talusdad dilog

Fretkell

Penfake

Nummer 48-2. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Dienstag, den 27. Februar 1934

Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalt

Helden

Seite 2

Dimitroff ein Jahr im Kecker

Seite 3

Ausfuhe- Absturz

Seite 3

Der Austrofaschismus

Seite 5

Geheimnis um Richter Prince

Seite 7

Inseratenteil beachten!

Eine Million Bonzeneide

Die Meineide des Führers

D. F. Das größte Reklame- Institut der Welt, die NSDAP. , hat viele neuartige Propaganda- Ideen. An solcher Fantasie übertrifft es alles, was sich jemals, in Deutschland nicht nur, sondern in der Welt, als Massenbewegung betätigt hat, alle Kirchen und alle Parteien. Immer wieder Fahnen und Feste, immer wieder Märsche und Paraden, immer wieder Gesänge und Girlanden, immer wieder Spalier und Heil­rufe, immer wieder Feiern und Selbstbespiegelung, immer wieder Pläne und Hoffnungen. immer wieder und dennoch Deutschland über alles in der Welt. Und immer wieder der Versuch, durch gewaltige irrationale Gefühlsströme über das Versagen des Regimes im nüchternen Alltag des wirt­schaftlichen Daseins hinwegzutäuschen.

Diesmal wurde die größte Verschwörung der Weltge­schichte aufgeführt: 1 Million Eide der Treue und des Ge­horsams zum Führer. Genau 1017 000 Fahneneide auf den Führer und die Macht der Nationalsozialisten. Wir zweifeln nicht, daß man eines Tages nicht nur diese Million, sondern das ganze Volk antreten lassen wird, um es durch den Rund­funk die Stimme Adolf Hitlers als des deutschen Gottes aus Himmelshöhen hören und es den Eid der ganzen Nation Leisten zu lassen. Diesmal übten sich nur die 1 Million Bonzen im Treueschwur, alle, die irgendwo und irgendwie persorgt und untergekommen sind, alle, die zu Vorgesetzten der großen Volksmehrheit wurden. So sieht die Gruppierung der 1 Million Verschworenen aus:

Leiter der Politischen Organisationen( Gauleiter, t Kreisleiter, Ortsgruppenleiter usw.) mit ihren Stäben.

Amtswalter der NSBO.

378 000

120 000

25.800

57.000

34.000

58 000

20.000

12 700

Amtswalter der NSDAP .

Amtswalter der NS.- Hago

Amtswalter des Amtes für Beamte.

Amtswalter der Frauenschaft

Amtswalter des Agrarpol. Appar.

Amtswalter des NS. - Lehrerbundes

Amtswalter des Bundes Nationalsozialistischer

Deutscher Juristen.

Amtswalter des NS. - Aerztebundes

1.600 1500

Amtswalter der NS. - Volkswohlfahrt

68 000

Amtswalter des Amtes für Kommunalpolitik

3 600

Amtswalter der Parteigeschichte

2500

Amtswalter der Propaganda

14.000

Amtswalter der Presse.

Führer und Führerinnen der Hitler- Jugend und des BdM .

205 000 18 500

Unterführer des Freiwilligen Arbeitsdienstes

7.400

Es ist eine Verschwörung gegen die Selbstbestimmung des deutschen Volkes. In einer widerspruchsvollen Rede, die der nationalsozialistische Parteiführer in dem für seine Be­wegung historischen Hofbräuhausiaale in München hielt, fam dieser Wille, alle Gegner des Systems mit allen Mitteln niederzuhalten deutlich genug zum Ausdruck. In der Mitte der Hitlerrede wurde das große Versprechen abgegeben: " Wir wollen in der Zukunft wenigstens einmal in jedem Jahre dem Volke die Möglichkeit geben, sein Urteil über uns zu fällen." Zu Beginn der Rede aber wurde als eiserner Grundsatz des Nationalsozialismus proklamiert: Wir dulden keine zweite politische Erscheinung neben diefer in Deutschland ." Nachdem so mit allen Machtmitteln des Staatsheeres und des Milizheeres der Polizeitruppen und der Gesetzgebung dem Volke gedroht worden ist verhöhnt man es mit der Möglichkeit, sein Urteil über uns zu fällen".

Noch klarer als Hitler selbst bekannte sein Stellvertreter Rudolf Heß in der Rede, die der Eidesleistung voranging, daß die Macht der nationalsozialistischen Tyrannen auf ihren bewaffneten Milizen und nicht auf dem freien Volks­willen beruht.

Niemand wird behaupten wollen, daß die politische Erziehung des Volkes abge= schlossen ist, daß diese Erziehung ungestört möglich wäre, wenn nicht im Hintergrunde schirmend die SA. stände.

