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Pentjake

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Freiheit

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Nummer 38-2. Jahrgang Saarbrücken  , Donnerstag, den 15. Februar 1934 Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalt

Vorgeschichte

des Staatsstreichs.

Seite 2

Oesterreichs   Schlachtfeld

Seite 3

Katholischer

Saar  - Redakteur terrorisiert Seite 5

Paul Löbe  Seite 7

Inseratenteil beachten!

Ruhmvolle Niederlage

Ende der sozialdemokratischen Freiheitsschlacht in Oesterreich   Heldentum der Arbeiter und ihrer Frauen Der Austro- Klerikalismus eidbrüchig und mörderisch- Ende der europäischen   Demokratie Heroischer Auftakt der

Ehrenvoll geschlagen

Das Niederwerfen der Arbeiter

Bien, 14. Febr.( Eig. Bericht.) Um 12 Uhr mittags wird in Floridsdorf   und an einigen anderen Stellen der äußeren Stadt noch gekämpft. Auch in einigen Teilen der Provinz find noch Gefechte im Gange. Die sozialdemokratischen Grup: pen, die ohne Verbindung mit andern Teilen der Front find und die Gesamtlage daher nicht überbliden fönnen, jegen an manchen Stellen den Widerstand mit großer Erbitterung fort. Da und dort handelt es sich auch nur um überlegte Rück­zugsgefechte. Es darf aber kein Zweifel obwalten, daß die Bundesregierung tatsächlich militärisch ge fiegt hat, und die Kämpfe noch im Laufe die fes Tages mit dem Niederwerfen der ver: faffungstreuen Sozialdemokraten enden

müssen.

Die Versuche, sozialdemokratische Führer zur diffamieren, werben diesmal nicht gelingen. Ohne Widerstand verhaftet wurden nur greise Veteranen der Partei, die auf ihren politischen Poften in der inneren Stadt auf Parteibefehl aus: halten mußten, wie etwa der siebzigjährige Bürgermeister Seig, der schwer herzleidend im Gefängnislazarett liegt. Dr. Julius Deutsch   und Otto Bauer   haben sich führend und attiv an den Kämpfen beteiligt und den Arbeitern ein Beispiel persönlicher Tapferkeit gegeben. Otto Bauer   konnte fich nach dem Zusammenbruch seines Frontabschnittes in Sicherheit bringen. Ueber das Schicksal von Dr. Julius Deutsch, dem Gründer und Führer des Schußbundes und früheren Wehrminister ist zur Stunde nichts bekannt.

Sozialistischen Revolution

Rugelregen um die Opfer der Freiheitsschlacht. Wie hoch die Zahl der verletzten Frauen und Mädchen und Kinder ist, kann einstweilen nicht übersehen werden. Gewiß ist, daß Frauen und Mädchen während ihrer Hilfe für Verwundete den Kugeln und Granaten zum Opfer ge­fallen sind. Die Arbeiter- Sanitätskolonnen arbeiten ohne fallen sind. Die Arbeiter- Sanitätskolonnen arbeiten ohne Pause und finden hilfsbereit Unterstützung bei der Ar­beiterbevölkerung, die freiwillig ihre letzte Habe für die ruhmvoll Verwundeten hergibt.

Wie schwer die Kämpfe sind und welche Uebermacht die Bundesregierung braucht, wenn sie ihr blutiges Staats­verbrechen vollenden will, beweist die Tatsache, daß der Bundeskanzler alle ehemaligen Kriegsteil nehmer aufgerufen hat, sich als Freiwil lige sich in die Schlacht gegen die Sozial­nehmer aufgerufen hat, sich als Freimil demokratie einzureihen. Bundestruppen, Poli lige sich in die Schlacht gegen die Sozial­demokratie einzureihen. Bundestruppen, Poli­zei und Gendarmerie reichen nicht aus, den Mordbefehl an der österreichischen Sozialdemokratie zu vollstrecken. unter Bruch des Friedensvertrages verstärkt der Bundes kanzler die Armee gegen Desterreichs sozialdemokratische Arbeiter und vermehrt so die blutige Schmach, in die er das unglückliche Land gerissen hat. Arbeiter und vermehrt so die blutige Schmach, in die er

