Seutsche Stimmen Beilage zur Deutschen Freificit" Ereignisse und Geschichten

Mittwoch, den 17. Januar 1934

107 Medialog gi qizni qo

Wo steht Thomas Mann ?

,, Jch, Deutscher , der sein Vaterland verloren hat"...

Es hat vor einigen Wochen nicht wenig Befremden erregt, daß Thomas Mann seine Bereitwilligkeit, an einer antifaschi­stischen Zeitschrift mitzuwirken zurückzog. Mochte nun die Begründung für dieses Verhalten dem ehrlichen, empörten Gegner des ,, dritten Reiches" unverständlich und nicht stich­haltig erscheinen: für Thomas Mann jedenfalls streifte sie in höchstem Maße sein künstlerisches Schaffen überhaupt. Denn trotz der kaum faßbaren Ueberwucherung des Un­geistes in Deutschland ist die große Gemeinde jener Deut­ schen , die in Thomas Mann einen festen Halt, einen geistigen Führer finden, nicht untergegangen und verschwunden. Im Gegenteil: Gerade in dieser Zeit des geistigen Chaos und der geistigen Primitivität klammern sich viele, die in dem Ge­danken an den Sozialismus noch nicht den Ausweg, die Stütze, erkennen können, an das Werk Thomas Manns . Wenn Thomas Mann nun jede polemische Wirkung gegen das ,, dritte Reich" hinter seine Verpflichtung stellt, sich und sein Werk, besonders sein jüngstes Werk, seinen heißhungrigen An­hängern in Hitler- Deutschland zu erhalten, so muß man das verstehen, auch wenn man es nicht unbedingt einzusehen ver­mag. Daß Thomas Mann trotz dieser Einstellung aber keines­wegs die geringsten Sympathien für die neue Entwicklung in Deutschland empfindet, ja, daß sie ihm in höchstem Grade widerwärtig und abstoßend sein müssen, geht schon aus der Tatsache hervor, daß er gleich nach dem Umschwung Deutsch­ land verlassen und aus seiner Abneigung auch sonst keinerlei Hehl gemacht hat.

Umso erfreulicher ist es, wenn Thomas Mann , allen seinen gewichtigen Gründen entgegen und mitten im eigenen, inten­siven Schaffen, sich bei gegebener Gelegenheit nicht scheut, seine Meinung zu aktuellen Fragen zu äußern und damit auch die befriedigt, die in letzter Zeit so unzufrieden mit ihm

waren.

,, Ich will mich also nicht lange bitten lassen", fährt Thomas Mann fort ,,, und sage Ihnen gerade heraus, daß ich für Ihr Land die größte Sympathie und Bewunderung empfinde, und zwar nicht erst seit gestern, sondern von jeher. Ich bin der Gast Frankreichs , das mir im Laufe der letzten schwierigen Monate ein Asyl geboten hat. Ich, Deutscher , der sein Vater. land verloren hat, habe seit meinem Eintritt auf das fran­ zösische Gebiet nicht ein einziges Mal irgendein Papier vor­weisen müssen, und da spricht man von der französischen Bürokratie! Ich kann mich persönlich wirklich nicht beklagen. Man kennt mich als Schriftsteller, und das hat genügt, mir die Grenze zu öffnen. Das zeigt, daß die Literatur, die Kunst der Empfindung und der Wortprägung, in diesem Lande etwas bedeutet. Die Kunst des Schriftstellers genießt in Frankreich eine ähnliche Sympathie wie die des Musikers in Deutschland . Goethe hat einmal gesagt: ,, Ich verdanke Frankreich einen großen Teil meiner Bildung. Wie könnte ich es hassen?" Mir persönlich ist es unmöglich, aus meiner literarischen Bildung Balzac , Flaubert , die Goncourts und Maupassant wegzustreichen. Nietzsche war es, der mich auf Stendhal hinleitete und auf Pascat, den Meister der Reli­gionsphilosophie und auf Ihre Moralisten des 18. Jahr­hunderts. Ich fand in Montaigne den herrlichsten der euro­ päischen Essayisten. Und das epische Phänomen, das sich Marcel Proust nennt, setzte mich immer wieder durch sein Riesenwerk in Erstaunen, das auf unendlich vielem Kleinen mit außergewöhnlicher Zartheit aufgebaut ist. Inmitten des Zusammensturzes einer Welt, gibt die französische gesunde Geistesart Trost und Erquickung.

