Deutsche   Stimmen Beilage sur Deutschen Freifieit" Ereignisse und Geschiiditen

Sun Koh"

Die Aufnordung der Schundliteratur

Balzac  , Maupassant  , Pittigrilli, Baudelaire   und Zola   sind im ,, dritten Reich" verbrannt und verboten. Verbrannt und verboten sind auch Ludwig Renn  , Irmgard Keun  , Erich Kästner   und Erich Maria Remarque  . Nicht verbrannt und verboten ist die Schundliteratur. Und der Führer liest nach wie vor allabendlich seinen geliebten Karl May  .

Oder doch. Verboten ist die Schundroman- Serie von Frank Alla n. Frank Allan ist der ,, Rächer der Ent­erbten", und das ist Marxismus  . Verboten ist auch die Schundroman- Groschenserie von John Kling. John Kling, der Gentleman- Verbrecher, stiehlt nur, um das Gestohlene den Armen zu geben. Und das ist Bolschewismus.

Nicht verboten ist aber die 20- Pfennig- Schundserie ,, S u n Koh, der Erbe von Atlantis". Man soll sie nicht ge­ring schätzen. Rund 50 Bände liegen bisher vor, und rund 400 000 Hefte hat der Verlag A. Bergmann in Leipzig   bisher ins ,, dritte Reich" hinauswandern lassen. Und doch ist ,, Sun Koh" bisher nicht verboten worden. Das hat seinen Grund. ,, Sun Koh" ist nämlich ein staatserhaltender Faktor des ,, dritten Reiches"; die Schundliteratur hat hier ihre ganz regelrechte, vorschriftsmäßige Aufnordung erfahren.

Ein paar kurze Stichproben mögen das beweisen.

Band 38, Seite 16: ,, Die französischen   Soldaten, die ein verfluchtes Schicksal für ein oder zwei Jahre nach Cochin­china verbannt, wissen zu erzählen, wieviele ihrer Kame­raden dort starben, wie Unzählige zwar in die Heimat kamen, aber ihr Lebtag nicht wieder recht gesund wur­den." Geht also nicht in die französische   Fremden­legion; in den Konzentrationslagern des ,, dritten Reiches" könnt ihr den Tod ja billiger und bequemer haben!

Band 38, Seite 44: ,, Großartig; da hätte ich um ein Haar drei Mann erledigt, weil sie sich nicht deutlich genug ausdrückten.". So was kann natürlich nur in Französisch­Indochina vorkommen.

Band 38, Seite 51: Zieh ihn lang", befahl Hal kurz. Der Mischling brüllte unter dem brutalen Ruck auf." Instruktion für die SA.!

Band 39, Seite 5: ,, Hm. demnach gibts Rassen, die in ganz kurzer Zeit hochkommen können?" Gewiß, nur mit der kleinen Aenderung, daß es sich eigentlich nur um eine einzige Rasse handelt, nämlich um die arische." das freut Göbbels   denn auch!

Und

Band 39, Seite 6: ,, Es gibt eine Rasse, die arische, die alle Kultur auf Erde   erzeugt. Außerdem gibt es Rassen, die imstande sind, die arische Kultur zu ihrer eigenen zu

Die Lücke

Dienstag, den 30. Januar 1934

machen, ferner solche, die immer halbe Tiere bleiben." Und die müssen natürlich sanft ausgerottet werden. Band 39, Seite 7: Es ist die alte Tragödie der Arier, die sich in allen Ueberlieferungen vom menschgewordenen Gott widerspiegelt. Die Blutmischung mit den kulturlosen oder kulturtragenden Völkern, die sich beherrschten, ver­nichteten, ausnahmslos die bisherigen arischen Stämme." Ein paar sind aber noch übrig geblieben und von denen ist nun jeder sein eigener Christus

66

Band 39, Seite 7-8: Deine Vorfahren, die Angel­sachsen, töteten vor 1500 Jahren jedes Kind, das schwäch­lich und gebrechlich zur Welt kam und ließen nur die wieder Kinder zeugen, die selbst reinblütig und gesund waren. Aber dann kam die artfremde christliche Lehre und brandmarkte diese herbe Auslese als Verbrechen. Ihre Prieser begriffen nie, daß sie... einen ganz arischen - Da­Stamm auf den Weg des Verderbens schickten." gegen muß etwas getan werden. Also ran an die Sterili­sierung!

