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Freiheit

Nummer 51-2. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Freitag, den 2. März 1934 Chefredakteur: M. Braun

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Aus dem Inhalt

Warum

wurde Dimitroff freigelassen

Seite 2

Die Kaiserkrönung

von Mandschukuo

Seite 3

Die Sphinx

des Arbeitsgesetzes

Seite 4

Auf der Arbeitsscholle

Seite 5

Aechtung an der Saar

Probe- Abstimmung

Große Terroraktion der deutschen Front"- Vorbereitung einer sid ala alles follada Probe- Abstimmung mit Proskriptionslisten mi dan man and animais ballon Der Wille, vollzogene Tatsachen zu schaffen

D. F. Der Manchester Guardian" hat die Frage auf geworfen, ob das Juristenkomitee, das der Dreier: ausschuß des Völkerbundsrates für die Saarabstimmung berufen hat, nicht den Haager Schiedsgerichtshof um eine Entscheidung angehen solle, ob angesichts des Nazis terrors an der Saar überhaupt eine Erfüllung der vertrags lich festgelegten Abstimmungsbedingungen möglich ist und ob nicht die Abstimmung selbst wegen des Terrors aufeine spätere Zeit vertagt werden müsse.

Das große englische Blatt stellt diese hochpolitische Frage zur rechten Zeit. Gerade jetzt organisiert die deutsche Front" an der Saar die größte terroristische Aechtung aller Nichtgleichgeschalteten, die nur denkbar ist. Durch die Presse, durch konfessionelle, berufliche und sonstige Organisationen aller Art, vor allem aber auch durch das hochkapitalistische Unternehmertum werden folgende Aufnahmeerklärungen in die deutsche Front" jedem Einwohner des Saargebietes aufgedrängt:

Ich bin Deutscher und bitte um Aufnahme in die Saar­volksgemeinschaft Deutsche Front". Gleichzeitig erfläre ich, daß ich mit dem Tage meines Eintrittes in die Deutsche Front" mich lossage von allem, was Partei heißt und nur die eine Parole fenne:

,, Unser Deutschland"

Ausdrücklich bekenne ich, daß jede Verlegung der Disziplin eine bewußte Schädigung der Bestrebungen der Deutschen Front" darstellt.

Vor- und Zuname:

Geburtstag:

Wohnort:

Straße Nr.

Tag des Eintritts: Aufnahmegebühr 1, Fr. hot digiteer

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( Unterschrift)

Nähere Mitteilung über Anmeldung und Aufnahme ergeht noch. mi and

Die Bedeutung dieser Aftion wird dadurch unterstrichen, daß bie deutsche Front" allgemeines Flaggen im ganzen Saars gebiet befohlen hat. Der Sinn diefer Agitation für Auf­nahmeerklärungen in die deutsche Front" im Saargebiet ist. tlar: Es ist eine öffentliche Abstimmung für Hitlerdeutschland, und jeder, der sich an dieser Abstimmung nicht beteiligt, wird gefellschaftlich und wirtschaftlich geächtet.

Man vergegenwärtige fich nur was diefe öffentliche Ab­ftimmung für die Geschäftsleute bedeutet, die ihre Rundschaft nicht verlieren wollen. Man ftelle fich vor, in welche Lage die Beamten gebracht werden, die nicht wissen,

In snis schon suo modo o Tutors den and lots

welcher staatlichen Autorität im Jahre 1935 sie zu gehorchen haben. Man male fich aus, wie schwer es für einen Arbeiter oder Angestellten ist, sich von dieser öffent: Arbeiter oder Angestellten ist, sich von dieser öffents( Von unserem Berichterstatter) lichen Abstimmung auszuschließen, wenn sein Unternehmer ihm den Zettel in die Hand drückt und freundlich darauf verweist, daß tausende und tausende von nationalgesinnten" Arbeitskräften Stellung und Verdienst suchen.

welcher ftaatlichen Autorität im Jahre 1935 fie zu gehorchen Umschwung in Spanien

Ausbrücklich bekenne ich, daß jede Verlegung der Disziplin eine bewußte Schädigung der Bestrebungen der Deutschen Front" darstellt." Dieser Satz der öffentlichen Abstimmungs­erklärung könnte von Harmlosen so gedeutet werden, als sei damit ein Verbot disziplinwidrigen Vorgehens gegen Andersdenkende gemeint. In Wahrheit ist der Sinn, daß jeder Saareinwohner sich unter allen Um ständen den Befehlen der nationalsozialis stischen Führer zu fügen hat. Pariert er nicht, so wird er als Schädling aus dem, was die Herren unter Boltsfrontgemeinschaft verstehen, ausgeschlossen und in seiner Eristenz vernichtet.

