Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschfien Freiheit" Ereignisse und Geschichten

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Dienstag, den 20. Februar 1934

Die Gefangenen an der Amtskette

Die preußischen Hochschulrektoren beugen sich vor Hitler   und Rust

Die Nationalsozialistische Korrespondenz teilt mit: Aus Anlaß einer Rektorea Konferenz in Berlin  haben die Rektoren der preußischen Hochschulen folgende Entschließung gefaßt:

,, Die unterzeichneten Rektoren deutscher   Hochschulen, die kürzlich in Berlin   zusammentrafen, sind tief durchdrungen von der Notwendigkeit der inneren Erneuerung der Wissen­schaft und der Universität aus der Idee des National­sozialismus, wie sie gelebt und verwirklicht wird durch den Führer des deutschen Volkes.

Der Nationalsozialismus ist die einzige lebendige und schöpferische Macht, die die Wissenschaft und die deutsche   Universität befreit aus der rein spezialistischen, theoretischen und fachlichen Zer­splitterung und sie hinführt zu den tieferen Lebens- und Schicksalsfragen des deutschen Volkes. Die scharfe Kritik an der gegenwärtigen Universität bedeutet nicht Ablehnung, son­dern sie entspringt aus der radikalen Forderung nach einem neuen Sinn der Wissenschaft und der Universität, wie er in der ganzen deutschen   Geschichte noch niemals er­faßt und verwirklicht worden ist.

Aus dieser Ueberzeugung und in dem täglichen Ringen um diese gewaltigen Aufgaben geben die unterzeichneten Rek­toren ihrer tiefen Dankbarkeit Ausdruck, in dem Herrn Kultusminister Rust einen Führer zu finden, der im Geiste Adolf Hitlers   mit fester Hand und klaren Direk­tiven den totalen nationalsozialistischen Neuaufbau der Wissenschaft und der preußischen Universitäten leitet, einen Neuaufbau, der um seiner organischen Gesetzmäßigkeit willen weit über die Grenzen Preußens hinaus bedeutungsvoll ist. Mit neuen Impulsen und unerschitterlicher Zuversicht

kehren die unterzeichneten Rektoren zu ihrer Arbeit zurück. So ist es ihnen eine innere Verpflichtung, ihre Dankbarkeit und Versicherung treuer Gefolgschaft zum Ausdruck zu bringen."

Professor Fischer, Universität Berlin  ; Professor Heyse, Universität Königsberg  ; Professor Hahne, Universität Halle  ; Professor Wolf, Universität Kiel  ; Pro­fessor Neumann, Universität Göttingen  ; Professor Krieck  , Universität Frankfurt  ; Professor Bauer, Uni­ versität Marburg  ; Professor Pietrusky, Universität Bonn  : Professor Leupold, Universität Köln  ; Professor Meißner, Universität Greifswald  ; Professor Naen drup, Universität Münster; Professor Eschweiler  ,

Staatliche Akademie Braunsberg  ; Professor Schmidt, Medizinische Akademie Düsseldorf  ; Professor Giesecke, Handelshochschule Berlin  ; Professor Ha emmerle, Han­delshochschule Königsberg  ; Prof... or Eggert, Technische Hochschule Berlin; Professor Franzius, Technische Hoch­schule Hannover; Professor Röntgen, Technische Hoch­ schule Aachen  ; Professor Schucht, Landwirtschaftliche Hochschule Berlin  ; Professor Samel, Landwirtschaftliche Hochschule Bonn- Popp; Professor Krüger, Tierärztliche Hochschule Berlin; Professor Götze, Tierärztliche Hoch­ schule Hannover  .

Wir haben uns, in tiefer Resignation, daran gewöhnt, der­artige Dokumente ohne Kommentar zudrucken. Unsere Leser hatten gelernt, ihn selber zu schreiben. Hier aber liegt eine Offenbarung der Schande deutschen Gelehrtentums vor, die selbst in der Geschichte aller menschlichen Niedrigkeiten im Umkreise des ,, dritte Reiches" einzigartig ist.

Deutsche Wissenschaftler, prominente Namen des deut­ schen   Geisteslebens, begnügen sich nicht mehr mit dem Be­kenntnis ihrer Unterwerfung. Nicht mit der formalen An­erkennung ihres Sklaveatums. Sie bezeichnen den National­sozialismus als einzige lebendige und schöpferische M. ht, die die Wissenschaft und die deutsche   Universität"... Man lese es oben im Wortlaut nac. Sie sind begeistert von der neuen Lehre, die die Freiheit der schöpferischen Wissen­schaft der durch Gewalt erhaltenen und aufgebauten Staats­räson unterwirft.

Daß wir Menschen sind...

