Die unbeliebte ,, Winterhilfe"

Aufhebung des Steuergeheimnisses

Der Westdeutsche Beobachter" tlagt über schlechte Er­fahrungen der Sammler des Winterhilfswerks:

In einem vornehmen Lofal sibt ein Herr, hat eine Hare und eine halbe Flasche Wein vor sich stehen und sagt eis­falt zu unterm Sammler: Ich bin arbeitslos!"(???) Be­sondere Freude machen manche Stammtischrunden. Einer gibt im Namen der Runde! Ein leuchtendes Beispiel: Ort: ein besseres Lofal in Köln  , Zeit: sehr spät, Perionen: eine Runde von sieben Personen und ein Sammler für das Winterhilfswerf. Auf dem Tisch stehen 19 Flaschen. Hand­Iung( bzw. erhaltener Betrag): ein Pfennig!- 3ft das nun eine Tragödie, ein Drama oder ein Lustspiel? In anderen nationalsozialistischen Zeitungen liest man: Der Kreis Magdeburg   des Winterhilfswerkes sieht fich gezwungen, die Widerstände höherer Beamier und An­gehöriger ähnlicher Kreise gegenüber dem Winterhilfswerk festzustellen und gebührend zu brandmarken. Die Sammler und Sammlerinnen des Winterhilfswerkes feien nur schwer zu bewegen, in sogenannten besseren Kreisen" Sammlungen durchzuführen da es häufig zu persönlichen beleidigenden Aeußerungen und ähnlichen Sabotageaften von jeiten un­verbesserlicher Reaktionäre gekommen ist. Der stell­vertretende Stabsleiter des Winterhilfswerkes   mußte die Feststellung machen, daß Regierungsräte, Direktoren und höhere Offiziere Beiträge zeichnen die in den meisten Fällen absolut nicht dem Einkommen entsprechen und auch in feinem Verhältnis stehen zu der Spende des fleinen Mannes. Gerade die Kreise, die unbedingt dazu in der Lage sind, hätten erklärt, daß sie unmöglich auch nur 5 oder 10 Pfennig mehr geben könnten. In allen Fällen, bei den Spenden für das Eintopfgericht, bei der Pfundspende zu Weihnachten und bei ähnlichen Gelegenheiten, hat es sich ge= zeigt, daß das Verständnis für die notleidenden Volks­genossen bei den sogenannten Herrichaften" noch sehr zu wünschen übrig läßt. sb

Diese Feststellung, die das Winterhilfswerk im Kreise

Masaryksla bibend

über den Nationalsozialismus ,, Gewisse Nationen wollen Krieg aber es fehlt am Gelde"

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Die Zeitung Geste Elovo" veröffentlicht ein Interview, das Präsident Masaryk   einen Tag vor seinem 84. Ge­burtstag einem Vertreter einer amerikanischen   Zeitung ge­währt hat. Der Präsident der Republik sagte wörtlich folgendes:

Es ist richtig, daß der Pangermanismus während dieser letzten zehn Jahre nichts als eine einfache Bewegung war. Aber heute ist diese Tendenz im deutschen   Staat verförpert, das heißt im dritten Reich". So wie die Politik Hitlers  auf der Vorstellung aufgebaut ist, nach der die Deutschen   eine Nation von Grand- Seigneurs" sind, hat die pan= germanistische Bewegung den Gedanken geboren, daß dieses Volk einer Rasse angehört, deren Mission es ist, die Welt zu regieren.

Die Tatsache, daß ein Volk von 65 Millionen Seelen nach

Smetana  

Die Tragödie eines Künstlers

Ein ganzes Land rüstet sich, anläßlich der hundertzehnten Wiederkehr des Geburtstages und fünfzigsten Wiederkehr des Todestages des großen Sohnes der böhmischen Nation Friedrich Smetana   zu gedenken. Ein Denkmal wird ent­hüllt, große Preise werden verteilt, die den Namen Smetanas tragen, Monate hindurch werden in vielen Städten Konzerte veranstaltet, vergessene Partituren werden ausgegraben. Und über den Feierlichkeiten erhebt sich das Bild des Künstlers, der das ganze Leid menschlichen Elends durchleben mußte, der arm war wie Schubert, taub wie Beethoven  , in geistiger Um­nachtung wie Schumann und Hugo Wolf  .

