Deutsche Stimmen

Ereignisse und Gescfiiciten

Beilage zur Deutschen Freiheit" Ereignisse und

Samstag, den 20. Januar 1934

Dec Emigrant spricht zu seiner Frau u seiner Frau

ШО Hermann Bahr DOD Bahr DD and De

Vor kurzer Zeit kam die Nachricht, daß Hermann Bahr in den Jahren seines Alters nicht nur von schweren körper­lichen Leiden, sondern auch von geistiger Trübung befallen worden sei. Am 15. Januar ist Bahr im 71. Lebensjahr in München ins unbekannte Land hinübergegangen: in das ihm vielleicht einzig unbekannte Land, mit dem er, der sich mit einem wunderbar regen Geist in seinem reichen, vielfältigen und vielspältigen Wirken durch alle Weltanschauungen ge­tummelt hatte, in den letzten fünfzehn Jahren seines Schaffens und Lebens sich anscheinend durch Versenkung in religiöse, ja in konfessionelle Gedankengänge vertraut machen wollte.

Der Hermann Bahr , den die Jugend von heute vielleicht nur aus Tagebuchaufsätzen in gesinnungsverdächtigen Zeitungen kennt, ist nicht der Hermann Bahr von ehemals, der die kristallische Vereisung seines Alters nicht ahnen konnte und nicht wünschen mochte. Es war das Schicksal einer erstaunlich aufnahmefähigen, wunderbar rasch und technisch sicher zeugenden Geistes, alle Regungen und Be. wegungen der Kultur und des politischen Lebens mit­schwingen zu müssen und zu können, um schließlich an jenem andern äußersten Ende anzukommen, das sich viel­leicht mit allerersten Anfängen berührt.

Denn der Salzburger Gymnasiast kann vom Anarchismus her. Wie er dann zum Sozialismus gefunden hat, wird be­kundet noch in dem zum sechzigsten Geburtstag erschienenen autobiographischen Buch ,, Selbstbildnis: Die Aristokratie der Geburt hat ihre Bedeutung eingebüst, an ihre Stelle ist die Aristokratie des Geldes getreten, an ihre Stelle wird die Aristokratie der Arbeit treten." Und dieses Bekenntnis einer jugendlichen Abiturientenrede hat Hermann Bahr noch vor elf Jahren, ins Greisenalter tretend, mit den Worten bestätigt: ,, Dies ist noch heute die Hoffnung meiner hellen Stunden."

In den Studienjahren zu Wien , Graz und Czernowitz hat er die weiche Verlotterung Altösterreichs miterlebt und mit großdeutschen Andeutungen in Wort und Schrift seine Rele­gation von der Hochschule erzielt. Im Getümmel einer studentischen Polizeischlacht wurde er von unserem Engel­ bert Pernerstorfer gerettet, vielleicht vor dem Zuchthaus be­wahrt.

Und dann wurde Hermann Bahr , der erkannt hat, daß ,, um dieselbe Zeit Arbeiter den bloßen Verdacht einer sozia­ listischen

Gesinnung mit schwerem Kerker büßen". Mit arbeiter der Gleichheit" und der Arbeiter- Zeitung .

Tapfer ist er in jener Zeit für den Naturalismus einge­treten. In Zürich und Paris trat er in befruchtenden Verkehr mit Bebel, Liebknecht, Vollmar und Viktor Adler , doch hat dieser schon damals die Verwandlung des ,, ehemaligen Marxisten" Bahr in einen glühenden Spiri­Bahr tualisten" erkannt.

Und diese Entwicklung ging nun weiter, so daß er 1914 ,, bis an die Wurzel krank" und ,, von den Aerzten aufgegeben, nichts übrig" fand, weil er ,, keine Kraft mehr" hatte, als ,, die Ga de gewähren zu lassen"( Selbstbildnis", Seite 294). Aus a weltgläubigen Spötter wurde am Ende seines Lebens ein wunderglaubiger Katholik.