Worte eines katholischen Emigranten

Du fährst durch Gottes herrliche Welt, Es weitet der Blick sich in's Ferne, Siehst den Landmann, der den Acker bestellt, Siehst des Schnees kristallene Sterne.... Du liebst alles Schöne! Froh wölbt sich die Brust­Und in Deutschland   waltet mit tierischer Lust der Henker-

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Du gehst durch den Wald, über Wiesen und Flur, Und feierlich stimmt Dich das Schweigen, Du liebst und bewunderst Gottes Natur, Mußt vor ihrer Größe Dich beugen.... Es zieht Dich in's Freie! Froh wölbt sich die Brust-­Und in Deutschland   waltet mit tierischer Lust der Henker

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Du bist voller Glaube an Güte und Herz, An Menschlichkeit und Ideale;

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Natur ist Dir Lust, Natur ist Dir Schmerz, Von einem zum anderen Male.... Froh wölbt sich die Brust­Du glaubst noch an Liebe! Und in Deutschland   mordet mit tierischer Lust der Henker

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Es gibt einen Gott! Er leitet die Welt Der Millionen, die zu ihm beten;

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Ihm gilt nur der Mensch, nicht Gut und Geld, Er kennt keine Führer" und keine Proleten"... Herrgott, sei gerecht! Mach' die Welt wieder frei- Auf daß es für uns keine Schande mehr sei, Daß wir Menschen sind!

Das ist die trostlose Wahrheit. Diese Katastrophe wird dadurch nicht gemildert, daß diese preußischen Rektoren dadurch nicht gemildert, daß diese preußischen Rektoren Ein Fahrgedenken schon ausgesiebte Leute sind, die nach Entfernung der nicht vollkommen Gleichgeschalteten die offiziellen braunen Weihen erhalten haben. Denn sie sprechen für alle In­haber von Lehrstühlen und Lehraufträgen, die jetzt restlos dem Führerprinzip" unterworfen sind.

Diejenigen aber, die um der Bequemlichkeit und Furcht willen ihre geistige Freiheit opferten, sind mitschuldig und mitverantwortlich.

Jeder kleine SA.- Mann, der um des Hungers und der Be­friedigung seiner Instinkte willen bei seiner braunen Truppe bleibt, steht moralisch höher als jeder on der Zunft deut­ scher   Gelehrter, der gegen diesen Ausdruck ,, tiefer Dank­barkeit" seine Stimme nicht erhebt.

Die deutsche   Erzieherkaserne

Das Ende des deutschen Lehcecvereins

Die Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung", die größte deutsche Lehrerzeitung, hat mit dem Ende des Jahres 1933 ihr Erscheinen eingestellt. Nach ihrer Gleichschaltung war sie nur noch ein tragikomisches Beispiel von Gesinnungslosigkeit und Unterwürfigkeit.

Außerdem hat der Gesamtausschuß des deutschen Lehrer­vereins folgenden Beschluß gefaßt:

,, Der Gesamtausschuß ist überzeugt, daß in nicht zu langer Zeit im einigen Deutschen Reich es auch nur eine einzige Erzieherfront geben wird. Es geht seinen einmal eingeschlagenen Weg siegesgewiß zu Ende und sieht nach wie vor in dem nationalsozialistischen Lehrerbund allein die deutsche   Erziehergemeinschaft. Der Auflösung des Deutschen Lehrervereins   steht nichts mehr im Wege. Sie wird in allernächster Zeit vom Gesamt­

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ausschuß vorgenommen."

Das ist also das siegesgewisse Ende der einst freiheit­fichen Lehrer um Herrn Wolf und Genossen! Dieser Be­schluß, den Verein, auf den man so lange so stolz gewesen war und ihn als das Bollwerk der deutschen Volkslehrer­schaft bezeichnet hatte, so ,, würdig" zu Grabe zu tragen, sieht allerdings weniger siegesbewußt aus. Der alte Herbart  behält recht: die Menschen bilden weit lieber die Maximen ihres Handelns nach ihren Taten als umgekehrt. Hier liegt noch eine besonders unwürdige Heuchelei vor. Man mußẞ nämlich wissen, daß der Deutsche Lehrerverein trotz aller Unterwerfung keine Gnade mehr vor den nationalsozia­listischen Machthabern gefunden hatte. Er wäre dem Henker beil ohnedies zum ersten Januar verfallen gewesen. Er

Lippe- Detmold...

Lippe- Detmold, eine wunderschöne Stadt...., besonders schön im bunten Schmuck mächtiger Hakenkreuzflaggen. So was hebt ungemein. Uebrigens sollen selbst heute nicht alle Menschen diese Ansicht teilen, in Lippe   sogar bestimmt nicht ein Maler, junger Mann, blond, Arier, Vater Beamter, lebt brav und ordentlich daher.