Es war eine schwere Zeit, in der Smetana   lebte und wirkte und ununterbrochen fämpfte bis zum leßten Atemzug. Leere Konzertsäle, ablehnende Kritiken, Tod der heißgeliebten Gattin, treuen Gefährtin während aussichtsloser Kämpfe um Anerkennung und das tägliche Brot, Tod des ältesten Töchter chens Friederike, Tod des zweiten und des dritten Töchterchens, das war alles hart und bitter, aber das Härteste und Bitterste war es nicht. Das Härteste und Bitterste war wohl, als der Begründer der böhmischen Volksoper, der Musiker, der die Weifen des Volfes adelte, die heftigsten Angriffe als musita­lischer Vaterlandsverräter, als Wagnerianer, als Verehrer einer Bukunftsmusif" binnehmen mußte, weil er Tann häuser" und" Tristan" schön fand. Die" Verkaufte Braut  " schrieb ich aus Troß," verriet Smetana   einem Freunde, sech­achn Jahre nach der Uraufführung, anläßlich der ersten hundertsten Vorstellung, die eine tichechische Oper erleben fonnte. Damals wurde dem schon tauben Meister zugemutet, wie ein gewöhnlicher Benefisiant von Haus zu Haus zu gehen und die Karten zum Verfauf anzubieten, denn," so heißt es weiter, nach den Brandenburgern" wurde mir der Vorwurf gemacht, ich sei Wagnerianer und fönne im leichten volkstümlichen Stil nichts schaffen."

Diese Oper aus Troß, die zweite unter acht, im Alter von 42 Jahren fomponiert, war denn auch der einzige, große, überwältigende Erfolg; und gegenüber dem Verdikt des Volkes mußten sich die musikalischen Patrioten im Hinter grund halten, sie warteten aber gespannt. Sie mußten nicht einmal so lange warten, um das edle Wild zur Strecke zu bringen. Dalibor". Libussa  ", zwei Opern, die nach der Ver tauften Braut" folgten und den Meister wieder in zwei neuen Stilarten zeigten, boten reichlich Anlaß zu Angriffen gegen den Wagnerianer". Dem Spätgeborenen ist dieser Kampf nicht recht verständlich, nicht nur, weil in der mufifa­lischen Bearbeitung immerhin große Unterschiede bestehen, fondern weil ia, Dalibor" eine alte böhmische Sage erzählt und Libuisa" in die Uraefchichte der eigenen Nation zurück führt. Der Kampf hatte denn mehr persönliche Motive, und Kapellmeister Mayer ließ Bogen zirkulieren, auf denen Unterschriften gesammelt wurden, man möge doch endlich den unfähigen antinationalen Smetana von der Leitung der Over entfernen und Kapellmeister Mayer mit der Wahrung tschechischer Kunst betrauen.

Da schreibt Smetana   seiner Direktion einen Brief; es war um die Zeit feines 50. Geburtstages herum: ich muß Ihnen von dem grausamen Geschick Kunde geben, das mich betroffen hatte..., nach der Probe hörte ich die Töne der höheren Ottaven im rechten Ohr anders als im anderen sollte die beginnende Taubheit weiter fortschreiten, dann werde ich auf mein Amt Verzicht leisten.. Kapellmeister Mayer wird Nachfolger Smetanas, und eine der ersten Handlungen des neuen Direktors ist, die Partitus

Magdeburg   machen muß, ist durchaus kein Einzelfall. Der Gauleiter des Gaues Magdeburg- Anhalt der NSDAP  . hat angeordnet, daß diese uniozialen Elemente in besonders krassen Fällen in Zukunft öffentlich anzuprangern sind. In anderen Gauen des Reiches werden ähnliche Maßnahmen zu erwarten sein.

