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Die Gleichschaltungswoge an der Saar hat auch die Bauern nicht verschont. Die bisher hier bestehende Bauernorganisation( Freie Baernschaft, Trierischer Bauernverein) wurden gleichgeschaltet und der Reichsbauernschaft angegliedert. Die neue Organisation erhielt den Namen„ Bauernschaft der Saar " und ein Herr Groß aus Schafbrücke , der allerdings mehr vom Nazi- als vom Bauernwesen versteht, wurde zum Führer ernannt. Er ernannte sich dann noch einen Führerrat. Das ging alles ohne große Beachtung der Oeffentlichkeit vor sich. Nun aber sollen auch die Lokalabteilungen, die den Landräten bisher unterstellt waren und die bei den Kreisen eingerichtet und durch öffentliche Mittel unterhalten wer= den, dieser Bauernschaft an der Saar als„ technische Abteilung" angegliedert werden. Das„ Deutsche Nachrichtenbüro" Saarbrücken weiß darüber folgendes zu berichten:
" Wie wir erfahren, haben in einer Besprechung des Bauernführers mit den Direktoren der landwirtschaftlichen Lokalabteilungen und der landwirtschaftlichen Bezirksvereine diese ihren geschlossenen Beitritt zur Banernschaft der Saar erklärt. Diese neue technische Abteilung der Bauernschaft der Saar " erfährt in ihrer Leitung und innerea Organis sation sowie in ihrem Aufgabenkreis keine Veränderungen. Sie wird auf ihre Mitglieder, die Bauern im Hauptberuf find, in dem Sinne einwirken, daß diese Berufsorganisation des Bauernstandes der„ Bauernschaft der Saar e. V." als Einzelmitglieder beitreten."
Das kann ja net: werden! Mit öffentlichen Geldern sollen also die Bauern gezwungen werden, sich der„ Bauernschaft der Saar " anzuschließen. Man versucht die Einrichtungen, die bei den Kreis bestehen, die sogenannten LokalabteiIungen, mit ihren Einrichtungen und Machtmitteln in den Dienst der Nazibewegung einzuspannen. wird hier naziamtlich bekanntgegeben. Weiß die Regie rungsfommission etwas davon? Weiß sie, welche Rolle ihre Landräte hier zu spielen haben?
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Soweit sind wir also schon im Saargebiet, daß die Nazis die Landräte kommandieren. Die Behauptung, daß sich in der inneren Organisation sowie im Aufgabenkreis der Lofalabteilung„ feine Veränderungen" zeigen würden, ist eine der üblichen Heucheleien und Beschwichtigungsversuche. Alles wurde nach dem Führerprinzip gemacht, das heißt, die Nazis haben befohlen und die Vereinsmitglieder gewissermaßen gez.ungen, die Nazi- Einrichtungen für die„ Bauernschaft der Saar " per Ernennung über sich ergehen zu Laffen.
Unter den gleichgeschalteten Bauern gärt es unter der Decke. Aber infolge der ungeheuerlichen Machtbefugnisse der Nazi- Nebenregierung an der Saar und angesichts der Ang st vor 1935 wagt niemand ernstlich gegen den Naziterror in der saarländischen Bauernschaft vorzugehen. So ist den Nazibauernführern der Kamm geschwollen, daß sie jetzt sogar die Lokalabteilungen mit samt den Landräten unter ihre Botmäßigkeit stellen. Tolle Geschichte!
Ein Schwede
Wird Vorsitzender des Saar- Juristenausschusses
Ueber den Vorsitzenden des Saar - Juristenausschusses weiß das Deutsche Nachrichtenbüro Saarbrücken zu melden: Der nach einer Berliner Blättermeldung als Vorsitzender des beratenden Juristenausschusses für die Volksabstimmung im Saargebiet vorgesehene Schwede Freiherr Marts von 2irtemberg ist einer der hervorragendsten schwedischen Rechtsgelehrten, Präsident des Oberlandesgerichts in Stock holm . Er genießt als Spezialist für Völkerrechtsfragen internationalen Ruf. Freiherr Marfs von Wirtemberg ist Mitglied des ständigen Schiedsgerichtshofes im Haag und hat mehrmals als Delegierter Schwedens an den Völkerbundsverhandlungen in Genf teilgenommen. An mehreren Regierungen Schwedens nahm er als Mitglied teil, zuletzt als Außenminister der Rechtsregierung Tryggers 1928.
Große Kundgebungen der Freiheitsfront
In Heiligenwald, Dudweiler und St. Arnual fanden Sonntag geschlossene Kundgebungen der Freiheitsfront statt, in denen die Genossen Kaupp, Kirn , Sender, Meier und Mar Braun sprachen. Sämtliche Kundgebungen waren sehr gut besucht. Insbesondere war die Rundgebung von St. Arnual derartig überfüllt, daß man noch einen zweiten Saal hätte füllen können.
