Genf für Saarfreiheit

Entscheidende Entschließung

« Der Rat

billigt die Schlußfolgerungen dieses Berich, es,

versichert seinen Willen, alle Pflichten zu allen, die ihm bezüglich der Vorbereitung und Durch­führung der Volksbefragung im Saargebiet im Jahre 1935 obliegen, und zwar der Art, daß die Frei­heit, das Geheimnis und die Unbeeinflußfheit der Stimmabgabe gesichert

ift;

auf seine Entwicklung gefaßt machen. Es wird sich auf­drängen, und sei es durch Schreden wie es sich auch fchließlich in Oesterreich durchsetzen wird, wenn Oesterreich sich selbst überlassen bleibt.

So versucht Berlin mit allen Mitteln die Vereinigung der drei getrennten deutschen Länder mit dem Reich. Sollte es ihm gelingen, dann wird die Bedrohung bis direkt in die Tschechoslowakei , Polen und Italien weiterdringen. Frank­ reich ist nicht am gefährdetsten, weit davon entfernt. Darum würde man in ganz Europa gut daran tun, seine Befürch tungen und seinen Rat in Betracht zu ziehen, denn jenseits des Rheines trägt der Geisteszustand der Vorkriegsjahre Pierre Dominique. mehr und mehr den Sieg davon. Nicht zaudern!

L'Ordre"

Der Rat des Völkerbundes hat es verstanden, gestern eine

fordert besonders sein Komitee auf, im Hinblick auf den Bericht, den es ihm unterbreiten soll: a) diejenigen Maßnahmen zu prüfen, die darauf abzielen, mit allen geeigneten Mitteln fleine antihitlersche Kundgebung zu machen: Herr Knor, das die Gesetzmäßigkeit der Wahlhandlungen zu sichern;

b) sich besonders das Studium derjenigen Mittel angelegen sein zu lassen, welche die Bevöl­kerung zu schüßen geeignet sind gegen jede Pression und die Aus führung jeglicher Drohung, die geeignet wären, die Unbeeinflußf­heit der Abstimmung zu stören;

c) diejenigen Anregungen zu prüfen, die ihm die Regierungskommission für die Aufrecht erhaltung der Ordnung während der Wahlzeit vorschlagen könnte.

Der Rat beschließt, die durch die Beratung der Sachverständigen entstehenden Ausgaben bis zur Höhe von 20 000 Schweizerfranken unter Artikel 3 a des Haushalts für 1934 Unvorhergesehene Ausgaben unter Vorbehalt einer besonderen Bewilligung des Rates( politische Ausgaben)" zu stellen."

Die Bedeutung der

Genfer Saarverhandlungen

Von Max Braun

Wenn der Rat die Forderungen der Freiheitsfront" des Saargebietes restlos hätte erfüllen wollen, so hätte er nichts anderes zu beschließen brauchen, als was in der Gesamtheit von Ratsbeschluß, Ratsdiskussion und Komiteewahl faktisch beschlossen worden ist.

Die Genfer Delegation der saarländischen Freiheits­front" hat immer wieder und nichts anderes von allen Ratsmitgliedern gewünscht, als die restlose Durch führung der Versailler Vertragsbestimmungen. Wenn vor allem die hitlerdeutsche und mit ihr die gleichgeschaltete Presse an der Saar meldete, ich hätte eine fünf- oder zehn­jährige Verschiebung der Abstimmung verlangt, so ist das ebenso Propaganda", wie eine angeblich von uns erhobene Forderung nach einer internationalen Polizeitruppe, und von mir bereits in meiner Genfer Meldung vom 18. sowoh! wie in meinem Artikel über die Zeitungsdebatte vom gleichen Datum richtig gestellt.

Allerdings habe ich die hundertprozentige Durch führung der Vertragsbestimmungen gefordert. Das heißt, daß es nicht nur darauf ankommt, eine Abstimmung an­zusetzen, sondern daß auch deren Bedingungen, wie sie der Vertrag vorsieht, absolut gewährleistet sein müssen: Frei, unbeeinflußt und geheim!

Der Rat hat restlos diesen Standpunkt unterstrichen und in der Wechselbeziehung von Abstimmungstermin und Abstimmungs­bedingungen die letzteren als eine conditio sine qua non anerkannt.

Die interpretierenden sehr wichtigen Ratsreden von Boncour und Benesch haben das unter einmütiger

maßen präzisierte: Wir wollen den Vertrag und nichts als den Vertrag, diesen aber ganz und unter pein lichster Beobachtung der Wechselbeziehung von Terminansehung und Abstimmungs­

bedingungen!

