Mythos Mussolini

Wir entnehmen den folgenden Abschnitt dem im Europa- Verlag in Zürich erschienenen Buche Ignaz Silones ,, Der Faschismus ". „ Es gibt einen Mythos Mussolini . Daß die Gestalt dieses Winthos sehr, aber sehr weit entfernt ist von dem wirklichen Benito Mussolini , dem in Praedappio im Departement Forli geborenen Sohne Alexanders, mag eine Tatsache sein, die wichtig ist für Biographien und Psycho­Iogen, aber nicht für uns...

Alle die Hilfsmittel, die einer modernen Diktatur zur Verfügung stehen( Kino, Presse, Theater, bildende Künste, Architektur, Musik, Schule, Kirche, Universität, Gerichte und Heer), sie alle werden täglich mobilisiert, um den Mythos Mussolini zu erhalten und auszubauen, um dessen Gestalt als den Mann zu verherrlichen, der von der Vorsehung gesandt und von den Propheten des Vaterlandes seit vor­geschichtlichen Zeiten verfündet worden ist, den Mann, um den alle Völker Italien beneiden. Die antifaschistischen Schriftsteller, die im Ausland leben, haben sich bemüht, den Mythos zu zertrümmern und an seine Stelle die wirkliche historische Gestalt Mussolinis zu sehen, die Gestalt des fleinen Bürgers, der„ Glück gehabt hat" und der emporstieg, indem er seine Freunde verriet. 1914 verriet er die Soziali­stische Partei und wurde Interventionist" der Linken; 1919 verriet er die„ Interventionisten" der Linken und wurde Expansionist; 1920 verriet er die Expansionisten( d'Annunzio) und wurde Agrarier und unterschrieb einen Friedenspakt mit den Sozialisten; darauf verriet er den Paft und kehrte zu den Agrariern zurück; 1922 schloß er als Republikaner ein Abkommen mit der Monarchie, als Antiflerifaler ein solches mit den Katholiken; 1923 verwirklichte er, der durch die Kleinbourgeoisie mit einem fleinbürgerlichen Programm zur Macht gehoben wurde, ein Programm, das jenem voll­tommen entgegengesetzt war. Die Distanz zwischen dem wirklichen Mussolini und der Gestalt des Mythos ist nicht gering und hat in manchen einfachen Herzen Zweifel wach­gerufen.

Wenn Mussolini im Grunde nur ein kleiner machtvoller Bürger ist, wie lassen sich sein Erfolg und sein Ansehen erklären?"

Diese Frage kann ich nicht besser beantworten als mit Trozzki, der in bezug auf Hitler sagt:

Naive Leute glauben, die Königswürde stede im König

selbst, in seinem Hermelinmantel und in der Krone, in seinem Fleisch und Bein. Aber die Königswürde ist ein Ver­hältnis zwischen Menschen. Der König ist nur darum König, weil sich in seiner Person die Interessen und Vorteile von Millionen Menschen widerspiegeln. Wenn dieses Verhältnis vom Strom der Ereignisse weggespült wird, erweist sich der König bloß als ein verbrauchter Herr mit herabhängender Unterlippe. Davon dürfte, aus frischen Erlebnissen, jener erzählen können, der sich einst Alfons XIII , nannte.

Der Unterschied zwischen dem Führer von Gottes und dem von Volkes Gnaden ist der, daß dieser darauf angewiesen ist, sich selbst den Weg zu bahnen oder wenigstens den Um­ständen zu helfen, ihn zu entdecken. Aber jeder Führer iſt immer ein Verhältnis zwischen Menschen, ein individuelles Angebot auf eine kollektive Nachfrage. Die Erörterungen über die Persönlichkeit Hitlers sind um so hiziger, je mehr man das Geheimnis seines Erfolges in ihm selbst sucht. Indes ist es schwer, eine andere politische Gestalt zu finden, die in einem solchen Maße Knoten unpersönlicher geschicht­licher Kräfte wäre. Nicht jeder erbitterte Kleinbürger könnte ein Hitler werden, aber ein Stückchen Hitler steckt in jedem von ihnen."( L. Trotzki , Porträt des National­fozialismus,„ Die neue Weltbühne", II., Nr. 28.)

Es genügt dies, um zu begründen, warum wir hier darauf verzichten, ein biographisches Profil Mussolinis zu ent­werfen. Die Analyse der Kräftebeziehungen der italienischen Geschichte in der Nachkriegszeit erklärt den Mythos Musso­ lini viel besser als eine psychologische Charakterdefinition. Deshalb haben wir in diesem Buche der Persönlichkeit Mussolinis nicht viel Platz eingeräumt, das heißt, wir haben ihr den Platz eingeräumt, den sie verdient. Ein jedes Mal, wenn wir Gelegenheit hatten, Mussolini zu erwähnen, so geschah es, um darauf hinzuweisen, daß der Faschismus bei jeder Wendung, die seine Entwicklung nahm, eine Richtung einschlug, die der von ihm ursprünglich ins Auge gefaßten diametral entgegengesezt war. Es war dies seine grund­Tegende politische Qualität."

