Pariser Berichte

Pariser Straßenkalender

Im internationalen Studentinnenheim auf dem Boulevard Saint- Michel wurde nach einem Vortrag ,, Ewiges Prag" ein Film von Prag   und den Slowakendörfern der Karpathen vor­geführt.

Am Freitag, 23. Februar, spricht, wie angekündigt, der Gründer der deutsch  - französischen Gesellschaft Dr. Otto Grautoff, jetzt emigriert, über den berühmten Isenheimer Altar   in Kolmar  , mit Lichtbildern im Instiut d'Art et d'Archéologie, 3, rue Michelet, 15.45 Uhr.

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Wie wir erfahren, sind in der deutschen Spielwarenfabrik, die hier wiederholt als ,, Kollektiv der blauen Elefanten" er­wähnt wurde, erhebliche Neueinstellungen zu erwarten. Die Fabrik unterhält bereits eine eigene Verkaufsstelle an einer Verkehrsecke der großen Boulevards.

Yvette Guilbert  , über deren mutiges Hitlerkonterfei in der Ausstellung der revolutionären Künstler hier berichtet wurde, hat soeben einen ihrer bekannten Vortragszyklen ,, Französisches Chanson aus drei Jahrhunderten" beendet. Die Künstlerin wurde begeistert gefeiert.

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Die Einheitspreisgeschäfte

Die Frage der Behandlung der Einheitspreisgeschäfte spielt in Frankreich   zur Zeit eine große Rolle. Wir haben vor einiger Zeit ein längeres Urteil des Temps" veröffentlicht, das genau die Rolle dieser Einheitspreisgeschäfte im Leben des Mittelstandes von heute schildert. Seitdem sind in Paris  

kleine antisemitische Hetsblättchen aufgetaucht, die die Deutschen   bezichtigen, mittels der Einheitspreisgeschäfte die französische   Wirtschaft vergewaltigen zu wollen. In Wirk­lichkeit ist in den Einheitspreisgeschäften ganz überwiegend französisches Kapital. Sie hängen meistens mit den großen französischen   Warenhäusern zusammen.

Die Agitation hat jetzt zur Folge gehabt, daß den Geschäf­ten, die zahlreiche Filialen haben oder die Einheitspreis­geschäfte sind, vom Ausschuß der Kammer eine Umsatz­steuer von 1,2 pro Tausend auferlegt wurde. Auslän- dische Ware wurde einer Steuer von 10 Prozent unter­worfen.

Emile Jaques- Dalcroze   gab zwei vielbeachtete Vorfüh­rungsabende mit seinen Schülern in der Ecole Normale de Die meistbesuchten

Musique. Dalcroze machte vor dem Kriege bekanntlich Dresden  - Hellerau   zu einem neuen Kunstzentrum. Die Hetze, die man gegen ihn während des Krieges entfesselte, als er das Dokument gegen die Beschießung der Kathedrale von Reims   unterzeichnete, setzte seiner deutschen Tätigkeit ein Ende. Man muß angesichts seiner letzten Vorführungen zu­geben, daß keine musikalische Volkserziehung der Zukunft an seinem System wird vorbeigehen können.

Der ermordete Pariser   Richter

Der als verstümmelter Leichnam wahrscheinlich nach einem verbrecherischen Ueberfall auf den Bahngeleisen bei Dijon  gefundene Rat am Pariser   Appellationsgericht Albert Prince ist international dadurch hervorgetreten, daß er 1920 Gene­ralstaatsanwalt am Gerichtshof für Oberschlesien  wurde, wo er zwei Jahre arbeitete. Prince, der an das Kran­kenbett seiner alten Mutter fuhr, war ein eleganter, schwar­zer, energisch aussehender Fünfzigjähriger von noch mehr jugendlichem Gesichtsschnitt. Am Tribunal der Seine ar­beitete er seit 1925, meistens in Finanzprozessen, in denen er große Fachkenntnis entwickelte, die zu seiner Berufung an das Appellationsgericht führte, erst Staatsanwalt, dann als Rat. Sein Sohn entschuldigte ihn in den letzten Tagen vor einer Sitzung mit der Angabe, daß die alte Mutter seines Vaters ihn in einer schweren Krankheit zu sich gerufen habe. Prince, der den ganzen Krieg mitgemacht hatte und zwei­mal verwundet war, wohnte in Paris   in der rue de Babylone. Künstler, die Hitler- Deutschland meiden, in Paris  

