London und die Schweiz

Zwei große Erfolge des Sozialismus und des Sozialismus und der Demokratie

Labour - Mehrheit in London

Mit den Kanonen hat der österreichische Faschismus das rote Wien bezwungen. Vier Wochen später entsteht aus dem freien Willen des Volkes d as rote London . Das Mär­chen vom Niedergang der sozialistischen Bewegung wird durch den gewaltigen Sieg der englischen Arbeiterpartei widerlegt. Die einzelnen Formen sterben ab oder werden zerschlagen,

aber der Sozialismus lebt und sucht nach der neuen Geftalt, in der er zur Eroberung der Welt schreiten wird. Groß ist der Londoner Sieg. Groß ist aber auch die Aufgabe, die die englischen Sozialisten jetzt zu lösen haben.

Die Konservativen, die in London als Partei der fommu nalen Reform" auftreten, haben sich diesmal ausdrücklich als ,, Antisozialisten" bezeichnet. Sie forderten die Wähler auf, die Eroberung von London durch den Sozialismus zu ver­hindern. Sie wollten die sozialistische Bewegung in allen ihren Formen treffen. So hat ein Teil ihrer Presse dem Bei­spiel des deutschen Nationalsozialismus folgend, den Wahl­fampf mit einem gehässigen Feldzug gegen die Genossen­schaftsbewegung verbunden. Der kommunale Wahlkampf er­hielt einen ausgesprochen politischen Charakter, und heute fann auch die Presse der besiegten Partei nicht bestreiten, daß der sozialistische Sieg in London eine gewaltige allgemeins politische Bedeutung hat.

Die Konservativen hatten 1906 einen ähnlichen Sieg in London gehabt, als sie die liberale Mehrheit im Londoner Stadtparlament beseitigt hatten. 27 Jahre ununterbrochen beherrschte sie dann London . Nicht einmal in der Zeit des großen Aufstieges der Arbeiterpartei nach dem Kriege schien die konservative Herrschaft in London bedroht zu sein. Wie unerschütterlich diese Herrschaft war, zeigt uns folgende Zu­fammenstellung, in der die Wahlergebnisse seit 1904, als die Liberalen zum letztenmal die Mehrheit hatten, bis 1931 wiedergegeben werden:

Konservative

Liberale

Arbeiterpartet

1904

35

81

1

1907

71

37

1

1913

67

49

2

1919

68

40

15

1922

82

26

16

1925

83

6

35

77

5

42

83

6

35

1928

1931

278

Jetzt sind die Liberalen aus dem Londoner Stadtparlament völlig verschwunden, die Konservativen sind von 83 auf 55 zurückgegangen und die Arbeiterpartei hat mit 69 Sißen die absolute Mehrheit erobert.

Die Arbeiterpartei hat ihre Stimmenzahl seit den Wahlen von 1931 um 60 v. H. erhöht und hat um 16 v. H. mehr Stimmen als die Konservativen erhalten.

Es wird auch in der konservativen Preffe zugegeben, daß dieses Ergebnis ein sehr wichtiges Zeichen für die allge= meine Richtung der politischen Entwicklung ist.

Die englische Arbeiterpartei hat eine außerordentlich schwere innere Krise durchgemacht. Nach ihrer Niederlage im Herbst 1931 wurde prophezeit, daß sie die Aussicht auf eine führende politische Rolle mindestens für ein Jahrzehnt ein­gebüßt hätte. Der Londoner Sieg zeigt, daß die Krise der Partei überwunden ist. Sie gewinnt die innere Kraft wieder, um in allen Fragen der inneren und der Außenpolitik eine feste sozialistische Grundhaltung einzunehmen eine fozia­Iistische Grundhaltung, die sie notwendig braucht für den nächsten Abschnitt ihres fiegreichen Weges: Bom roten London zum sozialistschen England!