Als Arbeitermörder steht nun Dollfuß   mindestens eben bürtig neben den Hitler und Göring  . Die drei und ihre Kreaturen können sich brüderlich die blutbesudelten Hände reichen. Dollfuß   ist den österreichischen National­sozialisten im Arbeiterschlachten nur zuvorgekommen. Die Nationalsozialisten würden eine nicht geringere Blut­arbeit geleistet haben. Wie auch Austrofaschismus   und Nationalsozialisten würden eine nicht geringere Blut Nationalsozialismus sich unterscheiden mögen, einig sind sie in ihrem Haß gegen jede wirklich sozialistische Neu­gestaltung. Der Bürgerkrieg, den Dollfuß   gegen die Sozialdemokratie begonnen hat, ist ein Verzweiflungs streich auch gegen die Nationalsozialisten. Dollfuß   und die Seinen lassen nicht auf die Nationalsozialisten schießen, mit denen sie viele Berührungspunkte haben. Dollfuß  hofft, sich so gegen den Nationalsozialismus behaupten zu können. Die Nationalsozialisten aber bewahren wohl wahrscheinlich mit Recht, daß Dollfuß ihnen durch seine wollende Neutralität im Bürgerkrieg, weil sie hoffen, Mordarbeit gegen den Margismus die Tore zur Macht öffnen wird.

abzuwälzen. Das wird ihm bei keinem Urteilsfähigen gelingen. Der Kampf ist durch den längst fälligen Heim­wehrputsch und durch die gewaltsame Unterdrückung der Sozialdemokratie, durch ihr gewalttätiges Hinausdrängen aus ihren Positionen ausgebrochen. Die klerikale öster­reichische Regierung hat bedenkenlos ihre Eide gebrochen und gewissenlos einen mörderischen Machtkampf ent­fesselt.

Wir geben uns keinen Jllusionen hin und wollen keine Illusionen hervorrufen: Oesterreichs   Sozial demokratie hat die Schlacht verloren. Die Arbeiter und mit ihnen die Bauern und der kleine Mittel­stand sind niedergeschlagen. Eine ideenlose Schicht der hohen Bürokratie des degenerierten Aristokratentums und internationaler Rapitalisten steht als Sieger auf dem Schlachtfeld. Einstweilen. Keine Stunde werden sie sich ihres Erfolges freuen. Der Machtkampf wird nun zwischen der Bundesregierung Dollfuß   und den Nationalsozialisten erst recht entbrennen, und die Gefahr nationaler Wirren mit internationalen Folgen ist unvermindert. Die Dollfuß   und Fey und Starhemberg sind die fluchbela­denen Nachfolger des Fürsten Windischgrätz, der 1848 mit seinen kroatischen Truppen die demokratischen Bürger Wiens   massakrierte und den deutschen   demokratischen Revolutionär Robert Blum   auf der Brigittenau stand­rechtlich erschießen ließ.

Die damals gemeuchelte Demokratie kehrte in jahr­zehntelangem Ringen wieder. Nun ist sie auch in Dester­schlossen Das Bürgertum hat die Arbeiter, die um die reich dahin. Eine große geschichtliche Epoche ist abge­Reste demokratischer Rechte kämpften, auch in Desterreich niedergeworfen. Nun ist in ganz Europa   die historische Bindung des sozialistischen   Wil­lens an die alten Formen der Demokratie vorüber: Die legale internationale Sozialdemokratie wird durch sozialrevolutionäre Aktionen mit dem nahen Ziele des Volkssozialismus abgelöst.

Die Schlacht in Desterreich, in der alle waffenfähigen klasse zusammenstanden, ist der großartige Auftakt kom­Führer mit den waffenfähigen Mannschaften der Arbeiter­mender revolutionärer Umgestaltungen in Europa  . Die Freiheitsschlacht in Desterreich ist ruhmvoll zu Ende. Das Ringen um die sozialistische Herrschaft über Europa   in neuen Formen und mit neuen Kampfmitteln beginnt

D. F. Geit 48 Stunden tobt an vielen Stellen die Verteidigungsschlacht der Sozialdemokratie um die Freiheit in Desterreich. Mit Erstaunen und auch dort, mo fie den Sozialismus haßt, mit Bewunderung blickt die Welt auf das Heldentum der österreichischen Arbeiter klasse. Dieses Arbeitsvolk bietet in Generalstreik und Bürgerkrieg seit Tagen ein Schauspiel von unerhörtem Opfergeist und todbereiter Ueberzeugungstreue. Die an Truppenzahl und Waffen weit überlegenen Kräfte des Mördertrios Dollfuß- Frey- Starhemberg haben bisher den Widerstand nicht ganz brechen können. Alle militärischen Mittel, die der Friedensvertrag von St. Germain Defter reich erlaubt, sind gegen die kämpfende Sozialdemokratie eingesetzt, auch Artillerie und Minenwerfer. Sogar Flug­zeuge find zur Erkundung aufgestiegen. Daß es nicht Bombenflugzeuge sein können, die reihenmeise Arbeiter­häuser in Trümmer legen würden, wird der fromme Bundeskanzler Dollfuß   gewiß recht bedauern. Der Frie­densvertrag hat auch Desterreich Bombenflugzeuge ver­sagt. Sonst würden ihre Gasbomben ebenso gewiß Frauen Die letzten Gefechtsberichte

und Kinder in dichtbewohnten Stadtvierteln vergiften,

Der Bundeskanzler versucht, die Verantwortung an der großen österreichischen Schlacht auf die Sozialdemokraten

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Widerstand bis zum äußersten Bor

mie jetzt Granaten in den Arbeiterbezirken österreichischer Otto Bauer   und Deutsch  

Städte Frauen und Kinder zermalmen und zerreißen.