Künstler, die in Deutschland   seit einem Jahre nicht mehr auftreten, konnten in den letzten Tagen in Paris   außerordent­liche Erfolge erzielen: Professor Arthur Schnabel  , der bedeutende Pianist und Pädagoge, der jetzt ständig in Lon­ don   wirkt, und der die Aufforderung des Herrn Staatsrat Furtwängler, in einem Konzerte als Solist mitzuwirken, ausgeschlagen hat, gab einen Beethoven- Sonaten­Abend im Saal Gaveau. Im letzten Abonnementskonzert des Conservatoire spielte Joseph Szigeti   das Violinkonzert von Brahms  . Beide Künstler wurden vom Pariser   Publikum stürmisch gefeiert.

Pariser   Konzerte

Mendelssohn   ,, Deutsche Reflexe" Casellas an Kleiber

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Marie Dubas

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Widmung

Endlich kommt wieder neue und selten gespielte ältere Musik in den Pariser   Konzertprogrammen zu ihrem Recht. Von dem Triumph Hermann Scherchens mit Ravel Schönberg Strawinsky   war hier schon die Rede, ebenso von dem Kammermusikabend mit Werken des jungen, begabten polnischen Komponisten Jerzy Fitelberg  . Nun hat man auch im letzten Pro­gramm der Société des Concerts   ein selten aufge­führtes Stück neuerer polnischer Musik gehört: das Violin­konzert Karol Szymanowskis, des führenden Geistes der jüngeren polnischen Komponisten. Dies Werk ist seit seiner Uraufführung vor mehr als zehn Jahren nur selten gespielt worden. Die Schwierigkeit des Soloparts( den hier mit etwas zu kleinem Ton, aber großer technischer Meister­schaft Mlle. de Sampigny   interpretiert) und die über­aus starke Besetzung und schwierige Durchführung des Orchesterteils sind der Verbreitung hinderlich. Man wird dem ausgezeichneten Dirigenten Philippe Gaubert   Dank wissen, daß er sich der Einstudierung unterzog. Der Spät­impressionismus Szymanowskis liegt Gaubert  ( der selbst als Komponist impressionistischer Schule hervorgetreten ist) am Herzen.  ( Richard Blare au führte im letzten Kon­zert Poulet   die Orchestersuite ,, A u Pays basque" von Gaubert auf, kein sehr wesentliches, aber ein farbi­ges, interessant klingendes Werk musikalischer Schilderungs­kunst.)

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Die deutsche Musikwelt oder besser gesagt jener Res., der von der deutschen Musik welt nach einem Jahre Hitler  herrschaft noch existiert hatte zum 125. Geburtstag Felix Mendelssohn- Bartholdys nichts Besseres zu tun, als die ,, vorder asiatischen Rassenzüge" dieses für die Gesamtentwicklung der deutschen Musik so Das wichtigen Komponisten festzustellen. offizielle Deutschland   von 1934 und unverständlicherweise auch das im Kulturbund zusammengeschlossene deutsche Judentum schwiegen den Schöpfer der ,, Sommernachtstraum"-musik, der Lieder ohne Worte  ", den Wiederentdecker Bachs und den Gründer des Leipziger Konservatoriums tot. Hier in Paris   ist zumindest in zwei großen Konzerten seiner gedacht worden: Philippe Gaubert   führte im Ancien Conserva­toire de Italienische Symphonie", M. Inghel­brecht in len Concerts Pasdeloup die Schotti sche Symphonie" auf. Beide so selten gespielte Werke wirken auf das Publikum fast wie Novitäten: Die frische,