Der Völkerbundsrat hat zunächst so beschlossen, und wir sind wirklich nicht verantwortlich zu machen für die ver­nichtenden Niederlagen, die sich die Hitlersche Außenpolitik und die der von ihr diftierten sogenannten deutschen Front" dabei in Genf geholt haben. Die gemeinsamen Forderungen Hitlers und der sogenannten deutschen Front" auf Wegfall der Abstimmung, nach ihrer möglichst frühen Vorverlegung, nach Festsetzung des Datums, nach deutsch - französischen Ver­handlungen unter Umgehung des Plebiszits, nach dem Aus­scheiden des Präsidenten Knor und nach der Ignorierung des Terrors an der Saar sind restlos hinten herunter gefallen. Nach dieser Ratstagung steht ein­deutig fest, daß es weder deutsch - französische Verhandlungen über die Saar unter Umgehung des Plebiszits, noch eine Vorverlegung ihres Datums, noch das Haupt des Herrn Knox, noch eine Behandlung des Terrors als einer quantité négligeable,- statt dessen aber ein Datum erst nach Sicherung der Freiheit, Unbeeinflußbarkeit und Geheim­haltung und eine Kommission zur ausdrücklichen Unter­suchung und Präsentierung von Maßnahmen zur Gewährung dieser Bedingungen geben wird.

schwarze Schaf der Nazis, gegen den Berlin sogar offiziös protestiert hat, ist als Präsident der Saarkommission ein­stimmig wiedergewählt worden.

Diese Geste fann als glückliches Zeichen für die Reglung der Modalität der Abstimmung angesehen werden, die im Laufe der augenblicklichen Sizung stattfinden muß. Aber werden die Mitglieder des Rats nicht vor den not­wendigen Maßnahmen, die unerläßlich sind, um die Ord­nungsmäßigkeit der Befragung sicherzustellen, zaudern?

Denn diese Maßnahmen müssen vollständig und energisch sein, in einer Art, die, mit

einem Worte, sich mit dem Genser Geist nicht

verträgt.

In seiner Dienstagrede vor dem Senat hat Paul- Bon­ cour dunkel erkennen lassen, vor welchen Notwendigkeiten man stehen würde und vor welchen Manövern man sich schüßen müffe. Vor und während der Abstimmung wird man Einschüchterungsaften, dem Druck des Terrorismus be­gegnen und die Freiheit der Stimmen sichern müssen.

Nachher wird man das Nötige tun müssen, um den Teil der saarländischen Bevölkerung, der nicht für Deutschland gestimmt haben wird, gegen Racheafte und Wieder­vergeltungen zu schützen.

Das verlangt eine klare Handlung und präzise kraftvolle Vorbereitungen. Es verlangt eine starke Polizeimacht, die verfäßlich und entschlossen ist, ihre Mission zu erfüllen. Die Anwesenheit dieser Polizei wird für eine verhältnismäßig lange Zeitdauer nach Infrafttreten der Abstimmungsresul­tate verlängert werden müssen.

Wir wissen jetzt, und es gibt darüber keinen Zweifel, daß ein großer Teil der Saarbewohner der Wiedervereinigung mit dem Hitler- Deutschland nicht günstig gesinnt ist. Dieser Bevölkerungsteil hat eine Delegation abgesandt, die gestern in Genf angekommen ist, und die nichts weniger als eine Bertagung der Abstimmung verlangt.

Es ist unerläßlich, schon heute diejenigen, die diese Ab­ordnung vertritt, zu unterstüßen und in der Folge zu sichern. Es scheint andererseits, daß die Berliner Regierung nicht gedacht hatte, der Völkerbund würde in ihrer Abwesenheit die Frage der Abstimmungsmodalitäten angreifen. Was die deutsche Presse seit zwei Tagen schreibt, läßt ungewollt das Erstaunen und die Unzufriedenheit durchblicken, die man fen seits des Rheines vor den Aussichten der Arbeiten über diefen Gegenstand empfindet. Man darf immerhin nicht ver­geffen, daß die deutsche Regierung, wenn sie es für vassend hält, sich bei den Diskussionen als Mitglied des Völfer­bundes vertreten zu lassen, sie es während der Dauer von zwei Jahren noch tun fann. Es scheint aber nicht, als ob sie

Wenn wir uns deshalb erlauben, von einem Sieg der gerechten Anschauungen der Freiheitsfront" und mehrfacher die Absicht habe.

Niederlage der sogenannten deutschen Front" zu sprechen, so muß noch eine Feststellung hinzugefügt werden: nämlich die von der außerordentlichen Bedeutung der kommenden Maitagung des Rates, der die entscheidenden Beschlüsse vorbehalten sind.

Ueberfüllte Freiheits­

Zustimmung des gesamten Rates, wie der Ratspräsident Kundgebungen an der Saar

Beck zum Schluß feststellte, ausdrücklich als den Sinn der Entschließung des Rats gekennzeichnet.

Aber wiederum flegelhafter Naziterror!

