Deutsche Stimmen Beilage zur Deutschen Freiheit" Ereignisse und Geschichten

Samstag, den 27. Januar 1934

Nacchalla in Blüte

Münchener Fasching unter Nazi- Protektorat

Man hat häufig versucht, den Fasching an die Ufer der Pleisse zu verpflanzen. Vergebliches Bemühen! Troy ge­wisser verwandtschaftlicher Verbindungslinien zwischen den Rundschädlern dinarischer Rasse gelang es nie, Münchener Hamur nach Leipzig zu bringen. Die Leipziger reagieren sich ihre Minderwertigkeitskomplexe dadurch ab, daß sie be­geisterte Berichte aus München in ihrer Presse finden. So die altberühmten Leipziger Neuesten Nachrichten":

Worin im einzelnen die Eigentümlichkeit des Münchener Faschings besteht, läßt sich nicht mit wenigen Worten defi­nieren und abstrahieren, denn hier handelt es sich um stammesmäßige, altbayerische Imponderabilien", schönste Offenbarungen einer eigenwilligen, starken Volks­seele, um den Ausdruck einer ganz bestimmten Lebenshaltung.

um

Auch am Rhein wird Fasching gefeiert, auch dort herrscht Wochen hindurch Ausgelassenheit und Uebermut; doch wird man niemals den Münchener Fasching mit dem rheinischen Karneval vergleichen können. Der Münchener nimmt den Fasching ernster und seine Ausdauer im Feiern der Feste ist nicht zu übertreffen. Mehr als sonstwo erfaßt der Fasching in München alle Schichten der Bevölkerung und nicht zu­mindest die ärmeren Volkskreise. Die Statistik des Leibhauses verzeichnet alljährlich während der Faschingswochen ein gewaltiges Ansteigen der beliehenen Pfänder, denn die Zahl derer ist groß, die unter allen Um­ständen dabei sein wollen, selbst wenn sie sich für einige Zeit von den notwendigsten Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens trennen müssen. Böse Zungen behaupten, daß sich viele Münchener in dieser Hinsicht mit dem Känguruh ver­gleichen lassen, das ja auch gerade mit leerem Beutel die größten Sprünge zu machen in der Lage sei. gal sid

Die bayerische Regierung ordnete diesen ersten Fasching im neuen Bayern der höhe renldee selbstloser Opferbereitschaft und volksverbundener Herzensgüte unter, und in schöner Weise dient heuer die Festesfreude und Lebens­bejahung dem Winterhilfswerk und der Arbeits­beschaffung. Auch ein Faschings or den wurde geschaffen, der gestaffelt in drei Klassen erworben werden muß und dessen Erlös ausschließlich den von Not und Krankheit Be­drängten zugute kommt.

seinen Einzug in der Hochburg des Münchener Faschings, im ..Deutschen Theater".

Staatsminister Esser und Oberbürger­meister Fiehlerempfingen den neuen Prin zen in feierlicher Audienz, und die Worte, die dieser an die Oeffentlichkeit richtete, zeugten von dem tiefen Ernst, mit welchem er sein Amt des Frohsinns mit einer hohen sozialen Aufgabe zu vereinen bemüht ist, die ihm in diesem Jahre des Kampfes gegen Arbeitslosigkeit und Not ganz besonders gestellt ist. Allein in den fünfzehn größten Sälen der Stadt werden

Reichsschrifttumkammer

Wir leben in einer praktischen Zeit Und alles treibt sich gewerblich; Vermittelst Gegenseitigkeit

Wird jeder Lump unsterblich.

Drum, wenn Du meinem Stern vertraust. So wollen wir uns vereinen:

Und wenn Du meinen Juden haust,

So hau ich Dir den Deinen!

Wofern Du recht emsig darüber streichst, So ähnelt dem Golde das Messing: Und wenn Du mich mit Goethe vergleichst, Vergleich ich Dich mit Lessing .

Heinrich Leuthold , 1856.

in diesen sechs Wochen rund 500 Faschingsfeste abgehalten! Raus aus dem Gothaer!

an

Den Höhepunkt des diesjährigen Münchener Faschings aber bildet schließlich der große Faschingszug am Faschings­sonntag. Dreißig Sonderzüge der Reichsbahn werden diesem Tage die Zuschauer nach München bringen. Hier sollen sich in seltener Harmonie Kunst und Heiterkeit ver­einen. Noch einmal werden an diesem Tage Münchener Ge­mütlichkeit, altbayerischer Frohsinn und Schwabinger Humor an uns vorüberrauschen, und da der ganze Festzug einer einheitlichen künstlerischen Leitung unterstellt ist, wurde Vorsorge getroffen, daß er keine schwachen Stellen aufweist. Und wenn dann am Faschingsdienstag die letzten Stunden für den Prinzen Karneval schlagen, so wird man in den grauen Aschermittwoch das Bewußtsein hinüberretten, daß heuer der Münchener Fasching seine alte Tradition bewahrt hat und daß er darüber hinaus all denen Gutes tat, denen es nicht nach ausgelassener Freude ums Herz gewesen ist.