Wer glaubt, der Gedanke an einen Putich" einer energi­schen Minderheit sei absurd und die SA. demgemäß über: flüffig, dem sei erwidert, daß der Gedanke nur deshalb absurd ist, weil die SA. bereit steht, in einem einzigen Schlage jedem Gegner ihre furchts bare Kraft zu beweisen.

Woher will Heß wiffen, daß dieser Butsch", den er fürchtet, nur von einer energischen Minderheit kommen konnte? Viel

leicht dachte er in diesem Augenblick lediglich an die Mo­narchisten, und alles, was der Nationalsozialismus jetzt Reaktion" zu nennen pflegt. Wir denken an die unsterbliche und mit jedem Tag wieder wachsende wirklich sozialistische Bewegung, die längst auch in der SA. und SS. ihre Pioniere hat. Die feierliche Massenverschwörung gilt nicht dem Häuf­lein Monarchisten, sie ist gegen die drohende Größe des Sozialismus gerichtet, der unbesiegbar mahnend vor den Machthabern des dritten Reiches" steht.

Direkte Saarverhandlungen?

Wenig verheißungsvoll"

London , 26. Februar. In einem Anfjaz in der Times" über die Saarfrage heißt es, dem Vorschlag in der Reichstagsrede des Reichskanzlers vom 30. Januar, eine deutsch - französische Vereinbarung über die Saar abzus schließen, sei vielleicht nicht genügend Beachtung geschenkt worden. Eine solche Lösung würde troß gewisser Nachteile der einzig gangbare Weg sein, um Berwicklungen zu vers meiden. So wenig verheißungsvoll die Aussichten auch seien, so würde es doch bedauerlich sein, wenn nicht ein nener Versuch gemacht würde, eine Lösung durch direkte Berhands lungen zu erreichen.

Vielleicht erinnern sich die nationalsozialistischen Führer eines Massenschwurs, der alljährlich dem großen Häuptling des zweiten Reichs" geleistet worden ist: Der Fahneneid für den deutschen Kaiser und König von Preußen. Unter dem eisernen 3wang des größten militärischen Systems der Welt hielt er die deutschen Heere in Zucht, bis der Glaube an den Sieg der deutschen Waffen unter übermenschlichen Zu­mutungen zermürbt worden war. Da tam am 9. November die Stunde, in der Generalquartiermeister Gröner dem obersten Kriegsherrn achselzuckend sagte: Majestät, in solcher Lage ist der Fahneneid eine Fiktion." Der Fahneneid, den in fener Stunde sogar der Marschall des Weltkrieges vergessen mußte, der nun am Tage des großen nationalsozialistischen Eides mitgeschworen hat. Dieser uralte Generalfeld­Dieser uralte Generalfeld- Oesterreich im Mittelpunkt marschall, der den Treuschwur leistete für drei Hohenzollern­monarchen, für die Republik , die diesen Hohenzollern folgte und für den Führer, der die Republik von Weimar ab­gelöst hat. So wandeln sich die Menschen und die Eide ... Die Versammlung im Hofbräuhaus zu München galt dem Gedenken an das unabänderliche nationalsozialistische Pro­gramm, das vor 14 Jahren an dieser Stelle verkündet worden ist. Hitler ließ seine Bewegung schwören.

Er selbst aber ist meineidig, denn er hat alle Eide ges brochen, die er in 14 Jahren auf die 25 Punfte seines

Programms geleistet hat.

Nicht mit einem Wort berührte er sein Programm der Verheißungen, nicht mit einem Gedanken näherte er sich der Not des deutschen Volkes, nicht den leisesten Versuch machte er, im Rahmen seines Programms irgendeinen Plan für die Rettung der hungernden Volksmassen zu entwickeln. Halten wir also dem eidbrüchigen deutschen Kanzler eine Reihe seiner Versprechungen vor:

3usammenschluß aller Deutschen zu einem Großdeutschland : In Wahrheit Preisgabe Süd: tirols, Verzicht auf Elsaß- Lothringen und auf den Pol: nischen Korridor und sinnahme des italienischen Protets torats über Deutsch - Defterreich. od

Zerreißung der Friedensverträge von Versailles und St. Germain: In Wahrheit nene Unterwerfung unter diese Verträge durch den Bierers pakt durch das Ostlocarno und durch feierliche Vers sprechungen.

Kolonialland zu Ansiedlung und Ernäh= rung deutscher Auswanderer: In einem Jahre Regierung gab es nur Schweigen und Verzicht in der Rolonialfrage.

Rampf gegen das Parteibuchbeamtentum: In Wahrheit wurde das dritte Reich" das größte und forruptefte Parteibuchbeamtensystem, daß die Welt je ges fehen hat.