Die drei Redner verbreiteten sich in den Versammlungen fiber die politische, wirtschaftliche, sozialpoli= tische und juristische Situation an der Saar und trafen überall ein ebenso begeistertes wie aufmerksames Publikum an, das ihren Ausführungen stürmischen Beifall zollte. Die Versammlungen waren eine erneute schärfte Absage an das Henfersystem des„ dritten Reiches".
Einen besonderen Vorgeschmack der nationalsozialistischen Jugenderziehung erhielten die Versammlungsbesucher in Dudweiler . Dort hatten sich unter Anführung von drei Erwachsenen zirka 50 schulpflichtige Kinder, zum Teil in der Tracht der Hitler- Jugend eingefunden, die vor dem Versammlungslokal einen wahnsinnigen Radau ausführten, gegen die Versammlungsbesucher die Zunge herausstredten, die gemeinsten Schimpfworte schrieen und dazu immer wieder von den im Hintergrund stehenden Erwachsenen angefeuert wurden. Es war ein häßliches Bild einer verrohten Jugend, die bereits im zarten Ingendalter in einem solchen Maße in den Kampf der politischen Leidenschaften hineingestellt ist, daß man von ihr das Schlimmste erwarten muß.
Notlage der Saarkumpels
408 Millionen Lohnverlust
Wie wir der„ Saar- Bergarbeiter- Zeitung" entnehmen, zeigte der Abschluß des Jahres 1933, daß die Lage der Saarbergarbeiter durch die Feierschichten gegenüber dem Vor
jahre noch eine wesentliche Verschlechterung erfahren hat. Während nämlich die Zahl der Feierschichten im Jahre 1932 1617 betrug, ist sie im Jahre 1933 auf 1654 gestiegen. Mit dem Jahre 1931 verglichen, ist das Ergebnis noch katastrophaler, weist doch dieses Jahr„ nur" 1148 Feierschichten auf. Diese Differenzen besagen, daß das Jahr 1933 in der Absatzkrise am stärksten betroffen wurde.
Die Saarbergarbeiter haben in der Spize mit 264 Feier schichten in den drei Jahren des Wirtschaftsniederganges fast
ein ganzes Jahr nicht gearbeitet. Während in den Jahren 1931 der Ausfall der Schichten dreiviertel bis zweieinhalb Monate betrug, weisen die Jahre 1932 und 1933 einen Schichtenausfall von zwei bis vier Monaten auf.
Je nach dem Ausfall der Schichten ist dann auch der Lohnausfall zu bemessen. In den letzten drei Jahren haben die Haushalte der Bergarbeiter und damit das Wirtschaftsleben des Saargebietes einen Lohnausfall durch Feierschichten von insgesamt 408,6 Millionen Franken zu verzeichnen. Die Feierschichtenzahl machte zum Beispiel beim Lohnausfall eines Arbeiters der Grube Griesborn im letzten Jahr 51 X 41,49 r. aus, das sind 2115,99 Fr. Diesem gewaltigen Lohnverlust der Bergarbeiter stehen nur bescheidene Ausgleichsziffern gegenüber.
Papstrede gegen neudeutsche Heiden
..Warnung" an Hitler- Deutschland
Rom, den 26. Februar 1934.
Der Heilige Vater hat im Konsistoriensaal des Batifans in Anwesenheit einer Anzahl von Kardinälen und höchfter kirchlicher Würdenträger die Verlesung der Dekrete über die Heiligsprechung dreier neuer Heiligen der katho: lischen Kirche, darunter des Deutschen Konrad von Farz ham, verlesen. Zu dem letteren hielt der Papst eine bedeutsame Rede über die Lage in Hitler= Deutschland, in der er sagte:
„ Die chriftliche Nächstenliebe für die Kleinen, für die Armen, für die Schwachen, für jene, welche die Welt so graus sam den„ Auswurf der Menschheit" nennt, bildet auch eine Warnung vor einer andern Strömung, eine Strömung, die alle und alles zu einem heid: nischen Leben zurüdführen möchte,
zu jenem Heidenleben, von dessen Irrungen und Schreden das Altertum Zeugnis ablegt, und dessen Finsternis man auch heute noch überall da sieht, wo das Kreuz des Erlösers noch nicht hingelangt ist, oder dort, wo es verdrängt wurde, jenes heidnische Leben, das der Erlöser von der Welt ver: trieben hat, um es durch das christliche Leben, das seinen Namen trägt, zu ersetzen.