Die jetzige Aechtungsaktion ist vorbereitet durch die Er: Elärung des Stellvertreters des Führers Rudolf Heß vom 10. Februar. Er hat darin ausdrücklich gesagt, daß jeder, der die Parole Zurück zu unserm Deutschland !" sabotiere, in aller Zukunft tein Recht hat, sich national: sozialistisch zu nennen und er werde deswegen auch niemals in die Partei aufgenommen werden. So ist diese große nun lawinenartig in Bewegung gefegte Aechtungsaktion zu betrachten: Jeder, der die öffentliche Abstimmungserklärung für Hitler.Deutschland nicht unters zeichnet, ist nach den klaren Worten des Reichsministers Rudolf Heß ein Saboteur, der nach der Rückgliederung ein Geächteter und Ausgestoßener ist. Denn jeder Deutsche, der in diesem Hitler- Reiche als unwürdig betrachtet wird, Nationalsozialist zu sein, fann weder ein öffentliches Amt bekleiden, noch kann er irgendwo und irgendwie fich mit Erfolg wirtschaftlich betätigen.

Der mächtige Terrorvorstoß der deutschen Front" ist eine Verhöhnung des Völkerbundes, ist ein Attentat gegen den Dreierausschuß, ist eine Sabotage aller Bemühungen des Völkerbundes, die freie Abstimmung zu garantieren. Man soll sich in Genf und in den Hauptstädten Europas nicht täuschen lassen. inter dieser Aktion steht der eiserne, von der Reichsregierung geschürte und finanzierte Wille, vollzogene Tatsachen zu schaffen. Gegen das Saarftatut, gegen den Völkerbund, gegen eine wirklich freie Abstimmung! Der Völkerbund hat nicht mehr lange Zeit, wenn er diese Entwicklung noch recht: zeitig unterbinden will. Die vom Völkerbund als Tren: händerin eingefeßte Regierungskommission, die sich wohl= bewußt ist, nur über eine unzureichende Exekutive zu ver: fügen, und gegen den passiven und attiven Widerstand großer Bevölkerungsteile anfämpft, ist in Gefahr, ihre Autorität durch einen Massenterror übelster Art zu verlieren. Diese Möglichkeit muß in Genf und in den Hauptstädten Europas endlich erkannt, und es muß entsprechend gehandelt werden.

Der Völkerbund ist moralisch erledigt, wenn er nicht soviel Macht aufbringt, um die ihm anvertrauten Saareinwohner, die sich nicht dem Hitlerterror fügen wollen, wirksam zu schützen.

,, Times" wird gefälscht sual

Was sie wirklich zur Saarfrage schrieb

Die gleichgeschaltete Presse veröffentlichte als eine große Sensation eine Meldung des Deutschen Nachrichtenbüros über die Stellungnahme der Londoner Time 3" zur Saar­frage. Es lohnte sich, diese sensationelle Meldung nach z u prüfen: Der lange Artikel über die Saarfrage, der am legten Montag in der" Times" erschien, ist mit guter Kennt­nis der Frage geschrieben und ist wirklich sehr interessant. Die Meldung des DNB. vermittelt aber feine richtige Vorstellung vom Inhalt des Artikels und stellte mindestens zum Teil eine direkte Fälschung dar. Die Meldung verrät z. B. mit feinem Wort, daß im Times" Artikel über die terroristischen Methoden mit denen die Gleichschaltung" im Saargebiet betrieben wird, manche jehr treffende Bemerfungen gemacht und daß die scharfen

Verordnungen der Regierungsfontmission a 13 völlig be­gründet dargestellt werden. Der Verfasser des Artikels ist überhaupt der Auffassung, daß die internationale Regie­rung an der Saar im ganzen ein erstaunlich erfolgreiches Experiment ist". Wenn man den Artikel liest, so versteht man schon recht wohl, warum das DNB. so fparfam" den Inhalt des Artikels wiedergegeben hat! Dafür hat aber das DNB. etwas berichtet, was in diesem Artikel nicht steht.