Es ist ein grandioses Symbol des kämpfenden Sozialis

mus, daß die Schlacht um Wien   gerade dort sich konzen­trierte, wo unter sozialistischer Gemeinderegierung Wohn­siedlungen, vorbildlich für die ganze Welt, errichtet worden sind. In den Häuserblocks und Straßen, deren Namen die großen Denker und Kämpfer des Sozialis mus ehren, leisten die sozialdemokratischen Schußbündler ihren heldenhaften Widerstand. Die Grünflächen, auf denen Wiens Arbeiterkinder, die so lange in die engen Höfe der Grundstücksspekulation gesperrt waren, spielten, werden nun vom Blute ihrer Väter gedüngt. Die Feinde sozialistischer friedlicher Aufbaupolitik schießen die Sied­lungshäuser zusammen und töten ihre Verteidiger. Der

Haß gegen sozialistische Gemeinschaft, lange schon wach, ist aufgestanden, um sein Vernichtungswerk zu vollführen Die Verluste sind, wie uns ein Privattelefonat mit Wien  mitteilt, grauenhaft. Es fehlt in den Reihen der sozial. demokratischen Arbeiter an dem Nötigsten zur Pflege und zur Rettung der Verwundeten. Nur ein kleiner Teil ist in ärztlicher Pflege. Die Krankenhäuser sind überfüllt, so­meit sie überhaupt für die verwundeten Sozialdemokraten erreichbar sind. Verbandstoff ist kostbar wie Munition. Arbeiterfrauen und Arbeitermädchen bemühen sich im

an der Spitze

Frische Schutzbündler im Kampfe

Wien  , 14. Febr.( Eig. Drahtbericht). Das Ottakringer Ar­beiterheim ist von den Sozialdemokraten erneut befest morden. Dem Schutzbund gelang es ferner, Polizei nebst Hilfstruppen in die Polizeifaserne in Simmering   hinein­zudrängen und einzuschließen. Die Kaserne wird von den Schutzbündlern unter Feuer gehalten. Bei einem Ausfall­versuch der Polizei wurden 5 Polizisten erschossen. Es wird bestätigt, daß die jozialdemokratischen Führer Otto Bauer­und Julius Deutsch   nicht verhaftet sind, sondern den Kampf von außerhalb leiten. Auf ihre Tätigkeit wird es

vor allem zurückgeführt, daß immer neue Schußbändler und sozialdemokratische Arbeiter eingesetzt werden, während die Polizei- und Militärkräfte bereits Ermüdungserscheinun­gen aufweisen.

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Wir ergeben uns nicht!" Die Gasarbeiter an die Regierung..

Wien  , 14. Febr.( Eig Drahtbericht). Besonders kritisch ist für die Regierung die Lage beim Gaswert. Das Ulti

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matum zur Uebergabe wurde von den Arbeitern des Gas­werfs mit einer Gegenerklärung beantwortet. Sie ließen der Regierung mitteilen, daß sie sich nicht ergeben würden. In dem Augenblick, wo der erste Schuß gegen sie falle, und sie gezwungen seien, die Schüsse zu beantworten, würden sie das ganze Gaswerk in die Luft sprengen um uns und die toleriert, in die Ewigkeit zu befördern." Diese Ankündigung ganze Bevölkerung der Stadt, die eine solche Regierung hat ungeheure Beunruhigung hervorgerufen, und gleichzeitig den Widerstandswillen der Kämpfenden gestärkt. Auch Uni­teded Preß berichtet, daß es an verschiedenen Stellen der Stadt dem Schutzbund gelungen sei, die Truppen zu um­zingeln und sie schwer zu bedrängen.

Der Kampf um die Höfe Artillerie beschießt Häuserblocks Pioniere in Aktion

Wien  , 14. Februar( Eig. Drahtbericht). Mit einem Hel denmut von weltgeschichtlicher Bedeutung sezen die Wiener  Arbeiter ihren Widerstand gegen den Heimwehrterror fort. Ihre Burgen sind in den Wiener   Vororten vor allem jene großen Bauhöfe, die dem schöpferischen Geist der sozialdemo fratischen verwalteten Wiener   Gemeinde immer das höchste