Nicht Frieden, sondern Krieg Eine englische Stimme, die den Reichskanzler kennt

,, Daily Expreß ", das Blatt von Lord Rothermere , hat längere Zeit eine große Reklame für Hitler gemacht. Sein deutscher Korrespondent begleitete Hitler bei seinen Wahlflügen und ist auf vielen Bildern mit der Besatzung des hitlerschen Flugzeuges zusammen zu sehen. Um so beachtensmerter ist die Stellung, die„ Daily Expreß " jetzt der letzten Rede Hitlers gegenüber eingenommen hat. Erst hat das Blatt es überhaupt nicht für nötig ge­halten, über diese Rede zu schreiben. Es geschah aber, wie es im Leitartikel des Blattes vom 1. Februar heißt, etwas„ Erstaunliches, Unglaubliches". Der„ Humbug" von Hitler ist ernst genommen worden,„ der größere Teil der englischen Presse hat die Reichstagsrede als Friedens botschaft empfangen". Angesichts dieser„ erstaunlichen, unglaublichen" Tatsache äußert sich nun das Blatt folgendermaßen:

Hitler schlägt nicht ernsthaft den Frieden vor. führt einen Kriegsplan durch. Seine Strategie geht da= hin, die Gegner voneinander zu trennen, um sie einzeln zu schlagen. Er will gewinnen bataillonsweise, nicht durch einen Massenangriff auf der ganzen Linie. Der Druck an der östlichen Grenze wird gemildert, um sich gegen Euden zu richten. Die Spitze des augenblicklich geführten Angriffes ist gegen Desterreich gerichtet. Dieses Land wird bald in seiner( Hitlers ) Macht sein. Fast ein Siebentel der Wiener Bürger sind Juden. Ihre Flucht aus der Stadt wird dem neuen Erodus ähnlich sein. Hitlers Treschflegel wird geschwungen und sie( die Juden) werden zerstreut in alle Richtungen, wie die vom Wind aufge­triebene preu."

Jn gleicher Summer werden an anderer Stelle in großer Aufmachung die„ enormen" Kriegsvorbereitungen Deutschlands geschildert, und der Leitartikel macht dann die Leser auf diese Schilderung besonders aufmerksam.

,, Der besorgte Osaf"

Jedem Deutschen ,, ziviler" Luftschutz

Eine Korrespondenz( LGK.) versendet folgende Nachricht: Bei Um- und Ausbauten zu Zwecken des zivilen Luft­schußes beträgt der Reichszuschuß 50 Prozent der Aufwen dungen in bar und Zinsvergütungsscheine zu jährlich 4 Pro­zent der zweiten 50 Prozent. In einem Runderlaß der Reichsminister der Finanzen vom 10. Oktober 1983, der in

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den nächsten Tagen den Finanzämtern zugehen wird, heißt es: Alle Aufwendungen, die Zweden des zivilen Luftschuzes dienen, können bei Ermittlung des Einkommens aus Ge­werbebetrieb, aus Land- und Forstwirtschaft und aus Ver­mietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen ( einschließlich des Mietswerts der Wohnung im eigenen Haus) für Zwecke der Einkommensteuer und Körperschafts­steuer im Steuerabschnitt der Ausgabe voll abgesetzt werden. Beispiel: Die Aufwendungen für den Umbau oder Ausbau, der bestimmt ist, Zwecken des zivilen Luftschutzes zu dienen, betragen 2000 RM. Für den Gebäudeeigentümer ergibt sich folgende Berechnung:

1000 RM.= 50 Prozent Reichszuschuß in bar,

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240 RM. Zinsvergütungsscheine zu sechsmal 4 Pro­zent von 1000 RM., fällig 1934-1939.

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rund 100 RM. Ermäßigung der Einkommensteuer in­folge der Erhöhung der Werbungskosten gemäß dem Rund­erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 10. Oft. 1933, 100 RM. Ermäßigung der Einkommensteuerschuld ge= mäߧ 1 des Gesetzes über Steuererleichterungen vom 15. Juli 1933( Abschnitt 6, Abs. 3 der amtlichen Erläuterungen vom 20. August 1933).

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Aus dem Wörtchen„ zivil", das dem Wort„ Luftschuh" vor­angestellt ist, sieht man, wie friedlich die ganze Sache ist. Der zivile Luftschutz" soll die Deutschen davor schützen, daß ihnen ein Flugzeug der Lufthansa auf den Kopf fällt. So vorsorg­lich ist des Osafs humanitäre Regierung.

Die Gattin des Rennfahrers Caracciola durch Lawinen- Unglück getötet

GAG

Der Rennfahrer Rudolf Caracciola mit seiner Gattin. Frau Caracciola , die sich zum Wintersport in Arosa aufhielt, wurde auf einem Ski- Ausflug zwischen Arosa und Lenzer­heide von einer Lawine erfaßt und verschüttet. Erst nach vielen Stunden konnte sie als Leiche geborgen werden.

1790 geboren..

