falow bbins11
Fretheil
-
Nummer 30 2. Jahrgang
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Saarbrücken, Dienstag, 6. Februar 1934
Chefredakteur: M. Braun
oland And
Aus dem Inhalt
Wilder Kulturkampf im Rheinland
Segers Stealantrag
Priester für ermordete
Kommunisten
Seite 3
Seite 5
Seite 8
3
12
Ein Ruf nach starker Führung
H. W. Seit Samstag find die 18 Rüstungsfragen, die Hitler- Deutschland als Antwort auf das französische Aide Memoire vom 1. Januar an Frankreich gestellt hat, im, Wortlaut bekannt. Diese Fragen lassen zwar eine sehr lange und ausgiebige Diskussion zwischen den beiden Regierungen zu, führen aber unmöglich zu einer deutsch - französischen Konvention und von einer Rückkehr Deutschlands in den Völkerbund ist in dem deutschen Memorandum nirgendwo die Rede. Es enthält lückenlos die Ausrüstungsforderungen Hitler Deutschlands, an deren Berwirklichung während des diplomatischen Gesprächs fieberhaft gearbeitet wird.
Wie wird Frankreich reagieren? Wird es sich noch weiter hinhalten lassen oder nun rasch Klarheit schaffen über die Grenzen, die der deutschen Ausrüstung- etwas anderes kommt praktisch nicht mehr in Betracht gezogen werden sollen.
Die Antwort auf diese Frage sezt eine Regierung von starfer Autorität nach innen und nach außen voraus. Als vor einer Woche das neue Kabinett Daladier ans Ruder fam, begrüßte es der Führer der oppositionellen Rechten, der frühere Ministerpräsident Tardieu, in der„ Liberte" so: Ein Kabinett Daladier im Februar 1933 ließ sich zur Not rechtfertigen, aber ein Kabinett Daladier im Februar 1984 ist unerträglich. Daladier ist der Mann des Macdonald- Planes, der Frankreich entwaffnet, er ist der Mann des Viermächtepaktes, der Frankreich isoliert, er ist der Mann der Sonderbesprechungen mit Hitler , die den Schatten Napoleons III, heraufbeschwören. Er ist der Mann der Vierzigstundenwoche und der Mini mallöhne.
Der letzte Satz offenbart. daß die Nationalisten in Frank reich , wie überall, in ihrem hochgestimmten Patriotismus die Portemonnaie- Interessen der Besitzenden nicht vergessen. Die programmatischen Säße Tardieus zeigen aber auf jeden Fall flar, mit welchen Mitteln und zu welchen Zielen die Rechte in wachsender oppositioneller Kraft gegen das Kabinett Daladier anrennen wird.
Das Kabinett hatte eine achttägige Besinnungs- und Stabilisierungspause zwischen seiner Ernennung und seiner ersten Bewährung vor der Deputiertenkammer. In dieser einen Woche hat es die Fäden, die zwischent dem von links unterstüten Rabinett und Gruppen der Rechten bestanden, zerrissen. Der Polizeipräfeft Chiappe von Paris , der politisch zur Rechten gehört, aber trotz dem Linkssiege im Jahre 1932 im Amte gehalten und von dem halb Dußend radikalen Kabinetten seither im Amte gelassen worden war, ist unter dem Druck der Sozialisten entlassen worden. Der Pariser Polizeipräfeft ist in Frankreich einer der mächtigsten Män
ner, und es gehört zu den größten politischen Seltenheiten, daß seine Abberufung erfolgt. Die Regierung wollte das Ereignis dadurch abschwächen, daß sie Herrn Chiappe anbot, Generalresident von Maroffo zu werden. Er hat das schroff abgelehnt und richtete an den Ministerpräsidenten einen Brief, der deutlich die Schwere der innerpolitischen Spannung anzeigt:
Zur Erleichterung einer politischen Operation- denn ein anderes Motiv liegt Ihren Entscheidungen nicht zugrunde tann ich auf keinen Fall meinen persön lichen Ruf und das Ansehen opfern, das ich meinem bisherigen Amt und Titel verdanke. Das Haus, das Sie mich zu verlassen zwingen, habe ich
als reicher Mann betreten. Ich verlasse es als armer großzügig angeboten wird, ist in meinen Augen und zu
Mann. Die unerklärliche Beförderung, die mir allzu
dieser Stunde nur ein Mißtrauensvotum. Des wegen lehne ich sie a b."