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Da blüht einem das Herz auf Denn das ist nun kein ge­wöhnlicher Fasching mehr. Jeder, der in diesem Jahr in München narrisch ist, darf das stolze Bewußtsein in jede Maß und in jedes Glas Schampus mischen, in diesem , neuen" Bayern den Idealen selbstloser Opferbereitschaft und volksverbundener Herzensgüte, wie sie im Land Dachaus überall praktiziert werden, dienstbar zu sein. Jeder Kuß dient dem Winterhilfswerk und der Arbeitsbeschaffung... Wer auf diesem Gebiet besonders opferreiche Arbeit leistet, ist Anwärter auf einen der neu geschaffenen Orden.

,, Tiefer Ernst" und Frohsinn zugleich: wahrhaftig, wie be­greifen die guten Leipziger, wenn auch sie sehnsuchtsvoll in Narrhalla einziehen möchten. Sie sind dabei freilich etwas durch Sprachschwierigkeiten behindert. Aber sie ersetzen

Die nächste Ausgabe des berühmten Gothaer Almanachs" dürfte an Volumen hinter ihren Vorgängern arg zurück­bleiben: es sollen nämlich Adelsgeschlechter, in deren Adern jüdisches Blut rollt, in diesem Almanach künftig keine Auf­nahme mehr finden. O, das wird ein großes Sterben werden.

Bismarck , der ja auch keine Scheu trug, sich mit dem jüdi­schen Bankier Bleichröder geschäftlich zu liieren, war kein Anhänger der Rassentheorie: Geldheiraten verarmter Adliger in die jüdische Geldbourgeoisie begünstigte er und meinte einmal in seiner derben Junkerart: Arischer Hengst und jüdische Stute, das gäbe keine schlechte Kreuzung!

Die Erfahrung scheint Bismarck recht zu geben. Es waren nicht die schlechtesten Köpfe des Adels, die solchen Ver­bindungen entsprossen: der langjährige Führer der preußi­schen Konservativen, Herr von Heydebrand und von der Lasa, war ein solches Kreuzungsprodukt. Der einzige bil­dende Künstler von Format, den der deutsche Adel hervor­gebracht hat, der monumentale Maler Hans von Mareés , ent­stammte der Ehe des Kammergerichtspräsidenten v. Mareés mit der Jüdin Sussmann. Halbjude war auch Mareés Kunst­und Kampfgefährte, der von Wilhelm II. in den Adelsstand erhobene Bildhauer von Hildebrand.

Halbjude war der vor wenigen Jahren überschwenglich ge­feierte Ozeanflieger von Hühnefeld, jüdisches Blut kreist in der Familie des Kampffliegers v. Richthofen .

Der preußische Adel rühmt sich gern seiner Blutopfer, die er in jedem Kriege für das Vaterland gebracht habe. Die Opfer des Rasseparagrafen werden noch die des sieben­jährigen Krieges und des Weltkrieges an Zahl übertreffen.

diesen Mangel durch den angeborenen Humor, der ihrer ,, Die Sehe"

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Egid I. Kraft durch Freude

Mit vollen Segeln ist München am 7. Januar, dem Tage nach dem Dreikönigsfeste, in den Fasching eingelaufen, und Sprache entströmt. diese lustige Fahrt endigt erst nach sechs Wochen in der Nacht zum Aschermittwoch. Noch niemals wurden die Säle der Stadt, in denen Prinz Karneval sein Zepter führt, so prächtig ausgestattet wie heuer. Die ersten Künstler und die tüchtigsten Dekorateure standen hier in edlem Wettbewerb miteinander und Tausende von Handwerkern und Arbeitern fanden überdies lohnende Beschäftigung.

In der Jahrhunderte alten Tradition des Münchener Faschings spielt auch die Karnevalsgesellschaft Narrhalla eine besondere Rolle. Sie pflegt diese Tradi­tion, sie hält streng auf die Einhaltung eines künstlerischen Niveaus, zudem von jeher der Münchener Fasching sehr viele Fremde aus dem ganzen Reich und auch aus dem Ausland hierherführte. Der Narrhalla fällt aber auch die ehrenvolle Aufgabe zu, alljährlich den Prinzen Karneval zu wählen und diesem die Autorität für die Ausübung seines wichtigen Amtes zu übertragen. Mit großem Pomp hielt dieser bereits

