Frankreichs Situation

Das Ministerium Doumergue

,, Echo de Paris" läßt sich berichten:

o

In Berliner politischen Kreisen haben wir von Persönlich­keiten, die sich schmeicheln, der Entwicklung der Vorgänge in Frankreich mit Aufmerksamkeit zu folgen, gehört, daß sie über gewisse Urteile erstaunt sind, die von offiziösen Pari­ ser Agenturen verbreitet werden.

Aus diesen Telegrammen, die sogleich nach Berlin zurück­

gedrahtet wurden, geht hervor, daß das Kabinett Doumergue in der deutschen Presse eine günstige Aufnahme gefunden

habe.

Wir fragen uns, welche Artikel es sein konnten, die unse­ren Kollegen eine so optimistische Meinung vermittelten und durch was für geschickte Ausschnitte ein Journalist dazu kommen konnte, in der Fülle der groben Artikel, die über die französische Krise veröffentlicht wurden, die vereinzelten Zeilen zu finden, die diese optimistische Meinung zu recht­fertigen vermochte.

ent­

Wir waren auch unsererseits begierig, in der Berliner Presse den Ausdruck aufrichtiger Zufriedenheit zu decken, doch war es uns leider unmöglich davon auch nur die geringste Spur zu finden.

Nein, die Einsetzung des Kabinetts der Siebzigjährigen" ( so bezeichnet man es in Berlin ), hat in der Hauptstadt des Reichs keine der Hoffnungen entstehen lassen, welche die Uebernahme des Ministeriums des Auswärtigen durch Dala­dier aufkommen ließ.

Einige unserer deutschen Kollegen haben wohl voller Ach­tung auf die Hingabe des Präsidenten an das allgemeine Wohl aufmerksam gemacht und dem Marschall Pétain dazu gratuliert, daß er eingewilligt hat, sich auf die Regierungs­bank neben den Zahnarzt Marquet zu setzen( siehe Deutsche Allgemeine Zeitung vom 11. Februar), aber in der Gesamt­heit sind Regierungskreise und öffentliche Meinung ent­

täuscht.

Alle Zeitungen des Reichs haben darauf hingewiesen, daß die auswärtige Politik Barthous, des früheren Präsidenten der Reparationskommision und der Urheber des Gesetzes über die dreijährige Dienstzeit, wahrscheinlich weniger ent­gegenkommend sein würde als die der letzten radikalsozia­listischen Minister, die am Quai d'Orsay aufeinandergefolgt sind.

Die Anwesenheit von Tardieu und Herriot im Schoße der neuen Regierung verursacht auch eine gewisse Beunruhigung, und die Germania von heute morgen hebt hervor, daß diese beiden Minister ohne Portefeuille sehr gut mit dem Minister­präsidenten ein Triumvirat" mit dem Auftrage bilden könn­ten, viele wichtige politische Entscheidungen zu treffen. Das verstärkt noch die schon offen ausgesprochenen Befürch­tungen.

Diese Auffassung veranlaßt die deutsche Presse, das Mini­sterium Doumergue als Regierung der Uebergangszeit. zu betrachten.

Die Pariser Korrespondenten der großen deutschen Zei­stungen, deren Telegramme zu Recht besonders geschätzt wer­den( u. a. die der ,, Vossischen Zeitung" und der..Deutschen Allgemeinen Zeitung"); meinen, daß die ersten Maßnahmen des Kabinetts die Lage nicht ganz geklärt haben, daß die ein­geschlagene Politik zu nüchtern sei und daß die Parlamen­tarier, die unter derartig tragischen Umständen an lie Macht gelangt sind, zu sehr mit Vorurteilen belastet wären, um

Alexandra durchhaut den

gordischen Knoten

Von Klara Blum ( Wien )

