Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Freifieit" Ereignisse und Geschichten

bnsteins R

Donnerstag, den 18. Januar 1934

,, Jag des verbrannten deutschen Buches"

Dec 10. Mai

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Das internationale Acchio empfängt

In Paris   hat sich unter dem ,, Internationalen Hilfskomitee für die Opfer des Hitlerfaschismus", dessen Präsident Lord Marley ist, das ,, Internationale Antifaschistische Archiv" konstituiert, dessen Ziel es ist, eine vollkommene und ge­ordnete Uebersicht über aller Erscheinungen des deutschen und des internationalen Faschismus zu geben. Darüber hin­aus ist geplant, am Tag des verbrannten deut schen Buches", dem 10. Mai, dem Tage, an dem auf den Scheiterhaufen der Barbarei im vorigen Jahre in Deutschland   die Hauptwerke der Literatur, Philosophie, Soziologie und Politik verbrannt wurden, eine große Biblio­thek in Paris   einzuweihen, die alle jene verbrannten, ver­botenen, zensurierten Werke erneut sammeln will und die darüber hinaus alle die für das Studium des internationalen und insbesondere des deutschen Faschismus notwendigen Hauptwerke umfassen wird. Die Kampagne, die für diesen ,, Tag des verbrannten deutschen Buches" jetzt eingeleitet wird, soll mit brutaler Deutlichkeit aufzeigen, daß unter dem Regime des Faschismus die Güter der Kultur und Zivi­lisation verloren sind und verloren sein müssen, daß, wie gerade das deutsche   Beispiel erschreckend zeigt, der Fa­schismus die Barbarei bedeutet und daß wir also den Faschis­mus in allen seinen Formen bekämpfen müssen, wenn wir die Güter der Kultur umgewertet zu bewahren wünschen. Diese weitreichenden Absichten des Archivs wurden zum ersten Male vor einem engeren und besonders interessierten Kreise von deutschen, französischen und englischen Schrift­stellern, Wissenschaftlern. Politikern entwickelt, die zu einem Empfang gekommen waren, den Herr Renaud de Jouvenel   in seiner Wohnung für das Archiv gab. Unter den Anwesenden befanden sich die deutschen   Schriftsteller Dr. Lion Feuchtwanger, Dr. Bruno Frank, Theodor Plivier  , Rudolf Leonhard  , von den französischen  Freunden Prof. Levy- Brühl, Herr Sautreau, der Rechtsanwalt und Abgeordnete Gaston Bergery  , Herr Lefas und zahlreiche andere Schriftsteller, Industrielle, Gelehrte; von den englischen Freunden Herr Hamilton und Frau Sheridan, ferner Gräfin Karoly usw. Zahl­reiche Gelehrte, Politiker, Schriftsteller aus England und Frankreich   hatten schriftlich ihre Zustimmung und ihre Er­folgswünsche gesandt.

Der Leiter des Archivs, Dr. A. Kantorowicz, gab eine kurze Uebersicht über die bisher vorliegenden, sehr umfangreichen und zum Teil sehr wertvollen Materialsamm­lungen des Archivs und entwickelte die Pläne für den Aus­

bau und Aufbau des Archivs und der Bibliothek, die zu Zentren des aktiven kulturpolitischen Kampfes gegen die faschistische Barbarei werden sollen. Dr. Bruno Frank  ,

Rudolf Leonhard  ( als Vorsitzender des Schutzverbandes

deutscher Schriftsteller), Herr de Jouvenel u. A. ver­sicherten in kurzen Ansprachen ihre Sympathie und Hilfs­bereitschaft für den notwendigen Kampf.

Alle Anwesenden trugen sich in das Buch der Paten­schaften ein, das im Laufe der weiteren Kampagne seinen Weg um die Welt machen wird und in das die Namen aller großen, freien und fortgeschrittenen Geister der Welt, die sich diesem Kampf zur Verfügung stellen wollen, einge­tragen werden.

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Die ,, Säuberung" fängt erst an... Der Führer der deutschen Bibliothekare verkündet sein Programm

In einem Vortrag über die Reorganisation der deutschen  Hochschulbibliotheken in der 29. Versammlung des Ver­

eins deutscher   Bibliothekare in Darmstadt   führte Joa. chim Kirchner unter anderem folgendes aus:

,, Die Universitäten waren leider bisher von einem zu­nehmend rationalistischen Geiste durchdrungen, von falsch­

verstandenen wissenschaftlichen Voraussetzungen des Wis­senschafts- und Lehrbetriebes geleitet und so dem eigent­lichen Leben des Volkes mehr und mehr entfremdet... Die wissenschaftlichen Bibliotheken haben unter der Zucht­rute des Uebermaßes an Gedrucktem zu leiden. Sie müssen den Gößendienst des liberalistisch  - rationalistischen Zeit­alters, das sich dem Buchstaben mehr als dem Geiste ver­pflichtet fühlt, mitmachen...

