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Freiheit
Nummer 532. Jahrgang
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Saarbrücken, Sonntag Montag, 4./5. März 1934
Chefredakteur: M. Braun
Cloisonsbilbist
116 SHI
Aus dem Inhalt
Sieg des Saackapitalismus
Schwur der Lands- Knechte
90 Seite 2
Seite 3
Mussolinis Ungnade
Seite 3
Die blutige Internationale
Seite 4
Inseratenteil beachten!
England fordert Görings Kopf
Was Hitler Eden versprach
London , 3. März. Ueber die jest abgeschlossene Rundreise des britischen Staatssekretärs Eden erfahren wir aus bester Quelle Einzelbeiten, die die Reise des englischen Staatsmannes in einem ganz neuen Lichte erscheinen lassen. Danach diente der Besuch Edens in Berlin feineswegs nur dem Zweck, über die deutsche Stellungnahme zu dem britischen Rüstungsmemorandum Auskunft zu erhalten. Die Reise sollte viel= mehr auch Klarheit über die gesamte Gin stellung der englischen Regierung zu dem Regime Hitlers bringen.
Man hat bis dahin in London Zweifel gehabt, ob Hitler imstande sein werde, sich gegenüber den unbotmäßigen Kräften seines Regimes Geltung zu verschaffen. Darauf hatte die deutsche Regierung in London wissen lassen, Hitler sei bereit, die Beweise dafür zu liefern, daß er imstande sein werde, sich gegenüber seinen eigenen Anhängern und Mitarbeitern durchzusetzen. Er machte sich erbötig, einen Vertreter der britischen Regierung mit Männern bekannt zu machen, mit deren Hilfe er, Hitler, sich gegen Göring und andere unzuverlässige Paladine durchsetzen werde. Auf dieses Angebot hin entsandte die englische Regierung Eden, für dessen Berliner Reise das Abrüstungsproblem eine plausible Begründung bot. Er war der erste aftive Minister Englands, mit dem Hitler seit seinem Regierungsantritt in Berührung
gekommen ist.
Seit längerer Zeit war bekannt, daß in maßgebenden englischen Kreisen der Sturz Görings als Voraussetzung für Hitlers Bündnisfähigkeit gilt. Die Frage:„ Ist Hitler bereit, Göring fallen zu lassen?" wird gegenwärtig in politischen Kreisen Englands jedem deutschen Besucher gestellt. Nun hat Hitler dem britischen Staatssekretär zugesagt, daß bei nächster Gelegenheit einige heute maßgebende Vertreter des Regimes ihre Aemter verlieren bzw. an anderer Stelle verwendet werden würden. Unter den dabei Genannten befand sich neben Göring auch der Nürnberger Agitator Streicher. Zu den Beweisen, die Hitler für seine starke Pofition gegenüber Göring anbot, gehörte auch die Freilassung Dimitroffs, die im unmittelbaren Anschluß an den Berliner Aufenthalt Edens erfolgte. Der Fall Dimitroff , über deffen Hintergründe wir bereits vor einigen Tagen berichteten, hatte mit am meisten dazu beigetragen, das Ansehen Hitlers in England zu kompromittieren und seine Stellung gegenüber Göring schwe erscheinen zu lassen.
..Sehr pessimistisch"
DNB London, 3. März. Eden berichtete am Freitagnachmittag dem Ministerpräsidenten MacDonald über seine Reise nach Paris , Berlin und Rom .
Verhandlungen im Gange?
Es fällt auf, daß sich der Ton der Hitlerpreffe gegenüber Oesterreich auf einmal sehr gemäßigt hat. Der bekannten Naziführer Habicht , der von München aus Oesterreich „ be= treut", soll die Weifung erhalten haben, mit seiner für März angekündigten Attentats attacke noch zurückzuhalten. Man bringt die Wendung in Zusammenhang mit neuerlichen Bes ftrebungen der Reichsregierung, für Desterreich eine ähnliche Lösung wie für Danzig zu schaffen. Das bedeutete formelle äußerliche Unabhängigkeit, innerlich aber völlige Gleich schaltung unter Naziführung. Angeblich soll bereits eine diplomatische Fühlungnahme mit Rom nach dieser Richtung hin erfolgt sein.