Warum hatte der Buchdrucker Roviczet dem Mädel einen so ausgefallenen Namen gegeben? Weil er a Püjdung lernt und sei Püjdung gern beherzigen möcht;" behauptete sein Freund, der Kunstschlosser Steibl. Bon ferne erinnerte die Xandl fich noch, wie sie, das schwache Kriegsfind, im Zwanzigerjahr an Blattern erfranft war. Damals hatte der Vater einen ganzen Haufen von zerlesenen Büchern nach Hause gebracht, hatte ihr viele Bilder zum Anschauen ge­geben, hatte Abend für Abend, Sonntag. für Sonntag ihr geplagtes Krankfein in eine verlockende bunte und stille Unterhaltung verwandelt. Ganz, ganz von ferne sah sie manchmal noch ein einziges dieser Bilder vor sich: einen Mann, der einen riesenhaft verwirrten und verwickelten Knoten mit einem einzigen Schwerthieb mittendurch ent­zmeihaut. Und das Fabelhafteste an der ganzen Sache war, daß dieser Mann genau so hieß wie sie.

Als die Xandl mit der Hauptschule fertig war, wollte sie zum Keibl in die Lehre gehen und Kunstschlosserin werden. Sie träumte von ihren zukünftigen Erfindungen, von Schlössern, die so funstvoll schön und praktisch waren, daß alle Welt darüber vor Bewunderung verging. Aber der Weibl, der sonst gut und lustig war, der ihren Kopf streichelte und ihren Vater den intellektuellen Proleten" nannte, der= felbe Seibl war hart geworden wie sein eigener Hammer. A Madl is fa Lehrbna" hatte er immer wieder gesagt und weder die Xandt noch ihr Vater hatten ihn davon abbringen fönnen.

So ging die Xands als Einlegerin in die Druckerei, in der auch ihr Vater beschäftigt war. Das war Hilfsarbeit, an erkannte Frauenarbeit, sehr billig, ziemlich dreckig und namentos langweilig. Und irgendwo mußte es doch stecken, all das Spannende und Interessante, daß man vom Leben der Erwachsenen erwartet hatte. Wenn die Arbeit im ein­tönigen Gleichtaft durch ihre Hände lief oder wenn sie Frei­tag abends, am Boden hockend, das ölige Gestell ihrer Maschine puste, dann träumte die Xandl vom Willi Fritsch , vom Hans Albers und besonders gerne vom Ivan Petro­vitch. Als sie in die sozialistische Arbeiterjugend eintrat, nannte man sie zuerst abwechselnd die schöne oder die häß­liche Xandl. Denn mit ihrer biegsamen Gestalt und ihren ungeschickt heftigen Bewegungen, mit ihrem blatternarbigen Gesicht und ihren flammenden Augen war sie ein solches Gemisch von großer Schönheit und großer Häßlichkeit, daß fein Mensch fich ausfannte. Aber schon nach einer fürzen Zeit hatten ihr alle übereinstimmend den gleichen Namen gegeben: Die verliebte Xandl".

Die Xandl verliebte fich eifrig und unaufhörlich, verliebte sich sozusagen am laufenden Band. Fehlte ihr ein paar Tage lang die Gelegenheit dazu, so fam ihr das ganze Leben ver­dreckt und sinnlos vor, wie die ölige Arbeit an ihrer lang= weiligen Maschine. War sie verliebt, so teilte sie es jedem, der es hören wollte, gewissenhaft mit, und schwärmte und schmachtete mit unentwegter Deutlichkeit. Einmal war eine Referentin zu ihnen gekommen, eine dicke, freundliche Aeratin und hatte über seruelle Probleme gesprochen und da war die Xand! aufaeständen, um eine Frage zu stellen. Mit ihrem traumschweren Kopf, ihren flammenden, blatter­narbigen Wangen, ihren schönen, ungeschickten Gliedern war

nicht im voraus die großmütigen Bemühungen des Präsiden ten Doumergue zunichte zu machen.