In dieiem Zusammenhaug gewinnt eine Entscheidung des Landesfinanzamtes Düsseldorf  , die in der Bolks­parole", einem offiziellen Parteiorgan, veröffentlicht wird, aktuelle Bedeutung. Es wurde von dem Bauftragten des Landesfinanzamtes auf einer Besprechung mit dem Beauf tragten des Treuhänders der Arbeit und Gaubetriebszellen obmännern eindeutia erklärt, daß gegenüber Dienststellen der Partei bei den Finanzämtern fein Steuergeheim= nis beste he. Die Veranlassung dazu gab die Tatsache, daß bei der Spende zur Förderung der nationalen Arbeit gerade die gutbezahlten Führer und Unterführer der Betriebe an­gemessene Opfer abgelehnt hatten. Die Volksparole" schreibt: Es bestand Einmütigkeit darüber, daß infolge der Identität der NEDAP. mit dem nationalsozialistischen Staat ein Steuergeheimnis gegenüber den Dienststellen der Partet nicht existiert, und daß zunächst die Finanzämter in den Fällen, wo in Betrieben die Spendenzeichnung versagt hat, den Unternehmer als den verantwortlichen Führer des Betriebes zu einer Beseitigung dieses Zustandes auf­fordern."

Die Perfonen, die sich von der neuen Opfergemeinschaft glauben ausschließen zu dürfen, find den Behörden und da mit auch den Dienststellen der Partei bekannt. Die Säumigen haben noch bis zum 31. März. bis zum Ablauf der Spendenfrist, zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegen­über der Gemeinschaft, Zeit. Wenn sich die Widerspenstigkeit von solchen Unternehmern, deren Einfommen über 9200 Mart brutto beträgt, bis dahin nicht ändert, so bleibt nach der Volksparole" nur noch Anprangerung durch die NSBO. übrig, die im Benehmen mit dem Treuhänder der Arbeit vor sich gehen soll.

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einem solchen Prinzip geführt wird, ist sehr bedenklich. Aus diesem Grunde bilden die Deutschen   für ganz Europa   ein erustes Problem. Wir müssen sie deshalb beobachten und studieren.

Es ist nicht zu leugnen, daß die Deutschen   bei Beginn des Weltkrieges den Vertrag, der Belgiens   Neutralität garan tierte, wie einen Fezen Papier   behandelt haben. Vor allem die Niederlande   und Belgien   mit dem Hafen von Antwerpen  wurden die Hauptziele des pangermanistischen Programms. Die Deutschen   haben versucht, dieses Programm auszu­führen, jedoch sie wurden besiegt. Das muß für sie eine ge­nügende Antwort sein.

Wir wissen wohl, daß es Nationen gibt, die einen euros päischen Krieg wünschen. Wir tun alles, was wir können, um den Frieden zu organisieren, aber wir müssen für jede Mög­lichkeit gewappnet sein. Nicht nur unsere Armee muß vor­bereitet sein, sondern ebenso unsere Bevölkerung.

Beruhigend fügte Masaryk   indessen hinzu, er glaube heute trotz allem an die Wirksamkeit der Verträge. Und wenn auch gewisse Nationen den Krieg wollten, so fehle doch heute, wo in jedem Land Menschen Hungers sterben, das Geld dazu. Daher, so erklärte Masaryk  , glaube er nicht an einen bal­digen Krieg.

der Oper Zwei Witwen  " in die Wohnung Smetanas zurück­zusenden.

