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出版

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Aus dem Inhalt

Come Leipzigs Richard Wagner

Seite 2

Freiheil

Nummer 56-2. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Donnerstag, den 8. März 1934 Chefredakteur: M. Braun

Nichts als Stavisky

Seite 3

Europas Friede und Oesterreich

Die unbeliebte Wintechilfe

Seite 4

Seite 5

Vernichtet die Sozialdemokratie

Seite 7

Probcabstimmung an der Saar beginnt

Die Aktion gegen den Völkerbund und das Saarstatut

Im Reich und an der Saar beginnt eine von der Reichs­regierung inspirierte und finanzierte Aftion, die noch vor dem Jahre 1935 vollendete Tatsachen an der Saar schaffen foll. Durch eine öffentliche Probeabstimmung soll der Welt dargetan werden, daß die Bevölkerung an der Saar in ihrer übergroßen Mehrheit die Unterwerfung unter die Hitlerdiktatur will. Auf diese Weise sollen die Versuche des Völkerbundes, eine wirklich freie und geheime Volksabstim= mung mit vorhergehender Boltsaufklärung zu gewährleisten, Jabotiert werden.

Die deutsche Reichsregierung braucht einen großen natio: nalpolitischen Erfolg. Nachdem der Anschluß Oesterreichs mißlungen ist, will sie ihr sinkendes Prestige durch einen Sieg an der Saar wieder aufrichten. Da die Reichsregierung dem Saar - Plebiszit von 1935 mit großen Sorgen entgegen: fieht und daher, wie der Reichskanzler und neuerdings Dr. Göbbels immer wieder versichern, schon vorher eine Einigung über die Saar zugunsten Deutschlands mit Frankreich an­strebt, möchte sie mit allen Mitteln die vom Völkerbund garantierte Boltsabstimmung im Jahre 1985 unmöglich machen.

Die durch die deutsche Front" angeordnete öffentliche Probeabstimmung in Form von Beitrittserklärungen zur deutschen Front" hat nicht nur bei der Regierungskommis: fion in Saarbrücken , sondern auch in Paris , in London und in Genf Mißtrauen geweckt. In Berlin ist man darüber unterrichtet. Infolgedessen ist der neue Führer der soge: nannten deutschen Front" an der Saar , Herr Pirro, ange: wiesen worden, öffentlich zu erklären, daß für die deutsche Front" nicht geworben werden dürfe, die Beitrittserklä: rungen sollten freiwillig erfolgen. Tatsache ist aber, daß im ganzen Saargebiet öffentliche Ab: stimmungslokale eingerichtet worden sind. Die Beitrittserklärungen zur deutschen Front" liegen in den Geschäftsstellen der Zeitungen, in vielen Läden und an deren Stellen aus und werden durch Plakate gekennzeichnet. Außerdem ist schon Werbung von Haus zu Haus im Gange. Die in der Form von Beitrittserklärungen zur deutschen Front" sich entwickelnde Probeabstimmung hat einen doppel­ten Zwed: Sie soll nicht nur eine große Mehrheit für die

diffamiert, als Hörige und Gekaufte Frankreichs und sind im Falle einer Rückgliederung vogelfrei.

Wenn die nun in Gang gebrachte öffentliche Probeabstim mung wirklich durchgeführt werden darf, hat der National: sozialismus die Terrorlisten in der Hand, die er braucht. Wer nicht für die Hitlerbarbarei ist, ist für den westlichen Imperialismus" und hat auf keine Schonung zu rechnen. Das muß überall in Europa , muß vor allem in Genf be: griffen, muß allen Verantwortlichen eingehämmert werden. Warum ist eine geheime Volksabstimmung im Jahre 1935 über die staatliche Souveränität des Saargebietes vorge sehen, wenn man im Jahre 1934 zuläßt, daß durch eine faum getarnte öffentliche Abstimmung der Voltswille mit terrori : stischen Mitteln gefälscht werden soll?

Fälschung ist auch die Methode der deutschen Reichsregie: rung in der Saarfrage. Der Vizekanzler von Papen hat soeben in einer Zeitschrift Das Dritte Reich " behauptet, daß der Kampf um die Saar von französischer Seite mit so scharfen Mitteln" geführt werde. Die Unwahrhaftig: teit Papens ist bekannt. Hätte er irgend einen Beweis für einen scharfen Saarkampf Frankreichs , so würde er ihn ge= wiß der Deffentlichkeit unterbreiten. Tatsache ist, daß von einem französischen Kampf an der Saar nicht das geringste zu spüren ist. Auch der Vizekanzler ver: folgt den terroristischen Zwed, alle Saareinwohner, die von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen, als von Frankreich gekauft zu verleumden.