Sie scheint mir ein wirklicher Schut gegen die Gefahren zu sein, die in unserer Zeit Seele und Geist der Völker bedrohen. Die politische

Freiheit, die ich meine

Greuellügner wagten das Geschrei, Daß in Deutschland keine Freiheit sei; Dabei gibt es auf der ganzen Welt Nicht ein Land, das so auf Freiheit hält. Frei ist jede Red' in Stadt und Land, Die sich froh zu Hitler hat bekannt, Frei ist unsre Presse und ihr Rat, Die gehorsam schreibet nach Diktat. Frei ist alles, was der Pfarrer lehrt, Der sich fromm zum dritten Reich" bekehrt, Frei vom Ehejoch ist jederzeit,

Der im Wahn ein Judenweib gefreit, Und der Kommunist und Pazifist, Selbst der Jude und noch andrer Mist,

Ist, wann, wo und wie es immer sei, Wie der Vogel in der Luft, so frei! Frei ist jeder, Strafe trifft ihn nicht, Der ein Kommunistenschwein absticht, Frei im Lager der Konzentration Steht es jeglichem Marxistensohn, Sei's an Pfosten oder an Gestängen, Ganz nach eig'ner Wahl sich aufzuhängen. Wie einst Hitlerahnen, unentwegt, Jenes weltberühmte Wort geprägt: ,, Unser König bleibe absolut, Wenn er willig unsern Willen tut", Also frei sind Mann und Frau und Kind, So sie völlig gleichgeschaltet sind.

Eine solche Gelegenheit bot ihm kürzlich die große Reife, die auf einer langen Erfahrung beruht, und Frankreich Hakenkreuz und Windel

französische Zeitung Intransige ant", die namhafte deutsche Schriftsteller, von denen sich viele im Süden Frank­ reichs aufhalten, fragte, wie sie über Frankreich denken. Thomas Mann antwortete, daß ihm sein natürliches Gefühl der Dankbarkeit Frankreich gegenüber verpflichte, auf die Frage zu antworten.

Ich"

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eigen ist, schützt es gegen die schreckliche Infektion des Fanatismus, die anderen Völkern droht. In der jetzigen Zeit wird Frankreich Zuflucht und Hilfe für alle bedeuten, die Mäßigung und den gesunden Menschenverstand lieben und für alle, die Barbarei, Unwissenheit und Grausamkeit ver­dammen."

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Mich"

Er cäuspert sich und spricht wie Ex- Wilhelm

Der ,, Führer" schreibt

An den Geschäftsführer des Eher- Verlages:

,, Mein lieber Amann!

Der Sieg der nationalsozialistischen Idee war entscheidend abhängig von der Möglichkeit, das Gedankengut unserer Bewegung durch ein zentral geleitetes Schrifttum einer großen Zahl von Parteigenossen zu vermitteln. Sie, mein lieber Parteigenosse Amann, haben sich als einer der ersten meiner ehemaligen Kriegskameraden mir zur Verfügung gestellt. Der organisatorische Aufbau der Be­wegung im Jahre 1923 war Ihr Verdienst. Der Aufbau un­seres gewaltigen Zentralverlages aber ist ausschließlich Ihr Werk. Sie haben mir damit die Voraussetzung geschaffen, für die Durchführung einer Schriftpropaganda, die eine aus­schlaggebende Bedeutung erhielt, nicht nur in der Zeit unseres Angriffs in der Bewegung, sondern heute nach dem errungenen Sieg. Am Abschluß des Jahres der national­sozialistischen Revolution freut es mich daher, Ihnen, mein lieber Parteigenosse Amann, aus ganzem Herzen für die wahrhaft großen Verdienste zu danken, die Sie sich um die nationalsozialistische Bewegung und damit um das deutsche Volk erworben haben. In herzlicher Freundschaft und dank­barer Würdigung Ihr Adolf Hitler ." Tolsoltan edell Wir hören, daß dieser Brief eines Firmenchefs an seinen Verlagsleiter in das goldene Musterbuch kaufmännischer Korrespondenz aufgenommen werden soll.