Die deutsche Presse kommt, indem sie die Kundgebungen der Pariser gegen das Parlament mit dem Kampf der Na­ tionalsozialistischen Partei gegen die deutschen Parlamen­tarier vergleicht, zu der Schlußfolgerung, daß die von dem Kabinett Doumergue angewandten Mittel nicht dem Ernst Kabinett Doumergue angewandten Mittel nicht dem Ernst der Lage entsprechen.

Garvin über Frankreich

Ein Artikel von Garvin über die Lage in Frankreich Journal des Débats:

Unter der Ueberschrift ,, Wohin geht Frankreich ?" ver­öffentlicht der ,, Observer" einen langen Artikel von Garvin über die Ministerkrise in Frankreich .

Garvin erklärt, das Mandat der Deputiertenkammer könne moralisch als verjährt betrachtet werden. Das beste, was Doumergue tun könnte, wäre, das Beispiel Roosevelts nach­zuahmen und außerordentliche Vollmachten zu verlangen. Er könnte alsdann den Senat und die Deputiertenkammer

vertagen.

Mit dem Nationalsozialismus auf der andern Seite des Rheins und dem italienischen Faschismus jenseits der Alpen, scheine es in der Tat fast unmöglich, noch lange die tradi­tionellen Methoden der parlamentarischen Demokratie bei­zubehalten. Die Aenderungen, die sich in Frankreich voll­ziehen könnten, würden ohne Zweifel ohne Verlegung der Autorität und der Disziplin durchgeführt werden.

Das ständige Anwachsen eines extremen Nationalismus in Deutschland , eines Nationalismus, der sich vom Rassen­fanatismus herleitet, und der danach strebt, ein ganzes Volk in eine ,, Maschine in Uniform" zu verwandeln, wird sicher­lich einen starken Einfluß auf die Organisation des fran­ zösischen Staates ausüben.

Im übrigen ist es beinahe gewiß, daß sich früher oder später ähnliche Aenderungen in Großbritannien vollziehen werden. Die Formen können sich unterscheiden, aber man wird in jedem Lande ein Aufleben des Patriotismus fest­stellen. Es ist zum Beispiel gewiß, daß ein mächtiges Frank­ reich mindestens ebensosehr im Interesse des Friedens liegt, wie ein mächtiges England. Das Schicksal der beiden Demo­kratien zu beiden Seiten des Kanals sind untrennbar mit­einander verknüpft; sie werden zusammen leben oder sie werden zusammen untergehen.

Bezüglich der Haltung, die Frankreich in der auswärtigen Politik anzunehmen beabsichtigt, schreibt der Observer": Wenn, wie die britische Regierung versichert, die Auf­rüstung Deutschlands unvermeidlich ist, und wenn diese Auf­rüstung sich schneller und in größerem Umfange vollzieht, als man vom Ausland aus erkennen kann, so ist es nutylos zu glauben, daß Frankreich sich in irgendeiner Form die Hände binden wird. Wenn Frankreich das aber doch tun sollte, so ist es viel wahrscheinlicher, daß dies im direkten Ein­vernehmen mit Hitler als durch eine englische Vermittlung geschieht.

Holländische Stimme

In der Post Scripta" der Haagschen Post lesen wir: ..Die Deutschen erschraken sich schon, als Daladier fiel, in dem sie iliren besten Freund unter den französischen Staatsmännern sehen zu müssen glaubten. Ihr Schreck mußte

fie dagestanden, sehr schön und sehr häßlich zugleich und hatte kein Wort hervorbringen können. Und da waren schließlich die Burschen herausgeplaßt: Ich glaub halt, Genossin, sie möcht gern wissen, warum's allweil aso verliebt is."