Der Kriegsminister Fabry, der Finanzminister Pietri und der Unterstaatssekretär Doussain haben sofort demissioniert. Wenige Stunden später waren Paul- Bon cour zum Kriegsminister, der radikalsozialistische Abgeordnete Marchande au zum Finanz- und Haushaltminister und der radikalsozialistische Abgeordnete Jaubert zum Unterstaatssekretär im Finanz- und Budgetministerium ernannt worden. Ministerpräsident Daladier hat also sein Rabinett energisch zu einer reinen Lintsregierung umgebildet. Die Unterstützung der Linken ist ihm
ficher, wobei allerdings sehr zweifelhaft ist, wie lange er finanspolitisch und außenpolitisch an der Seite Leon Blums bleiben fann.
Die rasch aufeinanderfolgenden Ministerkrisen nähern sich einer Krise des parlamentarischen Systems, die allerdings nicht so tiefgreifende Umwälzungen mit sich bringen würde wie die deutsche, da die französische Wirtschaft und der fran zösische Gesellschaftsaufbau bei weitem nicht die Erschütterungen und Zersetzungen erlitten haben wie in Deutsch land . Die Krise ist viel mehr psychologischer Natur und fann mit psychologischen Mitteln zurückgedrängt werden. Ministerpräsident Daladier hat eine große Möglichkeit, die moralische Niederlage des französischen Parlamentarismus mit moralischen Kräften auszugleichen: die rücksichtslose Untersuchung der Stavisty- Affäre und die schonungslose Ausmerzung und Bestrafung der Schuldigen. Daladier hat seinen Entschluß dazu kundgetan. Der sofort nach der Wiedereröffnung des Parlaments zusammentretende Untersuchungsausschuß werde alle Dokumente, auch die vollständige Liste der Staviskyſte ber Stayi Schecks erhalten.
sto staid
Thomas Masaryk , der über 80 Jahre alte Staatspräsident der tschechoslowakischen Republik seit ihrem Bestehen, dessen Amtszeit am 27. Mai des Jahres abläuft. Die Neuwahlen wurden jetzt für den 17. Mai angesetzt, doch nimmt man an, daß Präsident Masaryk auch zum drittenmal wiedergewählt wird. An sich steht die tschechische Verfassung eine Wiederwahl des Präsidenten nicht vor, nur für Masaryk wurde int Anbetracht seiner überragenden Verdienste um die Selbständigkeit der Tschechoslowakei eine Ausnahme gestattet. Masaryk ist inmitten der" Diktaturen" ein überzeugter und erfolgreicher Vorkämpfer echter Demokratie.
Diese geheimnisvollen, von vielen und bedrohlichen Gerüchten umgebenen Schecks! Werden sie nicht von neuem führende Politiker kompromittieren? Werden sie der Rechten IGNOTUS: nicht neue gefährliche Waffen gegen den Kern der Regierung, die radikalsozialistische Partei, liefern? Wird die Untersuchung, wenn sie gründlich geführt wird, nicht erst recht die innerpolitische Krise verschärfen? Erfolgt aber keine energische Untersuchung, so wird sich das Mißtrauen gegen den Barlamentarismus, das von der Rechten geschürt wird, noch tiefer fressen.
Die franzöfifche Linke steht vor großen Entscheidungen, deren Lösung fie in sich selbst suchen muß, indem sie von den Fehlern der Linken in Deutschland lernt. Es ist nicht die Stunde der gelehrten aber entschlußlosen Doktrinäre, sondern die Stunde willensstarker, autoritätsbewußter Politiker, die durch starke innen- und außenpolitische Aktionen das französische Volk hochreißen gegen die Gefahren, die an den Grenzen und im Innern des Landes drohen. Auch in Frank: reich ist die Zeit, in der man Kabinettskrisen als das unver= meidliche Spiel von Kräften und Gegenträften betrachten konnte, vorbei. Routiniers und Führer, die ängstlich von jedem veränderten Hauch der Volksstimmung bewegt werden, erhöhen nur die Verwirrung. Wir wünschen der französischen Republik , daß ihr aus der Linken, deren Geist weithin die französische Politik beherrscht, eine Reihe von Männern erwachsen, die Frankreich in republikanischer, sozialer Gesins nung das bringen, wonach das französische Volt sich sehnt: die starke Führung. Nicht nur Frankreich , sondern die Kultur ganz Europas braucht eine starke französische die Kultur ganz Europas braucht eine starke franzöfifche Regierung, denn die legte und wichtigste Entscheidung über das Vorherrschen der Zivilisation oder Barbarei in Europa fällt in Paris .
Eine sozialistische Stimme Der ,, Populaire" schreibt:
Die Nachricht von der Absetzung Chiappes wirkte wie eine Bombe. Sie hat bei den Reaktionären große Bestürzung hervorgerufen, da dort anscheinend die Auffassung vertreten war, der Polizeipräfekt sei„ tuba ".