Dieser Unruhigste der Modernen" hat unzählige lite­

Einmal werden wir wieder zusammen Durch die Wälder der Heimat gehn; Werden dann nicht mehr in Jugend flammen, Und der Herbstwind wird seufzend wehn. id Aber wir werden wie Kinder weinen, Die endlich wieder zu Hause sind; Alles wird uns verzaubert erscheinen, Bäume und Wege, Sonne und Wind. Jahre des Wartens nagen und rammen, Doch die Hoffnung bleibt eisern stehn: Einmal werden wir wieder zusammen Durch die Wälder der Heimat gehn!

rarische und kritische Werke, epische und dramatische Dich- Rundfunkzeichen

tungen geschaffen. Die Romane Die Wahl", Drut" und O Mensch!", das Lustspiel Krampus" ,,, Das Konzert ", dann ,, Der Meister" ,,, Franzl" ,,, Sanna" ,,, Die Stimme" sollen nach des Dichters eigenem Wunsch unvergessen bleiben, und wenn nun demnächst in Wien das alte famose Ringelspiel" zu neuem Leben erweckt wird, so wird diese Neuinszenierung, wie sie auch ausfallen möge, die Erinnerung wecken an die stürmisch bejubelte Erstaufführung an der einstigen sozial­demokratischen Wiener Volksbühne. Der tote Dichter sagte einst im Alter von sich selbst, daß es ihm nie an Begabung gefehlt hätte, sich umzuschalten, daß es ihm immer geglückt sei, ganze Seiten aus seinem Leben zu streichen.

Und wenn nun der vielgewandte Weltwanderer Hermann Bahr mit seinem feinen Satz: ,, Götter sind Skizzen, an denen wir unsere Selbstverwandlung einüben", recht gehabt hätte, dann wäre nach den letzten Wandlungen dem Vielgewandelten auch der Gott von Golgatha zur Uebungsskizze des in ge­heiligter Verworrenheit Sterbenden geworden.

Die Arbeiterschaft darf aber im Angesicht des späten Todes des geistreichen Publizisten, des feinen Stilisten, des ehemaligen Freundes und Kampfgenossen gedenken und danken, daß er seinen regen Geist, seine feurige Redner­kunst, seine aufreizend gewandte Feder in jungen, frischen Jahren, da er noch nicht ,, die Gabe" erworben hatte ,,, sich

Nicht mehr militant, sondern lyrisch

Horatio.

Seitdem der Führer die Friedenschalmei bläst, sind die kriegerischen Pausezeichen der deutschen Sender nicht mehr zeitgemäß. Hitler soll sich darüber beschwert haben, daß gerade während seines letzten großen Friedensappells an alle Völker und Rassen der Welt plötzlich versehentlich das Berliner Pausenzeichen eingeschaltet worden sei. Und das lautet nun bekanntlich: ,, Volk ans Gewehr". Damit ähnliche ungewollte Zwischenfälle nicht wieder vorkommen können, wurden jetzt sämtliche deutschen Pausenzeichen auf gemüt­vollste Lyrik umrevolutioniert. Es senden in Zukunft: Königswusterhausen : Ueb immer Treu und Red­lichkeit... Berlin : Gold und Silber... Köln : Ein

rheinisches Mädchen... München : O du mein Edel­weiß. Leipzig : In einem kühlen Grunde. Breslau : Hamburg : Auf der Reeperbahn ... Hohenfriedberger. Heilsberg: Masurenlied. Königs­ berg : Horch , was kommt von draußen rein... Frank furt: Unter einem Fliederbaum... Mühlacker : Am Brunnen... Gleiwit: Mein Schlesierland... Hannover : Die lustrigen Drei... Nürnberg : Glühwürmchen- Idyll... Augsburg : Die kleine Garde.

selbst zu vergessen", in den Dienst der sozialen Sache stellte. Das Pflaster

Ganzheits- Mediziner

Der NSDAP - Arzt am Sterbebett der Wissenschaft

Ohne Grenze ist die Verrottung der Wissenschaft im ditlerreich. Die Könner verkriechen sich, die Lärmmacher mit den legitimierten Hoheitszeichen schlagen die Pauken im Vordergrunde. Aber war unter den Philisophen wenig. stens das menschliche Leben nicht bedroht, wird unter den Medizinern eine unmittelbare Gefahr für die Kranken, die leidenden Menschen, die nach den Humanitätsprinzipien des neuen Denkens" behandelt werden, zittern vor Angst angesichts der irrationalen Ope­rationschemen, die gegen das ,, naturwissenschaftlich- natio­nalistische Denken" gezückt sind.

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Ein Bericht liegt uns vor, den wir ob des nüchternen An schauungsunterrichts, den er bietet, im Wortlaut zum Ab­druck bringen:

In Anwesenheit des Stellvertreters des Führers Rudolf Heß war in München im Braunen Haus eine Tagung der Vertrauensleute der NSDAP . für die medi zinischen Fakultäten. Außerdem waren Vertreter der Tierärzte und der Zahnärzte anwesend.