Wer die philologischen Wissenschaften und ihren Betrieb an den Hochschulen näher ansieht, muß mit Schrecken wahr­nehmen, das Volksfremde zunehmend am Werke waren, in der Jugend den Sinn für die großen historischen Fakten der deutschen   Geschichte zu verfälschen. Unter dem Deckmantel soziologischer Forschung wurden die Großtaten unserer deutschen   Geschichtshelden verkleinert und ver zerrt... Problemstellung, Methodik und Ziel sind nicht international wie man uns vorzuschwätzen suchte gleichgeschaltet, sondern wurzeln im geistigen Urboden der Heimat...

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Es ist als Sofortprogramm zu verlangen, das alle un­nötigen Bücher(? d. Red.) und ferner solche Bücher, die die deutsche Kultur nicht fördern, sondern lediglich kompi­latorischer Art sind oder Schulzwecken dienen, nicht mehr aufgenommen werden...

Damit ja kein Luftzug von außen in die neuen deutschen Bibliotheken eindringt, empfielt Kirchner:

Um Deutschland  !

Bevor ihr durch Verrat die Macht erschlichen, Besaßen wir das schönste Vaterland. In allen Zonen, allen Erdenstrichen Ward Deutschlands   Name ehrenvoll genannt; Denn leuchtend über seinen grünen Auen War tiefer Gottesfriede ausgebreitet. Zu allen Zeiten und in allen Gauen Hat Geist das Schaffen seines Volkes geleitet. Mit seinen weltumspannenden Gedanken Durchbrach es alle nationale Schranken. Dies alles habt ihr unter Schmutz begraben. Denn Schmutz war alles, was ihr von euch gabt. Wir aber wollen Deutschland   wieder haben, Das ihr Halunken uns gestohlen habt.

Uns, die wir Deutschland   mit der Seele lieben Als alte Heimstatt tiefster Menschlichkeit, tela Uns hab ihr in die Welt hinausgetrieben, Die Tempel unsres Friedenswerks entweiht. Ihr habt die Heimat, die uns heilig ist, Durch Haß und Mord zertreten und geschändet, Sodaß die Welt, die nach dem Heute mißt, Sich voller Abscheu von ihr abgewendet. Der ärgste Feind das Land nicht so zerschlüge, Wie ihrs getan mit Tyrannei und Lüge. So mögt ihr euch an unsrem Fluche laben; Er treffe euch, wo ihr euch auch vergrabt. Wir aber werden Deutschland   wieder haben, Das ihr Halunken uns gestohlen habt!

,, Es wäre erfreulich, wenn die Bibliotheken möglichst bald ein Abkommen träfen, daß nur noch von bestimmten Bib­liotheken teure Auslandswerke gekauft sowie Serien und liotheken teure Auslandswerke gekauft sowie Serien und Ehcenhandwerker Göring periodische Schriften gehalten würden. Es ist vom Stand­punkt der nationalsozialistischen Regierung keineswegs ver. tretbar, daß innerhalb Deutschlands   ausländische Bücher und Zeitschriften in vielen Exemplaren gehalten werden." Und damit ja kein Zweifel entsteht, daß hier ganze Arbeit geleistet wird, führt Kirchner zum Schluß folgendes aus: ,, Ich halte es für notwendig, daß die Anwärter des höhe­ren und mittleren Bibliothekdienstes vom nationalen Ge­danken völlig durchdrungen werden, so daß sie später als Leiter oder Beamte unserer wissenschaftlichen Bibliotheken das wissenschaftliche Schrifttum im Sinne des nationalen Aufbaues unserer Wissenschaft verwalten. Auch ist es dringend erforderlich, daß diese jungen Beamten während ihres Volontär- und Praktikantenjahres in der staatsbürger­lichen Erziehung unterwiesen werden und sich den Wehr. lichen Erziehung unterwiesen werden und sich den Wehr.

verbänden anschließen."

Verboten! Vecboten!

