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Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands  

Nummer 352. Jahrgang Saarbrücken  , Sonntag Montag, 11./12. Febr. 1934 Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalt

Göcings Jagdstrecke

Seite 3

Frau Tocgler vechaftet

Seite 3

Wirtschaftsberichte

Seite 4

Kardinalerzbischof

beim Reichskanzler

Keach im Stahlhelm Seite 5

Frankreichs Sicherheitskabinett

Regierung des nationalen Widerstandes- Generalstreik für die Demokratic

H. W. Innerhalb zwei Tagen hat der greife Expräsident nung auch die Forderung nach einem Referendum hervor Kommunistenkrawalle

Doumergue   eine Regierung gebildet, die von den Rechts­bürgerlichen um Tardien bis zu den Rechtssozialdemokraten um Renaudel reicht. Die schweren Unruhen vor der Depu­tiertenkammer, das persönliche Versagen Daladiers und der rasche Zerfall des Linkskartells haben die Einigung zwischen Tardien und Herriot   gebracht, die noch vor einigen Tagen unmöglich schien. Einigung? Das ist wohl ein wenig zuviel gesagt. Es ist zunächst der beiderseitige Wille, die Kräfte des Landes und des Volkes zu einer großen parlamentarischen Zeistung zusammenzufassen. Daß es nicht leicht ist, sich in der Tagesarbeit fachlich zu einigen, wird wohl auch dadurch angezeigt, daß weder Tardieu noch Herriot   ein Ressort­ministerium übernommen haben. Sie sind Minister ohne Portefeuille und können so als Eckpfeiler der großen Koalition ihre Aufmerksamkeit ganz auf den politischen Susammenhalt des schwierigen Regierungsgebildes konzen­trieren. An solchen Schwierigkeiten wird es nicht fehlen, wenn es an die Erledigung wirtschaftlicher und finanzieller Fragen geht. Steht doch der Ausgleich des Budgets als drängende Aufgabe von nur wenigen Wochen vor der Re­gierung.

Die Zusammensetzung des Kabinetts ist in der Auswahl feiner Persönlichkeiten außergewöhnlich geschickt. In dem Justizminister Chéron hat das streng rechtliche französische

tritt, also eine Erweiterung der Demokratie.

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Die Vorbereitungen zu dem Generalstreif am fommenden Montag werden fortgesetzt, auch in der französischen   Provinz. Da diese große außerparlamentarische Manifestation nicht prinzipiellen Klassencharakter trägt, sondern eine gewaltige Rundgebung für die parlamentarische Demo­kratie und den Schutz der Volksrechte sein soll, begegnet der Streif Sympathien auch im linksrepublika­nischen Bürgertum. So hat die radikalsozialistische Kammer­gruppe in derselben Sizung, in der sie Chau temps für Herriot zum Vorsitzenden wählte, beschlossen, sich bei dem Generalstreif den Gewerkschaften zur Verteidigung der republikanischen Institutionen und Freiheiten anzuschließen. Auch wenn das nur eine Geste ist, die wohl noch näher be­gründet werden wird, hat sie ihre politische Bedeutung.

Gewiß gibt es auch in Frankreich   faschistische Strömungen. Das französische   Volk in seiner gewaltigen Mehrheit aber bleibt den großen Traditionen treu, die seit anderthalb Jahr­hunderten immer wieder den Völkern der Welt zeigen, daß die französische   Nation nicht nur als erste die Menschenrechte proklamiert hat, sondern auch noch immer sie zu schüßen be­reit ist.

Kleinbürgertum einen Mann in der Regierung, auf deffen Und die Saar  ?

Unantastbarkeit gerade diese wichtige Schicht des französischen  Volkes schwört. Das ist besonders bedeutsam bei der Unter­suchung, die über die Hintergründe der Stavisky- Affäre ein­gelettet worden ist. Albert Sarraut   ist der Bruder des Verlegers der im Süden Frankreichs   erscheinenden, die Bolks­stimmung stark beeinflussenden Depeche Toulouse". Ger­ main- Martin  , der neue Finanzminister, der in diesem Amt seinerzeit die große Konversionsoperation glücklich durchgeführt hat, gilt als der beste Finanzfachmann im Rabinett und ist zugleich ein Politiker von Rang.

Das Entgegenkommen an die Frontkämpfer ist besonders starf sichtbar. Der neue Pensionsminister Rivollet ist Führer der Frontfämpferorganisationen. Seine Ernennung wird nicht nur auf die Frontkämpfer, sondern auch allgemein beruhigend wirken. Ist doch die Erregung vor allem auch so heftig gesteigert worden, weil nicht nur Polizeibeamte, son: dern auch junge Soldaten gegen die demonstrierenden alten Frontkämpfer eingesetzt wurden, eine Tatsache, die das französische   Gefühl als unritterlich ablehnt.