Band 39, Seite 22: Die Geschichte der Khmer, soweit sie bekannt ist, ist das typische Beispiel für die Wirkung eines arischen Stammes. Die Khmer waren ohne Zweifel arischer Herkunft, hochgewachsen, hellhäutig und mit leuchtenden Augen, gebietend und königlich in ihrer gan­zen Erscheinung." In Wirklichkeit waren nun aller­dings diese alten Khmer in Indochina   rassereine Mongo­len; da sie aber bekanntlich allerhand Kulturwerte ge­schaffen haben, macht sie der Lok Myler, der den ,, Sun Koh" verbrochen hat und wahrscheinlich Müller heißt, ge­nau so zu Ariern wie Hitler   die Japaner und die Neger von Liberia  .

Band 39, Seite 9-10: Hast schon recht, mein Junge. Sieh nach Deutschland  . Dort haben sie die Gefahr erkannt und züchten durch eine planmäßige Rassenpolitik ihren nordischen Stamm wieder hoch."

Und das ist ja denn auch die Hauptsache. Darum fallen die paar Dutzend Morde, Folterungen und ähnlichen Lieb­lichkeiten des ,, Sun Koh" nicht weiter ins Gewicht, und der ,, Sun Koh" wird auch nicht verboten. Jedem das Seine: dem Führer seinen Karl May  , und der Hitler- Jugend   ihren ,, Sun Koh". Und nun soll noch einer behaupten, daß die Herrscher des ,, dritten Reiches" nicht tolerant sind.

Hanns Johst   ,, Umwege"

,, Vaterlandsliebe kann Beschränktheit sein, gewöhn lich ist sie gesetzliche Vorschrift."( Hanns Johst  : ..Morgenröte.")

Vor einiger Zeit veröffentlichte eine gleichgeschaltete Literaturzeitschrift eine Lebensbeschreibung von Hanns Johst.  ( Weltstimmen", Heft VII.) Der Verfasser bemerkt einleitend:

-

..Es wird niemand als fertiger Dichter geboren. Das Leben bringt die Anlage zum Dichter zur Entfaltung. Da ist es nun merkwürdig, welche Umwege nötig waren, bis Hanns Johst   zu seiner eigentlichen Bestimmung durchdrang."

-

Hanns Johst   wollte Missionar werden. Als Pfleger bei Bodelschwingh   stirbt ihm eines Nachts ein Mensch unter den Händen. Da gibt er die Mission auf, entschließt sich, Arzt zu werden. Auch hier hält er es nicht lange aus, weil wie er selbst sagt er ,, seelisch zu weich" für diese Be­rufe sei. Versuche mit wissenschaftlicher Betätigung schlagen ebenfalls fehl, weil er ,, zu unruhig" ist. Und dann ,, üherfiel mich der Dienst am Wort: die Schauspielkunst". Dann kam der Krieg. Merkwürdigerweise macht der Chronist hier einen großen Sprung und berichtet nur von Johsts Werken, die nach 1918 erschienen sind. Er zitiert lediglich einen Ausspruch Johsts als Stellungnahme zum Krieg: ,, Frei war in ihm nur der Mensch, der das Schwert als Weltanschauung wählte." Zu welcher Anschauung der Dichter selbt sich bekannte, bleibt höflich verschwiegen. Und offenbar ist nur die Tatsache, daß er- neudeutsch ausgedrückt- nicht zu den Besten" gehörte, die sich fürs Vaterland opferten". Er blieb der Nachwelt erhalten.

Die ausführliche Würdigung der Johst  'schen Werke, die sich der Lebensbeschreibung anschließt, beginnt mit der Verherrlichung seiner lyrisch- epischen Dichtung, bespricht sehr eingehend seine Romane, um abschließend den Drama­tiker und Entdecker des neuen, nationalen Dramas" zu feiern. Auch hier fällt auf, daß alle Werke mit Ausnahme des Jugendromans Anfang" aus der Zeit nach dem Nieder­bruch ven 1918" datierten. Auch hier fehlt jegliche Aus­kunft darüber, wo der Verherrlicher des Krieges, der Mann,

S.

sächlich gelang, seine ,, zwei Meter Pflicht" in einer Irren­hauszelle abzuleisten. Es taucht weiter aus der Lücke" ein Theaterstück auf, symbolisch Morgenröte" genannt, das in der Zeit des Krieges entstanden ist und das man ver­geblich in der gleichgeschalteten Liste der unvergänglichen

Werke" sucht.

Darin philosofierte Hanns Johst  :

,, Krieg ist für die Aristokraten Ehrensache. Für den Handel ein Geschäft und für das Proletariat eine Dezi­mierungsangelegenheit."

Damit noch nicht genug, nahm er auch Stellung zur Vaterlandsliebe:

99

Vaterlandsliebe kann Beschränktheit sein. Gewöhn­lich ist sie gesetzliche Vorschrift." Hanns Johst   fühlte sich nicht beschränkt genus sein kost­bares Ich aus Vaterlandsliebe aufs Spiel zu setzen.