In Ensdorf und in Wörich weiler an der Saar sanden gestern überfüllte Kundgebungen der Freiheits­front" des Saargebietes statt, in denen May Braun über die Genfer Saarberatungen referierte. In Ensdorf , einem Ort von 6000 Einwohnern, waren nicht weniger als 1500 Besucher erschienen, und in Wörschweiler , einem kleinen Grenzörtchen an der Pfälzer Grenze, wurden über 500 Be­sucher gezählt.

In beiden Versammlungen fanden die Beschlüsse, des Rates und die Reden Boncours und Beneschs begeisterte Zustimmung zugleich aber bewies die Ensdorfer Ver­sammlung wieder einmal, wie notwendig die Natsunter

Auf einem anderen Blatte steht allerdings die Frage, ob der Rat diesen seinen entschiedenen und pflichtbewußten Willen gegenüber den skrupellosen Methoden des National­sozialismus restlos wird durchführen können. Deshalb rich teten sowohl amerikanische, wie englische, wie skandinavische und schweizerischen Journalisten an mich die Frage, ob es in einem solchen Falle nicht auch im deutschen Interesse besser sein würde, die Abstimmung um fünf oder zehn Jahre zu verschieben, als den Rat, der als lezte Instanz in Wirklich­keit freie Hand in der Endbestimmung hat, zu einer defini­tiven und endgültigen und voraussichtlich auf lange Zeit nicht reparablen Entscheidung zu nötigen, die an der Versuchung über den Terror an der Saar ist: Die fälschung des Abstimmungsergebnisses durch den Naziterror unmöglich vorbei gehen könnte. Ich habe darauf erwidert, daß man zunächst die Ratsentscheidung vom Mai abwarten müsse. Falle sie aber tatsächlich so aus, daß die Garantie einer unbeeinflußten Abstimmung durch das Komitee als unmöglich festgestellt werde, dann sei allerdings die fünf- bis zehnjährige Aufschiebung der Ab­stimmung nur eine der möglichen Konsequenzen.

Ich bin in meinem Referat vor der internationalen Völkerbundspresse den hitlerdeutschen Tendenzgerüchten, die die eigene Meinung ausländischer Blätter als die meinige hinzustellen belieben, nochmals klar und scharf dadurch entgegengetreten, daß ich unsere Formel folgender­

Nazis hatten in Ensdorf in der Nacht von Samstag auf Sonntag große Plafate angeschlagen, auf denen stand: Der Landesverräter Mar Braun und der separa tistische Knappschaftsälteste Michel Schmidt sprechen heute in Ensdorf ." Diese unverhüllte Aufforderung zum Terror wurde noch dadurch verstärkt, daß auf der Zugangsstraße zum Versammlungslokal etwa 50 SA.- Leute poftiert wurden, die die Versammlungsbesucher von der Teilnahme zurück­halten sollten und diejenigen, die sich nicht abbalten ließen, beschimpften, bedrohten und in anderer Weise insultierten. Vor dem Versammlungslokal selbst aber rief einer von ihnen während des Referats von Max Braun : Dem werden wir 1935 schon das Maul stopfen!" In Genf aber behauptete Herr Röchling mit dreist- frecher Stirne. es gäbe keinen Terror gegen Andersdenkende an der Saar !

Gewalt oder Recht?

Französische Stimmen zur Saarfrage

Herr Knox

,, La République"

V nov smalle

Herr Knog ist jener Engländer, der der Saarfommission vorsteht und der mit den Nazis stark beschäftigt ist. Wenn der Präsident ein Franzose wäre, würden wir die ganze europäische Meinung gegen uns haben; glücklicherweise ist es ein Engländer.

Dieser Engländer also, der von deutscher Seite angegriffen wird denn die Nazis beschweren sich und das ist der Höhepunkt der Frechheit hat diesen Klagen einen Bericht beigegeben, in dem er wörtlich schreibt:

Die Terrorafte und die Denunziationen durch Mitglieder dieser Partei mehren sich. Der versteckte Bontott und die Verfolgung von Juden und politischen Gegnern der nationalsozialistischen Partei haben derartigen Umfang an genommen, daß die Regierungskommission fast täglich Klagen aus den verschiedensten Kreisen der Bevölkerung erhält...."

Das ist nicht alles. Die geheimen nationalsozialistischen

Organisationen und, wohlverstanden auch die militäri schen mehren sich. Eine richtige Armee ist bereit, mobil­zumachen und alles mitzureißen.

Dieser Mobilmachung gegenüber befinden sich Juden, Sozialisten und Kommunisten. Denn die Katholiken find unentschieden, um so unentschiedener, als der Vatikan zu= gunsten des Reiches zu manövrieren scheint.