Raumkünstler ist er auch schon Dilettant in allen Gassen

In der Deutschen Metallarbeiter- Zeitung" wird, von oben bis unten in Fettdruck, das br a une Haus in München beschrieben; der ,, Führer" hat einiges an dieser Kitschsamm­lung selbst ,, entworfen". Der beschreibende Lyriker sagt das so: ,, Durch eine große schwere Tür treten wir in den Sena­torensaal. Es ist Adolf Hitlers ureigenster Entwurf. Hier sollen einst alle die großen Entschlüsse gefaßt werden, die mit über Deutschlands Schicksal entscheiden. Wir fühlen die Verbindung einer großen Linie mit voller Wärme des Mate­rials und der Farbe. In Zinnoberrot ist dieser Raum ge­halten. Der Gedanke wird in einem wach: Alle die besten Mit­kämpfer für die Sache des deutschen Volkes sollen Platz fin­den bei ihrem Führer, im Herzen ihres Führers. Der größte deutsche Politiker ist zugleich als schaffender Künstler ein

vollendeter Könner, der in seinem Werk sein Innerstes wie

dergibt. Hier gibt es nicht den sonst üblichen großen Sitzungs­tisch, und wir glauben, daß des Führers Absicht diese ge­wesen ist: Hier soll nicht mehr geschrieben und gedeutelt werden, hier sind die Leitsätze des Handelns in jeden Kopf, in jedes Herz gehämmert! Aus der Bürokratie der Vergan. in jedes Herz gehämmert! Aus der Bürokratie der Vergan. genheit ist die Tat der Gegenwart geworden. Die ist der tiefinnerste Eindruck lebendigen Erlebens in diesem Raum, der die Kraft und Geschlossenheit des Führers atmet." Wer das Bild des Raums betrachtet, dem fällt auf: der Künstler" hat besonders breite Stühle entworfen. Er hat auf ,, Senatoren " mit breitesten Sitzflächen gerechnet.

Das große Heldentheater

Das Recht auf arischen Ueberschwang

In den ,, Nationalsozialistischen Monatsheften veröffentlicht eine Schauspielerin des Staatstheaters in München , Hedda

und die ganze Partei betreibt vor den notdürftigen sozialen Kulissen Heroenkult. Germanische Leidenschaft aber be­

Animus,

Wirklich: Windel, nicht etwa Wimpel! Es lebt da nämlich in Dresden der Asienforscher Stößner, der sich wahr scheinlich in der Nordmandschurei besser auskennt als in politischen Regionen. Seine Verdienste um die Erforschung gewisser heute noch auf der Kulturstufe der Steinzeitmen schen lebenden nordmongolischen Stämme soll nicht geschmä­lert werden. Aber Stötner scheint ähnliche primitive Kul turbegriffe für Deutschland zu wünschen. Jedenfalls hat er sich aus seinem ethographischen Fach in die Politik verirrt, und ähnlich wie der Tibetforscher und Kaiser- Wilhelm­Schwärmer Sven Hedin hat sich auch Stötzner für Hitlers Nationalsozialismus begeistert. Und dieser Begeisterung hat er letzthin in einem im Dresdner Rathause vor geladenem Publikum gehaltenen Vortrag Ausdruck gegeben. Dresdner Zeitungen haben darüber ausführlich berichtet und mit be­sonderer Genugtuung vermerkt, daß Stögner bei dieser Ge legenheit für eine aus militaristischen Gründen ersehnte Geburtenvermehrung Propaganda gemacht hat. Dieses Ver­langen hat Stötzner auf die schöne und unbestreitbar an schauliche Formel gebracht, daß künftig in Deutschland neben jeder Hakenkreuzfahne eine Windel wehen müsse!

Das kann wundervoll aussehen. Man kann es sich auch umgekehrt denken: neben jede Windel eine Hakenkreuz fahne. Dann werden in Deutschland die Flaggenparaden überhaupt kein Ende nehmen, wenn jede Mutter ihre Win delwäsche dermaßen beflaggt. Und sinnfälliger als durch das Hissen von Hakenkreuzfahnen zusammen mit Kinderwindeln kann man überhaupt nicht ausdrücken, wie es um das deutsche Volk im dritten Reich" bestellt ist- nämlich: beschissen!

Spotten ihrer selbst

Schwere Lücken"

Die gleiche Sammelarbeit sollte der Auffüllung unserer Volksbücherei gelten, besonders solchen, denen durch die Säuberung von zersetzenden Schriften schwere Lücken geschlagen sind.

Nazibibliothekar Joachim Kirchner auf der 29. Versammlung des Vereins Deutscher Bibliothekare in Darm stadt.