Zugegeben: jeder suchende Mensch muß seine Erkennt­nisse umformen nach seinen Erfahrungen. Die Urteile des Jünglings werden oft überholt durch die des Mannes. Und mancher gelangt auf Umwegen zu seiner Ueberzeugung. Man wird ihn deshalb nicht durch seine eigene Vergangenheit belasten können, sondern zunächst untersuchen müssen, ob die Beweggründe seiner Wandlung sauber und echt waren. Diese Sauberkeit ist aber dann in Frage gestellt, wenn der Umweg" sich an den vorhandenen Gewinnaussichten orien­

29

tierte.

Hanns Johst   gehört nach seinem eigenen Ausspruch zu der Kategorie des Handelns, der aus dem Krieg ein Geschäft macht". Er handelt zwar nicht mit Bomben und Maschinen­gewehren, sondern mit geistigem Sprengstoff. Er hat mit sicherem Instinkt in richtiger Stunde den richten Stoff" gepackt und schreit nach., Blut, Blut, Blut" und", explo dierten Seelen", weil seine Auftraggeber es so wünschen. Und weil er wiederum nach seiner eigenen Charakteristik ,, seelisch zu weich" war, um den schillernden Lockungen der Konjunktur widerstehen zu können.

-

Der ,, nationale" Film

der, nach Priestern schreit, die den Mut haben, Blut, Blut Schnell abgesetzt zu vergießen, nach Priestern, die schlachten" in der Zeit des großen Schlachtens gestanden hat. Die Frage bleibt offen, wo der Mann 1914 bis 1917 war, der seine Helden ausbrechen läßt in den ekstatischen Ruf: ,, Wo ist die Be­fehlstelle, wo in aller Welt, die mir meinen Posten gibt, die zwei Meter Wirklichkeit, die zwei Meter Pflicht, die zwei Meter Front!"

Offenbar hat der gleichgeschaltete Biograf hier etwas nachzuholen. In Hanns Johsts Biografie klafft eine Lücke.

99

Diese Lücke scheint ein dunkler Punkt zu sein. Vielleicht auch ist das Wort von den Umwegen" symbolisch zu wer­ten. Es werden Stimmen laut, die da behaupten, daß Hanns Jobst, der blutrünstige Barde und Verherrlicher des held­ischen Ja bis zur letzten Passion" sich während des Krieges zu diesem ,, Ja" nicht aufraffen konnte. Daß er als redikaler Pazifist, der er damals war, lieber Wahnsinn simulierte, als sich zum Kriegsdienst zu stellen. Und daß es ihm tat­

L.-K.

Die Besucherzahl der Berliner   Lichtspieltheater geht ständig weiter zurück. Die Einkünfte aus der Lustbarkeits­steuer betrugen von April bis Oktober 1932 noch 2 179 000 Reichsmark, in der gleichen Berichtszeit des Jahres 1933 je­doch nur 1822 000 Reichsmark. Dabei ist die ,, nationale Kinokunst" offenbar wenig beliebt, da der Anteil auslän­discher Filme in den Programmen der deutschen Kinos un­gleich höher als früher ist. Hinzu kommt, daß die Laufzeit der Auslands- Filme durchweg größer ist als die der neuen Nazifilme. SA.- Mann Brand", Hitlerjunge Quex  ", Haus Westmar" usw. mußten in den großen Uraufführungs- Kinos sämtlich nach längstens zwei Wochen Laufzeit abgesett werden. Selbst diese Laufzeit ist nur dadurch erreicht worden, daß ganze SA- Abteilungen und NSBO.- Gruppen ge. schlossen und zu ermäßigten Preisen in die Kinos komman­diert wurden.

Hetal stain M- At Neue SA.- Uniform A bru

Ade, du braunes Ehrenkleid, du Kleid wie Schokolade;

stolz trug ich dich in Stunk und Streit und kühn bei der Parade. Zwar mußte ich die Garnitur

mir einst vom Juden pumpen,

doch immerhin warum denn nur?.

jetzt fliegst du in die Lumpen.

Mich packt dran hing doch unser Traum­ob des Befehls der Führung

teils Groll, ich fasse dies ja kaum, teils Bitternis und Rührung. Olivgrün malt man jetzt uns an, mein Herz siehts kühl und eisig, denn schließlich ist der SA.- Mann kein Papagei und Zeisig.

Keine schönre Farbe ist doch, als die uns den Sieg errungen.