Sehenswürdigkeiten Frankreichs  

Statistik für 1933 ergibt Besucherzunahme

Die amtliche Besuchsstatistik der dem französischen   Staat gehörenden Museen und historischen Bauwerke für das Jahr 1933 ergibt, daß die Zahl der Besucher in den neun meist besuchten Sehenswürdigkeiten durchweg mit alleiniger Ausnahme des Louvre- Museums gegenüber dem Vorjahre gestiegen ist.

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Das Louvre( das jetzt seine 40 neuen Säle eröffnet hat) hatte 256 669 zahlende Besucher( im Jahre 1932 298 537), das Versailler Schloß steht an zweiter Stelle mit 205 483 ( 185 972) Besuchern, dann folgt an dritter Stelle der Mont­St. Michel, der in Frankreich   ,, Das Wunder des Okzi­dents" genannt wird, mit seiner Abtei. Er wurde von 193 885 Touristen besucht( im Jahre 1932 135 465). Den vierten Platz nimmt das Schloß in Fontainebleau   ein( 108 848), den fünf­ten die Sainte Chapelle   in Paris  ( 91 648), der Arc de Triomphe   in Paris   steht an sechster Stelle mit 76 369 Be­bezahlt haben. Dann folgt an siebter Stelle das berühmte suchern, die für den Aufstieg auf die Plattform Eintrittsgeld

Loire   Schloß Chambord   bei Blois  , das 58 294 Be­sucher gegenüber 56 203 im Jahre 1932 aufzuweisen hatte. Das Palais Luxembourg   in Paris   hat den achten, die Kathedrale Notre Dame   den neunten Platz.

BRIEFKASTEN

H., Straßburg  . Die Wochenzeitung Westland" erscheint nicht im Verlag der Volfsstimme", sondern wird nur in der Buch­druckerei der" Boltsstimme" im Lohndruck hergestellt. Es ist eine durchaus selbständige Zeitschrift, die mit der Sozialdemokratie gar nichts zu tun hat. Das weiß natürlich auch die kommunistische Seitschrift genau, die ihre Polemik auf die dem Laien naheliegende Verwechslung zwischen Verlag" und" Druck" aufbaut.

Minow. Sie schicken uns die Mittwochausgabe der kommu­ nistischen   Arbeiter- Zeitung  " in Saarbrücken   und streichen diese Ueberschrift rot an: Schutzbündler Koloman Wallisch   hingerichtet

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farbsatte Sprache des italienischen   Reisetagebuches. Die schon in der Form( rhapsodische Verbindung der Einzelteile zu einem G samtsatz größter Proportionen) weit in musikalisches Neuland vorstoßende ,, Schottische Orchester fantasie". Sie nimmt in der Tonsprache Wagnerisches und sogar Straußi­sches vorweg. Es zeigt sich, daß die Orchestermusik Mendels­sohns lange zu Unrecht vernachlässigt worden ist. Seine Ouvertüren, seine Symphonien könnten unser eingefrorenes Konzertrepertoire sehr gut bereichern; wo aber findet sich ein ,, Wiederentdecker" dieses Romantikers?

