Deutsche Stimmen Beilage zur Deutschen Freifieit" Ereignisse und Geschichten

Fritz Haber

Der Vater des chemischen Krieges

Der Name des Chemikers Fritz Haber , der soeben im Alter von 65 Jahren gestorben ist, steht mit goldenen und mit blutigen Lettern im Buche der Weltgeschichte. Wenn nun angesichts seiner Leiche der Ruhm dieses Mannes in allen Ländern verkündet wird, so ehrt man nicht nur einen der hervorragendsten Chemiker Deutschlands , nein, der ganzen Welt, sondern auch gleichzeitig einen der größten Wohltäter und Verderber der Menschheit. Denn die Bedeutung des wissenschaftlichen Wirkens Fritz Habers kann nicht hoch genug eingeschätzt werden: sie geht weit hinaus über die Laboratorien des Berliner Kaiser- Wilhelm- Instituts für physikalische Chemie, dessen Leiter er bis vor kurzem war, sie ist von wirklich welthistorischem Ausma. Die Wichtigkeit der Arbeiten Habers liegt vor allem darin, daß sie nicht auf das Gebiet der wissenschaftlichen Theorie beschränkt blieben, sondern praktisch in das Leben aller eingriffen.

Haber ist vor allem durch sein Verfahren zur Gewinnung

von Stickstoff aus der Luft in aller Welt berühmt geworden. Diese Entdeckung, die er gemeinsam mit Karl Bosch bis zur höchsten Vollendung ausgebaut hat, ist zu nächst volkswirtschaftlich deshalb bedeutungsvoll, weil das Rohmaterial, aus dem der ,, künstliche Stickstoff" erzeugt wird, das biligste und verbreitetste ist, das man sich nur denken kann: nämlich in der Luft. Haber ist es gelungen, Stickstoffverbindungen aus der Luft herzustellen.

Wozu braucht man den Stickstoff? Nun, Stickstoff ist vor allem für das Leben der Pflanzen unentbehrlich und damit auch für die auf Pflanzenkost angewiesene Menschheit. Auf Grund des Haberschen Verfahrens ist es gelungen, künst lichen Dünger, der zum wesentlichen Teil aus Stick­stoffverbindungen besteht, zu erzeugen. Die Entdeckung Habers hat also nicht nur der Industrie, sondern auch in der ganzen Landwirtschaft geradezu revolutionierend gewirkt. Welcher Segen ist damit aus dem Gelehrtenzimmer Habers über die ganze Menschheit gekommen!

Der treue Hans Friedrich

Das Schicksal ruht in dir, Du sollst es entfalten;

Gott will dich selbst und hier, Dein ist das Gestalten.

Gesetz ist nimmer das gleiche, Ist jedesmal neu.

In seinem unendlichen Reiche Gilt eins nur: Bleib dir treu!

Hans Friedrich Blunck Vorsitzender der Reichsschrifttumskammer.

Diesen spruch finden wir in einem Buch, das Geleit­sprüche zu dem am Samstag in Anwesenheit aller braunen Honoratioren pompös gefeierten Fest der Berliner Presse enthält. Es war eine einzige Versammlung von Treuen . Un­ter ihnen blühte rosig der Schädel des allergetreuesten Hans Friedrich, der vor vierzehn Monaten mit warmherzigen Blicken aus blaufunkelnden Augen republikanischen Führern versicherte, für die Idee der Freiheit und der Volksrechte den letzten Tropfen seines Herzblutes hergeben zu wollen. Aber: ,, Gesetz ist nimmer das gleiche." Gott befohlen! damit kann man sich trösten und Präsident werden.

Knudsen mit der Laterne

Der Leiter der Fachschaft für Theaterkritik im Reichs­verband deutscher Schriftsteller Doktor Hans Knudsen befaßt sich in einem Artikel mit der gegenwärtigen Lage des Theaterlebens. Im Jahre der nationalen Revolution, so schreibt er, hat sich natürlich eine Unmenge von Leuten für das Theater zum Wort gemeldet, die zwar über Be­geisterung und gute Gesinnung verfügen, leider aber keine dichterischen Talente aufweisen, und so machten sie es sich sehr einfach. Sie entnehmen aus der politischen Be­wegung die Requisiten und stellen die Nationalsozialisten den Marxisten gegenüber. So einfach komme natürlich ein natio­nales Zeitdrama nicht zustande. Die Arbeit der Lektoren

und der zuständigen Stellen werde mit so viel Gewissen haftigkeit geleistet, daß eine wirklich dramatische Begabung heute praktisch nicht unerkannt bleiben könne. In diesen einzelnen Betrieben treffen täglich fünf bis sieben Arbeiten