Wir sehen in Ronrad von Farzham ein anderes Volt, das große und edle deutsche Bolt, und die Vorsehung selbst stellt diefe Gestalt in volles Licht in einem so tragisch historischen Augenblic. Wir fagen tragisch historisch, weil die Drohung schredlicher Uebel noch sehr groß ist für die Seelen, und ganz besonders für jene, die dem göttlichen Heiland am tenerften sind, nämlich die See: len der Jugend im Augenblic, wo die Exaltierung der Gedanken und Ideen, die weder chriftlich noch menschlich sind, zunimmt, wo die Berherrlichung des Rassenstolzes immer mehr um sich greift, der nur einen dem christlichen und menschlichen Geist widers sprechenden Hochmut erzeugen fann,
läßt die göttliche Vorsehung wunderbarerweise die in echt chriftliche Gestalt hervortreten, um die wahren Wurzeln des chriftlichen Lebens, die Pflichtrene, den Geist des Gehorsams, der Disziplin, der Selbstverlengnung und Entschlossenheit vor Augen zu führen, d. h. all jene Eigenschaften, welche die Mäßigung predigen und die Seelen zurück= halten, damit sie nicht in der Materie ver= sinten."
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Selbstverständlich hat das Deutsche Nachrichtenbüro, die hitleramtliche Nachrichtenzentrale, diese Rede des Papstes
gefälscht, indem sie die Verdammung des neudeutschen Rassenstolzes und den Abschnitt über die schrecklichen Uebel, die der deutschen Jugend durch die Entchristlichungsversuche der Nazilehren drohen, unterschlagen hat.
Bestimmt wird auch ein Teil der sogenannten katholi schen Presse des Saargebietes sie ihren Lesern vorenthalten.
,, So grobschlächtig gezimmerte Gestalten"
Katholische Stimme
Da in Hitlerdeutschland jegliche Kritik am braunen System bei Strafe verboten ist, versucht es die Opposition da und dort mit Umschreibungen, die das ganze Elend noch deutlicher offenbaren. Gegen die allgemeine braune 3wangsjacke protestiert die katholische Zeitschrift Stimmen der Zeit ". indem sie die Gefahren übersteigerten 3wanges aufzeigt. In einem Artikel Stanislaus von Borkowskis heißt es da:
„ Die Erzieher im grauen Altertum wußten bereits, daß übersteigerte Zucht Zuchtlosigkeit erzengt. Das war eine ganz naheliegende Einsicht. Ist doch der allzu üppige Zacht: aufwand nichts anderes als Zuchtlosigkeit des Erziehers; und was kann der Zuchterdrückte besseres tun, als sich ans stecken lassen?..."
,, Erzieher" sagt der Verfasser und Führer meint er. Das wird noch deutlicher in den folgenden Abschnitten:
" So grobschlächtig gezimmerte Gestalten glaubten sogar, mit diesem Furioso ihres Ziehens zu erziehen; als läge die Ausziehung zur Zucht in einer freischenden Stimme, und als entrinne der wildgeschwungene Arm und eine drohende Miene dem offenen Gelächter des Weisen und dem versteckten Spott des Kindes... Wir sprechen von einem Zwang, auch von einem Rwang zum Guten, mit dem man nicht bloß das Kind, auch den blühenden Reifen: den und den Gereiften, überfällt, bevor man auf das ge: naneste ausgespürt hat, ob die Sache für das Gewissen des Ueberraschten tragbar ist. Die Erzwingung einer Zucht ohne diese Voraussetzung und Vorarbeit ist unfittlich.. Wer sich aber auf dem Felde der Individualerziehung, auch innerhalb einer großen Menge, mit Gemeinpläken, Schlagworten, Allheilmitteln,„ aroken Gefichtspunkten" wie fich diese Gedankenlosigkeit in ihrer beschönigenden Verhüllung betitelt, bescheiden, aber gemeinaefährlich beanügt, mühe sich um Einladungen zu andern Berufen..."
Das heißt, Hitler und die Seinen sollen sich weder Führer, noch Erzieher oder Reiniger nennen. Das Unfittliche, Charafterverderbende des braunen Zuchthausstaates ist hier richtig charakterisiert.
Dimitroff cin Jahr eingekerkert
Ein ,, Times"-Artikel über die deutsche Schande
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Die„ Times" hat den folgenden, in ungewöhnlich scharfem Ton geschriebenen Artikel über Dimitroff als Leitartikel veröffentlicht:
Wenn es ein Gefühl gibt, das in England besonders start entwickelt ist, so ist es der Haß gegen Unterdrückung. Es ist unmöglich, den Abscheu zu übertreiben, den die meisten Menschen in diesem Lande anläßlich der fortdauernden Einferferung Dimitroffs und seiner Genossen in den Zellen der Berliner Geheimpolizei empfinden. In wenigen Tagen ist es ein Jahr her, daß Dimitroff verhaftet wurde, am Morgen des Reichstagsbrandes. Im Augenblick, da diese sensationelle Brandstiftung stattfand, saß der bulgarische Kommunist in der Eisenbahn in Süddeutschland . Trotzdem wurde er mit feinen Gefährten Popoff und Taneff verhaftet, in Ketten gelegt und für fieben Monate ins Gefängnis gesteckt. Schließlich kam es zum Prozeß. Für seine Mittäterschaft gab es auch fein Körnchen von einem Beweis. Er und seine bei den Landsleute und der deutsche Kommunistenführer Forgler, der unter der gleichen Anklage stand, wurden freigesprochen. Die deutsche Justiz schien gerechtfertigt. Jeder Freund Deutschlands freute sich, daß auch unter dem Nazi- Systemt das Menschenrecht sich gegen politische Pression durchsetzen fonnte.