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Der Zufall fügt es, daß in dem gleichen Konzert, in dem das Publikum der Symphonie des in Deutschland   verpönten das Publikum der Symphonie des in Deutschland   verpönten Mendelssohn begeisterten Beifall spendet, Florent. Schmitt mit seinem ,, Reflets d'Allemagne" erscheint. Florent Schmitt   hat vor einigen Wochen in einem Konzert durch Vive- Hitler- Ruf" gegen einen deutschen emigrierten Kom­ponisten Stellung genommen. Das Programmheft der, Con­certs Pasdeloup" bemerkt lakonisch, Schmitt sei wohl schon im Jahre 1904, dem Entstehungsjahre dieser Suite musika­lischer Erinnerungsbilder, ein Paladin Hitlers   gewesen, da er Wien   als deutsche Stadt bezeichnet". Ein ernster Wit, gerade in diesen Tagen und ernst stimmt auch die Komposition, ein Gelegenheitswerk, das den Charakter einiger deutscher   Städte in Tanzformen festhalten will: das hier geschilderte Deutschland   existiert heute nicht mehr. Dieses romantische Heidelberg  , dieses idyllische Koblenz  , das karnevalistische München   und schließlich auch das walzerselige Wien  ... es war einmal, was heute davon noch da ist, ist Kulisse, hinter der sich die Tragödie des mittel­europäischen Kulturverfalls abspielt.

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Neben dem Florent Schmitt   steht in diesem Konzert der jüngere Poulenc   mit seinem 1932 auf dem Venediger  Musikfest uraufgeführten Konzert für zwei Klaviere und Orchester, das sowohl die Linie der alten Concerti grossi wie auch die jüngere Tradition der Virtuosenkonzerte fortsetzt. Die Damen van Barentzen und Weill  , die die Solo­partien mit größter technischer Sicherheit und denkbarer Ausgeglichenheit interpretieren, benutzen die Gelegenheit, um auch das selten aufgeführte Konzert für zwei Klaviere und Orchester( C- Dur) von Bach zu spielen. Ein Genuß seltener Art, der größtes Interesse für den angekündigten Duoabend dieser beiden Pianistinnen( im Saal Gaveau) weckt.

Ein ,, Con erto" steht auch im Mittelpunkt des Novitäten­programms, das Pierre Monteux   mit seinem unvergleich lichen Orchestre Symphonique de Paris veranstaltet hat. Ein Konzert für Geige, Cello, Klavier und begleitendem Orche­

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SPOe.- Führer Otto Bauer   rühmt sich seines Verrats." Was wir dazu sagen? Sie werden begreifen, daß die wortwörtliche Wieder­gabe der Ueberschrift hinreichend genügt, um zu zeigen, welch tägliche Hezze jeden Versuch zu einer antifaschistischen Front unter der Ar beiterschaft im Reime erstickt.

Schweizer  . Ihr deutscher Freund schreibt Ihnen unter anderm: " Ich komme öfters beruflich nach der Schweiz  , und es ist selbst­verständlich, daß ich immer die Deutsche Freiheit" kaufe. Ich habe schon manche Nummer ins gelobte Hitlerland geschmuggelt und so meinen Freunden große Freude bereitet. Wenn die ein Stüd von der Freiheit" bekommen, fressen sie fast die Buchstaben samt Papier  . Einer der alten Freunde sagte mir, so eine Zeitung wie die Deutsche Freiheit" sei für ihn ein Heiligtum, und mir geht es auch so." Viel mehr als über die Anerkennung freuen wir uns über den Geist des Kampfes und der Treue, der aus diesen Zeilen spricht. Der uns gleichzeitig eingesandte deutsche Arbeiterbrief wird abgedruckt und der andere Wunsch wird erfüllt werden.

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Anstreicher aus Wien  . Vielleicht wenden Sie sich einmal an Agence Liberte", 2 rue Petit d'Austerlitz, Straßburg  . Amsterdam  . Die Schändung des jüdischen Friedhofes in Köln­Deckstein ist von uns schon mitgeteilt worden.

Süd- Westecke. Nein, Richard K. ist nicht mit Ihrem Freunde identisch, dieser K. ist eingesessener Saarländer  . Grüße.

Dr. H. K., Paris  . Ankündigungen eines derartigen Buches fönnen wir erst veröffentlichen, wenn uns das Werk vorliegt.

