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Freiheil
Dentforte
Nummer 40-2. Jahrgang
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Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Saarbrücken, Samstag, den 17. Februar 1934 Chefredakteur: M. Braun
Aus dem Inhalt
Seite 2
Vierzig Minen auf ein Haus
Seite 2
Die Welt gegen Dollfus
Seite 3
Enttäuschte Bauern
Seite 4
Gegenrevolution und Kriegsgefahr
Europäische Folgen der österreichischen Blutarbeit gegen die Sozialdemokratie
Mitteleuropäische Explosion
A. Sch. Wenn die Banden Feys und Starhembergs das ganze Wien besetzen werden, wird die Faschisierung des
deutschen Mitteleuropa restlos durchgeführt werden.
Aber es wird kein endgültiger Sieg des Faschismus sein. Erst jetzt wird sich die ganze Schwäche und Faulheit des Systems Dollfuß- Fen- Starhemberg erweisen. In menigen Tagen werden die blutbefleckten Sieger, die Gallifets in Lederhosen, von neun Zehnteln des österreichischen Volkes abgelehnt und veranlaßt, sich mit dem echten, dem hitlerschen Faschismus auseinandersetzen müffen. Ohne jede Massengrundlage im Lande, mit dem zerfetzten Staatsapparat, innenpolitisch ausgehöhlt, außenpolitisch auf tönernen Füßen, wird der Heimwehrfaschismus das blutende Land und den angriffslustigen, gierig auf seine Beute lauernden Hitlerfaschismus vor sich
den Anfang der mitteleuropäischen Explosion. Der Abfchluß bedeutet den Krieg, wie auch der Kampf um die österreichische Erbschaft, einmal zwischen Deutschland , Italien und der Kleinen Entente entbrannt, zum Krieg führen muß.
Der deutsche Faschismus wollte die„ Süd- Nord"-Rich tung von Schleswig bis Sizilien durchstoßen und für seine Bündnispläne offenhalten, auf solche Weise die„ WestOff- Richtung der europäischen Politik durchbrechen, Frankreich von seinen Verbündeten im Osten trennen. Jetzt hat er diese„ Nord- Süd"-Richtung vor sich, kann aber ihre inneren Gegensätze nicht bewältigen. Der Traum Hitlers , sich in Braunau feiern zu lassen oder gar im Stefansdom in Wien zum deutschen Volkskaiser" proklamiert zu werden, kann teuer bezahlt werden. Jetzt wird ganz Europa erfahren, und selbst die konservative englische und französische Presse muß das heute gestehen, daß die österreichische Sozialdemokratie der letzte Schutzwall des Friedens in Mitteleuropa war. Mit der Besitz ergreifung Desterreichs schlägt sich die Gegenrevolution in den Krieg um. Die Heimwehrfahne über dem Wiener Rathaus bedeutet nicht den Anfang der faschistischen Stabilisierung, sondern die Heraufsetzung des roten Hahnes auf das Dach des faschistischen Mitteleuropa . Das in Desterreich einmal gestörte europäische Gleichgewicht kann mit den Mitteln der kapitalistischen Außenpolitik nicht mehr hergestellt werden. Der über die Leichen der öster reichischen Arbeiter marschierende Heimwehrfaschismus ist der Brandstifter Europas . Zum zweiten Male wird der europäische Krieg in den Kämpfen um die Donau Dorbereitet
.
Bewaffnete Intervention?
,, Für den Augenblick" nicht- Die Lage beunruhigend
dub. Paris , 16. Febr. Der offiziöse Petit Parisien" tritt dem Gerücht eines bevorstehenden militärischen Eingreifens Italiens bzw. der vier Mächte, die durch den Vertrag von 1922 die Unabhängigkeit Oesterreichs garantiert haben ( Frankreich , England, Italien , Tschechoslowakei ), entgegen. Dieses Gerücht beruhe für den Augenblic auf teiner ernsten Grundlage. Es sei gegenwär tig nur von der Anrufung des Völkerbundes die
Grenze überschreite oder in die österreidis Dimitroff russischer Bürger
schen Verhältnisse eingreifen würde, so würde die tichechoslwatische Regierung nicht
schweigen.