Nach einem Vortrag von Dr. med. Gerhard Wagner, dem Vertrauensmann des Stellvertreters des Führers für alle Fragen der Volksgesundheit, sprach der Leiter des Auf­klärungsamts für Bevölkerungspolitik und Rassenpflege, Dr. med. Walter Groß . Er stellte dem Professor von gestern den wissenschaftlichen Führer und Lehrmeister im national­sozialistischen und revolutionären Staat gegenüber. Der nichtnationalsozialistische Wissenschaftler habe sich heute lediglich darauf zu beschränken, sein Fachgebiet zu 1 hren und die Fragen der Politik, der Geisteshaltung und der Welt­anschauung denen zu überlassen, die vielfach oder sogar meistens ohne das Fachwissen und ohne Akademie mehr da­von verstünden. Er habe sich um so mehr auf sein Fach­

Otto Koenig

Primats des Nationalsozialismus und die Verwirklichung der Grundsätze des Führergedankens und der Volksverbunden­heit. Selbstverständlich sei dabei die Durchdringung des

Hanns Johst Preußischer Staatsrat

Ministerpräsident Hermann Göring hat an seinem Geburts­tag den Dramatiker Hanns Johst , der bis vor kurzem Chef­dramaturg des Staatlichen Schauspiels in Berlin war, zum Preußischen Staatsrat ernannt. Das ist ein Pflaster. Johst ist unter heftigem Krach verabschiedet worden, weil er sich gegen die Streichung der Judenhängeszene in seinem in Berlin aufgeführten Drama ,, Die Propheten" heftig wehrte. Nun tröste ihn Göring durch die Verleihung des Staatsrats­Ordens.

Hochschullebens und der Wissenschaft mit dem Geist des Zeit- Notizen

Frontkämpfertums, der zum Opfer, Einsatz und Verzicht bereit ist. Von den Vertrauensleuten sei zu erwarten, daß sie in den Fakultäten auf Aenderung der Fakultäts- und Rektoratsverfassung dringen und die sich daraus ergebenden Kämpfe zusammen mit der nationalsozialistischen Studenten­und Lehrerschaft im alten nationalsozialistischen Angriffs geist durchfechten.

Der Rektor der Universität Würzburg , Professor Dr. med. Fischer, gab zum Verständnis der gegenwärtigen Lage an den deutschen Hochschulen einen knappen geschichtlichen Abriß der Entwicklung der deutschen Universität. In einer Aussprache nahm dann der bayrische Kultusminister und Führer des NS. - Lhrerbundes, Schemm, Anlaß, seine und die Stellung des NS. - Lehrerbundes zu den behandelten Fragen klarzulegen. Anschließend wurde die Uebereinstimmung mit seiner Ansicht zum Ausdruck gebracht, daß im Sinne des Primats der Partei auch für den Hochschullehrer nur die Zu­gehörigkeit zum NSLB. als nationalsozialistischer Erziehungs­organisation in Frage komme.

Das Primat" der Partei auch in der Medizin. Das ist das Ende der deutschen medizinischen Wissenschaft, einst berühmt und anerkannt in der ganzen Welt.

Ein Goetheforscher und sein Verehrer. Wilhelm Ogoleit i. Fa. Fr. Schaeffer u. Comp., Landsberg , Warhe, hat von Hin­ denburg folgenden Brief bekommen: Anläßlich Ihres 65. Ge­burtstages überreiche ich Ihnen in Anerkennung Ihrer Ver dienste um die Goetheforschung und die Verbreitung der Kenntnis Goethes im deutschen Volke hiermit die von mir gestiftete Goethe- Medaille für Wissenschaft und Kunst." Der Ogoleit, der nie irgend etwas geleistet hat und nichts be­deutet wird von dem Goethekenner Hindenburg geehrt, wäh rend man ausgezeichnete Germanisten in Pension schickt oder einfach auf die Straße schmeißt.

Immer mehr Wehrwille. Der Verlag ,, Offene Worte", auf dessen Kriegsschriften wir bereits mehrfach hingewiesen. kündigt an: ,, Marinefibel( für Marinejugend, Marinestürme usw.) Preis 1, RM. Wir bitten schon jetzt um Aufnahme und Sammlung von Vorbestellungen, damit unsere Liefe­rungen nicht unliebsam verzögert werden."

Eine Bibliothek berichtet: ,, Die Benutzung der Bücher sammlung durch Studenten, die im Vordergrund stand, hat sich 1933 auffällig verringert."( Geschäftsbericht 1933, Ver ein für Versicherungswissenschaft, Berlin ).

Fußball- Intermezzo

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gebiet zu beschränken, als gerade er nicht nur durch die Warum ,, Karlsruhe " die Spielerlaubnis entzogen wurde..