Die Frankfurter Zeitung " berichtet noch: Prinz Karneval 1934, vom ,, Elferrat" der Narrhalla, Münchens ältester und einziger Faschingsgesellschaft erkoren, heißt Egid I. von Narra- Monachia; in Zivil ist er 33 Jahre alt, Diplom­kaufmann, Ski- und Faltbootfahrer, preisgekrönter Zieh­harmonikaspieler und Sohn des Präsidenten der Naarhalla, Hans Sollfrank. Zum ersten Male wurde der Prinz aus dem Kreise der Jungelfer" gewählt; er wolle," weiß ein Inter­viewer von ihm zu berichten ,,, seine Verpflichtung, der Welt

,, In dieser Erkenntnis kann der völkisch bewegte Akade­miker nicht nur verantworten, daß er, unter Beherrschung der ganzen Gegenständlichkeit seiner Wissenschaft, sich innerhalb derselben Einzelfragen zuwendet, die den geistigen Bedürfnissen der völkischen Bewegung Rechnung tragen, son­dern es wird ihn innigst drängen, völkische Sehe in sein Wissenschaftsgebiet hineinzutragen und die bisher ver­schlossenen Augen seiner Wissenschaft auch für die Sach­bezüge zu öffnen, die von dieser Sehe umrissen werden."

öffnen, en, die von dieser Sche umrisse

., Forschungen und Fortschritt", Nachrichtenblatt der deutschen Wissenschaft und Technik, Januar 1934.

den Humor zu bringen, sehr ernst nehmen... und seine Kreidekreis ,, genehmigt"

Tätigkeit mit dem Motto der nationalen Feier­stunde in Einklang ringen: Nach der Arbeit Kraft durch Freude." Sei Wahlspruch lautet: Einig, ge­sellig, innig, deutsch!"

Beethoven im Parademarsch

Das vechitlerte Radio

Da saß ich neulich am Radio und suchte irgendwo in der Welt ein annehmbares Programm. Plöglich höre ich eine Stimme, deutsch . Ich halte einen Moment an. Der jetzt im deutschen Rundfunk übliche schleimige Ton ,, und das ist das Große an Adolf Hitler ".... Fort, fort, weiterdrehen. Wieder eine Stimme, wieder deutsch. Schnarrende Kom­mandos. Rechtsum, ganze Abteilung kehrt. Brust raus, ihr Schweinebande.. Natürlich Deutschland , offenbar ein Militärlustspiel oder so etwas Aehnliches.... Fort, fort. Wieder Stimmen, diesmal englisch. Ein Dreigespräch über Luftfahrt. Man unterhält sich darüber, ob man besser alle Flugzeuge in der Welt vernichten solle, oder ob Internatio­nalisierung zweckmäßig sei.

Nazideutschland und England. Eine Welt liegt dazwischen. Und Wehmut packt jeden, der das wahre Deutschland liebt.

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Nazideutschland hat auch Kultur. Jeden Tag gab es Beethoven . Einmal eine Woche mit Hitler -, Göbbels­und Ley- Reden, dann eine Woche Marschmusik, dann eine Woche Beethoven, fein säuberlich, alle Werke im Parade­marsch. Jetzt wird mal Beethoven gehört, Ihr Kerls, ver­standen. Ihr müßt doch wissen, daß Deutschland ein Kultur­volk ist. Ja, Beethoven , nur wir können so einen Kompo nisten( Verzeihung: Tondichter) hervorbringen. Den deut­schen Hitler, den deutschen Leutnant und den deutschen Beethoven macht uns doch keiner nach. Eine Woche Beet­ hoven , nur Beethoven , dann wieder Badenweilermarsch usw. Nur hereinspaziert, Ihr Herrschaften, garantiert echte ger­manische Kultur.

Und das tut man Beethoven an, das tut man Deutsch­ land an.

Ja es kam noch schlimmer. Die Beethoven - Woche wurde durch eine Nazire de eingeleitet. Wer dieses Zeug hören mußte, schämt sich heute noch. Beethoven und Hitler , so hieß es etwa, sie sind Brüder gleichen Geistes( Hitler ist

an

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natürlich der Größere). ,, Warum jetzt eine Beethovenwoche? Nun, das., dritte Reich" hat die ganze Welt erkennt es wieder die Brücke zu dem Deutschland der Denker und Dichter geschlagen, nachdem das liberalistische Deutsch­ land alles verschüttet hatte. Deutschland ist wieder Kultur­volk, dank Hitler die Welt erkennt es an. Jetzt können wir wieder Beethoven spielen, denn Hitler ist da. Beethoven war eigentlich ein Nazi( ausgerechnet dieser freiheitliebende Individualist, der die französische Revolution bewunderte und Napoleon haßte, als er sich zum Kaiser krönen ließ). Das liberalistische Zeitalter hat Beethoven verfälscht, es hat seine Neunte in den Himmel gehoben, weil er dort sang ,, Seid um­schlungen, Millionen, diesen Kuß der ganzen Welt". Aber die Neunte ist nicht der Höhepunkt, sondern die Missa solemnis. Fremde mögen Beethoven achten, nur wir Deutsche ( arische Deutsche wohlverstanden, ohne jüdische Großmütter) können ihn verstehen."