Wäre es so, wie die Reichsregierung behauptet, daß die Saardentschen keine andere Sehnsucht haben, als sich dem Hitlerterror zu unterwerfen, dann wären die deutsche Front" und ihr öffentlicher Abstimmungsterror überflüssig. Die ge: waltigen Anstrengungen zeigen, wie groß Hitlerdeutschland die Gefahr im Falle einer freien Volksabstimmung einschätzt. Diese wirklich freie Abstimmung muß garan: tiert werden, und sie ist nicht mehr frei, wenn man zuläßt, daß die geheime Abstimmung in eine öffentliche umgewandelt wird.

Rückgliederung vortäuschen, sondern zugleich diejenigen Ein Beispiel

kennzeichnen, die ihren Beitritt" nicht erklären, sich also an der Probeabstimmung nicht beteiligen. Das wird allmählich auch in den europäischen Hauptstädten erkannt. Jeder, dessen Name in den Listen der deutschen Front" fehlt, soll der öffentlichen Aechtung überantwortet werden. Die Sprache aller Presse: erzeugnisse der deutschen Front" läßt darüber keinen Zwei­fel. So bezeichnet der neue Führer des Vereins der Saar­presse, Dr. August Hellbrück, Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung " die deutsche Freiheitsfront als Maulhelden des westlichen Imperialismus. Somit werden alle Saar : einwohner, die sich der deutschen Front" nicht durch Bei: trittserklärung öffentlich unterwerfen, als Landesverräter

Zweibrücken , 7. März. Elf junge Wanderer aus dem Reiche fehrten am vergangenen Sonntag auf einer Wanderung in das Saargebiet im Naturfreundeheim in Kirkel ein. Die jungen Leute sind ganz unpolitisch und haben die Einkehr in das sozialistische Wanderheim nur aus Sparsamkeits­gründen gewählt. Ahnungslos und seelenvergnügt kehrten fie abends über die Reichsgrenze zurück. Der deutsche Terror und das deutsche Denunziantentum aber wachen. Die Wanderer wurden in Zweibrücken festgenommen. Neun wurden nach langem Verhör wieder freigelassen, zwei blieben in Haft. Nur weil sie in einem Naturfreundeheim des Saar­gebietes Limonade tranken! Man vergegenwärtige sich also, was es bedeutet, wenn man der terroristischen deutschen Front" erlaubt, Liften ihrer Gegner anzulegen.

Die französischen Forderungen

Befragung des nationalen Verteidigungsrates

London , 7. März. Reuter erfährt, daß die französische Denkschrift zur Abrüstungsfrage, die die Antwort auf die britische Denkschrift darstellt, erst nächste Woche zu erwarten sei. Als Grund für diese Verzögerung wurde angegeben, daß das französische Kabinett nicht allein für eine Entschei­dung zuständig sei, sondern daß auch der Nationale Vertei­digungsrat befragt werden müsse. Das britische Kabinett merde also zu dem Ergebnis der Reise Edens frühestens in der nächsten Woche endgültig Stellung nehmen können..

Frankreichs Standpunkt

Paris , 7. März. In einem Artikel des Admirals Docteur im Matin" wird der französische Standpunkt in der Rüstungsfrage furz und charakteristisch wie folgt gefenn­zeichnet: Man ist französischerseits bereit, die Verhand­

fungen fortzusetzen, wenn man die Aufrüstung Deutschlands verhindern fann. So wird man sie aber doch weder igno­rieren noch hinnehmen.".

Der Petit Parisien" glaubt, daß die französische Antwort auf die lezte englische Note in der Abrüstungsfrage Ende der Woche fertiggestellt sein werde und daß sie in feiner Weise die Türe zu einer Einigung verschließen werde. Allerdings gebe es gewisse Punkte, über die man nicht mehr streiten dürfe. Die absoluten Bedingungen einer wahren Abrüstung seien 1. feine Erhöhung der deutschen Rüstungen außer insoweit, daß nach gemeinsamer Verständigung die regu= lären deutschen Effeftivbestände verstärkt und umorganisiert werden würden, mithin also erst recht keine Erhöhung, die noch durch eine Herabsetzung der französischen Verteidigungsmittel verschlimmert wurde, 2. feine vor­militärischen oder militärähnlichen Ver­bände neben dem regulären Heer, da die Auf­rechterhaltung solcher Verbände schon in Friedenszeiten bei mobilisierten Organisationen jede Berechnung der Effektiv bestände verfälsche und die herzustellende Gleichheit illu­sorisch mache; 3. Einführung einer allgemeinen, ständigen

