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Sonntag- Montag, den 21. und 22. Januar 1934
Dec braune Märchenprinz
Wie er das schwarz- weiß- cote Schneewittchen eclöste
Da sagten die Kinder: Die Geschichte war fein, Erzähl uns noch eine, Lieb Großmütterlein.
Der große Osaf. Er hält sehr viel vom Kinde. Man lese Seite 21 in seinem„ Kampf": f
,, Ich glaube heute fest daran, daß im allgemeinen sämtliche schöpferischen Gedanken schon in der Jugend grundsäglich erscheinen, sofern welche überhaupt vorhanden sind. Ich unterscheide zwischen der Weisheit des Alters, die nur in einer größeren Gründlichkeit und Vorsicht als Ergebnis der Erfahrungen eines langen Lebens gelten kann, und der Genialität der Jugend, die in unerschöpflicher Fruchtbarkeit Gedanken und Ideen ausschüttet, ohne sie zunächst auch nur verarbeiten zu können, infolge der Fülle ihrer Zahl. Sie liefert die Baustoffe und Zukunftspläne, aus denen das weiseer Alter die Steine nimmt, behaut und den Bau aufführt, soweit nicht die sogenannte Weisheit des Alters die Genialität der Jugend erstickt hat."
Die weiseren Alten sollen nur mit größerer Gründlichkeit und Vorsicht ausführen, was sie sich in der Jugend überlegt oder wozu sie sich entschlossen haben. Das deutsche Kindervolk muß darum täglich neuen Anlaß zum staunenden Augen aufreißen erhalten. Sein körperlich erwachsener Teil bricht andauernd auf, macht Gepäckmärsche und hört Rundfunk. Aber die Kleinen unter den deutschen Kindern haben es noch schöner. Die alten, Geschichten von Grimm , die Märchen von 1001 Nacht, die ohnehin nichtarisch und infolge ihrer humanitär- liberalistisch- marxistischen Tendenz für das dritte Reich" ungeeignet geworden waren, werden abgelöst von Erzählungen voll höchster Gegenwartstreue.
,, Kinder, was wißt Ihr vom Führer?" So heißt ein reizendes Geschenkbuch für deutsche Jungens und Mädels. Geschrieben haben es die Herren Morgenroth und M. Schmidt und der Franz- Schneider- Verlag , GmbH. zu Leip. zig, W 31, hat es herausgegeben, schon in fünfzehntausend Exemplaren! Auf dem bunten Umschlagbilde hebt der Führer" lachenden Antlitzes ein Mädel in die Höhe. Ein Bild vor dem Texte zeigt den Buben und Mädels in Hitlerien, wie der greise Hindenburg , linke Hand am Säbel, Pickelhaube auf dem Kopfe, dem großen Führer" die Hand drückte, bevor die beiden mit der Befreiung der Nation" anfingen! Wie nun die Befreiung der Nation weitergemacht werden soll, das kann man sich leicht aus folgenden Textstellen der Fibel selber zusammenreimen:
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,, Kurz, jeder Junge und jedes Mädel sind das geworden, wozu sie eine besondere Veranlagung, wozu sie der liebe Gott bestiamt hat. Manche sind etwas ganz Großes geworden. Die hat die liebe Gott auserwählt zu diesem ganz besonderen Berufe."( S. 9 unten und 10 oben.)
... Heute lebt nun auch ein Mensch unter uns, dem Gott eine ganz besonders schwere Aufgabe gestellt hat, und weil er sie lösen will und lösen wird, deshalb nennen wir ihn einen großen Mann. Ihr kennt alle diesen Mann. Er heißt Adolf Hitler . Aber wißt Ihr denn eigentlich, wer das ist und was für eine Aufgabe er zu lösen hat?"( S. 11.)
,, In der Zeit, von der ich Euch erzählen will, in der in Deutschland alles gut und recht war, da haben die Franzosen Angst vor uns bekommen und sind neidisch auf uns geworden. Auch die Engländer und Russen sind neidisch geworden. Oft stand damals in der Zeitung: ,, Ein Deutscher hat eine Maschine erfunden, die geht besonders gut", oder ..Ein Deutscher hat eine Fabrik gebaut, die Sachen, die da gemacht werden, sind besonders schön und genau gearbeitet." ( S. 13).
deshalb wurden die andern Länder rings herum unruhig und sagten: ,, Wir wollen es nicht leiden, daß Deutsch land schöner ist als wir. Wir wollen es nicht leiden, daß Deutschland reicher wird und größer und glücklicher als wir. Wir wollen es umbringen!"( S. 15).