Veritas. Ihre Mitteilungen sind uns durchweg bekannt und haben zum größten Teil schon in unserm Blatte gestanden. Mit ihnen find wir der Meinung, daß große Teile des Katholizismus im Reiche und im Saargebiet sich jämmerlich benehmen. Gilt übrigens auch für Protestanten, Juden und andre Menschen. Es menschelt überall, und die Feigheit ist weit verbreitet. Der Gottesglaube? Wo er echt ist, kann er jetzt noch Berge verseßen und Wunder verrichten, wie jeder andere Glaube auch. Aber wie wenige sind gläubig! Es wird sich zeigen, wieviel echtes Christentum noch lebt. Allwie der Mensch, so ist sein Gott, so ist sein Glaube; aus geistgem Aether bald und bald aus Erdenstaube."

Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann Biz in Dud weiler; für Inserate: Otto Kuhn in Saarbrücken  . Rotationsbruck und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH., Saarbrücken 3, Schüßenstraße 5.- Schließfachy 776 Saarbrücken.

ster von Alfredo Casella  , dem Führer der italienischen Sektion in der internationalen Gesellschaft für Neue Musik  . Es ist mit einem nationalsozialistischen Vorwort( über die neue Bodenständigkeit, die nationale Volksverbundenheit und wie diese interessanten braunen und schwarzen Schlag­worte sonst heißen mögen) versehen und Herrn Erich Klei ber, dem Generalissimus der nordischen Faschistenzentrale gewidmet.

Casella selbst spielt mit seiner Kammermusikvereinigung die Soloinstrumente. Man hört ein ausgezeichnet gearbeite tes Stück moderner Musik und ist erstaunt, nach so vielen nationalsozialistischen Phrasen doch eigentlich gar nichts typisch Italienisches" zu hören. Es ist der neoklassizistische Konzertstil, der heute in allen Musikzentren Europas   ge­konnt und geschrieben wird. Casella hätte das Stück wahr­scheinlich in Oberbayern   oder Kanada   ebenso schreiben kön­nen wie bei seinem groß angekündigten süditalienischen Fe­rienaufenthalt, und die Ton- und Formensprache eines deutschen   Hindemith  - Schülers wird von der eines italieni­ schen   Casella- Schülers für unsere Ohren in den meisten dér Fällen nicht gar so verschieden klingen. Also wozu Lärm?!

Ansonsten eine farbig- kontrastierende und doch stilvoll­registermäßige Instrumentation einer Französischen   Suite Bachs von Honegger  , zwei problematische, aber begabte Stücke junger Franzosen: eine Symphonie Marcel Delan­noys und das ,,, Poeme" Henry Barraud   s. Zwei Ballett­suiten, die ,, Songes" von Milhaud  , szenisch zusammen mit Brecht- Weills Ballett 1933" im vorigen Sommer in Paris  und London   aufgeführt. Albert Roussels ,, Bacchus", choreographische Musiken ganz verschiedener Richtung, aber doch mit soviel musikalischer Substanz, das ihre Auffüh­rung im Konzert rechtfertigt und lohnt.

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Eine kleine Sensation sei schließlich noch vermerkt: Marie Dubas  , die sonst auf der Revuebühne und im Brettl zu Hause ist, hat den Sprung aufs Konzertpodium gewagt. Es ging nicht ganz ohne Proteste ab, aber ihr Auftreten im Rahmen der, Concerts Pasdeloup" mit z. T. erstaufgeführten Chansons von Rosenthal, Larmanjat und Aubert war schließ­lich doch ein Erfolg. Man erinnert sich an das Aufsehen, das zu Anfang dieser Saison das Auftreten des Tänzers Serge Lifar   in einem Monteux- Konzert erregte, und man be­grüßte immer wieder diese ,, Außenseiter" auf dem Konzert­podium, weil sie, ebenso wie auch die umstrittenste Urauf­führung, noch unsere sonst versandende Konzertform durch­stoßen und dem Musikleben neues, interessiertes Publikum zuführen können. Paul Walter,