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Nur Hitler  , den mag er nicht so recht leiden, grüßt auch nicht vorschriftsmäßig, hat seine eigene Meinung, wenn er sie auch nicht allen Leuten auf die Nase bindet. Deunoch Fritz mag den Hitler nicht, sagt das auch zu Hause sehr deutlich, besonders als er einmal heimkommt und im Wohn­zimmer groß, weiß, scheußlich und aus Stuck ein Hitler­Bild findet.

Fritzt tobt. Der Vater, bedrückt, entschuldigt sich: ,, Zwei­mal schon dagewesen, haben mir gesagt, daß der Beamte, der keinen Hitler kauft, dadurch beweist, daß er kein echter Deutscher ist und daher kein Beamter sein kann. Ich muß meine Ruhe haben. Bild gekauft, wirst verstehen."

Aber der Sohn befiehlt: Das Ding muß weg!" nimmt es dann der Sicherheit halber selbst und trägt es in das Zimmer, in das eben Hitler   am besten hineinpaßt, ins W. C  . Soweit wäre alles in Ordnung gewesen, wenn nicht Frit über eine kleine wester verfügt hätte, fünf Jahre alt,

Leni heißt sie.

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zog es vor, mit unwürdiger Heuchelei sich selbst zu morden. Wenige Tage vor dem Vorstands­beschluß des Deutschen Lehrervereins   veröffentlichte näm­lich das Reichsministerium des Innern folgende Verfügung: 1. Im Hinblick auf den nationalsozialistischen Lehrerbund und die gegenwärtigen organisatorischen Maßnahmen wird verfügt, daß ein Wiederaufleben aller aufge. löst r oder aller in Auflösung befindlicher Verbände absolut verboten ist. Letztere sind in den Fachschaften des Nationalsozialistischen Lehrerbundes   auf­gegliedert und üben dort ihre Facharbeit aus.

2. Der Nationalsozialistische Lehrerbund stellt im Hinblick auf Politik und Weltanschauung die große deutsche   Er­zieherfront analog der Bauernfront, analog der Arbeiter­front unter der Führung des Reichsleiters Schlemm als selb­ständiges Amt der politischen Organisation dar.

3. Der Nationalsozialistische Lehrerbund stellt im Hin­blick auf seine Fachschaften vom Kindergarten über Volks­schule, höhere Schule und Hochschule einschließlich aller Sach- und Arbeitsgebiete die auf Erziehung bezügliche fach­liche Organisation der nationalsozialistischen deutschen   Ar­beiterpartei dar."

Damit wird der Schlußstein der deutschen Er­zieherkaserne gelegt. Es gibt keine deutschen Lehrer mehr, sondern nur noch die SA.- Männer der deut­ schen   Zuchtanstalten. Es fällt schon nicht mehr auf, daß

In einer reichsdeutschen Großstadt hat sich vor Jahres­frist eine bezeichnende Episode abgespielt:

Aus Anlaß des Richard- Wagner- Gedenktages am 13. Ja­nuar hatte, wie sich das von selber verstand, der Intendant des städtischen Theaters die repräsentative Neu- Inszenierung eines großen Wagner- Werkes angesetzt und wochenlang vor­her gebührend publiziert.

Wenige Tage vor der Premiere erscheint nun bei ihm ein Funktionär der Nazi- Partei und verlangt: die Aufführung müsse als geschlossene Festvorstellung der NSDAP  . firmiert werden, da der Führer" sich am betreffenden Tage in der Stadt aufhalten werde und mit seinem Stab das Theater zu besuchen wünsche. Also werden alle noch verfügbaren Plätze dem öffentlichen Kassa- Verkehr entzogen und von den Nazis aufgekauft, aber:

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Am Premierentage stellt sich plötzlich heraus: der ,, Führer" hat seine Dispositionen geändert; sein Theater­besuch findet nicht statt. Was geschieht?

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Ein Run auf die Kasse. Ganze Nazikolonnen stehen Schlange wie in der guten alten Zeit und verlangen, man solle die Karten wieder zurücknehmen: wen interessiert schon der ,, Tristan"?

Wegen der angesagten Anwesenheit defl ,, Führers" und aus keinem Grunde sonst hatte man sich entschlossen, sich den Abend mit dem Theaterbesuch zu verderben! Der Kassierer bedauert: Gelöste Karten werden nicht zurückgenommen!" ,, Na gut, aber dann tauschen Sie die Plätze wenigstens gegen das-- ,, Weiße Röß'l" um!"

