen von früher und heute. Ganz verschämt heißt es ja auch in der Erklärung der T.-U., daß das Lohnsteueraufkommen sehr empfindlich gegen die Kürzung der höheren Gehälter fei, wie sie die neue Zeit vielfach mit sich gebracht hat. Damit rührt man an dem wunden Punkt: man hat eine Anzahl schlecht be­zahlter Arbeitskräfte in die Betriebe gebracht und dafür den Besserbezahlten das Einkommen gekürzt. Der durch die Arbeitsbeschaffungspläne und die Einstellung von Ar­beitskräften gewünschte Erfolg wurde also nicht erzielt; weder wurde weitere Arbeit geschaffen und selbstver­ständlich auch kein weiteres Einkommen. Das Volks einkommen sank weiter und damit auch das Lohnsteuer­aufkommen.

Auch im dritten Punkt ist die Darstellung der T.-U. nur teilweise richtig. Wenn es darin heißt, daß eine Konjunk­turbesserung nicht vorzeitig durch Lohn- und Preissteige­

Die Angeklagten sind frühere SPD .- Anhänger, die feit September 1933 im Auftrage des früheren SPD .- Stadt­rates Weit in Karlsruhe nach einem wohldurchdachten Plan mehrere Pakete marxistischer Druckschriften, z. B. Neuer Borwärts"," Sozialistische Attion" usw., über die Grenze bei Lauterburg aus dem Elsaß hergebracht und an den Weit abgeliefert hatten, der sie in Tausenden von Exemplaren nach ganz Deutschland weiterverbreitete. Die Hereinbringung der Druckschriften aus Frankreich über die elsässische Grenze ging in der Weise vor sich. daß der Au­geklagte Offenbacher die Druckschriften in Lauterburg in der Wirtschaft zum Schwan abholte und in seine Wohnung nach Berg brachte. Dort wurden sie von Brettenmeler ab­geholt und nach Hagenbach gebracht, von wo sie wieder Schneider und Reisch nach Piorz holten und von dort aus wurden sie durch Mittelsmänner des Weit nach Karlsruhe gebracht. Weif wurde ebenfalls verhaftet und sieht seiner Aburteilung entgegen. Es war also eine förmliche Sette ge­bildet von Frankreich bis Karlsruhe , von wo aus dann das übrige Deutschland mit dieser marristischen Heßliteratursteuer- Gesetzgebung gleitet die Darstellung der T.-U. ele­

überschwemmt wurde.

rung aufgefressen, sondern weitergetrieben werden soll, so ist dazu zu bemerken, daß die Preise für die lebensnotwendigsten Produkte im Jahre 1933 ganz erheblich gestiegen, die Löhne aber ebenso enorm gefallen find. Alle über den Tariflöhnen liegenden Einkommen sind fast restlos auf die reinen Tariflöhne zurückgeschraubt, ganze Rate gorien von Arbeitern, die früher durch Leistungs- oder Akkordzulagen und dergl. besseres Einkommen hatten, werden heute mit dem nackten Tariflohn abgespeist. Man sehe sich z. B. die Verhältnisse in den grafischen Betrieben an! Maschinenseger, Rotationsdrucker, Akzidenzjezer und sonstige besonders qualifizierte Berufsangehörige, die früher 70, 80 Mark und mehr Durchschnittswochenlohn hatten, gehen heute im besten Falle mit 50 bis 60 Mark nach Hause. So ist es auch in allen anderen Berufen und Gewerben, und auf diese Art und Weise wurden die Löhne und Gehälter seit dem Frühjahr 1933 stabil" gemacht! Ueber eine ganz einschneidende Aenderung der Lohn­gant hinweg: die Aufhebung der Rückerstattung zuviel gezahlter Lohnsteuer. Früher war es jedem Lohnsteuer­pflichtigen möglich, am Ende des Jahres eine Aufstellung feines Gesamtjahreseinkommens zu machen und die Rück­zahlung der von ihm zuviel gezahlten Lohnsteuer zu ver­lind 250 ml slangen. Es konnte also die Zeit der Arbeitslosigkeit oder

In der Urteilsbegründung betonte der Vorsitzende, Land­erichtsdirektor Göpfer, daß das Vorgehen der Angeffagten nahe an Hochverrat grenze und daß deshalb schwere Strafen gegen die Angeklagten ausgesprochen werden mußter