Stellen wir das, was im Saargebiet geschieht, dem, was in Desterreich vor sich geht und was in Danzig vor­gefallen ist, gegenüber Haben wir es oft genug wiederholt? Der Fall der drei deutschen, dem Reich nicht angegliederten Länder ist ganz der gleiche. Die Reichspolitik ist in den drei Fällen dieselbe. Nur ist sie im Saargebiet einfacher als in Danzig und leichter in Danzig als in Defterreich. Aber wie auch die Abstimmung im Saargebiet ausfallen mag, und selbst wenn sie der Aufrechterhaltung der augenblicklichen Regierung günstig ist, muß man sich, wenn nicht auf die Herrschaft des Hitlertums, mic in. Danaig, sa menigstens

Aber wenn sie nicht an die Ufer des Genfer Sees kommt, um ihren Gesichtspunkt zu vertreten, so rechnet sie damit, ein anderes Mittel anzuwenden, um es zum Sieg zu führen. Diefes Mittel fann nur eine direkte Tat sein und wenn das Reich zu Hause bleibt alles läßt das voraussehen, so tun wir gut daran, uns auf eine Verschärfung seiner Propa­ganda im Saargebiet vorzubereiten, auf seine Zuflucht zu einer gewalttätigen Agitation, die die gewöhnliche Waffe der Nazis ist. S. de Givet.

Le Journal":

Was ist das wahre Saar - Problem? Die Saarländer zu überzeugen, daß die Unabhängigkeit der Stimmzettel vor der Gefahr von Wiedervergeltungsmaßregeln geschützt ist. Der Schatten von Pirmasens schwebt über der Abstimmung. Die Saarländer wissen, wie die Deutschen , als Sieger, diejenigen, die nicht für das Reich gestimmt haben, bestrafen würden. Haben die Deutschenfreunde die geringste Veranlassung zu denken, daß das siegreiche Frankreich ebenso handeln würde? Nichts weniger als das würde dazu gehören, um das Herz der Zögernden in die Hosen fallen zu lassen. Aber Frankreich läßt keine andere Hypothese, als eine dem Völkerbund günstige Abstimmung zu. Als ob eine internationale Re­gierung dauern könnte, neben einem Herd von fünfund­sechzig Millionen Deutscher !

Um zu verstehen, was der Völkerbund vermag, braucht man nur den Bericht des Herrn Knor zu lesen. Der Brasi dent der Regierungsfommission erkennt an, Satz die Hitlerianer ungestraft die Autorität der Genfer Abordnung verhöhnen. Man müßte nicht nur die Freiheit der Stimme fichern, sondern auch die öffentliche Ordnung vor den Wahlen und besonders die Sicherheit hinterher. Geht das nicht über die Kräfte des Völterbundes hinaus? De Saint Brice.

L'Ere Nouvelle":

Die Reichsregierung ist also entschlossen, die Abstimmung zu vermeiden oder ihr Gewalt anzutun.

Frankreich hat die Haltung der Vernunft, der Loyali'd: und des Rechtes angenommen, von der sie nichts abor.ngen fann. Das endgültige Statut des Saargebiets muß aus der Abstimmung hervorgehen. Die Bedingungen vieler Be fragung müffen entsprechend dem Vertrag vom Völferbund festgelegt werden, mit oder ohne Deutschland .

Aber die Rolle der Genfer Einrichtung wird ich nicht dar­auf beschränken. Sie hat die Pflicht, die Sicherheit, die Ge­heimhaltung und die Aufrichtigkeit der Stimmen zu fichern. Es ist vorauszusehen, daß dieses nicht der leichteste Teil ihrer Aufgabe sein wird und sie wird viel Voraussicht, Borsicht und Entschlossenheit nötig haben. Sie darf unter feinem Vor­wand von den Uebereinkünften des Friedensvertrages ab weichen, die das Statut des Saargebiets bis zum Tage der Abstimmung bestimmt, sonst kommt es zum Tenteuer der Revision.

Gelegenheit des Völkerbundes

dnb. Paris , 22. Jan. Zwei Blätter, Figaro" und" Homme Libre" gehen heute auf die Saarfrage ein. Im Figaro" wird erklärt, daß Deutschland und Frankreich im Saargebiet moralisch und materiell aufeinanderstoßen. Das Rassen­dogma als Grundfeste des Alldeutschtums genüge übrigens, um die Hintlerschen Erklärungen zu dementieren, wonach sich Deutschland für das Elsaß nicht mehr interessiere. Das Blatt hofft, daß der Kammerausschuß für auswärtige Angelegen­heiten die französische Regierung in der Behandlung der Saarfrage scharf mache.

Homme Libre" erflärt, in der Saarfrage hätte der Völker­ bund eine unverhoffte schöne Gelegenheit, zu zeigen, was er fönne. Die Feigheit des Völkerbundes werde Hitler nur Mut machen,