,, Frankreich widersetzt sich"
Paris , 8. März. Der französische Außenminister Barthou beantwortete heute vor dem Auswärtigen Ausschuß der Kammer den Fragebogen, der ihm von dieser am Mittwoch überreicht worden war. In bezug auf das österreichische Problem berief sich der Minister auf die Kontinuität der französischen Politif. di in diesem Punkte mit der Italiens und Englands übereinstimme. England werde Desterreich unter
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Auch Streicher geopfert
Die Aussichten in der Abrüstungsfrage werden von dem diplomatischen Mitarbeiter des„ Daily Telegraph " sehr pessimistisch beurteilt. Man gebe zu, daß sich der englische und italienische Standpunkt sehr nahe kämen und auch die Anschauungen Englands und Deutschlands keine großen Verschiedenheiten aufwiesen. Aber die Aeußeerungen franzö= fischer Minister Eden gegenüber und die einstimmige Feind feligkeit der französischen Presse dem abgeänderten englischen Abrüstungsplan gegenüber zeigten, daß wenig Ausficht auf eine Annahme des Planes durch Frankreich bestünde. Der diplomatische Mitarbeiter des sozialistischen „ Daily Herald" meldet u. a., Frankreich werde weitere Sicherheitsverpflichtungen von England fordern als Bedingung dafür, daß es seinen jezigen Rüstungsstand halte.
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Man erwartet hier die französische Stellungnahme zu den Anregungen, die Lordfiegelbewahrer Eden auf Grund seiner Reise nach Berlin und nach Rom in Paris gegeben hat, glaubt aber nicht, daß der britische Vermittlungsversuch zwischen Paris und Berlin zu einem Ergebnis ffthren kann. Ebensowenig hält man den Plan Mussolinis, eine Abrüstungskonferenz der vier europäischen Großmächte für durchführbar, da Frankreich und die Kleine Entente diesen Plan ablehnen. Da die englische Regierung sich aber auch von der Fortführung der Abrüstungskonferenz zur Zeit nichts verspricht, taucht der Plan einer Dreizehn- MächteKonferenz in London auf. Einzuladen wären Groß britannien , Frankreich , Deutschland , Italien , die Vereinigten Staaten, Sowjet- Rußland, Japan , Polen , ein Vertreter der Kleinen Entente , Belgien , Spanien und vielleicht noch einige fleinere Staaten. Da Norman Davis , der Vertreter der Vereinigten Staaten auf der Abrüstungskonferenz, sich gerade in London befindet, ist die Abrüstungsfrage mit ihm durchgesprochen worden. gesprochen worden. Präsident Roosevelt soll den Gedanken einer Dreizehn- Mächte- Konferenz begrüßen. Das Einverständnis der deutschen Reichsregierung gilt als sicher, da ihr die Dreizehn- Mächte- Konferenz die Rückkehr nach Genf ersparen würde, wo man glaubt, daß die Reichsregierung bereit wäre, ihren Plaz in Genf wieder einzunehmen, wenn die Londoner Konferenz zu einem befriedigenden
Ergebnis führte, was allerdings sehr zweifelhaft ist. So dürfte denn die Mächtekonferenz mit der ominösen Zahl 18 eine neue Illusion werden.
stützen, wenn dieses den Schiedsspruch des Bölkerbundes annehme.
di. deutsche Politik in Desterreich. Frankreich sei mehr denn je entschlossen, die Achtung der Friedensverträge zu verlangen, die auch die Unabhängigkeit Oesterreichs gewähr= leisten. Es vertrete eine Politik der Zusammenarbeit, und es sei der Ansicht, daß das österreichische Problem auf inter nationalem Wege behandelt werden müsse, während Deutschland eine innerpolitische Frage daraus machen möchte. Frankreich widerseße sich jeder Widerher stellung der habsburgischen Monarchie und gehe hierin einig mit England, der Kleinen Entente und den Balkanstaaten.
Monarchie ,, nicht aktuell"
Wien , 3. März. Von Regierungsseite wird zu der Frage der wiederherstellung der habsburgischen Monarchie erklärt, daß die Gerüchte über entsprechende Verhandlungen nicht den Tatsachen entsprächen. Die Regierung. sehe diese Frage nicht als aktuell an.
Die österreichische Sozialdemokratie ist nach heroischem Widerstand der Schutzbündler besiegt. Aus ihrer Erfah rung werden die sozialistischen Parteien der ganzen Welt wichtige Schlüsse zu ziehen haben.