,, Von Schneewittchen wißt Ihr, daß es weiß war wie Schnee und rot wie Blut und schwarz wie Ebenholz. Schwarz, weiß, rot sind auch unsere Farben."( S. 14).
,, In Deutschland ging ein böser Geist um. Er flüsterte den Menschen ins Ohr: ,, Wollt Ihr denn immer noch Krieg führen? Ihr könnt unmöglich die vielen Feinde besiegen! Wollt Ihr immer weiter hungern und immer weiter Euere
wollen wir dem deutschen Vaterlande wieder erkämpfen!" ( S. 43).
..Da lauerte der böse Feind an allen Ecken. Mit seinen Lügen vergiftete er die Männer, die Adolf Hitler helfen sollten. In der Nacht raunte er ihnen zu: Laßt Hitler nur erst machen, und wenn er glaubt ,, daß ihr zu ihm haltet, dann geht auf ihn los und packet ihn." Und so kam es auch. Als Hitler mit seinen treuen Kameraden durch die Straßen zog, voran die Hakenkreuzfahne, da fuhren plötzlich Maschinengewehre auf und schossen auf die Hitlerleute!"( S. 46).
, Als er endlich aus der Festung entlassen wurde, machte er sich sofort an sein Werk."( S. 48).
, Damals war er allein, aber jetzt kennt ihn die ganze Welt. Seine Deutschen lieben ihn; seine Feinde fürchten ihn. Alle Welt weiß, daß er in Gottes Hand steht und mit seiner Hilfe Deutschland erretten wird."( S. 25).
Also haben wir nun doch den Messias unter uns und den braunen Märchenweisen zugleich. Wahrscheinlich hat er vom lieben Gott auch schon die Flammensäulen zugesagt be kommen, die dereinst seinem natürlich siegreichen Heere gegen die ganze Welt vorausziehen wird! Schneewittchen hat lange geschlafen und ist schwarz- weiß- rot erwacht! Und dem bösen Geiste, ja den bösen Geistern, als da waren: Hungersnot, Unterernährung. Brotmarken, Fettkarten, Lebensmittelschieber, Handgranaten, Minen, Gasbomben und Marxisten, denen hat der große Osaf befohlen, künftig nicht mehr Schrecken, sondern schöne Lieblinge des ,, heroischen" Volkes zu sein. Bloß die Marxisten, die sind noch böse Geister geblieben und die wollen dem Osaf gar nicht glauben und nicht gehorchen; darum müssen sie mit Stumpf und Stiel" ausgerottet werden! Das hat Göbbels gesagt und darum ist es wahr. Ja, und da es in Deutschland keine brennenden und nicht verbrennenden Dornbüsche gab, woraus der liebe Gott zu Hitler sprechen konnte, wie es in der Bibel steht, darum
Der alte Barbarossa, Der Kaiser Friederich, Im unterird'schen Schlosse Hält er, verzaubert, sich.
Sein Bart ist jest von Flachse, Er bleicht ihn täglich frisch, Und läßt ihn nicht mehr wachsen Um Genfs Verhandlungstisch.
Von Stahl ist Helm und Krone, Der Reichsapfel brisant, Die Panzerplatten am Throne, Auch die sind allerhand.
Sein Speer ist dreizehnschüssig. Im Fliegeroverall Nährt er sein Schlachtroß flüssig Mit Shell- Oel und Benzol.
Sprich: bleibt der alte Kaiser Dort bis zum jüngsten Tag? Nein! Ihn hält im Kyffhäuser Nur der Versailler Vertrag.
Er schickt einen Hitler - Knaben Wohl aus, auf daß er merk', Ob schon genügend Raben Umkreisen seinen Berg.
Und sind genügend Raben In Deutschland einst gebaut, Steigt er aus seinem Grabe Und bläst ins Hifthorn laut.