Ohne Kommunisten

Von 62 Bezirken, in die London eingeteilt wird, waren in 3 Bezirken die Kandidaten ohne Wahl als unbestritten be­stätigt. In 59 bestrittenen Bezirken hat die Arbeiterpartei insgesamt 680 000 Stimmen erhalten und die Konservativen 585 000. Da in jedem Bezirk zwei Abgeordnete gewählt wer­den und jeder Wähler dementsprechend zwei Stimmen ab­gibt, so ergibt sich für die Arbeiterpartei die Wählerzahl von 340 000 und für die Konservativen von 295 000.

Die Kommunisten haben insgesamt 18 Kandidaten aufges ftellt und 8 770 Stimmen erhalten, was der Wählerzahl von etwa 4 400 entspricht.

Die Arbeiterpartei hat also fast 80 mal so viel Stimmen erhalten wie die Kommunisten. Beachtenswert ist, daß der Inder Saklatvala, der jahrelang das kommunistische Mit­glied des englischen Parlaments war, in seinem Bezirk Bat­tersea- Nord nur 577 Stimmen erhalten hat, während für die beiden Kandidaten der Arbeiterpartei im gleichen Bezirk 8 334

und 8 325 Stimmen abgegeben wurden. Die unabhängige Ar- Das Schweizer ,, Ordnungsgesetz"

beiterpartei hat in einem Bezirk zwei Kandidaten aufge=

stellt, die auf sich nur eine unerhebliche Stimmenzahl gefam

melt haben. Da in diesem Bezirk die Arbeiterpartei keine eigene Kandidaten aufstellte, so haben diese Sonderkandidaten auch keine Zersplitterung der sozialistischen Stimmen bewirkt.

Neuwahlen?

Gemeinsame kapitalisitsche Front gegen die Arbeiterpartei? 000

"

dnb. Paris , 12. März. Der Ausgang der Londoner Stadt­ratswahlen vranlaßt den Temp3" zu einer Be­trachtung der innerpolitischen Lage in England. Das Blatt erklärt, daß zwar eine Strömung gegen das Kabinett Macdonald vorhanden sei, daß es aber noch nicht feststehe, ob sich diese Strömung gegen die persönliche Politik Mac= donalds oder gegen die Zusammenseßung seines Kabinetts richte. Die Londoner Wahlen hätten außerdem unter so un­gewöhnlichen Umständen stattgefunden, daß man aus ihnen feine Rüa chlüsse für spätere Parlamentswahlen ziehen fönne. Die Wahlbeteiligung sei nur etwa 35 Prozent ge­wesen und es sei anzunehmen, daß gerade die konservativen und liberalen Kreise feinen Gebrauch von ihrem Wahlrecht gemacht hätten. Die Arbeiterpartei bediene sich zwar sehr ausgiebig der Abnutzung des Kabinetts Macdonald auf innerpolitischem Gebiet, des Mißlingens seiner verschiedenen Initiativen auf außenpolitischem Gebiet und der Un­entschlossenheit, die sich in Regierungsfreisen selbst bemerk= bar mache. Man müsse auch feststellen, daß der Gedanke, das Kabinett unter der Führung eines Mannes, der keine poli­tische Macht hinter sich habe, habe nach der finanziellen und wirtschaftlichen Wiederaufrichtung des Landes seine Aufgabe erledigt, immer mehr an Boden gewinne. Die Frage sei des= halb die, ob die Ausschreibung von Neuwahlen noch lange hinausgeschoben werden könne. Es sei jedoch nicht wahr­scheinlich, daß die Arbeiterpartei aus diesen Wahlen mit einer absoluten Mehrheit hervoraehen würde. besonders nach den Erfahrungen, die man mit den Sozialisten in anderen Ländern gemacht habe. Es scheine sehr viel wahrscheinlicher, daß sich aus folchen Wahlen eine gerinae, aber kompakte fon­servative Mehrheit herausschäle, oder zumindest eine konser­vativ- liberale Mehrheit, die gegenüber der Arbeiterpartei eine gemeinsame Front bilden würde. Die Stunde für den Sozialismus habe in England ebensowenig geschlagen wie für den Faschismus.

