Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Freiheit" Ereignisse und Geschichten.

Fast Nacht

Von Mynona  

Wie ein Wolkenbruchband lag der Regenbogen über dem Bauch des Himmels, unter dem das runenalte Zauberland Hintlerien schon ein Jahr lang seinen inneren Jubel ver­kniffen hielt; ab und zu entlud sich der in bescheidenen Boykottchen und Progrömchen. Jetzt aber beginnt ein frisches Jahr, die starke Rinde des Ernstes schmilzt, und der Pogrom wird zum Fasching. Für den barbarischen Pöbel des neuen Mittelalters ist der Jude wie der Satan auch eine lustige

Person.

Die( seit etlichen Jahrzehnten) wunderschöne Wahnfred klagte einschmeichelnd gegen den Regierenden: ,, Mein Ver­führerlein, man hat solchen Raubbau getrieben, daß zur Fastnacht das Pogrommaterial auszugehen droht. Entsetzlich!" .Recht hast, mein Millionenschönchen," schmatte der we­niger hochbetagte als vielmehr tiefumnachtete Landespapa, ,, ich lasse für dieses Wild eine Schonzeit ausrufen." Er drückte auf den Radiosilberknopf seines Westentaschen­apparats: Propaghandi!"

..Geh' nicht zu weit, mein Eisbeutelchen," warnte die( halb so gefährliche) Alte ,,, schone ein paar Prozent, das genügt." Man hatte die Akademiker, die Elite Hintleriens, auf Ahasver gehetzt, und kultiviertes Gesindel räumt restloser auf. Man mußte stoppen. Ahasver   allerdings bequemste Zielscheibe der Blige, die sich sonst gegen die Hintlermänner und-Weiber gerichtet hätten. Aber man wollte jetzt schonen, denn der Antise- Mitmensch, der den Juden vernichtet, begeht Selbstmord.

,, Es war geplant," erklärte der Propagauner, das Ghetto wiederherzustellen. Den Volksgenießern läuft das Wasser schon im Munde zusammen."

Hintler I. zupfte an seinem Zahnbürstenbärtchen: ,, Ihr verludert mir das Judenmaterial. Wartet mit der Langen­messernacht! Erst mästen, dann abkehlen. Schonzeit! Irgend­wie Leuten beizubringen. Etwa: ,, Jude schließlich leider auch Mensch" oder so... Aerzte zu dirigieren, daß Juden wie Kaninchen hecken. An Rabbi   hebräisch stilisiertes Haken kreuz."

Propaganef berief Ministerkonferenz: Ich fürchte," stampfte er mit seinem Klumpfuß, das Volk, das bekannt­lich ebensogern ,, Hosianna!" wie Kreuzige!" ruft, wird das Kreuzigen just am Fasching verlernen." Falsche Psycho­logie," meckerte der außerordentlich äußerliche Innen­minister ,,, eingeklemmte Affekte fahren nur desto toller heraus. Das Standesamt z. B. verdrängt nur den Zank, der nach dem Honigmond um so knalliger explodiert. Wer Krieg will, hihihi, muß Frieden zu machen scheinen."

,, Ducis voluntas suprema lex," behauptete seltsamerweise der Dux selber: Eigenhändig heftete er das hakenkreuz­artige Wappen Davids an die Rockklappe des Rabbi und ließ

Dienstag, den 13. Februar 1934

ihm sein Antlitz leuchten: Ich genehmige Dankgottesdienst in der Synagoge." Kraft Propagockels ausgezeichneter Regie schrie unten das Volk: ,, Juda, du Recke  !" Und Wahnfred stickte den Teppich vorm Allerheiligsten des Tempels. Hast du nicht gesehen, stürzte sich die Volksliebe voller Wut auf die bisher Massakrierten. Wo man nur einen Juden sah, trug man ihn im Triumph auf Händen. Börsenmaklern wurden die Motoren ausgespannt. Mythologin Gagda Möbbels ent­deckte, daß Wotan im Profil wie Jehova ausschaut. Man übernahm sich dermaßen im anbefohlenen Philosemitismus, daf Wahnfred wieder nach einem Pogrom schluchzte. Hintler I. berief die Minister. Da war guter Rat teuer. Die Masse arrangierte nämlich umgekehrte Pogroms voller Judenliebe. Nazis ließen sich beschneiden. Der Reichswehrpfarrer schlug das Alte Testament auf. Das Volk, berauscht, litt nicht, daß man seinen Juden das krause Haar krümme. Vergebens ver­propagiftete man die Presse. Sogar der Mob der Philosophie­professoren geriet nicht mehr in die hochnotwendige Po­gromekstase.