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Laut Kriminalpolizeiblatt 1740 folgende Druckschriften: ,, Pariser Tageblatt  "( Paris  ); Der Judenstaat"( Wien  ); aus der langen Liste der Bücher, die wegen Unsittlichkeit ver­boten wurden, eine Auswahl: V. J. Calverton: ,, Der Bankrott der Ehe", Avalun- Verlag, Hellerau   bei Dresden  ; Walter Ser­her: ,, Der Pfiff um die Ecke"; ,, Die türkische Straße"; Der elfte Finger"; ,, Zum blauen Affen", Verlag Paul Stegemann, Berlin  ; Arnold Ulity: Worbs", Propyläenverlag, Berlin  ; Max Hodann  : Geschlecht und Liebe", Büchergilde Gutenberg, Berlin  ; Rudolf Schlichter  : ,, Das widerspenstige Fleisch", Tö­nerne Füße", Rohwolt- Verlag, Berlin  ; H. O. Henel: ,, Eros   im Stacheldraht", Fackelreiter Verlag, Hamburg   Bergedorf  ; Alfred Schirokauer  : Messalina  ", Weichert, Berlin  ; Maurice Dekobra  : Ein Freudenmädchen gestorben", Neue Berliner  Verlags- GmbH.; Victor Margueritte  : Die Junggesellin", Erich Reiß- Verlag, Berlin   1932( bisher war nur eine Wiener  Ausgabe verboten, nun hat man auch die Berliner   entdeckt); Titayna: Rund um meinen Gelieb Leipzig  , Weller

u. Co.

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Die Erstücmung von Troja  

Eine nicht nur griechische Sage

In fernen Zeiten lebte der König Agamammon, ein mächtiger und unumschränkter Herrscher. Sein Land war reich und fruchtbar. Durch Goldzuflüsse bewässert, blühte das Wirtschaftsleben, trug der Boden der Verfassung gold­gelben Weizen; wundervoll konstruierte Kapitalsanlagen ver. sorgten die bessere Bevölkerung mit Zinsen und Profit. König Agamammon wurde mit Ruhm und Hetären über­häuft, die klügsten Philosophen, die erlesensten Dichter, die

tapfersten Krieger waren um ihn versammelt und huldigten

seiner olympgewollten Ordnung. Das Orakel zu Wallstreet  

prophezeite ihm Prosperity for ever und Gott Merkur   be­

sorgte persönlich seine Handelsgeschäfte. Der König ließ es sich wohlergehen, veranstaltete glänzende Bacchusfeste, baute Schlösser und Paläste und gab seinen Kriegern präch­tige Rüstungen.

Agamammon wäre vollkommen zufrieden gewesen, wäre nicht das Gespenst des schleichenden Trojanis­mus aufgetaucht. Er hatte keine Ruhe mehr und fürchtete ständig um seine Herrschaft. Immer stürmischer drängten seine Ratgeber zu einem heiligen Feldzug gegen Troja, das von Tag zu Tag stärker wurde. Endlich raffte sich Aga­mammon auf. An der Spitze eines Söldnerheeres zog er vor die Mauern Trojas.

Mit giftigen Pfeilen kämpfte das Heer des Königs gegen den hinter festen Mauern verschanzten inneren Feind. ..Volks"-Zeitungen wurden in die Stadt geschmuggelt, die für die Volksgemeinschaft mit Agamammon warben. Mit ein­

gefangenen Troianern wurden hellenentreue Trojavereine

ge

F

war vergebens. Die Trojaner hielten sich den durch kühne Ausfälle sogar Erobe­

rungen.

Jahrelang währte schon die Belagerung. Nod Immer

hoffte Agamammon mit seinen alten Methoden zu siegen. Da traf ihn ein tückischer Krisenpfeil. Er erkrankte schwer. Heftiges Depressions fieber fesselte ihn ans Lager, während sich die Disziplin seiner Mannschaften bedenklich lockerte. Streit und Zersetzungserscheinungen untergruben Kampfmoral.

die

Da griff er zu einer List. Er ließ ein großes hölzernes Pferd bauen, rot anstreichen und mit magisch gekrümmten

Kreuzen verzieren. Im Bauch dieses Pferdes nahmen seine

besten Krieger Plats. Dann gab er den Befehl, es unauf. fällig vor die Tore der Stadt zu bringen. Seine Truppen aber

zogen zum Schein ab.

Die von der langen Belagerung zermürbten und ge­schwächtne Trojaner strömten vor die Mauern und be­staunten arglos das schöne Pferd, das sie für ein wunder­tätiges Götterbild hielten. Vergeblich warnten Besonnene vor dem verführerischen Koloß; doch immer mehr Trojaner waren dafür, daß man es in die Stadt bringe. Denn sie ver. sprachen sich davon Rettung aus ihrer Not.

So schleppten sie das Holztier durch eine eigens heraus­gebrochene Mauerbresche in das Stadtinnere, jubelten, tanzten und riefen aus voller Kehle: ,, Heil Pferd!" Als der Tag des Siegestaumels vorbei war und die dunkle Nacht über Troja   hereinbrach, krochen die Söldner Agamammons aus ihrer Tarnung, schlugen die Wächter nieder und machten die Straße frei den hellenischen Bataillonen. Die wehr losen Trojaner wurden in einem fürchterlichen Gemetzel abgeschlachtet, auf der Flucht erschossen und in Konzen  trationsschiffen zu Tode gefoltert. Die Ueberlebenden mußten Agamammon, der nun wieder unumschränkter König war, schwere Sklavendienste leisten.