Der sozialistische Populaire" ist anderer Auffassung. Er will in dem Wahlfieg von London einen Vorboten für den Sieg der Arbeiterpartei bei den nächsten Parlaments­

abgelehnt

Zürich , 11. März.( Eig. Bericht.) Heute fanden in allen Kantonen Abstimmungen über drei Gefeßentwürfe statt, die von der konservativen Rechten eins gebracht waren. Mit Ausnahme eines kleinen extremen Flüs gels waren sämtliche bürgerlichen Parteien für die Annahme der Gesezentwürfe und nur die Sozialdemokraten dagegen. Bei der Urabstimmung wurden 416 000 Stimmen für die Gesegesvorlagen und 486 000 Stimmen dagegen abgegeben.

Um was ging es? In erster Linie betraf die Abstimmung den Entwurf zu einem Bundes- Gesez zum Schuße der öffent­lichen Ordnung. Dieses Gesetz schränkte zunächst das Streif­recht und die Streifmöglichkeiten der Arbeiterschaft unge­heuer ein, beschnitt das Versammlungs- und Demonstra­tionsleben und wollte drittens das Milizheer zu einer willenlosen Prätorianergarde machen.

Die konservativen Kräfte der Schweiz wollten mit diesem Gesetz den aufkommenden faschistischen Regungen in der Schweiz den Wind aus den Segeln nehmen und nach befann­tem österreichischem Vorbild sogenannte autoritäre Mittel" anwenden. Die Machtbefugnisse der einzelnen Kantonregie­rungen sollten erheblich eingeschränkt und die militärischen Machtmittel verschärft werden. Der ständige Vormarsch der Schweizer Sozialdemokratie sollte nicht nur gehemmt, son­dern die Tätigkeit der Arbeiterbewegung nahezu unmöglich gemacht werden. Die Perspektiven des Gesetzes waren von einer Tragweite, die angesichts der traditionellen demokra­tischen Freiheit der Schweiz besonders bemerkenswert waren. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die Rechte diese Gesetzesvorlagen in einen scheindemokratischen Mantel zu hüllen versuchte. Für niemanden konnte ein Zweifel darüber bestehen, daß die Schützer der Demokratie angesichts dieser Gesezesvorlage nicht auf der Rechten, sondern einzig und allein in der Sozialdemokratie zu finden sind. Den Anstoß zu einem derartigen Angriff hatten die letzten sozialdemo fratischen Erfolge in Genf gegeben und vor allem die ener= gische Politik, die dort unter der Führung des Sozialdemo fraten Nicole betrieben wird.

Der gewaltige Abstimmungserfolg der Schweizer Sozial­demokratie ist neben dem Erfolg der englischen Arbeiterpar= tei ein sichtbares Symptom für die kraftvollen Impulse, die die europäische Arbeiterbewegung nach den tragischen Nieder­lagen der Vergangenheit erhalten hat.

wahlen sehen. Die Londoner Wahl, so schreibt das Blatt, ist Mehrheit in katholischen Kantonen

eine wunderbare Antwort der englischen Arbeiterklasse an die faschistischen Bestien Desterreichs, die Frauen und Kinder verletzt und ermordet haben, um die Demokratie und das aufbauende und weise Werk des sozialistischen Wiener Stadt­rates zu zerstören.

bla

Bern , 12. März. Ein Vergleich der einzelnen Kanton­ergebnisse zeigt, daß selbst ein so bäuerlicher Konton wie Bern weitaus mehr Gegner des Gesetzes hatte als Befür­worter. Starfe Mehrheiten für die Annahme liegen nur aus den katholischen Kantonen Freiburg und Tessi

vor.

Englands Frauen fordern Bezahlung gleich den Männern

Frauen, die den verschiedensten Berufen angehören, fanden sich in London zu einem Demonstrationszug in den Trach­ten ihres Standes zusammen, um dafür einzutreten, daß weiblichen Arbeitern fünftig dieselben Löhne gezahlt werden wie den Männern in gleicher Position.