Nun würgts in Magen mir und Hals und kratzt mir in den Lungen. Warum, he, Adolf, sag, warum? Es gärt in unserm Trosse. Was wirfst das Braun du jetzt wie dumm jetat wie dum verächtlich in die Gosse? Warum?! Ich frag es schroff und hohl, daß es dich packt und reiße: War dieses Braunkleid nur Symbol? Dann war dein Sieg auch... Schade!

M. I. Grant,

Ein Bauer über Blut und Boden

,, Maulwürfe" von Adam Scharrer  

Der neue deutsche Literaturkitsch stellt sich als boden­ständig vor, auch wenn er von Hamsun   abgeschrieben ist, wie die sanft- faden Bücher von Waggerl  , der seit Neuestem von den bekannten 14 Jahren großmäulig schwätt; alle die Herren von der Dichterakademie, die die Getreidearten kaum von einander unterscheiden können und die vor dem Geruch der dörfliehen Mistgruben die Nasen zuhalten, die Stegu­weit, Brües, Scholz, Beumelburg und wie der ganze neu­deutsche Helikon sonst noch heißt, sie alle sind bodenstän­dig und reden von Scholle, Blut, Boden, völkischer Ehre. Da gibts schon ein Schema für den neuen deutschen Bauern­roman: den biederen Landmann, dem der bösartige natürlich jüdische Viehhändler das Fell über die Ohren zieht und der so nebenbei die blondhaarigen Bauernmägde verführt und vergewaltigt, bis der Osaf das Bauernvolk aufweckt und der argentinische Darré, der seinen Akzent nicht für Gold her­gibt, die Bauern aus Zinsknechtschaft und Judenketten be­freit. Hitlerfahnen sind auch im Bauernroman das happy end, das die Reichsschrifttumskammer vorschreibt.

Der Bauernroman dieser Zeit wird nicht im Reich gedruckt werden. er ist konfiskabel. Er muß im Ausland erscheinen und er kann ins Reich nur eingeschmuggelt werden. Der fränkische Bauer Adam Scharrer   hat den Bauernroman dieser Zeit geschrieben; das Buch heißt ,, Maulwürfe" und ist im Malik- Verlag   zur Zeit: Prag  , erschienen. Wir lesen die Geschichte eines Dorfes, die Geschichte der bäuer­lichen Klassen dargetan an den Verhältnissen eines Dorfes, Ein armer Hund erzählt das Leben, Hungern und Sterben von armen Hunden, von Dorfproleten, die aufmucken, die sich organisieren wollen, die sich zur Wehr setzen wollen, gegen die Herrenkaste des Dorfs. Scharrers Buch ist die Ge­schichte einer Niederlage; die Dorfproleten werden ge­schlagen, die Herrenkaste bleibt Sieger, denn sie weiß sich die SA. genau so dienstbar zu machen wie der Thyssen. Ganz klar und deutlich macht dieses Buch den bäuerlichen Klassenkampf, die Idylle der zugelassenen Dichter stimmt nicht, heute ebenso wenig wie jemals.

Der Bauernroman Adam Scharrers entlarvt die boden­ständige Literatur des dritten Reichs". Deutlicher als eine wissenschaftliche Abhandlung das vermöchte, zeigt dieses Buch die offiziellen Phrasen eben als Phrasen. Dieses sehr wortkarge und ohne jede Aufdringlichkeit geschriebene Buch wird als eines der stärksten antifaschistischen Bücher bestehen bleiben, wenn die Maulwürfe ihre Arbeit vollendet haben werden; denn wenn dieses Buch auch eine Nieder­lage erzählt, es erzählt sie so, daß jeder Leser genau weiß, das letzte Wort dieses Buches ist nicht das letzte Wort der deutschen   Geschichte.

Deutsch die Uhe

WenzelSladek.

deutsch der Klang"

Bewußt oder gefühlsmäßig unbewußt hat sich schon längst ein gewisser Widerstand gegen dieses fremde hohle Bim- Bam in uns herausgebildet. Da haben sich nun in Schwenningen   bei Kienzle Männer hingesetzt, um der deutschen   Uhr die neue deutsche Stimme zu geben. Der deutsche Gong schlägt jede halbe Stunde die Eingangstakte des Horst- Wessel- Liedes, der Potsdamer Gong die Melodie des Glockenspiels der Garnisonskirche in Potsdam  . So wird von nun an unsere Uhr deutsch zu uns sprechen."( ,, Die neue Linie", Novemberheft.)

Zeit- Notizen

In einem Vortrag zur Begründung der preußischen De zentenschaft an der Universität Köln   wurde nach einem Bericht der Kölnischen Zeitung  " erklärt: Die Freiheit des Forschers im nationalsozialistischen Staat besteht nicht für jeden... Der Forscher muß Nationalsozialist sein... wad den Führern unbedingt Gefolgschaft- leisten."