Das Kriegsministerium und das Luftfahrtministerium find nicht Politikern, sondern militärischen Fachleuten ersten Ranges anvertraut worden, und auch dadurch hat man den Forderungen der Frontkämpfer Rechnung getragen. Ju dem 78jährigen Marschall Betain tritt ein Soldat an die Spitze des Kriegsministeriums, der seit dem Tode des Marschall Foch in sich den Ruhm der französischen   Armee ver­förpert. Er ist einer der Führer der Marneschlacht und der General von Verdun, der Feldherr, dessen eiserner Wille den opferreichen Anstürmen der Deutschen   troßte. Dieser Mann als Kriegsminister wirft weithin als das Symbol der fran= zösischen Sicherheitsforderungen. Parteipolitisch ist der Marschall nie hervorgetreten.

Der noch verhältnismäßig funge General Denain   war früher Chef des Stabes der Luftwaffe und hat sich auf diesem Boften ausgezeichnet. Er steht dem iesigen Ministerpräsi­denten dadurch nahe, daß er dessen Adjudant war, als Doumergue das Amt des Präsidenten der Republik be­fleidete.

Der sachliche und repräsentative Gehalt der neuen Re­gierung läßt erwarten, daß nun Franfreich auch außen politisch eine größere Aktivität beginnt und durchhält. Eine Versöhnung zwischen dem neuen Kabinett und den Sozialdemokraten um Leon Blum   und den Gewerkschaften ist nicht erfolgt. Die Spaltung zwischen Linkssozialdemokraten und Rechtssozialdemokraten ist durch das Ministeramt Marquets noch vertieft worden. Die sozialdemokratische Preise Frankreichs   wirft einer Reihe von Männern des neuen Stabinetts faschistische Tendenzen vor, ein Vorwurf, der von den Angegriffenen leidenschaftlich zurüdgewiesen wird. Auch die Rechte um Tardieu beteuert, daß sie parlamentarisch re­gieren und das parlamentarisch- republikanische System retten wolle. Von einer ernstlichen Bedrohung der fran­ zösischen   Verfassungsgrundlagen ist wohl in Wahrheit auch gar nicht die Rede. Es ist charakteristisch, daß unter den vor­geschlagenen Parlamentsreformen in der öffentlichen Mei­

Die Volksstimme" sagt dazu:

Für die Saarpolitik Frankreichs   wird es nicht ohne Bedeutung sein, daß der neue Ministerpräsi ent Gaston Doumergue   Ehrenpräsident der Assocation francaise de la Sarre" ist, daß der Außenminister Barthou   einer Reihe von französischen   Saarvereini gungen angehört, daß Tardieu der Vater des be­kannten Saarſtatuts des Versailler Vertrages als erster Gehilfe Clemenceaus war und daß Herriot   als der konsequenteste Verfechter einer Politik der Jsolierung und Einengung des kriegslüsternen Nationalsozialismus gilt. Wir sagten schon, daß die Göbbels  - Millionen zur Entfachung von Unruhen und Skandalen in Frankreich  Herrn Hitler böse 3insen tragen würden. Die ersten wird man ihm an der Saar   heim. zahlen.

Die Liste

Doumergue- Tardieu- Herriot

Die endgültige Ministerliste sett fich wie folgt zusammen: Ministerpräsident: Gafton Donmergne, Staatsminister: Zardien und Herriot, Auswärtiges  : Barthou  , Senator der Demofras tischen und Raditalen Vereinigung, Justiz: Cheron, Senator, parteilos, Krieg: Petain  , Marschall, parteilos, Kriegsmarine: Pietri, Abgeordneter, Demokratische Linke, Luftfahrt: General Denain, Militär, parteilos, Finanzen: Germain Martin  , Abgeordneter, Radikal fozialift,

Juneres: Albert Sarrant, Senator, Radifalsozialist, Unterricht: Berthold, Abgeordneter, Radikalsozialist, Handel: Lamoureur, Landwirtschaft: Dueuille ,.

Oeffentliche Arbeiten: Flandin  , Abgeordneter, Demokras

tische Linke,

Arbeit: Morquet, Abgeordneter, Neusozialist, Handelsmarine: William Bertrand, Kolonien: Laval, Senator, parteilos, Volkswohlfahrt: Louis Marin  , Abgeordneter, Demokras tische Vereinigung,

Pensionen: Rivollet( ehemaliger Frontfämpfer und

Nichtparlamentarier),

Post: Mallarme  .

Am 9. Februar sind auf dem Flugplay Le Bourget 2200 Kilogramm Gold aus Holland   angekommen und 2700 Kilogramm nach England abgegangen.