Sie lachten fie aus, die verliebte Xandl, aber im Grunde sab es bei ihnen allen nicht viel anders aus. Gewiß, es fiel sonst niemandem ein, sich so offenkundig lächerlich zu machen. Aber heimlich nisteten sie doch in jedem Schädel, die Liebes­träume, die Himbeerträume, die Kitschträumte, ließen sich von feiner Not, von feiner Sorge und von keinen Parolen ver­scheuchen, verstrickten die Burschen und Mädels immer mehr in thre dünnen, süßen, klebrigen Fäden. Man verliebte sich, befreundete sich, wollte ganz ineinander aufgehen, auf gut finodramatisch die ganze Welt vergessen und vergaß zunächst einmal die Organisation mit ihrer harten politischen Klein­arbeit. Immer enger wurde der Kreis, der bei den Ver­sammlungen aushielt, immer neue Paar fanden sich und verschwanden, um lange Spaziergänge zu machen und erst am Schluß der Diskussion wieder aufzutauchen mit weich gewordenen Stimmen und weich gewordener Weltan schauung. Und man trödelte und man blödelte und es lohnte sich ja auch garnicht politische Interessen zu haben, die alten Genossen sagten einem ohnehin bei jeder Gelegenheit etwas von Roßbub und Goschen halten und Noch nichtverstehen und nassen Windeln. Und gegen wen sollte man eigentlich fämp­fen, die Arbeitslosigkeit war ein gespenstich namenloser, quallig weicher Sumpf, der einen zu verschlingen drohte, aber einen richtigen Feind, einen Feind, der sichtbar und greifbar vor einen hintrat, den hatte man eigentlich nicht. Und die Paare fanden sich und verschwanden, fanden sich und verschwanden.

Mit der Xandl war es bereits ein offener Skandal. Seit sie mit dem Ferdi ging, war sie blind und taub und liebes­toll geworden, sah nur ihn, hörte nur ihn, sprach nur von ihm. Der Ferdi hatte schmale, langbewimperte Augen und diese Augen hatten jederzeit die Fähigkeit, ein Mädel so start in ihren Blick zu hüllen, daß sie erichauerte. Der Ferd! traf das ebenso geschickt und unfehlbar, wie sein Bruder Franz mit den Ohren wackeln konnte und er war auch nicht weniger stolz darauf. Für die Xandl aber mit ihren un­erfahrenen und phantastischen Sinnen war diese Blicke ein wildes und berauschendes Gift, das sie nicht mehr entbehren fonnte. Wenn der Ferdi fortging, dann spazierte fie treu­herzig hinter ihm her und wenn er blöde Gans zu ihr jagte, dann fragte fie eifrig: Geh Ferdl, warum bin ich denn eine blöde Gans?"

Der Frühling fam. der warme rastlose Frühling von 1982. Man rüstete zu den Aprilwahlen und Karli, der Obmann, bemühte sich verzweifelt, die Leute aufzurütteln. Er hatte die Xandl daran erinnert, daß sie heute Abend in die Ver­jammlung kommen sollte. Das war ihr wurscht. Sie war mit dem Ferdi um acht vor dem Weltspiegel- Kino ver­abredet und sie konnte die Stunde nicht mehr erwarten.

Grün war er und bunt, der Gürtel, diese jagende Land­straße des Großstadtvagabunden, und die verliebte Xand! ging und ging und wenn sie an Ferdls begehrende Blicke dachte, dann konnte sie nicht mehr ruhig gehen und sie fing zu laufen an. Und da war sie unversehens beim Urban- Lori­Park angelangt, sah ein Paar auf einer Bank siben, ein vielbeschäftigtes Paar", wie man in ihrer Gesellschaft sagte und erkannte plötzlich den. Ferdt. drehte sich um und rannte den Gürtel zurück. Vor dem Weltspiegel- Kino blieb sie stehen, auf allen Plakaten sah sie nur den Urban- Loriz- Park, sah Ferdls Hand und den Rücken des fremden Mädchens.