Das sechste und legte Jabrzebut des Lebens beginnt, die Not zwingt zur Arbeit, die Reise zu Spezialisten, so zu Professor Polizer nach Wien  , ist teuer, ein Konzert soll die notwendigen Mittel herbeischaffen, besonders die Uraufführung der Moldau  " dient als Attraktion, deren Partitur zum erstenmal mit dem Vermerk versehen ist: In voller Taub­heit". Aber das Leiden will nicht besser werden. Erleichterung verschafft nur die Flucht in die Musit.( Aus meinem Leben, Streichquartett, das hohe E im vierten Say verfündet im Pfeifton die Katastrophe meiner Taubheit, in Wirklichkeit war es Sextafford in A.") Die Hoffnung auf Besserung schwindet immer mehr, und die bangen Tage vergeben mit dem Schrei­ben von Briefen, in denen die feit sechs Monaten zurück­gehaltene Gage urgiert wird. Nur selten ein Lichtblick, Ham­ burg   interessiert sich für die Zwei Witwen  ", das tschechische Milieu wird aber in das französische   Milieu umgeändert, jeder Sänger, jede Sängerin hat Spezialwünsche, der Direk tor verfaßt die Verträge unklar, jongliert mit Brutto- und Nettoprozenten, um den Komponisten hineinzulegen; daß es dann doch zu einer Aufführung kommt, war wohl mehr Er­folg wiederholt gesendeter Fasane aus den böhmischen Wäldern, denn der Musik.

Die Menschen verlassen Smetana  , er lebt bei seiner ver­heirateten Tochter( der einzigen Ueberlebenden von vier Schwestern), traurig, schicksalergeben, Nur Elisa Kraszno­horsta, die feine Dichterin, gedenkt des franken Freundes, sendet ihm, mehr zur Erinnerung, ein ländliches Lustspiel: Subicka"( Der Kuß). Zum legten mal entfaltet sich das Genie, zum lebtenmal flattern lustige Tanzweisen empor. und die utolebavka"( Das Wiegenlied) gehört zu den schönsten Liedern böhmischer Musit. Dann ist es aus. Das Geheimnis"," Die Teufelsmauer" werden zwar noch voll endet, aber der reiche Strom ist persiegt; die verworrenen, naiven Libretti trugen nicht dazu bei, den Erfolg zu steigern. Auf dem Weg zum Theater, wo als Festvorstellung die einst so angefeindete Libusa" gegeben werden soll, erreicht ihn die Nachricht vom Theaterbrand; ein beranbrausender Zug ist im Begriff, den Tauben zu zermalmen, der in dem Brand ein böses Zeichen höherer Mächte sieht. Wie durch ein Wunder wird er vor dem sicheren Tod gerettet.

An Josef Srb schreibt er am 9. Dezember 1882: Geehrter Freund!... ich habe die Stimme verloren..., auch das Lesen treffe ich nicht mehr..., ja, daß ich in Wahnsinn verfallen fann... Die Beschäftigung mit der Musik vollkommen ver­boten, nichts darf ich musikalisch denken, ich fann mir nicht einmal meine eigenen Kompofitionen vorstellen... meine neuen Kompofitionen find mir widerwärtig... Winter herrscht schon den ganzen Sommer über..., es mir im Kopfe dröhnt, aber das spricht auch in vielen Tönen, pfeift in un­fichtbaren Tönen unt mich berum, lacht mich aus, beschimpit mich als einen dummen Kerl.... bedauern Sie mich nicht, ich bin auf dem Weg, der mir bestimmt ist, vollkommen vorbe­reitet. Ihr immer treuer Freund..."

Auf Vorschlag Saint- Saens   wird Smetana   eingeladen, in Paris   Vysehrad  " zu dirigieren; aber der Hausarzt hatte bereits das Todesurteil ausgesprochen: der Kranke muß in eine Nervenheilanstalt, er hat schon das Bewußtsein verloren. Die Nervenheilanstalt ist das Katharinen- Irrenhaus. Die Bimmerwand trägt die leßten Notenzeichen Smetanas, fie fangen schön, regelmäßig an, dann beginnen sie wild zu tanzen, der Zusammenhang fehlt, dann hört alles fäh auf: es bätte eine Polka werden sollen aus dem Prager Karneval... Alex Szana.