Fortsetzung fiehe 2. Seite

Englischer Brief

dedogrid O. G. London , 3. März 1934. Und wieder Ewald Banse 19 3

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Herr Ewald Banse , der militante Professor aus Braun Schweig, hat der Hitler - Diplomatie schon viel Kopf­Ergüsse zuerst sein Büchlein ,, Wehrwissenschaft ", dann zerbrechen bereitet. Im Herbst wurden seine kriegerischen sein größeres Werk Raum und Volk im Weltkriege" in England aus Berichten der Berliner Korrespondenten Wickham Steed an die Times" bekannt. Die Wirkung und durch eine Zuschrift des bekannten Publizisten war katestrophal, man zweifelte immer offener an dem Wert von Hitlers verlogenen Friedensreden. Banse wurde in England das, was vor dem Weltkrieg der kriegerische General Bernhardi gewesen war. Da versuchte die Hitler­regierung durch ein formelles Verbot der Bansebücher zu retten, was zu retten war. Eine Zeitlang wurde es auch tatsächlich ruhig um Banje. Aber jetzt ist sein Raum und Volk im Weltkriege" in englischer Uebersetzung erschienen. Selten erhält ein Buch so viel Publizität mie dieses. Alle Zeitungen brachten ausführliche Besprechungen, Zeitungen zitierten die Stellen wörtlich, wo sich die " heldische" Fantasie des Professors die Eroberung und Unterjochung Englands ausmalt und darin schwelgt, wie die Engländer einem fremden Eroberer zu gehorchen lernen. Ja das hitlerfreundlichste Londoner Blatt, die Daily Mail" widmet dem Buch sogar eine halbe Seite ( was bei dem Riesenformat der englischen Zeitungen und dem kleinen Druck etwa 2 Seiten einer deutschen Zeitung entspricht). Und das alles gerade in einer Zeit, wo Hitler um die öffentliche Meinung Englands wirbt und diesem Werben zuliebe sogar Dimitroff freiließ.

alle

Noch katastrophaler aber wirken die Begleit­erscheinungen der Veröffentlichung. Sie erfolgte zwar gegen den Willen des deutschen Verlegers von Banses Büchern, aber nicht etwa illegal. Der englische Verlag, Lovat Dickson, hat das Herausgaberecht von dem deutschen Verlag am 3. November erworben; am selben Tag war das Verbot des Buches erfolgt. Nun suchte der deutsche Berlag das übersetzungsrecht zurückzuziehen, zuerst durch Bitten und Ueberredung, als das nichts half, versuchte er eine kuriose Drohung: er erklärte, da das Buch zur Zeit des Vertragsabschlusses, ohne daß der Verlag es mußte, bereits verboten war, so sei es gewissermaßen auch für England verboten. Diese Logik" setzt offenbar voraus, daß England bereits gemäß Banses Plänen erobert und unterworfen sei. Lovat Dickson ließ sich jedoch auf die Nazi- Logik nicht ein, er bestand auf seinem Recht und brachte das Buch heraus.

Nun folgte ein letzter verzweifelter Versuch, das Gesicht zu wahren Die deutsche Botschaft veröffentlichte in allen englischen Blättern eine Erklärung,

1. daß Banse nie Professor der Wehrwissenschaft geweien sei, sondern nur von 1930-1933 Dozent für Geografie an der Braunschweiger Technischen Hochschule,

2. daß Banje felbft erklärt habe, seine Bücher seien eine reine Privatarbeit, weder die Regierung noch die NSDAP . feien dafür verantwortlich,

3. die Bücher seien in Deutschland verboten worden, 4. die Bansebücher seien die Arbeit eines unverantwort lichen Theoretikers, die strategischen Theorien seien so absurd, daß sie nicht ernst genommen würden. Es seien unsinnige Ansichten.

Die englischen Zeitungen brachten in ihrer üblichen Loyalität diese Erklärung, aber sie brachten im Anschluß daran auch eine Erklärung von Lovat Dickson, wonach er am 29. Januar 1934 von Banse selbst einen Brief er­halten habe, unterzeichnet Ewald Banse , Professor an der Technischen Hochschule Braunschweig", ferner, daß der Kalender der Reichsdeutschen Universitäten und Hoch­schulen, 114. Ausgabe 1933, Professor Banse als Professor der Wehrwissenschaft bezeichnet und als seine Vorlesungs­themata angibt Allgemeine Wehrwissenschaft" und Staatenkundliche Wehrwissenschaft". Der Manchester Guardian" fügte noch hinzu, daß biografische Fachwerke Banse als den ersten Professor der Wehrwissenschaft be­zeichnen( er wurde dazu nach dem Erscheinen seines Buches von den Nationalsozialisten ernannt), daß er weiter als nationalsozialistischer Expert in Wehrwisseschaft im Wehr­politischen Amt der NSDAP . bezeichnet wird.

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