Der geniale Propakotzebue erfand den Ausweg: Bon!" radjohlte er, es lebe der Jud'! Aber es gibt ja noch tote Juden. Auf dem Friedhof!" Hei, das war ein Hieb- und Stich­wort! Unter Vorantritt der geist- und leibvollsten Dozenten verwandelten die gelehrigen Studenten den wohligen Ruhe­in den frivoligsten Rummelplats. Tote können gar nicht tot genug sein. Man applanierte Gräber, entwertete Leichen zu Fußlatschen, schlug sich mit ihren Knochen wie mit Karneval­pritschen Professor v. Goj  - Roosche spürte mit Wünschelrute nach Goldgebissen Johst schlug vor, ein russisches Karussel zu machen. Aus Grabgittern baute man ein Riesenrad, worin Leichensteine als Schaukeln hingen. Man bestrich sie mit braunen Farben, und hinterher waren die Röcke der Studen­tinnen tiefsinnig mit Nekrologen bedruckt. Särge gaben herr­liche Wippen ab.

Richtig witterte das Volk Lunte. Einen derartigen Fasching mochten sich auch die enragiertesten Philosemiten lieber doch nicht rauben lassen. Umsonst rang der Rabbi die Hände. Man machte einen Hampelmann aus ihm, der neckisch von einer Schaukei herabhing. Da platte der Regenbogen, der wie'n Wolkenbruchband über Hintleriens Himmelsbauch gespannt war, und Wahnfred, die mit Gefolg im Auto herbeisauste, schmeckte die Dusche des heftigsten Wassersturzes: Welch symbolische Taufe!" rief der Propaguckguck. Noch im Ver­scheiden äußerte maliziös ein bissiger Semit: ,, Jüngster Tag bestes Kosmetikum für überalterte Beautés." Professor v. Goj  - Roosche mit einem bis zum Bersten gefüllten Rucksack voller Goldgebisse nieste obenhin: ,, Der Intellekt ist' ne jüdische Erfindung, muß weg. Dann wird unser Leben zum Mardi gras ohne allen Aschermittwoch."

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Tyll Eulenspiegel   im braunen Reich110

von Mucki

Zu Köllen an der Spree   aber verdingte sich Tyll, der Schalksnarr, an einem Meister, der ihm zwanzig Silber­schillinge als Wochenlohn verhieß. Wie aber die Woche ge­endigt war, zählte der Meister ihm nur fünfzehn Schillinge hin, dann hielt er inne.

..Was stockt Ihr, Meister," fragte Tyll ,,, haben wir doch zwanzig Schilling ausgehandelt."

Mag sein," brummte der Meister, gehn aber ab zwei Schilling freiwillige Spende zum Winterhilfswerk und drei Schilling freiwilliger Beitrag zur Arbeitsbeschaffung."

Freiwillig?" staunte Tyll Eulenspiegel  , habt Ihr mich um mein Einverständnis doch nicht gefragt."

,, Larifari," knurrte der Meister ,,, so ist es jetzt des Landes Brauch. Ist in der Zeitung angekündigt worden, wieviel jeder Geselle beizusteuern hat. So Ihr Euch nicht dem fügen wollt, was die Regierung heischt, komme ich für nichts auf."

Der Schalksnarr verzog keine Miene: ,, So ich mich aber füge und tue, wie die Regierung heischt, wollte Ihr wohl dafür aufkommen, Meister?"

Besucht das Theater! Die deutsche   Kunst ist dem Untergang ausgeliefert, wenn die Theater leer stehen. Habe ich gehorsam ein Kärtlein erstanden und hätte auf einem Polstersity schier vier Stunden verschlafen. würden nicht die Akteure zum Schlusse gräulichen Lärm mit Musketen und anderem Feuergewehr vollführt haben. Als es geendigt war, las ich in der Zeitung zum zweiten:

Geh auch mal aus! Tausende von Volksgenossen verlieren ihr Brot, wenn die Gaststätten leer stehen. Ergo: habe ich vielen Volksgenossen Brot gegeben, bin in mehreren Gaststätten gewesen, zuletzt in einer, wo die Wände gar prächtig von geschliffen Glas und Marmor geglänzt haben. Ist ein Mann in schwarzem Schoßrock herbei­geschossen, was ich wohl wollte trinken. Habe ich zum dritten in der Zeitung gelesen:

Deutsche  , trinkt deutschen Sekt! Adolf Hitler   hat die Sektsteuer aufgehoben. Jede Um­satzsteigerung dient dem Wiederaufbau.