Aber sie waren bald enttäuscht. Die freigesprochenen Kommunisten wurden im Gefängnis behalten. Beitweise schienen die Bedingungen ihrer Haft verhältnismäßig milde. Sie wurden regelmäßig von Verwandten besucht und Fotografien
wurden von ihnen veröffentlicht, wie sie rund um einen Tisch füßend Zeitungen lesen und Zigarren rauchen. Doch diese Behandlung wurde bald geändert.
Ihr Los wurde härter. Sie wurden von Leipzig nach Ber lin überführt und in getrennten Zellen untergebracht, sos weit man weiß, im Keller des Hauptquartiers der Geheim: polizei.
Sie sind jetzt zu Staatsbürgern der Sowjetunion gemacht worden, die formell ihre Freilassung gefordert hat. Man sagt, daß die augenblickliche rigorose Behandlung ihre Gesundheit untergrabe, ja, nach den Angaben der Mutter Dimitroffs, die immer noch zu regelmäßigen Besuchen zugelassen wird, soll sie bereits gebrochen sein. Man kann schwer den furchtbaren Verdacht unterdrücken, daß man sie nur als gebrochene Menschen herauslassen will. Herr Hitler wurde neulich von einem Vertreter der„ Daily Mail" gefragt: Meinen Sie, daß diese Männer( die drei Bulgaren ) freigelassen und aus Deutschland heraus gebracht werden?" " Gewiß werden sie das," war die Antwort des Kanzlers. Es ist wahr, daß drei Tage später eine andere Antwort auf die
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gleiche Frage erteilt wurde, die der gleiche Korrespondent an General Göring richtete. Unzweifelhaft steigert jeder Tag Verzögerung die Abneigung gegen Deutschland , die diese Episode hervorgerufen hat. Es ist ebenso wenig zweifelhaft, daß erst der Mut Dimitroffs und dann seine Verfolgung ihm die Bewunderung und die Sympathie von Tausenden eingebracht hat, für die der Kommunismus nach wie vor etwas Abscheuliches bedeutet. Seine Behandlung hat geradezu das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erzielt.
Das Ansehen des Kommunismns hat gewonnen und der gute Name Deutschland hat gelitten. Bei den meisten der schweren politischen Probleme der Gegenwart ist das Haupthindernis für eine gegenseitige Verständigung der Zweifel, ob man Deutschland auf der gleichen Basis wie andere Völker behandeln kann und soll. Nirgendwo ist Deutschlands Anspruch auf Gleichberechtigung fonsequenter verfochten worden als in den Spalten der„ Times". Aber die bewußte Perversion des Rechts in der Angelegenheit der Reichstagsgefangenen führt geradewegs dahin, daß die Menschen Deutschland in eine andere Kategorie bringen als andere zivilisierte Nationen."
So die„ Times", ein konservatives, in seiner Sprache stets sehr sorgfältiges Blatt.
Die Mordfahne
Ein interessanter Freispruch
Der kommunistische Folketingsabgeordnete Afset Larsen aus Kopenhagen hatte vor mehreren Monaten anläßlich einer Demonstration auf dem Marktplatz einer dänischen Kleinstadt eine Hakenkreuzfahne zerrissen und dabei gesagt, das sei die Art, in der Arbeiter mit dieser Mordfahne umgehen müßten.
Er wurde auf Antrag der deutschen Gesandtschaft unter Strafverfolgung gefeßt. In diesen Tagen fand vor dem Schwurgericht in Kopenhagen der Prozeß statt, der zu einer moralischen Niederlage des dritten Reiches" wurde. Der Verteidiger des Abgeordneten, ein weltbekannter und beliebter Jurist, hielt eine mehrstündige Anklagerede gegen den Nationalsozialismus .
Daraufhin wurde der Angeklagte freigesprochen mit der Begründung, daß die Hakenkreuzfahne am Tage der Tat von der dänischen Regierung noch nicht offiziell als Hoheitszeichen des Deutschen Reiches anerkannt gewesen sei.