Das Blatt betont, daß der Ausgang der Abstimmung von vornherein ebenso feststehe, wie der deutsche Charakter des Saargebietes." So berichtet das DNB., und das ist so

Fortsetzung fiehe 2. Seite.

dalind I. W. Madrid , Ende Februar 1934. Die spanische Politik hat in der letzten Woche eine Ueberraschung gebracht, leberraschung, die wenn man skeptisch ist skeptisch ist auch nur ein mehr oder weniger geschicktes politisches Manöver zu sein braucht:

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Lerrour hat sich zu einem Linkskurs für seine Regie­rung bekannt. Die Ursachen zu dieser Erklärung lagen in der Haltung der überwiegenden Mehrheit innerhalb der Radikalen Partei, die sich auf das republikanisch- anti­klerikale Parteiprogramm berief und sich weigerte, weiter hin nach der Pfeife der klerikalen und monarchistischen Rechten zu tanzen. Martinez Barrio , der Innenminister, der Minister für Oeffentliche Arbeiten, Guerra del Rip und Antonio Lara, Finanzminister, waren die Wortführer gegen Lerroug. Eine Spaltung der Radikalen Partei schien unvermeidlich, aber es kam anders als man ange nommen hatte. Lerroug erklärte: Keinen Schritt weiter nach rechts".

Die Regierung hat diesem neuen Grundsatz im Laufe der vergangenen Woche auch verschiedentlich Ausdruck ge­geben. Sie hat beispielsweise den Konflikt zwischen den Madrider Bauarbeitern und Bauunternehmern, der in einen Streik von 35 000 Bauarbeitern gemündet war, innerhalb kürzester Zeit zugunsten der Arbeiter beigelegt. Sie hat sich bemüht, fofort öffentliche Arbeiten zur Ver­ringerung der Arbeitslosigkeit einzuleiten, fie hat die Beratung des Amnestieprojektes zugunsten wichtigerer sozialer Projekte bis auf weiteres verschoben, kurz, sie hat sozusagen versucht, in die Fußtapfen Azanas zu treten.

Die Rechte ist über diesen unerwarteten neuen Stand der Dinge nicht gerade begeistert. Aber sie ist unsicher. 3weimal im Laufe dieser Woche hätte sie Gelegenheit ge­habt, die Regierung Lerroug zu stürzen. Einmal bei einer Abstimmung um die Aufhebung der Rechte der FUE.( der Féderacion Universitaria escolar), die von den Monarchi­sten beantragt und bei den Anhängern Gil Robles und der Agrarier viel Anklang fand, ein zweites Mal bei einer Abstimmung, um die Uebertragung der Verwaltung der hygienischen Dienste an das Arbeitsministerium.

Mit etwa 15 Stimmen Mehrheit siegte" beide Male die Regierung und auch nur darum, weil in letzter Minute Gil Robles seinen Kampfbereiten Parteigenossen anbefahl, den Sigungssaal zu verlassen.

Gil Robles kann sich noch nicht dazu entschließen, seine legalen( als dem Vertreter der größten Barlaments­fraktion) Regierungsansprüche geltend zu machen. Würden sich seine Anhänger dazu bereitfinden, ein ernsthaftes republikanisches Bekenntnis abzulegen, so wäre seine Stellungnahme bei weitem einfacher. Aber die Mehrheit der Abgeordneten seiner Fraktion sind auf Grund anti­republikanischer Propaganda ins Parlament gelangt; würden sie auch aus Demagogie bereit sein, sich voll und ganz hinter die Republik zu stellen, so fürchten sie doch, der Meinung ihrer Wählerschaft nicht zu entsprechen.

Aber, daß die Situation schwerlich längere Zeit so weiterlaufen kann, steht allgemein fest. Die Agrarier unter Martinez de Velasco, die sich bereits vor einiger Zeit zum Republikanismus bekannt haben und sehr intensiv gegen Lerrour und seinen Linkskurs" auftreten, wären bereit, sich nach einer mutmaßlichen Krise im Laufe dieser Woche an der Regierung zu beteiligen. Man möchte die Krise provozieren, aber am liebsten erst dann, wenn sich Lerroug überzeugen ließe, daß er von dem Linkskurs" abgehen und unter Mitwirkung der Rechten auch das nächste Kabinett präsidieren müsse. Die linksorientierten radikalen Minister, Lara, Guerra del Rio und Martinez Barrio , eventuell auch der Kriegsminister Diego Hidalgo, sollten dann entfernt und statt ihrer Mitglieder der katalanischen Lliga Regionalista in die Regierung ein­treten.

Lerroug steht einer derartigen Lösung der Situation bis jetzt strikt ablehnend gegenüber. Er hat geäußert, daß er fich nach einer von der Rechten provozierten Krise in sein Haus zurückziehen wolle".