So schwätzte dieser dreiste Bursche. Und dann gab es ..Fidelio ", ausgerechnet Fidelio ". Das hohe Lied der Freiheit. Die Nazis spotten ihrer selbst und wissen nicht wie. Fidelio " ist heute aktuell, aktuell wie keine zweite Oper. Da hält ein sadistischer Tyrann seinen persönlichen

Die vor wenigen Tagen in Stettin uraufgeführte Opern­fassung von Klabunds Kreidekreis"( Musik von Zemlinsky ) wurde bekanntlich schon in der Nacht nach der Uraufführung vom Polizeipräsidenten in Stettin verboten. Auf Grund der einschlägigen Bestimmungen mußte das Stadttheater Stettin nunmehr die Angelegenheit dem Reichsdramaturgen zur Entscheidung vorlegen.

Dieser hat jetzt den., Kreidekreis" unter der Voraus­setzung leichter Striche und einiger Abmilderungen im Text für unbedenklich erklärt.

Fachgruppe der Mixer

..Hierdurch geben wir nochmals bekannt, daß alle Mixer bis zum 1. Februar 1934 im Besitz ihres Berufsausweises sein müssen und haben diejenigen Mitglieder, die noch nicht im Besitz der Karte sind, an den Unterzeichneten, Berlin NW. 40, Reichstagsufer 3, umgehend zwei Paßfotos und 25 Pfennig Unkostenbeitrag in Briefmarken zwecks Ausstellung der Karte einzusenden. Infolge des bestehenden Ausweises für die Mitglieder der Fachgruppe Mixer ist eine weitere Beschaffung der Berufsausweiskarte nicht erforderlich." gez. L. Metzler, Obmann der Fachgruppe der Mixer.

Kleine Görings

In Gößweinstein in der Fränkischen Schweiz brannten die Gebäude des Gasthausbesitzers Georg Wölfel und des Kaffee­hausbesitzers Hans Wölfel ab. Bei den Aufräumungsarbeiten wurde ein Zettel gefunden mit den Worten: Brennen schafft Brot und Arbeit! Wir brennen noch mehr!"

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Der Völkische Beobachter" schreit sofort: kommunistische Brandstiftung. Danach scheinen in der Fränkischen Schweiz kleine Gorings am Werke zu sein!

Feind in Ketten, Wahrheit wagte ich zu sagen, und der Alles

Kerker ist mein Lohn". Da heißt es über den Gefangenen ..Er muß ein großer Verbrecher sein oder mächtige Feinde haben. Da singen die Gefangenen auf ihrem Gang durch den Hof des Konzentrationslagers, Verzeihung Gefängnisses : ..Seid ruhig, haltet Euch zurück, wir sind belauscht mit Wort und Blick." Da tobt Pizarro, der sadistische Tyrann vor sei­nem wehrlosen, gefesselten Opfer nun wie Göring vor Dimitroff . Wirklich, diese Oper ist von unerhörter Aktua­lität, aber Beethoven steht bei der Freiheit, oder ist das auch wieder eine liberalistische Auslegung?

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Ja, ja die Herren spotten ihrer selbst. Am Rundfunk saßen aber an diesem Tage Tausende und aber Tausende, die den wahren Sinn des Werkes spürten. Sie waren in dieser Stunde eine Gemeinde, die gleichen Gedanken beseelten sie alle,

Alles verboten

Verboten laut Kriminalpolizeiblatt 1749/50 folgende Druckschriften: die Flugblätter: Der Weg aus Knechtschaft Einheitsfront"," Roter Pfeffer vom 10. Februar 1933". An und Not", Sorgt für Familie und Wirtschaft" ,,, Her mit der alle Agitpropfunktionäre" ,,, Achtung, bei allen Diskussionen beachten!", Für Stubenversammlungen mit christlichen Ar­beitern".- Wegen Unsittlichkeit u. a.:,,Le Sourire"( Paris ), ,, La vie Parisienne"( Paris ). Auf Grund des§ 7 der Ver­ordnung vom 4. Februar 1933 die Druckschrift: ,, Die Lösung der Fachzeitschriftenfrage im Malerhandwerk". ,, Die rote Volkswacht Nr 2", Der Spruch von London "( Prag ). ,, Blätter für die jüdische Frau"( Prag ); Georg Bernhard : ..Die deutsche Tragödie. Der Selbstmord einer Republik " ( Prag ).

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