Mittwoch, den 7. Februar 1934

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Aber man braucht Stickstoff nicht nur für Kunstdünger, sondern auch für Explosivstoffe. Die furchtbare Gewalt der Sprengstoffe beruht zum wesentlichen Teil auf Stickstoffverbindungen. Bis zum Kriege hat Deutsch­ land zur Deckung seines Stickstoffbedarfes den natürlichen Salpeter, welcher Stickstoff enthält, aus Chile einführen müssen. 1914 waren die Munitionsvorräte Deutschlands viel zu gering, als daß es einen längeren Krieg hätte durchhalten können. Da kam den Deutschen das Habersche Verfahren zu Hilfe. für die Munitionserzeugung wurde nunmehr Luft­stickstoff verwendet. Ohne Haber wäre Deutschland im Weltkrieg binnen kürzester Zeit zusammengebrochen! So blühten aus der Erfindung dieses Mannes nicht nur Weizen und Gerste in goldener Pracht, sondern auch die Feuer­garben mörderischer Explosionen.

Aber nicht genug der Zerstörung! Haber war auch der erste, der Anleitung gab zur Verwendung von Giftgasen im lichen Mordes geschaffen, er hat in trockenen Tabellen, Kriege. Er hat die S a chlich keit des wissenschaft. in nüchternen Ziffern angegeben, welche Mengen Giftgas nötig sind, um einen Menschen aus dem Leben in einen grauenhaften Tod zu befördern. Habers Arbeiten auf diesem Gebiet waren für den Gaskampf bahnbrechend. Er war der Vater des chemischen Krieges.

Haber, der für sein Wirken mit dem Nobelpreis aus­gezeichnet wurde, hat gezeigt, wie die Wissenschaft nicht nur dem Aufbau, sondern auch der Vernichtung dienen kann. Er hat im Krieg sein ganzes Können dem deutschen Staat zur Verfügung gestellt. Er war aus tiefstem Herzen Deut­ scher . Aber er hatte einen Fehler. Er war Jude. Deshalb war für ihn, für den Mann, der Deutschland vor dem frühzeitigen Zusammenbruch im Weltkrieg bewahrt hatte, kein Platz mehr im ,, dritten Reich". War auch sein ganzes, furchtbares Kön­nen dem nationalsozialistischen Deutschland zugute ge­kommen jetzt fort mit ihm, dem Juden! Als Hitler die Macht im Deutschen Reich zufiel, verließ Haber das Kaiser­Wilhelm Institut. Jetzt ist er in der Fremde gestorben.

ein. Es wäre nicht auszudenken, was geschehen sollte, wenn diese alle gute Stücke wären. Knudsen schließt mit dem Be­kenntnis: Es wird mit der Laterne nach dem Stück gesucht, das die Zeit gestaltet und in die Zeit hineinruft. Wir er. sehnen es, wir erwarten es!

Die Predigt im ,, dritten Reiche"

Pastor P. Fiebig zeigt unter diesem Titel eine sieben Seiten starke Schrift( Verlag Heinsius, Leipzig ) an, deren In­halt kurz und bündig so wiedergegeben wird: Die Predigt muß dem Geschwätz von Selbsterlösung viel klarer zu Leibe gehen. Das wirklich Heldische wächst erst aus der Erlösung."

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In seinem Sammelwerk Jugend bekennt sich zu Christus und Nationalsozialismus "( Dresden , Günther) wird ausge­führt: ,, Nicht der Jugend überhaupt war es vorbehalten, die Weltanschauung des NS. glaubenswürdig zu erfassen, sondern insbesondere der christlich orientierten". Auch eine Gegen­schrift gegen all den Unsinn verdient es, verzeichnet zu werden: H. Vogel, Acht Artikel evangelischer Lehre um der gegenwärtigen Irrlehren willen"( Berlin . Furche- Verlag), darin die Feststellung: ,, In der Bibel geht es nicht um Helden".

An ihre Stelle...

Eine gründliche Ausmerzung

,, Neben anderen Einrichtungen liegt es den städtischen Volksbüchereien ob, zur Pflege und Verbreitung national­sozialistischen Schrifttums, soweit wie irgend möglich, beizu­tragen. Die Schriften und Bücher der überlebten Epoche wurden gründlich ausgemerzt und an ihre Stelle die Werte der nationalsozialistischen Erhebung gesetzt. So haben die nationalsozialistischen Gemeinden die Aufgabe, auf kultur­politischem Gebiete alles das zu fördern, was wahre deutsche Kultur ist. Zusammen mit dem großen Feierabendwerk der Deutschen Arbeitsfront und geleitet von der kulturpolitischen Führung der Reichsregierung, wird es ihnen gelingen, die ihnen gestellte Aufgabe in der geistigen Gewinnung des

Menschen zu vollführen."