5 Monate Glück betu

Sehnsucht nach dem Gefängnis

Man schreibt uns aus dem Reich:

Ein politischer Gefangener wurde aus dem Gefängnis ins Konzentrationslager gebracht. Kurz danach wurde er vom Gericht zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt und kam auf diese Weise wiederum aus dem Lager ins Gefängnis. Man sprach von ihm mit Neid: Der hat Glück gehabt! Und es ist für viele Menschen ein Glück, fest im Gefängnis zu sein. Die Gefahr, geschlagen und ermordet zu werden, ist im Ge­fängnis als Regel bedeutend geringer als im Lager. Ein besonderes Glück ist es, in einem anständigen" Gefängnis zu fizen. Das heißt: In einem Gefängnis, in dem die alte Verwaltung noch die frühere menschliche Behandlung der Gefangenen übt.

Ich habe fünf Monate lang dieses besondere Glück, in einem anständigen Gefängnis zu fiben, gehabt. Man hat mich nicht geschlagen, und meine Erlebnisse im Gefängnis waren völlig unromantisch. Sie waren für mich umso wertvoller, weil sie die völlig unromantische Wirklichkeit der nationa­Ten Revolution" richtig widerspiegelten. Nicht jeder weiß es, daß man den Alltag einer Revolution im Gefängnis und aus dem Gefängnis besonders gut kennen lernen kann.

Als ich nach fünf Monaten durch die Straßen einer mittel­großen Stadt ging. war ich nicht durch den Straßenlärm, son­dern durch die unheimliche Stille in der ganzen Stadt be drückt. Die Menschen in Deutschland   haben verlernt, laut zu sprechen. Laut zu sprechen wagen nur diejenigen, die an der Macht teilnehmen. Die anderen zieben es vor zu schwei­gen. Deutschland   ist jekt ein schweinendes Land. Nach meiner Entlassuna habe ich nicht das Gefühl der Freiheit achabt, sondern eher das Gefühl, aus einem Gefängnis in ein an­deres, viel größeres zu kommen.

In Deutschland   sperren sich jetzt die meisten Menschen ab. Jeder lebt in seinem engen Kreis. Deshalb ist es so außer­ordentlich schwer, das deutsche Leben zu sehen, wie es wirf­lich ist. Mein Gefängnis war als Beobachtungsort sehr gün= stig. Ich habe hunderte Menschen aus verschiedenen einzel­nen Kreisen fennengelernt. Das waren hunderte menschliche Schicksale. Und in diesen Schicksale spiegelt sich das wahre Gesicht der nationalen Revolution wider.

Die Welt hat schon vieles von den grausamen Taten der Nationalsozialisten erfahren. Die Grausamfeit der nationa= len Revolution ist noch größer, als die Welt es glaubt. Troß­dem ist der hervorstechendste und beherrschende Zug dieser Revolution nicht ihre Grausamkeit, sondern ihre Gemein­heit. Die Gemeinbeit gibt auch der nationalsozialistischen Grausamkeit ihr besonderes Gepräge. Man begnügt sich nicht mit dem physischen Schmerz oder der physischen Vernichtung. Man will die Opfer möglichst starf moralisch treffen, sie erniedrigen, nicht nur den Körper, sondern auch das Ehr­und Schamgefühl quälen.

Ich weiß nicht, ob diese Revolution die grausamite, weiß aber, daß sie die niederträchtigste aller Revolutionen ist. Sie ist besonders niederträchtig, weil die terroristischen Macht­mittel der Diktatur den niedrigsten Justinkten, dem übelstent Haß und dem fleinlichsten Neid zur Verfügung gestellt werden.

In unserem Gefängnis saß etwa drei Monate lang ein Mann, der 1928 als Separatist, dann aber nicht mehr poli­tisch tätig war. Die meisten Separatisten gehören jezt att den Nazis. Wenn man einige eingesperrt hatte, so geschah daß jedesmal aus irgendwelchen besonderen Gründen. Ter Mann, von dem ich spreche, wußte lange Zeit selber nicht, weshalb man ihn verhaftet hatte. Das ist zufällig bekannt geworden. Er wollte eine gefchiedene Frau beiraten. Der erste Mann dieser Frau ist jetzt bei der SA. Und er hat die Verhaftung des Mannes, den er als an seinem Familien­unglück schuldig hält, bewirkt.