Wenn Barbaro- SA. dann marschiert Gen Ost oder zum Rhein , Heiho und horridoh, das wird Ein Hakenkreuzzug sein!
hat Gott selber mit seinem großen Adolf gesprochen, und da Hochschul- Befehlsübergabe
haben denn die beiden schon die Sache miteinander abgemacht. Darum darf dem großen Adolf auch keiner widersprechen und die Kinder müssen alles schön glauben; sonst kommt nämlich der eiserne Hermann, und dann gibts Keller, und viele, viele Schläge und gar kein Essen mehr. Tagelang. Und nachher lange, sehr lange Konzertlager! Bloẞ natürlich für die bösen Kinder, die nicht glauben wollen, daß Granaten so schön und heroisch sind.
Die braven Kinder aber, die kriegen kleine, braune Röckchen und Hös'chen, wenn's Jungens sind, und einstweilen bloß braune Jäckchen,„ Hitlerjäckchen", wenn's Mädchen sind. Später, wenn ,, Der Allmächtige" anfängt, die Waffen zu segnen, dann kriegen die Mädchen vielleicht auch Hös'chen an, vielleicht sogar braune, wenigstens, wenns knallt und sie laufen müssen und dann helfen sie den Jungens, daß sie retten" können. Vielleicht bloß noch grad sich selber. Wenn's nämlich Bomben und Granaten und Giftgas und Feuer vom Himmel regnet anstatt Wasser? Und dann werden die Jungens Kanonenfutter und die Mädchen müssen alle in's Kloster gehen, wenn sie grad' noch lebendig bleiben, weil sie nämlich nachher keinen Mann mehr kriegen.
Denn bloß die Kastrierten und die Sterilisierten, die werden dann noch da sein und damit kann der große Osaf ja doch nicht anfangen, für die ,, Neue Größe" des Hitleriens zu sorgen. Das wird dann sehr, sehr böse sein und die Menschen werden wieder viel zu schimpfen haben, besonders alle die rund um Deutschland herum. Aber der Osaf fängt dann bestimmt schon was richtiges neues an!
Drei Lehren faß ein Herrscher wohl ins Herz: Die eine: daß er über Menschen herrscht. Die andere: daß er nach Gesetzen herrscht. Die dritte: daß er nicht auf immer herrscht. Joh. Heinrich Voss ( 1796).
,, Die Zeit ist nimmer fern"
Jure
Der Reichsführer der Deutschen Studentenschaft und des Nationalsozialistischen Studentenbundes , Standartenführer Dr. Stäbel, hat folgende Verfügung an die gesamte Studentenschaft erlassen: et
Mit sofortiger Wirkung ersuche ich sämtliche Dienststellen der DSt. und des NSDStB., auf straffeste SA.mäßige Diensteinteilung und Dienstauffassung hinzuwirken und ihre gesamte Organisation nach diesem Gesichtspunkte nachsu prüfen. Nicht große Stäbe, Mitarbeiterkreise und Dis kussionen entscheiden den Wert der studentischen Arbeit, sondern die zielklare, zähe und soldatische Haltung, die wir in der Schule der SA. gelernt haben.
Ich verweise nochmals aufs nachdrücklichste auf meine Verfügung vom 5. März 1933, nach der jedes Mitglied des NSDS+ B. SA. Dienst zu tun hat. Ich mache die Hochschulgruppenführer und Kreisführer des NSDStB. für die restlose Durchführung dieser Verfügung verantwortlich. Die Zeit ist nimmer fern, wo auf deutschen Hochschulen kein Play mehr ist für Leute, die zu vornehm sind, sich in die Gemeinschaft der SA. einzuordnen.
Ich werde in Zukunft keinen Führer einer Studentenschaft oder eines Kreises mehr bestätigen, der nicht eine längere SA.- Dienstzeit hinter sich hat und sich in dieser als Kämpfer bewärt hat. Ich werde darauf hinwirken, daß sämtliche höheren Dienststellen der Studentenschaft nur noch mit SA. Führern beset werden, und erwarte von diesen eine vertrauensvolle und reibungslose Zusammenarbeit mit den örtlichen SA. Dienststellen und SA.- Hochschulämtern. Durch diese straffe Gliederung im Sinne des Organisators der braunen Armee, unseres Stabschefs, garantieren wir dem Führer die stetige Schlagkraft und Einsatbereit schaft der jungen Generation, die das deutsche Schicksal trägt."