Ausweisung fremder Staatsangehöriger, aller, die nach dem 2. August 1914 eins gewandert sind: In Wahrheit wurden Zehntausende deutsche Volksgenossen mit Frau und Kindern über die Grenzen gejagt. Nicht die Inländer, sondern die Aus: länder allein wurden unter Schußbestimmungen gegen die braunen Horden, gestellt.

Gleiche Rechte und Pflichten für alle Staatsbürger: In Wahrheit eine Fülle von Vor­rechten und Versorgungen nur für die Parteigänger der herrschenden Clique.

Abschaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens und Brechung der 3ins fnechtschaft: In Wahrheit bewaffneter Schuk für den Hochkapitalismus und die Bank- und Börsenfürften.

Reflose Einziehung aller Kriegs, Revolutions- und Inflationsgewinne: In Wahrheit blieben fie unangetaftet und nur die Bermögen der Arbeiterorganisationen, ihre Häuser und ihre Heime wurden geraubt und gestohlen.

Fortsetzung fiehe 2. Seite.

Englischer Brief

Dr. O. G. 2ondon, Ende Februar. Wie überall so stand auch in England in den letzten Wochen Oesterreich im Mittelpunkt. Selbst die Londoner Abendblätter, die sonst nur über Sensationsprozesse, Raub­überfälle usw. zu berichten pflegen, widmeten ihre Schlag­zeilen dem Kampf in Wien . Aber es war nicht nur Sen­sation, die Engländer, die bisher Dollfuß vergöttert hatten, fühlten sich durch die furchtbaren Vorgänge aufs tiefste er­schüttert. Artillerie gegen Großstadtwohnhäuser, Frauen und Kinder getötet die ganze englische Gefühlswelt wurde aufgerührt. Dem Engländer galt Wien immer nur als die Stadt der Fröhlichkeit. Und nun dies. Dollfuß hat die Sympathien der Engländer verloren. Man nimmt ihn vielleicht noch als kleines Uebel hin, aber niemand sieht in ihm noch den großen Mann.

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Der heldenhafte Kampf der Arbeiter hat bis weit in die konfervativen Kreise hin Bewunderung erregt. Selbst der durch und durch sozialistenfeindliche Daily Telegraph " hat schlossenheit der Arbeiter veröffentlicht, er hat sich über die geradezu begeisterte Berichte über die Tapferkeit und Ent­Verleumdung der Führer Deutsch und Bauer durch Fen empört. Auch die anderen konservativen Blätter wie Times", Observer", Sunday Times", Morning Post". und sogar Lord Beaverbrooks Daily Expreß" waren voller Respekt. Nur die faschistischen Rothermore- Blätter standen auf der Seite der Dollfuß- Fey. Fast alle Blätter gaben den Heimwehrprovokateuren einen wesentlichen Teil, wenn nicht die ganze Schuld. Alle empörten sich über die Hinrichtung eines schwerverwundeten Kämpfers. Und der nach außen hin private Schritt des englischen Gesandten in Wien , der Dollfuß zur Milde aufforderte, wurde allgemein gebilligt.

Aber darüber darf man sich nicht täuschen, politische Konsequenzen will niemand aus seinen sentimentalen Gefühlen ziehen. Ein Vorstoß eines Abgeordneten in dieser Richtung stieß auf ent schiedensten Widerstand. Ja, fast möchte man annehmen, daß manche Engländer die furchtbaren Ereignisse in einem Winkel ihres Herzens begrüßen, weil ihnen nun ein Vor­wand gegeben ist, nicht nur Dollfuß fallen zu lassen, sondern sich aus der ganzen österreichischen Affäre zurück­zuziehen. Die Dreimächteerklärung zugunsten der Unab hängigkeit Oesterreichs ist daher auch auf Englands Ver­anlassung recht nichtssagend ausgefallen; und Simons Er klärungen im Unterhaus haben sie noch mehr verwässert. Der Daily Telegraph " sprach es ganz brutal aus: nur für die französisch- belgische Grenze würde England sich aktiv einsetzen, aber für keine andere Grenze in Europa . Wenn Desterreich den Anschluß will, so würde England es nicht hindern, obwohl es natürlich Mussolini nicht in den Arm fallen würde. England möchte sich aus der österreichischen Affäre zurückziehen und steckt deshalb wieder einmal den Kopf in den Sand es will die schwerwiegenden Pro­bleme nicht sehen, weil sie unangenehm sind und aktives Handeln fordern würden. Und das scheut die englische Außenpolitik wie in der Abrüstungsfrage so auch hier. Um momentane Konflikte zu vermeiden, duldet man es mit geschlossenen Augen, daß der Brandstoff aufgehäuft wird