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Da hatte man die Bestätigung für einen schon lange ge­hegten Verdacht: die große Kulturlüge des soeben glorreich begonnenen ,, dritten Reiches" lag offen zutage. Plöglich war es den umtauschbegehrenden Nazis völlig einerlei, daß ihre Zeitung erst wenige Wochen zuvor eine wilde Attacke ge­ritten hatte, weil der Intendant, um sein Defizit zu ver mindern, das jüdische Machwerk des Herrn Benatky" ins Repertoire brachte bei welcher Gelegenheit man mit Ein­dringlichkeit dargetan hatte, daß Publikums- und Kassen­Wirksamkeit oder gar künstlerische Werte verstaubte Be­griffe aus der Mottenkiste des verstorbenen Liberalismus be­deuten: entscheidend für die Spielplangestaltung im, dritten Reich" sei vor allem die ,, Deutschrassigkeit der Autoren... Dies die Meinung der Gralshüter und ihrer ergebenen Schmocks in der Nazipresse.

Wie aber die Massen des Nazi- Publikums ihre deutschen  Meister ehren: siehe oben!

Herr Rust die Befehlsformen der SA. als einheitliche Befehls Zeit- Notizen

sprache im preußischen Turnunterricht angeordnet hat. Die totale Barbarei marschiert in Riesenschritten.

Leni, Fritz und der Papa gehen über die Straße. In Lippe  . Das heißt: Jeder kennt sie. Das bedeutet: Jeder paßt auf sie auf; war immer schon so. Nur heute paẞt jeder mit bösen Augen auf, früher aus Klatschlust. Gott  - Lippe  -. Und plötzlich steht man mitten in einer Versammlung unter freiem Himmel. Wie sie jetzt in Deutschland   so üblich ist zuviel sind. ,, Heil Hitler  !!!" schreien sie alle. Alle gesagt. Frit mit Schwesterchen und Vater schreien nicht, was bereits einiges Entsetzen unter den Umstehenden her­vorruft. Böse Blicke treffen die drei. Eisiges Schweigen ent­steht.

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Und mitten in die tiefe Stille klingt die Stimme eines kleinen, etwas ängstlich gewordenen Mädchens, spricht Leni -und Entschuldigung liegt in dem Ton: ,, Unser Fritz, der ist nämlich nicht für Hitler, der ist gegen ihn. Bei uns hängt der Hitler auf dem Clo...."

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Es wird von Augenzeugen bestätigt, daß noch niemals ein alter Mann so schnell von einer Versammlung nach Hause gelaufen ist, wie der wohlverdiente und stadtbekannte Be­amte Fritz senior. Es wird weiterhin bekannt, daß Herr Fritz junior inklusive Schwester Leni nur auf gewaltigen Um wegen die elterliche Wohnung wieder erreicht hat und im Wohnzimmer erleichtert aufatmend einen wunderbar schönen Stuck- Hitler vorfand, den Vater Fritz eiligst dorthin gestellt hatte. ,, Falls sie gleich kommen. Na, weiß mans?" Im übrigen wird jetzt zu Hause nicht mehr von Politik gesprochen, kein Wort, keine Silbe. Und Frity junior ist weg aus Lippe  , kann sich nicht mehr sehen lassen.

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Buchhändlerboykott

Die im Jahre 1881 gegründete deutsche   Buchhandlung Ig. Hert, Bukarest  , Calea Victoriei No. 5, die über ein halbes Jahrhundert in Rumänien   deutsche   Literatur ver breitet hat, teilt mit, daß sie aus dem deutschen Buch­händleradreẞbuch gestrichen worden ist, weil sie die im Ausland erscheinenden Zeitungen, Zeitschriften und Bücher führte. Die Buchhandlung Ig. Herts, Bukarest  , ersucht alle außerhalb Deutschlands   sich neu gründenden Verlagshäuser, ihre Verlagserzeugnisse zur Verbreitung in Rumänien   an sie zu schicken.

Für das alte Testament

In der Theologisch- praktischen Quartalschrift" tritt K. Fruhstorfer energisch für das Alte Testament ein: ,, Nie wird die katholische Kirche   dahin gebracht werden können, das Alte Testament aus dem Kanon der Heiligen Schrift zu streichen."

Der erste erlaubte Wit

Wahrscheinlich um die Buchhändler über die vielen Kon kurse hinweg zu trösten, bringt das Buchhändlerbörsenblatt ( Nr. 27) folgenden Scherz: Eine junge Frau betritt den Laden. Mit holder Stimme flötet sie: Ich möchte: Mit Hitler   in die Macht!" Ein urwüchsiger Münchner   steht da neben und sagt:' Ja, Freilein, dös mechten andere a!""

Impfgegner

verboten

Der preußische Minister des Innern hat die Impfgegner und Impfzwangsgegner- Vereinigungen für Preußen aufge löst und verboten. Gleichzeitig wird jede öffentliche impf. gegnerische Betätigung verboten,