Langsamkeit des Begreifens, sondern darüber hinaus durch sein Beharren in unbelehrbarer schleichender und dauernder Opposition bewiesen habe, daß er zu einer wissenschaftlichen Erkenntnis. die abseits von seinem Fachgebiet liege, fast durchweg nicht fähig gewesen sei. Der neue Staat brauche neue Wissenschaftler, die in einem neuen Denken leben. Dieses neue Denken sei die Erkenntnis, daß hinter den einzelnen Erscheinungsformen des Lebens jene lebendige Totalität stehe, aus der die nationalsozialistische Ideenwelt entspringe. Dieses Ganzheit- Erlebnis des Weltbildes sei selbstverständlich nicht von der einseitigen Blickrichtung naturwissenschaftlich- mechanischen Denkens her zu gewinnen. Der an der Spitze der anwesenden Vertrauensleute stehende Professor Dr. Wirz, München , forderte nach einer scharfen Kritik der bisherigen Zustände an den Universitäten pro­grammatisch die grundlegende Bereinigung des Verfahrens zur Berufung der Hochschullehrer, Beseitigung der Vettern­und Cliquenwirtschaft(!) auf diesem Gebiet, Beseitigung des Mißbrauchs mit der Verleihung von Ehrenpromotionen und die Verbesserung der rechtlichen und materiellen Stellung des Extraordinarius gegenüber dem ordentlichen Professor und dabei namentlich Aufhebung des jetzt bestehenden unerträg­lichen zahlenmäßigen Mißverhältnisses zwischen diesen beiden Gruppen von Hochschullehrern. Als wichtigste Zukunfts­aufgabe betrachtet Wirz den Zusammenbau der Hochschule mit dem nationalsozialistischen Staate unter Betonung des

In Nancy und Met fanden während der Weihnachts­tage Fußballwettkämpfe zwischen deutschen und französi­ schen Amateurmannschaften statt. Dabei ereignete sich in Metz ein köstlicher Zwischenfall, der verdient, der Oeffent­lichkeit mitgeteilt zu werden, weil er die neudeutsche Denk­art der gleichgeschalteten Sportsleute ziemlich drastisch zum Ausdruck brachte.

Bekanntlich sind die deutschen Sportler von ihren Behörden angehalten worden, ihre neunationalen Symbole und Ge­pflogenheiten bei Auslandsspielen recht ostentativ zur Schau zu stellen. Dadurch haben sich auf vielen ausländischen Spielplätzen Reibereien und Unliebsamkeiten zwischen Spielern und Publikum ergeben. Um dieser Gefahr zu ent­gehen, verlangten die französischen Fußballspieler von ihren deutschen Gästen, den Mannen des Karlsruher Fußball­vereins, sie möchten im Interesse eines friedlichen und erbau­lichen Spieles auf das Ausbringen des Hitlergrußes ver­zichten. Die Deutschen eingedenk der Weisungen ihrer obersten Sportbehörde, weigerten sich, den Wünschen der Franzosen nachzukommen. Daraufhin erklärten die Fran­ zosen , dann würden sie nicht zum Spiele antreten. Auch das rührte die Deutschen nicht. Dann mußten die Franzosen eben die übliche Entschädigung zahlen, die dem Partner bei Nichtaustragung des verabredeten Spiels für entfallenen Ge­winnausfall zusteht, Die Franzosen erklärten, sie dächten

gar nicht daran, dieses Geld zu zahlen. Unter diesen Um­ständen seien sie nicht dazu verpflichtet, die Deutschen müßten also, wenn sie so hitlerbegeistert wären, sich ihre Begeisterung auch ein wenig kosten lassen.

Dieseslegte gewichtigte Argumentschlug der nationalen Begeisterung der Karls ruher Mannschaft den Boden aus. Sie ver zichtete auf die Ausbringung des Hitler. grußesauffranzösischem Boden, spieltedas vereinbarte Spiel und heimste am Schlusse eine erkleckliche Anzahl französischer ( erbfeindlicher) Franken ein. Befriedigt zog man den heimischen Pennaten entgegen.

Die Sache kam aber zu Ohren des badischen Staats­ministeriums. Und nun wurde eine große Staatsaktion daraus. Der sportliche Landesbeauftragte der badischen Regierung hat den Karlsruher Verein schwer gerüffelt und gleichzeitig den Deutschen Fußballbund aufgefordert, diesem schlapp­schwänzigen Verein, dem klingende Frankenmünze lieber ist als ein schneidiger Hitlergruß, die Auslandsspiel. erlaubnis zu entziehen.

Außerdem wurde allen badischen Fußballklubs verboten. Wett- oder Kampfspiele mit französischen Mannschaften ab­zuschließen.

Arme Frenzosen