Männer, Söhne, Väter und Brüder opfern? Hört doch endlich Menschenjäger und Geistjäger
auf zu schießen, dann machen die Feinde auch Schluß!" ( S. 18).
,, Und als die dummen Geislein dem Wolfe die Türe aufmachten, da stürzte der böse Wolf herein und fraß sie auf. Ihr wiẞt auch, wie es Hänsel und Gretel erging..."( S. 20).
Ein Soldat aber war da, der sagte:„ Nein, so darf es nicht weitergehen!"... Er weinte, er warf sich auf sein Lager und wollte tagelang mit keinem Menschen reden. Aber mit einem andern redete er: Mit dem lieben Gott. Lieber Gott ", betete er, erbarm Dich doch über unser armes deutsches Volk! Sie vergessen ja ganz, daß sie Deutsche sind! Es ist eine Schande, daß sie sich alles gefallen lassen! Und wenn es so weitergeht, wie es jetzt ist, dann werden wir ein ganz armes Volk un dhaben in unserem eignen Lande überhaupt nichts mehr zu sagen. Die Fremden werden Herren über uns, und wir müssen ihre Knechte sein!" Der arme Soldat war empört und verzweifelt...
da hörte er mit einem Male ganz leise eine Stimme in seinem Herzen. Er hörte, wie der liebe Gott selber zu ihm sagte: ,, Du sollst die Deutschen aus ihrem Unglück erretten und ich will Dir helfen!" Da stand der Soldat auf, streckte beide Arme zum Himmel und rief: ,, Ich will Deutschland erlösen von seinen Feinden; ich weiß: Gott selber hift mir!" ( S. 24).
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Das war der große Tag, an dem Gott selber ihn zum Helfer für sein Volk berief."( S. 37).
,, Und Adolf Hitler schenkte seinen Kameraden eine rote Fahne mit einem runden weißen ,, Spiegel" und dem schwar zen Hakenkreuz darauf. Und weiter sagte er:„ Wenn wir uns auf der Straße tren, wollen wir uns mit erhobener Hand Heil zurufen. Dann ler:
and Heil
Ein Brief
Geheimes Staatspolizeiamt
II D. 1863/33.
An den Rowohlt- Verlag
Das in Ihrem Verlag erschienene und in der Leipziger Verlagsdruckerei hergestellte Buch„ Der Beginn der Bar barei in Deutschland " von Bernard von Bren tano wird gemäߧ 7 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des deutschen Volkes vom 4. 2. 1933
Scheiterhaufen gebrannt. Längst war es offiziell verboten. Aber alles das genügt noch nicht. Der Verlag Rowohlt be kommt noch eine besondere Verfügung, obwohl er überhaupt kein Exemplar des Buches mehr auf Lager hat.
Freilich, das Buch heißt: ,, Beginn der Barbarei in Deutsch land". Dieses Thema ist nicht mehr ganz aktuell. Wir sind schon seit langem mitten drin.
Im Verlag Oprecht u. Helbling, Zürich , erscheint soeben das neueste Buch von Bernard von Brentano Ber liner Novellen" mit Holzschnitten von Cl. Moreaus 3,50 Fr. in Leinen.
( RGBI. I. S. 35 ff.) für den Bereich des Freistaates Preußen Kreidekreis" verboten
beschlagnahmt und eingezogen, weil der Inhalt geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden.
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In Vertretung: gez. Volk. Stempel des Geheimen Staatspolizeiamtes.
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Beglaubigt: Hasler,
Kanzleiangestellte. Hs.
Das Geheime Staatspolizeiamt ist auf dem Posten. Längst hatten viele Exemplare des Brentanoschen Buches auf
Irrläufer der Theaterzensur
In Stettin sind die weiteren Aufführungen der Oper Alex. v. Zemlinskys„ Der Kreidekreis" verboten worden. Der nationalsozialistische Gauleiter habe weitere Auffübrungen nicht für tunlich gehalten ,,, da der Inhalt des Stückes dem sittlichen Denken des deutschen Volkes widerspreche". Die Berliner Börsenzeitung" fügt ihrer Meldung hinzu, man dürfe gespannt sein, ob und wie sich diese Stellung nahme einflußreicher Stettiner Kreise auf die bereits seit langem vorbereitett und für die nächste Woche angesente Aufführung in der Berliner Staatsoper auswirken werde,