800 Verhaftete Viele Verletzte

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Paris, 10. Febr. An verschiedenen Punkten der Stadt fam es am Freitag abend wieder zu heftigen Zwischenfällen, an denen sich etwa 10 000 Demonstranten be: teiligt haben dürften. Besonders schwer waren die Zusammenstöße am Ostbahnhof, wo die Polizei dreimal gegen sich bildende Gruppen von etwa 100 Mann anrüden mußte. Zwei Polizeibeamte sowie einige Demonstranten sind schwer verletzt worden.

Der polizeiliche Ordnungsdienst ist in Paris   nach Mitter: nacht wieder aufgehoben worden. Die kommunistische Revolte, als die die Unruhen am Freitag anzusprechen sind, ist niedergeschlagen worden. Zu einem letzten heftigen Zn­sammen, bei dem 40 Personen durch Schüsse und Hiebe Verlegungen davongetragen grundbahnhof, als die Kommunisten eine Barrikade zu ers huven, tam es kurz vor Mitternacht an einem Unter: richten versuchten, die von der Polizei im Sturm genommen wurde. Auch am Nordbahnhof, in den sich einige Trupps von Demonstranten geflüchtet hatten, fam es um Mitternacht zu einer Schießerei. Die Polizei fette 200 Kommunisten nach, die sich in einen Untergrundbahnhof geflüchtet hatten, und überwältigte fie nach lebhaftem Kampf.

Den Vertretern der Presse erklärte der Innen: minister, es habe eine Reihe von Zusammenstößen statt­gefunden, bei denen viele Revolverschüsse abgegeben worden seien. Etwa 20 Polizisten seien verlegt worden und bei vier von ihnen sei der Zustand besorgniserregend. Alles in allem habe sich alles so abgespielt, wie man erwartet hätte. Die Zahl der Verhafteten wird mit 800 angez seben. Die Zahl der verwundeten Kommunisten steht noch

nicht feft, scheint jedoch sehr hoch zu sein. Nach den letzten Berichten sind 32 Polizisten verlegt worden, davon fünf schwer.

Paris  . Ministerpräsident Doumergue   hat an die Bürger von Paris   einen Aufruf erlassen, in dem er sie auffordert, von jeder Agitation Abstand zu nehmen.

London   horcht auf

Kein Kriegskabinett", aber

DNB. London, 10. Febr. Ueber das neue französische  Kabinett schreibt der Daily Telegraph  ", es wäre falsch, das Kabinett Doumergue   als Kriegskabinett zu be= zeichnen, vielmehr könne man es sowohl in innenpolitischer wie in außenpolitischer Hinsicht ein Safety- first- Kabinett" nennen. Die Aussichten für die Annahme der englischen Abrüstungsvorschläge durch Frankreich   seien allerdings unter einer solchen Regierung schwächer denn je. Möglicherweise sei das Höchste, wozu Doumergue   und seine Kollegen ihre Zustimmung im gegenwärtigen Zeitpunkt geben könnten, der italienische Plan für die Begrenzung der festländischen Armeen auf den gegenwärtigen Stand.

Der liberale, News Chronicle" bedauert, daß die englische Regierung das neue französische   Kabinett sofort mit der Vers fügung von schweren Vergeltungszöllen auf französische   Waren begrüßt hat.

Der Pariser   Berichterstatter des sozialistischen   Daily Herald" betont, daß die vier wichtigsten Mitglieder des neuen französischen   Kabinetts, nämlich Doumergue, Herriot, Tardieu und Barthou  , energisch gegen jegliches Aufrüstungsgeständnis an Deutschland   seien. " Daily Expreß  " glaubt nicht, daß die Außenpolitif Barthous von der bisherigen französischen   Außenpolitik ab­weichen werde.

Ein..Notverband"

So sagt das ,, Feuerkreuz"

Paris  , 10. Febr. Der Vorsitzende der Frontkämpferver einigung Feuerfreuz" veröffentlicht eine Erklärung, in der mit Bedauern festgestellt wird, daß die Regierung Doumergue  nur ein Behelfsmittel ohne Bestand und eine Einigung der Parteien ohne geheiligten Charakter sei. In ihr säßen hoch achtbare Persönlichkeiten zusammen mit politischen Geschäfte­machern und Neusozialisten, die der Roten Fahne dienten. Es handele sich also nur um einen Notverband für die schwärende Wunde. Wir wollen diesen Notverband nicht abreißen, heißt es in der Erklärung weiter, aber wir bleiben auf der Hut und machen uns bereit, das fressende Geschwür, das bald aufbrechen wird, vollends zu äsubern. Die Erklärung schließt mit einem Aufruf an die Feuerfrenzler, sich bereitzuhalten für den Ruf des Vater­Landes, der den ehemaligen Fronttämpfern gelte.