Perlen neudeutscher Kultur

Von Maitressen, Kardinalen und verhinderten Königen

In der Nürnberger Zeitung" wird berichtet, daß auf einem Schulungsabend der Büro- und Behördenangestellten in der DAF. Gauredner und Ortsgruppenleiter Radelmann über die kulturpolitischen Aufgaben des Nationalsozialismus gesprochen hat. Der Redner stellte seinen Ausführungen den Kampfruf voran:

Laßt feiges Pad vom Frieden träumen, wir wollen teine Schlacht versäumen!"

Die unsichtbare nationalsozialistische Revolution werde immer mehr um sich greifen und sich im Geiste des deutschen Volkes und Staates vollziehen. Man werde auch vor den Herren der Wirtschaft nicht halt machen. Dem nationalsozia­listischen Gewissen gelte noch immer das Wort: Wer beim Juden fauft, ist ein Volksverräter!" Jeder deutsche Mann und jede deutschen Frau müsse es aus Verantwortungsgefühl gegenüber der Gemeinschaft und der Raffe ablehnen, im füdischen Warenhaus zu kaufen. Die Rückbildung des fapi­tals in deutsche Hände werde sich in einem langsameren

Tempo vollziehen müssen, als es im politischen Leben der Fall gewesen sei.

Der Sprecher beschäftigte sich dann in umfassenden Aus­führungen mit den sogenannten deutschen" Emigranten. Das Alte Testament gebe die beste Aufklärung, daß die Juden nicht das Volk des Heils, sondern des Unheils gewesen seien. Das jüdische Volk, seine Raffenmerkmale und unsauberen Prak­tiken würden sich wie ein roter Faden durch die Weltgeschichte hindurchziehen.( Die Judenfrage ist der Schlüssel zur Welt­geschichte.") Auch die Segnungen der Inflation und die Aus­beutung des deutschen Volkes während der letzten 14 Jahre seien den Juden zuzuschreiben. Zur Frage der Religion äußerte der Redner, daß der Nationalsozialismus fein modernes Heidentum, sondern das wahre, jüdisch unver= fälschte Christentum predige. Die Religion sei nicht in Gefahr, wohl aber gewisse Herren.

In diesem Zusammenhange machte der Sprecher Mitteilung von einer Aussage des Gaupropagandaleiters Holz, der zufolge man ungläubig den Kopf schütteln müsse über die Maitreffenwirtschaft fatholischer Geistlicher, die durch die Sit.

tenpolizei aufgedeckt sei. Der Herr Kardinal Faulhaber solle ruhig die Germanen der Forschung überlassen und zweckdien­licher über das Christentum predigen. Im Hinblick auf beide Konfessionen wurde festgestellt, es gehe sogar soweit, daß man sich um des Buchstabens willen in der Bibel bekämpfe, nur um das Volk zu verwirren, zu verheben und ausein­ander zu bringen. Die beiden Konfessionen würden ihr Da­sein lediglich Adolf Hitler und seinen Nationalsozialisten ver­danken. Der Redner nahm auch noch kurz zur Frage der Monarchie Stellung. Die deutschen Arbeiter hätten am 12. November bewiesen, daß sie urdeutsch seien. Dagegen hätte es der ehemalige König von Württemberg und der Kron­prinz Rupprecht von Bayern nicht für nötig befunden, an die Wahlurne zu gehen und ihre Stimme für die Einigkeit des Volkes abzugeben. Diese Herren sollten nun ja nicht glauben, daß man sich beeilen werde, ihnen den Thron unterzuschieben und die Krone aufs Haupt zu setzen. Am deutschen Wesen werde die Welt genesen. Der nationale Sozialismus werde in alle Welt hinausstrahlen.

Ein ,, Staatsfeind"

Wegen Vorbereitung zum Hochverrat, Preise= vergehens und Aufreizung der Bevölkerung zu Gewalttätigkeiten verurteilte das Reichsgericht am Dienstag den 81jährigen Werkzeugdreher Emil Rische aus Krefeld zu zwei Jahren, drei Monaten Gefängnis.