Hab ich wacker dem Wiederaufbau gedient und ein Räuschlein davon getragen, daß ich heute blau zu machen genötigt. Ist

Die ,, heilige Ordnung"

Zu essen ist für jeden da: Die Erde gibt uns allen. Viele gute Ernten faulen ja Sogar in Vorratshallen.

Ja, Nahrung gibts im Ueberfluß. Wir könnten alles haben Und könnten alle mit Genuß Uns an den Früchten laben.

Es wurde aber so gemacht: Wer essen will, muß zahlen; Und wird das Geld nicht aufgebracht, So kann er sich was malen.

Die Nahrung hat zuerst den Zweck, Die Händler zu bereichern.

Wer nicht bezahlt, der fresse Dreck Vor überfüllten Speichern.

Denn lieber wirft man Brot ins Meer, Um den Profit zu halten, Als es für das Millionenheer Der Armen zu verwalten.

Drum hungert, Brüder, mit Genuß, Mit Andacht und mit Liebe! Gedenkt, daß aller Ueberfluß Erzeugt wird für die Diebe.

Wenn hungernd ihr vor Läden steht, Die fast vor Fülle platsen, Sprecht ehrfurchtsvoll ein Dankgebet, Doch hütet eure Tagen!

Denn wer sich seinen Anteil nimmt, Begeht ein Staatsverbrechen; Die heil'ge Ordnung wird, ergrimmt, Sich furchtbar an ihm rächen.

Die Ordnung der Gesellschaft ist, So wie sie ist, geheiligt.

Und jeder gilt als braver Christ, Der am Gewinn beteiligt.

Die Leute aber ohne Geld, Die tief im Dunkel kauern? ,, Das ist nun mal der Lauf der Welt!" Ein flüchtiges Bedauern!

Habt, Brüder, ihr noch nicht genug Von diesem Riesenschwindel? Wann fällt der teuflische Betrug Mit seinem Raubgesindel?

Mauler und Meckerer

Horatio

,, Eine der auffälligsten Folgen des Winterhilfswerkes ist die Tatsache, daß es in Deutschland   so gut wie gar keine Bettler mehr gibt... Das Winterhilfswerk hat dieses Problem mit einem Schlage gelöst. Die Bettelei ist in Deutschland   ab geschafft. Nur noch wenige hartnäckige Berufsbettler sind hin und wieder zu bemerken. Der Bedürftige wird nicht länger zum Almosenempfänger herabgewürdigt. Das Winter hilfswerk hat sich seiner angenommen, prüft seine Notlage und sorgt mit unerbittlicher Unparteilichkeit dafür, daß ihm nach Kräften geholfen wird.

Die Mauler und Meckerer sind freilich auch jetzt noch nicht zufrieden. Sie lachen nur höhnisch, wenn man ihnen sagt, daß die Bettelei in Deutschland   abgeschafft sei. Sie sagen im Gegenteil, es sei in Deutschland   noch nie so viel gebettelt worden, wie gerade heute, und sie meinen damit die aufopfernde Sammeltätigkeit der ehrenamtlichen Helfer des Winterhilfswerks  .

Solche Bemerkungen sind eine glatte Unverschämtheit. Sie beweisen nur, daß die betreffenden noch nichts vom Geist der heutigen Zeit verspürt haben.

Es ist eine Ehre, für das Winterhilfswerk sammeln zu dürfen, und jeder, der daran zweifelt, stellt sich außer halb der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft.". ( 8- Uhr- Abendblatt, 19. 1. 1934.)

Selbstverständlich, du närrischer Kauz," sagte der Meister auch mein Geldbeutel total leer. Hab ich zum Glück mich Werbung für deutsches Kulturgut

und ging.

Der nächste Tag war der Sonntag. Wie der Meister des Montags die Werkstatt betrat, war er sehr erstaunt, seinen Gesellen nicht anzutreffen. Dafür aber stand die Lade offen, darin der Meister sein Geld aufzubewahren pflegte, und es fehlten an fünfundzwanzig Speziestaler daraus. Wie aber der verstörte Meister die Lade durchstöberte, fiel ihm ein Brief­lein in die Hand, das der Schalksnarr ihm hinterlassen hatte. Er las:

Treuer Meister!