aber noch viel größer sein, als sie die Zusammenstellung des neuen Kabinettes hörten. Auf der Liste fanden sie den Namen Pétain , des Mannes, dessen großes Lebenswerk es ge­wesen ist, Frankreich vor der deutschen Gefahr zu beschir­men. Wird er ein feuriger Abrüster sein oder ein Mann, der die Aufrüstung Deutschlands gutheißt?... Sie fanden auf der Liste auch Tardieu, einen der geistigen Väter des Ver­sailler Vertrages, der den Deutschen immer sehr argwöhnisch gegenüber stand. Sie fanden den Namen Marin, des Mannes vom rechten Flügel, der als Feind Deutschlands bekannt ist. Und vielleicht haben sie es auch nicht als besonders ange­nehm empfunden, daß Barthou , einst Vorsitzender des von den Deutschen gefürchteten und gehaßten Obersten Rates der alliierten Minister für ausländische Politik geworden ist.

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Ohne alle Mittel"

Pariser Flüchtlingshilfskomitee in No.

Paris , 18. Febr.( 3TA.) Die seit einiger Zeit in der Pariser Flüchtlingshilfe andauernde Krise ist in ein akutes Stadium getreten. Nachdem das Hilfskomitee für die Flüchtlinge im Verlauf eines Jahres etwa 10 Millionen Franken ausge­geben hat, steht es jetzt ohne alle Mittel da und wird, falls nicht im letzten Augenblick Hilfe kommt, in wenigen Tagen seine Tore schließen können, wodann viele hunderte Flücht­linge ohne Obdach und Nahrung bleiben werden. Das Ko­mitee appelliert an die jüdischen Gemeinschaften der Welt um Hilfe. Seit eligen Tagen wird an gewisse Kategorien der Emigranten seitens des Comité National, an dessen Spize Baron Robert de Rothschild steht, keine Unterstüßung mehr verabfolgt. Viele Flüchtlingsfamilien sind in eine ver­ameifelte Situation geraten.

3wischen der sogenannten Deutschen Kommission" und dem Comité National wird über den Aufbau einer produk­tiven Hilfe verhandelt. Von den zur Zeit noch etwa 1500 Unterstützten sollen schon in den nächsten Tagen 100 bei

sarbeiten in der Landwirtschaft, 100 in Handwerks- und Landwirtschaftsumschulungen untergebracht werden. Nach Palästina geht jetzt ein weiterer Transport von 100 Flücht­lingen ab, ebenso sollen etwa 100 in anderen Ländern Unter­kunft und Arbeit finden. Etwa 500 Eimgranten will man durch Etablierung von 300 Familienvätern produktiv in den Wirtschaftsprozeß in Frankreich einreiben. Uebrig blieben dann etwa 600 Aeltere, Kranke und Arbeitsunfähige. Man will versuchen, diese 600 Hilflosen bei den jüdischen Ge­meinden der verschiedenen französischen Provinzen in Heimen o Privatquartieren gut unterzubringen. Das nötige Geld zur Realisierung dieses ganzen Planes soll in Frankreich , Amerika und England aufgebracht werden. Man hofft umso­mehr auf Verständnis, als es sich hier um Spenden für pro­buftive Hilfe handelt, durch die die Beendigung der bis­herigen so unproduktiven reinen Fürsorge erreicht werden · würde.

Auslieferung von Antifaschisten?

Das Internationale Befreiungsfomitee hat folgendes Telegramm an das Auswärtige Amt in Kopen hagen gerichtet:

Erheben schärften Protest gegen Verhaftung und geplante Auslieferung 17 deutscher Antifaschisten an Hitler . Fordern fofortige Aufhebung dieses Bruchs Asylrechtes, der in allen Riffturländern und allen Bevölkerungsschichten größte Em­pörung ausgelöst hat.

Die dünnen süßen klebrigen Fäden, in die sie schon so lange verstrickt war, schnürten ihr Herz zusammen, ihren Hals, ihre Beine. Es war dreiviertel acht. Sie wollte nicht auf den Ferdi warten, sie wollte ihn auffißen lassen, fein. Wohin sollte sie gehen? Irgendwohin. Also in die Versammlung. Weil sie es dem Ferd! auch einmal zeigen wollte.