So büßte seine Leichtgläubigkeit das Volk von- Troja. Kurs

Horatio

Hermann Göring   hat mit schlichtem" Theaterdonner und spontan" angeordneten Demonstrationen seinen ein undvierzigsten Geburtstag gefeiert; da Hindenburg   ihm keine neue Uniform und Hitler ihm kein neues Ministerium präsentierte, mußte der preußische Ministerpräsident. Reichsluftfahrtminister, Reichsinnenminister, Reichstags präsident, Ehrengeneral, Ehrenhenker usw. selber für einen neuen Titel sorgen. Nach einem schlichten Fackelzug der Stabswache und einem bescheidenen Großfeuerwerk wurde der große Mann zum Ehrenmeister des deutschen Hand­werks" ernannt, die Feuerwehr hat es offenbar nicht ge wagt, ihn als Ehrenmitglied in ihren Reihen aufzunehmen.

Die Liste der Verbote

Verboten laut Kriminalpolizeiblatt 1740/44 folgende Druck­schriften: Coudenhove- Kalergi  , ,, Deutschlands   europäische Sendung"; De Gelderlander"( Nymwegen);., Der christliche Ständestaat"( Katholisch, Wien  ); Metallarbetaren"( Stock­ holm  ): Werktätige von Osnabrück  "; Die Wahrheit im 3. Reiche"; Rote Betriebspost"; Die Rote Fahne  "; ,, Illu strierte Bauernzeitung";" Paris  - Berlin  "; Marx- Engels: Das kommunistische Manifest  "; Arbeiter- und Bauernrepublik"; ,, 15 Jahre Befreiung der Frau"; Sozialismus schafft Wohl­stand für alle";., Was will die KP?";" Die faschistische Ent wicklung des ADGB  "; Fritz Schulte  : Die RGO. im Angriff"; " Junge Garde" Nr. 18 und 19; Arbeiter an die Macht!": Stürzt die Papen- Hitler- Hugenberg- Diktatur";" Für die Arbeiter und Bauernrepublik"; Foenstret"( Stockholm  ); ,, De nieuwe Koerier"( Roermond  , Holland  ); Rudolf Kirsch: ,, Der wilde SA.- Mann", Fünf- Türme- Verlag, Halle; Der Angriff" Organ des RFB.

Worte von Christian Morgenstern  

Man will die deutsche   Volksseele erstarken sehen, indem sie sich mehr abschließen und begrenzen soll, und vergißt. daß gerade das Unbegrenztseinwollen, das über engen Natio nalitätsschranken stehen wollen ihre Haupteigentümlichkeit

ist.

Eure Todesstrafe, noch mehr Euer Kriegführen, Ihr Men schen, ist nicht mehr und nicht weniger als Selbstmord.

Organisation ist das große Wort, dem die Zukunft gehört.

Lehrer- Komödie: Die Armut der Lehrer, während die Staaten Unsummen für die Wehrmacht hinauswerfen. Ds sie nun Lehrer für 600 Mark sich leisten können, bleiben die Völker so dumm, daß sie sich Kriege für 60 Milliarden

leisten müssen.

Die sozialistische Lehre das Brot der Armen.

Zeit- Notizen

Verfall des deutschen Buchmarkts

Der größte Buchproduzent war mehr als ein Menschen alter lang das Deutsche Reich. 1913 wurden in Deutschland  dreimal so viel Bücher gedruckt wie in den beiden nächst wichtigsten Staaten England und USA  . Auch der Krieg und die Inflation änderten nichts an dieser Situation. 1927 er schienen in Deutschland   immer noch 31 000 verschiedene Bücher und Broschüren, in England nur 13 800. Heute steht Deutschland   mit 20 074 Büchern und Broschüren an zweiter Stelle; die erste Stelle nimmt Sowjet- Rußland mit 38 405 Bücher und Broschüren ein. Japan   folgt mit etwa 20 000.

an vierter Stelle Britisch- Indien mit etwa 16 000.

Verkaufskanonen

Der Verlag Eher teilt seine Auflagenhöhe mit; es wurden abgesetzt von: Hitler  , Mein Kampf... 1 500 000; Zöberlein  , Glaube an Deutschland... 46.55. Tausend; Rosenberg 74.93. Tausend; Röhm  , Mythus des 20. Jahrhunderts... 74. Die Geschichte eines Hochverräters... 24. 28. Tausends Göbbels, Kampf um Berlin  ... 14. 18. Tausend: Dietrich, Mit Hitler   an die Macht... 151. 160. Tausend; Tremel Eggert  , Barb, Roman einer deutschen   Frau... 11.15. Tausend.

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