Willens, den Wünschen der Regierung nachzuleben, habe ich mir die Zeitung gekauft. Fand ich erstlich darinnen die Anmahnung:

Helden und Spulwürmer

Drei russische Stratosphärenflieger sind aus dem Welt­raum abgestürzt und auf der Erde zerschellt. Sie sind für den größten Traum der Menschheit gestorben, für den Traum, das Weltall   zu erobern, das irdische Leben zu den Gestirnen emporzutragen. Der Heldentod der drei Russen hat das getarnte Wiener   Naziblatt, den Oesterreichischen Beob­achter", nicht zur Anerkennung eines heroischen Unterneh­mens, sondern nur zu erbärmlichen Wigeleien angeregt; ein Individuum, das sich hinter dem Decknamen ,, Sisyphus" ver­steckt. widmet den Toten folgenden Nachruf:

., Drei Kommunisten! Drei Gottesleugner!... Wahrschein­lich hatten sie das Mitgliedsbuch der Kompart und die Legi­timation der Gottlosen in der Uniformbluse," als sie der

entsonnen, wie Ihr, Meister, mir versprochen habt, für alles aufzukommen, so ich dem Wunsche der Re­gierung nachlebe, und habe nur meine Unkosten ersetzt. Ihr findet eine genaue Aufstellung anbei über 24 Speziestaler, sieben Groschen drei Pfennig für Theater, Wirtshausbesuch und Sekt, woraus Ihr verstehen wollet, daß ich nicht einen Pfennig zuviel oder unrechtmäßig mir angeignet habe. Dünkt mich auch billig so. Denn heischt die Regierung, daß der Handwerker allenthalben Geld dalasse, so muß sie ihm den Lohn erhöhen und nicht, wie sie tat, durch vielerlei Abzüge schmälern. Solches ist total widersinnig. Meldet das Eurem Herrn Hitler  .

Euer Geselle und Schalksnarr Tyll Eulenspiegel  .

Anprall der Gondel zur blutigen Fleischmasse zerschmet­terte. Wahrscheinlich erwärmte sie nicht der großartige Gedanke, durch die stählernen Wände der zerquetschten Todesgondel in ein höheres Dasein zu gelangen. Sie waren wahrscheinlich stramme Atheisten, die sich darwinisch als nächste Verwandte der Affen, Krokodile, Spulwürmer, Käsmilben und Hundezecken fühlten." Offenbar fühlen diese journalistischen Spulwürmer und Hundezecken sich als die nächsten Verwandten nordischer Erzengel. Der großartige Gedanke der Weltraumflieger, der Erzengel  . Der großartige Gedanke der Weltraumflieger, der zwischen den Gestirnen flutenden Unendlichkeit ein Geheim­nis abzuringen, ist für diese Bekenner der heroischen Weltanschauung" nichts; auch zwanzigtausend Meter über der Weltanschauung" nichts; auch zwanzigtausend Meter über der Erde bleibt für sie der Antimarxismus das einzig Ent scheidende.

Dem ,, Film- Kurier" wurde folgendes Programm übersandt: Spielplan:

Der große Militär- Lachschlager mit Hörbiger - Heidemann Kampers. Drei stramme Jungens- hoch zu Roß! Die ganz gefährlichen Entfacher des Ulanenfiebers", die drei kessesten und raffiniertesten Burschen der ganzen Schwadron!

Drei von der Kavallerie

( Liebe und Erotik in der Garnison  ).

Eine leichtgeschürzte, delikate Angelegenheit von unseren buntberockten Schrappen, die als lustige Ulanen ein sorg loses Kleinstadt- Idyll mehr als angenehm ,, beleben"(?!). Die tollen Streiche eines dreiblättrigen liebesdurstigen Ulanen. Kleeblattes!!!! Ein wahrer Schrecken aller Garnisondienst. mädchen, Köchinnen und dito Haustöchter.

Der Fachmann

Der Reichspropagandaminister Göbbels   hat, wie wir schon berichteten, den 26jährigen Angriff"-Redakteur Willi Krause   zum Reichsfilmdramaturgen ernannt.

Der Jüngling mit dem pompösen Titel hat sich seinen neuen Posten ehrlich verdient. Mag er sonst von filmischen Dingen keine Ahnung haben, er ist doch als alter Fachmann anzusehen. Krause ist gleichsam eine historische Persönlich keit; war er es doch, der bei den Nazi Krawallen anläßlich der Aufführung des Films ,, Im Westen nichts Neues" im Berliner   Mozartsaal die erste Stinkbombe ge worfen und damit das Signal zum Sturmangriff mit Nieß­pulver und weißen Mäusen gegeben hat!

Das sind Herrn Krauses Beziehungen zum deutschen- Film!