Die öffentliche Meinung wird die Absetzung Chiappes mit Genugtuung aufnehmen. Die Bevölkerung von Paris war dieses mächtigen Polizeimannes überdrüssig, der den Willen der Regierungen im Schach gehalten hatte und versuchte, aus der Polizei einen Staat im Staate zu machen.
Antiparlamentarische Treibereien Von rechts her aufgeputschte Kundgebungen
Paris , 5. Febr. Bei den Kundgebungen, die die Anhänger der Action Francaise und anderer rechtsstehender Verbände am Sonntagabend auf den großen Boulevards veranstaltet haben, wurden 75 Verhaftungen vorgenommen. Der neue die polizeilichen Abwehrmaßnahmen. Pariser Polizeipräfekt Bonnefon- Sibour leitete persönlich
Aufführung von Shakespeares„ Coriolan" ebenfalls zu In der„ Comedie Francaise " tam es während der Kundgebungen. Nach dem Bericht des„ Echo de Paris" erhob sich, als der Vorhang hochging, in einer Galerie ein Zuschauer und hielt an das Publikum eine Ansprache, in der er gegen die Entfernung des bisherigen Intendanten Fabre mit der Erklärung protestierte, daß niedrige politische Machenschaften daran schuld seien. Der Redner wurde von dem im Saal anwesenden Ordnungsdienst zum Schweigen
oral Fortsetzung fiehe 2. Seite
Kriegserklärung an Oesterreich Oesterreichs Innenpolitik außenpolitisch bestimmt- Eroberung durch Hitler Anfang März- Gesamtlage und Gesamtlösung
Ich fürchte, es war eine verlorene Mühe, die Memo randen der englischen, der italienischen und der französi schen Regierung Saz für Satz durchzuprüfen. Die Situ ation, die durch diese Dokumente wiedergespiegelt wird, ist die Situation von gestern. Sie hat ihre Aktualität gewiß nicht ganz verloren und wird wahrscheinlich nach einer ganz kurzen Zeit wieder als bedeutsam erscheinen. Jeder Tag hat aber seine Sorgen, und die größte Sorge von heute ist die sich immer schärfer zuspißende Entwicklung zwischen Desterreich und dem dritten Reich".
Nicht überall wollte man wahrnehmen, daß die Rede Hitlers in den Stellen, die sich auf Oesterreich bezogen, eine sehr ernst zu nehmende Drohung war. Wie gerne möchte man in manchen europäischen Hauptstädten, vor allem in Rom und in London , diese Stellen überhaupt nicht gehört haben! Man möchte doch glauben, daß Hitler wirklich eine ehrliche Friedensrede gehalten hat. Das Blatt des Lords Rothermere,„ Daily Expreß ", das früher eine so große Reklame für Hitler gemacht hatte, findet es erstaunlich und unglaublich", daß der große Teil der englischen Presse diese Rede als eine große Friedensbotschaft empfangen hat. Wir staunen nicht mehr. Gewiß hat„ Daily Expreß " recht, indem es schreibt, daß Hitler gar nicht ernsthaft den Frieden vorschlägt, sondern den bestimmten Kriegsplan durchführt, der darin besteht, daß seine Gegenpartner voneinander getrennt werden sollen, um dann einzeln geschlagen zu werden. Man glaubt aber halt das, was man glauben will. Namentlich in einer so trostlosen Zeit, wie die unsere.
Die Reichsregierung hat aber selbst durch die Veröffentlichung ihrer Antwort auf die österreichische Vorstellung dafür gesorgt, daß ihre Drohungen gegen Desterreich jetzt überall gehört werden müssen. Diese Antwort ist eine Kriegserklärung wie es auch die Rede von Hitler war. „ Es ist selbstverständlich, daß durch die politischen Grenzen zwischen dem Reich und Desterreich das Gefühl völkischer und geistiger Verbundenheit nicht beseitigt und das lebergreifen volksbewegender Jdeen nicht aufgehalten werden kann," so heißt es in der deutschen Note, d. h. in einem immer noch in diplomatischer Sprache gehaltenen Schriftstück.„ Die Kaiser Karl begangen hat, mit dem Zusammenbruch und letzte Habsburger Monarchie hat 1918 den Verrat, den der Vernichtung bezahlen müssen. Die traurigen, nur durch gegenseitige Eifersüchtelei am Leben erhaltenen Nachfolger jener Dynasten werden den neuen Verrat gleichfalls bezahlen müssen" so schreibt die offizielle Presse( Angriff"). Nur die Ausdrucksweise ist verschieden, der Sinn ist genau derselbe. Und die Voraussage des Zusammenbruchs ist sehr wohl begründet. Wenn von der deutschen Seite mit Nachdruck betont
-