Walter Frielingsdorf, Pressechef der Stadt Köln .

bun

Upa- Film DILA Dib b

Ein blondes Mädel. Millionär der Vater. Sie liest Grimms Märchen grade im Salon und singt: Ich hab'' nen blaugetupften Kater!" Da schrillt das goldgefaßte Telefon:

Ein armer Junge. Von den Arbeitslosen. ,, 0, falsch verbunden!" sagt er. Sie hört zu. Dann singt er: ,, Schenk mir Nelken oder Rosen!" Und morgen ist das erste Rendezvous.

Er hat nur Schuhe mit zerfetzten Sohlen, Drauf glaubt sie prompt: ein Millionär mit Spleen. Und als er sich beim Mondenschein empfohlen, da liebt er sie und siena , was?- liebt ihn!

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Doch eines Tags, im 100- PS- Wagen fährt sie vorbei, wie er beim Stempeln steht... Sie sieht's und singt: ,, Mein Schatz hat keinen Kragen!" Da hupt zum Abschied der Chauffeur diskret...

Verzweifelt irrt der Junge durch die Plätze und singt: ,, Mein blonder Traum vom Glück!" zehnmal. Doch plötzlich hat er Geld und Riesenschätze- Verdient im Krieg als tapf'rer Korporal!

Und nun kommt endlich auch die große Wende: ihr Trotz versiegt beim Drucke seines Knies. Sie reichen sich vor dem Altar die Hände, der Glocken und des Jubels ist kein Ende und junge Gänschen seufzen leis': ,, wie süß!"

Die Mädchenvolksschule heute

Satis.

In der nazi- offiziellen Zeitschrift ,, Das deutsche Frauen­werk" vom Januar 1934 schreibt die Rektorin Ella Schubert: Wir wollen hiermit klarlegen, was heute eine Mädchen­volksschule leisten muß: Rassen- und Familienkunde, Ver­erbungslehre, Auslandsdeutschtum, Luftschutz stehen im Vor­dergrund des Gesamtunterrichts; Schwimmen, Kochen, der Wandertag, die Pflege der Hausmusik, Heimkultur, Bücher­messe und die Fülle deutscher Geschichte wollen bewältigt sein. Demzufolge forscht" die deutsche Mädchenschule ,, in guten Buchwerken nach den Rassemerkmalen des deut­schen Blutes ,,, schaut und erkennt" die Zwiespältigkeiten des Mischlings".

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Rumpelstilzchen beweist es

Soeben erschien:, Gift, Feuer, Mord! Augenblicksbilder aus dem Reichstagsbrandprozeß" von A. Stein( Rumpelstilz­chen), herausgegeben vom Gesamtverband deutscher anti­kommunistischer Vereinigungen, Berlin W." Dazu sagt der Verlag: Wie ein wirres Phantom sind die Verhandlungen des Reichgerichtes an uns vorübergegeistert. Man hat in die täglichen Zeitungsberichte hineingesehen, aber sie waren lang und der ganze Prozeß dauerte Monate. Einer aber saß dabei, dessen Beobachtungssinn und Gestaltungskraft un­übertrefflich sind ,, Rumpelstilzchen". Hier beweist er das wieder aufs Glänzendste. Sein spannendstes Buch ist ein Stück Weltgeschichte und seine große Lesergemeinde wird begeistert nach Rumpelstilzchens neuestem Werk greifen. Und darüber hinaus wird dieses erschütternde Dokument

jeder andere lesen."

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Ehrenrettung der Fememörder

Ein Fritz Karl Roegels hat ein Buch erscheinen lassen: ,, Die Verräter und ihre Volksrichter", über das der Verlag sagt: ,, Dieses Buch ist die Zusammenfassung all der Taten der national- aktivistischen Jugend, die, sei es mit der Pistole oder mit Bomben, Deutschland , die Heimat, rein und sauber sehen wollte. Die das wahr machten, was dem gesunden Volksempfinden entspricht, daß unlautere Elemente ausge­merzt werden, zum Wohle Deutschlands . Wie wurde doch über die Fememörder gelogen und wie wurde über diese Leute gerichtet! In diesem Buch mit seinen Bildern, die zum Teil sehr schwer zu beschaffen waren, wird dem deutschen Volke einmal gezeigt, wie deutsche Männer in' chwersten Fällen des Vaterlandes ihr Leben einsetzten, um die Schmach von Deutschland abzuwenden. Diese Ehrenrettung der Feme­mörder wird im neuen Deutschland der Sauberkeit und Ord­nung die verdiente Aufnahme finden." Aber, meinen wir, auch in anderen Ländern.