Ein Pensionskuriosum

In Weimar lebt eine hochbetagte Dame, die wohl den Anspruch erheben darf, den ältesten begründeten Pen­sionsanspruch unter allen Zeitgenossen zu genießen. Sie bezieht eine gar nicht unbeträchtliche Pension als Gattin eines früheren thüringischen Hofbeamten- man fann schon sagen, aus altthüringischer Zeit. Denn ihr verstorbener Ge­mahl, der diesen Anspruch erarbeitet hat, ist sage und schreibe im Jahre 1790 geboren! Von seiner Geburt ab bis heute wird also ein Zeitraum von mehr als 140 Jahren überbrückt. Bei den verschiedenen Neuordnungen der Nachkriegszeit

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haben wiederholt die Urkunden vorgelegt werden müssen, und man kann sich vorstellen, welches Aufsehen es immer wieder auf den Aemtern erregte, wenn der längst zu einer handelsfähigen Antiquität gewordene vergilbte Geburtsscheint von 1790 auftauchte und sein lebendes Recht beanspruchte.

Aber die Sache hat ihre volle Richtigkeit. Der damals 82jährige Herr hat im Jahre 1872 seine iezt noch lebende Gattin als junges Mädchen von 18 Jahren geheiratet. Und da wir beträchtlich ältere Kriegsteilnehmer von 1870 haben, die sich hoffentlich noch recht lange einer gesegneten Gesundheit erfreuen, so ist der Fall gar nicht so merkwürdig, wie er auf den ersten Blick erscheint, und es ift zu erwarten, daß diese wohl älteste Pension Deutschlands ihrer sehr munteren und rüftigen Empfängerin noch auf weitere Sicht zugute kommt.

Das Neueste

Die Balkankonferenz wurde am Sonntag abges schloffen. Der Balfanvertrag wurde paraphiert.

3wei japanische Bombenflugzeuge sind ins Meer gestürzt. Alle Insassen sind ertrunken.

3wei Güterzüge stießen in Preistretscham in Schlesien zusammen. Ein Lokomotivführer wurde getötet. Zwei Beamte sind schwer verletzt worden.

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Aus Sapulpa( Oklahoma ) wird gemeldet: Bei einem Kampf zwischen Polizei und vier Banditen wurden zwei Polizisten getötet. Von den Banditen wurden zwei getötet und die beiden anderen, einer von ihnen schwer verwundet, verhaftet. Als die Berhafteten ins örtliche Gefängnis ges bracht worden waren, versammelte sich alsbald eine auf: geregte Bolkemenge, und die amerikanischen Behörden schid ten schleunigst eine Kompanie Miliz an Ort und Stelle ab, um einen Lynchversuch zu verhindern.

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Ein 52jähriger römisch- katholischer Geistlicher namens John Garden wurde in seinem Hause in Helmia, ungefähr 10 Kilometer von Kairo entfernt, ermordet. Die Verbrecher hatten ihm offenbar nach heftigem Widerstand die Kehle durchschnitten und dann das Hans geplündert. Aus zahlreichen Fingerabdrücken und Fußspuren schloß die Polizei, daß drei Personen an dem Verbrechen beteiligt waren. Später wurden drei verdächtige Männer verhaftet. Der Ermordete hat als Armeekaplan am Weltkriege teils genommen und war mehrfach in Depeschen rühmlich erwähnt worden.

BRIEFKASTEN

Arosa. Sie schicken uns den folgenden Ausschnitt aus der Käl­nischen Zeitung":" Der erste Olympia- Vorbereitungslauf der Lang­streckenläufer im Tegeler Forst war ein voller Erfolg. Unter den rund 400 Teilnehmern befanden sich neben der besten Berliner Atlasje auch einige Läufer aus Minden und Leipzig . Um die be fondere Eignung der Kandidaten für die verschiedenen Streden zu erproben, waren drei Klassen über 6, 12 und 18 Kilometer vor­gesehen, die durchweg durch recht hügeliges Gelände führten. Das Hauptinteresse beanspruchte der Lauf über 18 Rilometer, in dem der deutsche Waldlaufmeister Rohn( Polizei) eine ganz überlegene Rolle spielte. Er übernahm bald nach dem Start die Führung und lief ein Rennen für sich nach Hause, um mit über zwei Minuten Vorsprung das Ziel als Sieger au passieren." Sie sehen also: selbst im„ dritten Reich" drängen fich die Juden vor. Weltfront". Befreit hat, wie die soeben erschienene erste Februar Nummer der Weltfront" mitteilt, die Belegschaft der Chem­niger Textilfabrik Witt ihren roten Betriebsratsvorsißenden aus dem Konzentrationslager. Diese Nummer der Weltfront" erbringt die Beweise dafür, daß Japans Luftflotte, die heute die Städte der Mandschurei verheert, von Hitler und Göring mit deutschen Flugzeugen und Motoren ausgerüstet wird. Packende Episoden aus dem Kampf der französischen Bauern und des deutschen Prple­tariats, die welterschütternden Zahlen des zweiten Fünfjahres­planes und die Abrechnung mit einem Jahr Hitler- Diktatur daz ist eine kleine Auslese aus dem reichen Inhalt dieses für jeden Werktätigen bedeutsamen und gut unterrichteten Kampforgans.

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