Das ist gewiß ein fleines, aber ein sehr typisches Beispiel. Die meisten Verhaftungen find Folgen von Denunziationen durch die Nachbarn, durch frühere Freunde, sogar durch die Ehefrauen. Die Statistik der Denunziationen im dritten Reich" würde die ganze Welt in Staunen versetzen. In dieser Hinsicht ist die nationale Revolution wirklich groß. Der Na­tionalsozialismus bekämpft den Marrismus. Der einzelne Nationalsozialist bekämpft den einzelnen Marriffen, den er fennt. Wer sind diese Marristen? Für einen Geschäftsmann ist es der erfolgreiche Konkurrent, für einen arbeitslosen Nationalsozialisten fast jeder Arbeiter, der noch in Arbeit steht. A

Die marxistischen Beamten werden entlassen, um den an­deren Platz zu machen. Der Sieg bedeutet die Beute. Wenn das neue Beamtengesetz feine Unterlage für die Entlassung bietet, wird nach sogenannten kriminellen Vergehen gesucht. Man konnte einen Bürgermeister nach dem neuen Gefeß nicht entlassen, weil er schon vor dem Krieg Beamter gewesen ist. Man machte ihm den Prozeß. Es wurden nicht weniger als 182 Anklagepunkte zusammengetragen. Das Material" war der Ertrag der Arbeit williger Denunzianten. Mehr als pier Monate war dieser Bürgermeister erst im Lager und dann im Gefänants, und man hat ihn doch entlassen müssen, weil ihm trotz dieser Masse von Denunziationen kein Ver­gehen nachzuweisen war.

Dieser Bürgermeister hat aber wirklich Glück gehabt. Die anderen bleiben in Haft oder werden ins Konzentrations­lager geschickt, troßdem nichts gegen sie vorliegt. Ein natio= nalsozialistischer Polizeibeamter sagte: Gegen A. liegt swar nichts Nachweisbares vor. Wir halten uns aber an den Grundiak: Lieber 10 Unschuldine im Gefängnis halten, als einen Schuldinen laufen lafen." Das ist wahrscheinlich das germanische Recht", daß jest so gepriesen wird.

Werden in Deutschland   jekt Tausende und Rebutaufende gemartert und aeschlagen, so werden Millionen diesem Rrica gegen den Nachbarn, der Verfolaung durch Hak und Neid ausgefeßt. Das geeinte Volf foll dadurch gefchaffen werden, daß an allen Straßen und Ecfen nach dem Grundsatz homo homini lupus" verfahren wird.

Man hat mich nicht gemartert. Ich war aber Zeuge einer seelischen Qual, die man nie vergeifen tann. Einmal wurde bei uns ein 68jähriger Ande eingeliefert, ein Händler in einem Dorf. Eines Abends sammelte sich vor seinem Haus

cine Menschenmenae. Es wurde aerufen: Geraus mit dem Juden! Schlaat in tot!" Die Polizei ist nicht gegen die Menge eingeschritten. Sie hat den uden verhaftet. Der alte Mann war besonders dadurch erschüttert, daß man ihn als Verbrecher behandelt. Was habe ich aetan? Was habe ich getan?" fraate er. Er hatte nichts getan. Sein Verbrechen war, als Ande geboren und dann ein Konkurrent der an­deren Geschäftsleute zu sein.

Den alten Mann nlaate furchtbares Seimweh. Fait iede Nacht hörte ich ihn schreien. Er schrie wie ein wildes Tier, das im zoologischen Garten gefangen gebotten wird, dann schreit, menn es Beimmeh hat. Des Alten Schrei flinat mir in den Ohren. wenn ich die Meden leie, in denen 91doff it ler von der Nation, von der Raie  . von der heroischen Welt­anschauung usw. spricht. Ich wünschte, die ganze Welt hörte den Schrei eines alten, ohne jede Schuld gequälten Mannes.