Es war nichts los

Durch die späte Abendstunde gellen die Signale der Feuer­wehr. Ein Löschzug rast heran. Winker und Lichter glühen rot. Vier Fahrzeuge jagen heran, biegen ein, halten an der letzten Straßenecke. Radfahrer schwärmen hinterdrein. Die einsame Straße wird lebendig. Füße trappeln im Laufschritt. Schuhe an, Mantel an, Hut auf hin! Kipling hat schon recht: ,, Einmal ein Journalist, immer ein Journalist!"

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Als wir vor dem Hause ankommen, rückt die Feuerwehr schon wieder ab. Ein Mannschaftswagen steht noch da. Das Haus sieht aus wie immer. Leute schauen aus den Fenstern. Das Treppenhaus ist erleuchtet; Hausbewohner stehen drin­nen beisammen. In einem Kohlenkeller hat es ein wenig gebrannt; es ist schon vorbei. Die Feuerwehrleute kommen heraus, klopfen sich die geschwärzten Hände ab, sitzen auf. Der Wagen fährt ab; rot glühen die Lichter um die Ecke

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aus.

Die Neugierigen gehen davon, sprechend, lachend und sichtlich enttäuscht: es war nichts los. Es gab kein prasselndes Feuer, keine Flammenglut in der Nacht, keine händeringen­den Leute, keinen in den Straßenschmutz geschleppten Haus­rat. Es war nichts los es gab kein Schauspiel!

Denn das Unglück der anderen ist immer ein Schau­spiel.:

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tagen nach dem Kriege bleibt unvergeßlich: Ein Mann wird standrechtlich erschossen er steht an der Wand, furchtbar allein in einem leeren Raum. Gewehre sind auf ihn ge­richtet. Zuschauer stehen im Kreis um den Schreckensort sie müssen dabei sein und sehen, wie ein Mann erschossen wird! Und ein Reporter hat die Szene fotografiert, hat sorg­lich Belichtungszeit und Blende eingestellt, hat durch den Sucher geblinzelt und geknipst, eine Sekunde vorm Kom­mando ,, Feuer!". Nie vergiẞt man diese vier Meter leeren Raum zwischen dem Fotografen und dem Manne an der Wand. Flintenläufe, Zuschauer und ein Reporter, der ihn fotografiert das war sein letzter Anblick, eine Sekunde vorm Sterben. Kein Schrei, der ihm half, kein empörter Retter nur Zuschauer. Ein Schauspiel sein Tod..

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Als nach Hitlers Gewaltstreich die Gewerkschaftshäuser, die Arbeitersportheime, die sozialdemokratischen Zeitungen gestürmt und besetzt worden waren, hatte sich in einer Stadt das Gerücht verbreitet, daß am nächsten Tage auch die Orts. krankenkasse und die Konsumvereinsgebäude besetzt und die krankenkasse und die Konsumvereinsgebäude besetzt und die Bonzen" herausgeschmissen werden würden. Stundenlang wartete eine vielhundertköpfige Menge auf das Erscheinen der SA.. auf das Schauspiel. Leute darunter, die bestimmt. schon einmal Krankengeld von der Kasse, ihrer Kasse, empfangen, die bestimmt häufig in diesem Warenhaus des Konsumvereins, ihres Vereins, Einkäufe gemacht hatten.

Ein Bild in einer Zeitschrift aus den Berliner Revolutions. Sie waren wehrlos

ja, aber sie blieben diesem schmach­

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vollen Schauspiel nicht fern sie standen da, wie sie bei einem Schadenfeuer, einem gestürzten Gaul, einer Hoch­zeitskutsche vor der Kirche und auch bei einer öffent. lichen Hinrichtung stehen würden, neugierig und schaulustig; sie standen da und warteten auf das Schauspiel. Es fand an diesem Tage nicht statt, und enttäuscht nach stundenlangem Warten gingen die Leute schließlich davon- es war nichts los!

Und nun stehen sie im ,, dritten Reiche" und schauen zu. Fackelzüge, Aufmärsche, Gefangenentransporte, Luftschutz­übungen, Judenmädchen am Pranger, Massentrauungen in SA. - Uniform, Verhaftungen, Fahnenweihen ziehen vorüber

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es ist viel los!

Es ist die alte Geschichte: Panem et circensis Spiele!

Nein

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Brot und

ein Wunder hat Hitler doch vollbracht. Er ist das Brot schuldig geblieben und hat nur die Spiele, Schauspiele geboten. Und die Menschen sind geduldig; sie laufen den Spielen nach und glauben, daß Hitler auch noch das Brot dazu geben wird.

Einmal aber wird den geduldigen Menschen der Betrug nicht länger mehr verborgen bleiben können. Einmal wird Deutschland wirklich erwachen und erkennen:

Trots den Schauspielen-es war nichts los!

Manfred.