Versüßt die Pille

Es liegt Veranlassung vor, darauf hinzuweisen, daß auf keinen Fall bei der Verpflegung im freiwilligen Arbeits dienst Sacharin zu verwenden ist. Zum Süßen von Speisen und Getränken ist ausschließlich deutscher Zucker zu verwenden. Arbeitsdienstbefehl.

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,, Ehrung der Arbeit"

Zu II. Wandbild: Es wird auf Grund zahlloser Anfragen

Lambach , einen Aufsatz über artgemäße und artfremde tätigt sich im Konzentrationslager mit arischem Ueberschwang notwendig, zu betonen, daß der Gedanke Ehrung und

Kunstauffassung an der deutschen Bühne, in dem es heißt: ,, Die deutsche Bühne im Dritten Reich muß wieder den

und Ueberschwung...

Mut finden zu dem heldischen Klang hinreißender Leiden. Antreten:

schaft der Seele... Es ist höchste Zeit, daß man auch dort, wo wahrhaft germanische Leidenschaft am vollsten zum Ausdruck kommt, nämlich in der heldi. schen Hingabe, dem Darsteller wieder Ueberschwang zugesteht. Denn wenn auch nordischer Geist und Ueber­schwang so hoch zu fliegen vermag, daß ihm die Erde auf seinem eigenen Weg für immer entschwinden kann, so lange er auf der Erde ist, bleibt er unbeirrbar in seinem Sinn für unverfälschte Wirklichkeit, nüchtern und sach­lich, freilich nicht mit der Sachlichkeit dessen, der nie überfliegen kann. Daher ist auch keine Gefahr, daß neue Wege in der deutschen Bühnenkunst, trots aller Bejahung des Rechtes auf arischen Ueberschwang, sich in deklama­torischen Sackgassen verrennen werden."

In der Tat, es ist höchste Zeit, daß man auch der deutschen Bühne wieder etwas heldisches Nibelungenpathos zugesteht. Denn die Konkurrenz, das große Nazitheater, ist von Kopf bis Fuß auf Heldentum eingestellt Hitler tritt als Front­beld auf der ein Dager*.anzo gommen hat,

Theater!

Zur Unterstützung des Theaters in seinen Bestrebungen auf dem Wege zum Volkstheater, hat der Gauleiter und Reichsstatthalter Karl Röver für Oldenburg den Ent­schluß gefaßt, den Theaterbesuch durch besondere Maß­nahmen im ganzen Lande zu fördern. Die ersten Vorberei­tungen für diese Maßnahmen sind in einer Besprechung der Kreisleitung der NSDAP der Landeshauptstadt selbst durch­beraten worden. An der Sigung nahmen der Kreisleiter Pape, der Gaupropagandaleiter Schulze, der Intendant des Landestheaters Dr. Roennecke und Vertreter sämtlicher Un­tergliederungen der NSDAP teil. Als Ergebnisse wurden be­schlossen, für alle diejenigen Volksgenossen, die Mitglieder der NSDAP., SA. und der Arbeitsfront sind, besondere Ver. anstaltungen einzulegen. Die Eintrittspreise werden so ge­staltet, daß jedem Volksgenossen, gleich welchen Standes, die Möglichkeit gegeben wird, zumindest einmal im Monat eine Vorstellung des Landestheaters zu besuchen. Für arbeits­lose Volksgenossen wird eine besondere Reglung getroffen

Reichsstatthalter Karl Röver für Oldenburg den Ent

Arbeit" nicht eng gefaßt und nicht immer unmittelbar im Motiv begriffen zu werden braucht. Entscheidend ist allein die künstlerische Qualität. Aus dem großen Wett bewerb der deutschen Arbeitsfront.

Zeit- Notizen

Fünfunddreißigmal

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Schemm

Bei Georg Westermann (!) erschien: Hans Schemm , Bild Mappe mit 35 lebenswahren Fotos auf Kunstdruckpapier. Dem Führer des NS. - Lehrbundes von Deutschland , dem Gau leiter der Bayrischen Ostmark, dem Staatsminister für Unter richt und Kultur in Bayern , gewidmet von Karl Seibold." Alles für den künftigen Psychiater. Führergrundsatz wird verankert

Der Börsenverein Deutscher Buchhändler hält am 28. Jan. eine außerordentliche Hauptversammlung ab. Der Haupt punkt der Tagesordnung lautet: Verankerung des Führer grundesges." Auch dieses Mittel hilft nichts gegen Konkurso