Große diplomatische Aktion?
dnb. Paris , 16. Febr. Dem„ Matin" wird aus Rom gemeldet: Man fühle dort, daß die Niederzwingung des Aufstandes in Oesterreich nicht das Problem löse, das da rin bestehe, das Ansehen und die Unabhängig feit des Staates restlos wiederherzustellen. Man wiffe, daß die Hitlersche Propaganda das Spiel nicht verloren gebe, im Gegenteil, das Nationalsozialismus werde die Unterdrückungsmaßnahmen auszubenten suchen und vers suchen, den Volkshaß für sich auszunuzen. Aus all diesen Gründen sei Rom der Ansicht, daß es höchste Zeit sei, eine internationale Verständigung und Aktion zu unternehmen, um in Defterreich die Zentralregierungsmacht zu stärken und Deutschland einzulauatern. Delnanganes
tausch der legten beiden Tage scheine zu einer gemeinsamen feierlichen Erklärung der Mächte führen zu sollen. England, Frankreich und Italien würden gemeinsam ihren entschiedenen Willen nicht zuzulassen, daß der Sicherheit der klei: betonen, die Wiener Regierung zu fügen und nen österreichischen Republit Abbruch getan betreffe, so scheine Italien , obwohl es dieses nicht als das werde. Was die Inanspruchnahme des Völkerbundes an= befte Mittel, zu einem positiven Ergebnis zu kommen, bes trachte, sich mit einer Anrufung des Völkerbundes einver= standen erklären, wenn die österreichische Regierung dies wolle.
Das„ Echo de Paris" wirft übrigens die Frage auf, ob es nicht angebracht wäre, daß angesichts des Zögerns der österreichischen Regierung eine andere Macht als gerade Defterreich den notwendigen Antrag beim Völkerbund stelle. Vandervelde an den Völkerbund Eingreifen des Völkerbundes gefordert
Genf , 16. Febr. Der Präsident der 2. Internationale hat an den Generalsekretär des Völkerbundes ein Telegramm gerichtet, worin der Völkerbund ersucht wird, unverzüglich in den Konflikt zwischen der österreichischen Sozialdemokratie und der Erefutive einzugreifen, der eine öffentliche Bedrohung des Friedens darstelle und internationale Verwidlungen nach sich ziehen könne.
Henderson hat gewarnt
dnb. London , 16. Febr. Dr. Hugh Dalton , der in der letzten Arbeiterregierung Unterstaatssekretär des Aeußern war, sagte am Donnerstagabend in einer Rede: Als Henderson noch Staatssekretär des Aeußern war, richtete er an die österreichische Regierung eine ruhige Warnung, die besagte, wenn die Regierung einen Bürgerkrieg hervorrufe, werde sie mit einer ungünstigen Haltung der britischen Re: gierung zu rechnen haben. Hätte die jeßige Regierung gemeinsam mit der französischen Regierung eine solche Warnung ergehen laffen, so hätte dem Blutvergießen in Wien Einhalt getan werden können. Dalton fügte hinzu, Senderfons Warnung sei privatim erfolgt.
Rebe, bie durch den Bundeskanzler auch n Hinrichtungsorgie"
nicht offiziell vorgenommen worden sei. Immerhin sei die Lage beunruhigend. Sie beschäftige in starkem Maße auch das englische Kabinett, das bisher in der öfters reichischen Frage eine gewisse Gleichgültigkeit zur Schau ge: tragen.
Kein Einmarsch Aber...
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Prag , 16. Febr. Zu den Ereignissen in Defterreich er Härte Minister Dr. Krofta, daß die Nachrichten und Gerüchte, wonach die Tschechoslowakei in Desterreich einmars schieren würde, um dort Ordnung zu machen, nicht zu träfen. Wenn aber irgendein Staat bie
dnb. London , 16. Febr. In der Presse, deren Hauptinteresse nach wie vor den österreichischen Vorgängen gilt, wird allgemein die Hoffnung ausgesprochen, daß es nicht zu der von den Sozialisten vorausgesagten„ Hinrichtungsorgie" tommen werde. Der diplomatische Korrespondent des„ Daily Telegraph " erfährt, die britische Regierung habe in der disfretesten und freundschaftlichsten Weise dem Bundeskanzler und der österreichischen Regierung gegenüber der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß diese Milde zeigen werde. Die neue französische Regierung habe, wie es heißt, in Wien ähnliche Ratschläge gegeben. Großbritanniens Rat sei im Verlaufe diplomatischer Erörterungen gegeben worden und habe keinen formellen Schritt bedeutet.