Lauter Lärm ist im Saal und ein paar Burschen fangen bei ihrem Eintritt zu singen an:" Da fommt die kleine Alexandra". Sie fährt zusammen. Seit ihrer Schulzeit hat fie nicht mehr ihren ganzen Namen nennen gehört. Nun fißt sie im Eck und der Karli schwingt eine große Rede, die sie nicht interessiert, und Schmerz und Wut haben fie müde gemacht und sie schlummert halb. Und sie sieht wieder den Urban- Loriz- Part, es schnürt sie brennend zusammen und zwischendurch sieht sie das Bild aus ihrer Kinderzeit, Ale­rander den Großen. Nicht nur ihren Namen trägt er, er trägt nun auch ihr Gesicht. Alexandra läuft über die Welt, die ganze Welt ist eine jagende Straße wie der Lerchenfelder­Gürtel, und Alexandra will Asien erobern. Der König von Gordion lacht arrogant und zeigt ihr den uralten, den ver­wirrten und verwickelten Knoten, den niemand lösen kann. Denn der Ferdl nennt sie dumme Gans und sie liebt ihn nur noch mehr, und seine Hand liegt auf einem fremden. Rücken und sie liebt ihn nur noch mehr, und Kunstschlosserin hat sie nicht werden dürfen und sie ist die verliebte Xandl geworden, verdammt noch einmal, und sie zieht ihr Schwert. Marristenplatte! Pülcher! Rote Bagage!"

Die Xandl fährt in die Höhe. Ein Haufen Naziburschen ist ins Versammlungslokal eingedrungen, sie wollten, die Wahlvorbereitungen stören. Die Xandi reibt sich die Augen und ist schon mittendrinn in einer Rauferei. Mit beiden Fäusten verteidigt sie sich, und mit jedem Schlag wirds ihr leichter. Und auch in ihre verschlafene Gesellschaft ist Leben gekommen, man schreit, man bort, man wirft die Angreifer hinaus.

Und die Xandl ist auf den Tisch gesprungen und ruft: Genossen! Jetzt haben wir einen Feind vor uns, den wir sehen und angreifen können. Jebt wiffen wir, gegen wen wir zu kämpfen haben. Gegen die Nazi braucht die Partei vor allem die Jugend, vor allem uns. Jetzt wird uns nie­mand mehr ins Winter! schicken. Jetzt wird uns niemand mehr unsere Robnasen vorwerfen. Aber darum dürfen wir uns auch nicht länger so verweichlichen, ich fag's euch, weil ich am meisten Butter am Kopf hab. Schluß damit, wir wollen kämpfen."

Als die Xand unter brausendem Beifall vom Tisch her­unter steigt, sieht sie an der Türe den Ferdl stehen. Sie gekt langsam zu ihm hin, unterwegs träumt sie sich noch rasch einen fleinen Traum zusammen. Alexandra, wird der Ferdi sagen, du bist eine Heldin und ich bewundere dich. Nie wieder werde ich mit einem anderen Mädchen gehen, denn ich liebe nur dich allein.

Du hast mich zum Weltspiegel- Rino hinbestellt, Ferdi, was hast du mir denn sagen wollen?" Er antwortete nicht gleich, sondern betrachtete sie mit verdrossener Anerkennung. Das ist nicht mehr das Mädel, das man so schön in seinen Bann zwingen, fleinkriegen, kleinmachen konnte. Nix Be­sonderes hab ich dir sagen wollen", brummt er schließlich. Und sein Blick, sein wunderbarer Blick, wirkt nicht mehr und will auch garnicht mehr wirken.

Mit einem Satz ist die Xandl auf der Straße und über der großen Häßlichkeit und der großen Schönheit ihres emporgeworfenen Gefichtes schlägt der falte Rausch der Freiheit zusammen,