Die österreichische Arbeiterschaft geschlagen. Was jetzt? Das gegenwärtige System ist auf die Dauer unhaltbar. Es stützt sich auf einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung. Es hat die Erbitterung sowohl der Sozialdemokraten als auch der Nazi gegen sich. Es ist durch die schärfsten inneren Gegensätze zerrissen: FührerBauern und Kleinbürgern andererseits. Gegensäge zwischen den Aristokraten und Generälen, die die Heimmehr kommandieren, einerseits, den christlichsozialen Bauner und Kleinbürgern andererseits. Gegensätze zwischen den Kapitalisten, die die Gelegenheit zur Abtragung der sozialen Gesetzgebung benüßen wollen, und den christlichsozialen Gewerkschaften, die die Gelegenheit benüßen möchten, die Arbeiter für sich zu gewinnen, Gegensätze zwischen den Anhängern einer habsburgischen Restauration und den Anhängern einer Verständigung mit Hitler . Gegensätze zwischen den jüdischen Kapitalisten, die die vaterländische Front finanziert haben, und den Entisemiten im faschistischen Lager. Erbitterter Kampf um die Beute, um die Erbschaft der Sozialdemokratie und der freien Gewerkschaften, zwischen den Christlichsozialen und den Heimwehren. Dabei haben beide Teile ihre eigenen bewaffneten Organisationen.
Es ist nicht denkbar, daß sich dieses System lange erhält. zur Aufrichtung einer faschistischen Diktatur fehlt die Basis einer so straff organisierten, einheitlich geführten Formation, wie es die Schwarzhemden Mussolinis und die Braunhemden Hitlers gewesen sind.
Es gibt für die Diktatoren in Oesterreich aus ihrer Lage nur zwei Auswege: der Weg zu Hitler oder der Weg zur Restauration der Habsburger .
Die Erbitterung über die blutige Niederwerfung des Aufstandes wird von den Nationalsozialisten geschickt aus genutzt. Sozialdemokratische Arbeiter, voll Haß gegen Dollfuß und Fey, gehen zu den Nationalsozialisten über, oder betrachten doch die Nazi als Bundesgenossen gegen Dollfuß . Die nationalsozialistische Flut schwillt gewaltig an. Es ist möglich, daß Dollfuß sehr bald keinen anderen Ausweg mehr sehen wird als die Kapitulation vor Hitler . Aber die Bildung einer schwarzbraunen Koalition in, Desterreich wäre nur der erste Schritt zu einer braunen Diktatur und damit, wenn nicht zum rechtlichen, so doch zum tatsächlichen Anschluß an das dritte Reich. Diese Entwicklung will sowohl Italien als auch Frank reich verhindern. Geht Dollfuß trotzdem diesen Weg, so könnten daraus die ernstesten Gefahren für den Frieden Europas hervorgehen.
Es gibt für Dollfuß nur einen anderen Weg: den Weg zur Restauration der Habsburger . Das ist der Wille der. Aristokraten und Generäle, die die Heimwehr komman dieren, und der katholischen Kirche . Die Wiederherstellung einer österreichisch - ungarischen habsburgischen Monarchie unter Jtaliens Schutz kann in der Richtung der italieni schen Politik liegen, weil sie Oesterreich und Ungarn in einen dauernden und schroffen Gegensatz gegen die Kleine Entente bringen würde. Frankreich kann in der Restauration ein Mittel sehen, Oesterreich dauernd von Deutsch land zu trennen. Die Tschechoslowakei und Jugoslawien . werden die Restauration nicht verhindern können, wenn Jtalien sie will und Frankreich sie zuläßt. Wenn aber erst ein Habsburger in Budapest und in Wien herrscht, dann werden die Kräfte Oesterreichs in den Dienst der ungarischen Revisionswünsche gestellt werden. Dann beginnt der Kampf um die Slowakei und Kroatien . Die Restauration bedeutet, wenn nicht sofort, so doch binnen wenigen Jahren den Krieg.
Die österreichischen Diktatoren werden sehr bald entweder zu Hitler oder zu Habsburg müssen. Der eine Wegwieder andere führt zum Krieg. Europa
wird erfahren, welche wichtige Schlüsselstellung des europäischen Friedens mit der öster