Vor Görings Rache gerettet?
Moskau , 16. Febr. Durch Vermittlung der Sowjete botschaft in Berlin ist den bulgarischen Kommunisten Dimis troff, Popoff und Taneff, die sich in Deutschland in Haft bes finden, das Bürgerrecht der Sowjetunion zugestanden worden.
Nun muß sich international der Rus verstärken, die drei Bulgaren und den mit ihnen freigesprochenen Ernst Torg ler in Freiheit zu setzen. Der preußische Ministerpräsident hat vor Gericht die wildesten Rachedrohungen gegen Dimis troff ausgestoßen, und er ist der Mann, sie zu halten. Mörder genug stehen seinem Befehl zur Verfügung. Wir fordern Dimitroffs und seiner Freunde Entlassung und freies Geleit für die Sowjetbürger nach Rußland .
London , 16. Febr. Der Ministerialrat Dr. Erbe vont Reichsinnenministerium gab dem Berliner Korrespondenten von News Chronicle" über das Schidsal von Dimitroff , Popoff und Taneff folgende Erklärungen:
" Ich habe wiederholt festgestellt, daß es sich bei Dimitroff um einen kommunistischen Agitator handelt, der für Deutschland gefährlich werden fönnte, wenn er jetzt freis gelassen würde.
Das muß flar genug sein. Aber was ich nicht verstehen fann, ist die Entrüstung des Auslands über die Behandlung Dimitroffs.dies
Wir werden den Gefangenen freilaffen, wenn die Erregung ihrer fommunistischen Kollegen im Ausland sich in einem solchen Umfang beruhigt hat, daß sie Deutschland nicht mehr gefährdet.
Natürlich kann ich nicht sagen, wie lang das dauern wird." Und diese Leute wundern sich, wenn Hitler- Deutschland keine Freunde im Ausland hat!
12. Februar 1934
Von Marius Alter
An demselben Tage, an dem die Pariser Arbeiter in der langersehnten Einheitsfront den friedlichen Demons strationsstreik von imponierender Wucht durchführten, bricht ein anderer Generalstreik auf Tod und Leben aus. Nein, er wird eigentlich schon mit der Gewißheit des heldenhaften Unterganges von der österreichischen Arbeiterschaft unternommen. Die tragische Stunde der österreichischen Sozialdemokratie kommt herander niederträchtige Faschismus der Mussolini - Heimwehren holt zum Schlage aus. Der Austro- Marxismus , der stets auf Borposten der 2. Internationale stand, rettet diesmal wirk lich in heldenhaftem Todeskampfe die Ehre des deutschen . ja des gesamten europäischen Proletariats. Die Artillerie geschosse der Mussolini - Banden zerstören die Wohnbauten, die sich die Wiener Arbeiterschaft in jahrzehntelanger ArSchutzbundes antworten ihnen. beit aufgebaut hatte. Aber die Maschinengewehre des
Das Versagen deutscher Arbeiterführer am 20. Juli 1932 und bei anderen Gelegenheiten hat die österreichische Arbeiterklasse mit in diese Katastrophe hineingeriffen. Aber einen neuen 20. Juli erlebt sie an ihrem 12. Februar nicht. Der Fleck der kampflosen Rapitulation, der die deutsche Arbeiterklasse brannte, wird an diesem Tage ausgetilgt. Schwerer ja noch als die physische war die moralische Niederlage des deutschen Proletariats gewesen. Und mehr noch als das Sinken seiner Kampfkraft in der Krise hatte die Verwirrung des Bewußtseins seine Niederlage verursacht. Auch die österreichische Arbeiterschaft muß physisch in einem ungleichen Kampfe unterliegen. Da sie in seelischer Einheit mit sich selbst und in starkem Glauben an die Wahrheit der sozia listischen Jdee von momentaner Ueber macht bezwungen wird, kann ihr Endkampf nicht vergebens sein.
Der 12. Februar 1934 sah die Einheitsfront der Pariser Arbeiter und den Heldenkampf der Kommune von Wien . Von diesem Tage wird ein neuer Abschnitt in der Ge