Die Bestie in Oesterreich   mut

Berichte der illegalen Sozialdemokratie

P. G. Dem Ausländerbüro österreichischer Sozialdemo­kraten gehen ständig Nachrichten über haarsträubende Bestialitäten zu, die der Austrofaschismus an seinen ent­waffneten Opfern begeht. Wir verzeichnen von vielen Nachrichten nur diejenigen, die von verläßlicher Seite beglaubigt sind.

Bestialitäten in den Kampftagen

Das Bundesheer hat nicht nur in Wien   gegen die Ge­meindehäuser Artillerie verwendet, sondern auch in Bruck  , Steyr  , Eggenberg   bei Graz, wo es Gemeindehäuser, die die Faschistenlüge jetzt als Festungen hinftellt, nicht gibt. Auch dort sind Frauen und Kinder der Artillerie­beschießung zum Opfer gefallen.

An vielen Stellen wurde Schutzbündlern, die verwundet in die Hände der Armeen des christlichen" Desterreich gefallen sind, die ärztliche Hilfe verweigert. Man ließ die verwundeten Schußbündler verbluten. So ist z. B. Sepp Lienhart, der Führer der Brucker Jugendlichen, ver­blutet, nachdem er schwer verwundet in Gefangenschaft geraten war. Sein Vater, Angehöriger der Schutzbund sanität, wurde beschossen, als er dem verblutenden Sohne zu Hilfe eilen wollte!

In anderen Orten wurden Gefangene von den Ord­nungstruppen" niedergemacht. So wurde der Florids­dorfer Schutzbündler Luz, der lebend gefangengenom­men worden war, auf dem Transport abgeschlachtet. Nach einer noch nicht beglaubigten Meldung soll es zehn im Schlingerhof gefangenen Schutzbündlern ebenso ergangen sein.

Die Leichen gefangener Schutzbündler ließ man tage lang zur Abschreckung" auf offenen Plätzen liegen. So insbesondere in Bruck   a. d. Mur  . Dann wurden fie un gewaschen, mit dem Blut und dem Schmutz des Kampfes bedeckt, in primitive Särge gesteckt und verscharrt. In Wien   liegen im Eiskeller des Anatomischen Instituts sehr viele Leichen nicht bekannter Schutzbündler.

Mißhandlung von Gefangenen

Nicht nur in den Kampftagen, sondern auch nachher find die gefangenen Schutzbündler in der unmenschlichsten

worden. Die Entlassungen gehen weiter vor sich. Einige der Entlassenen haben mit Weib und Kind Selbstmord begangen. Das Gewissen des Herrn Dollfuß wird durch diese Kindermorde nicht belastet.

Den verhafteten Schutzbündlern wurde der Bezug der Den verhafteten Schutzbündlern wurde der Bezug der Arbeitslosenunterstützung gesperrt. Ihre Frauen und Kinder bekommen keinen Groschen. Sie können ver­hungern. Einige Gemeinden haben den Berhafteten und ihren Frauen selbst die Auszahlung von Fürsorge beiträgen( Arbeitslosenunterstützung), auch der Er­ziehungsbeiträge für die Kinder gesperrt.

Die offizielle Hilfsaktion bringt allerdings den Frauen und Kindern der Gefallenen und Gefangenen Lebens­mittelpakete. Dabei wird aber politische Agitation für die Vaterländische Front   betrieben. Aus diesem Grunde mitme des standrechtli chhingerichteten Ing. Weissel, lehnen die Frauen vielfach diese Gaben ab. So hat die dessen Haltung vor dem Standgericht und vor dem Galgen selbst dem Vorsitzenden des Gerichts die Bemerkung: er ist ein Seld!" abgezwungen hat, der Sendbotin der Frau Dollfuß   die Tür gewiesen. Die Witwe des von den Ord­nungstruppen ermordeten Schutzbündlers Lutz hat der besuchenden Karitasschwester zugerufen: Ihr habt mir den Mann geraubt! Jhr werdet mich nicht mit einem Laib Brot kaufen!" Gewissenszwange

Die Arbeiter und Angestellten der öffentlichen Betriebe werden mit der Drohung sofortiger Entlassung ge­zwungen, der Vaterländischen Front beizutreten. Die­fenigen von ihnen, die konfessionslos sind, müssen ihren Wiedereintritt in die Kirche anmelden, bevor sie von der chriftlichen Gewerkschaft aufgenommen werden. Die Kirche jubelt über die erpreßten Wiedereintritte.

Verleumdung der Gefangenen und Ermordeten

Der Faschismus setzt seinen Lügenfeldzug gegen bie Führer fort. Dabei wird oft so dumm gelogen, daß man sich selbst widerlegt. So wird 3. B. eines Tages gemeldet, Glöckel fei bei einem Versuch, in die Tschechoslowakei  zu flüchten, verhaftet worden, wobei er 200 000 Schilling bei sich gehabt habe. Am nächsten Tag heißt es, es sei nicht Blöckel gewesen, der schon seit dem 13. Februar verhaftet ist, sondern Jenschik. Und am dritten ag, Jenschik habe nicht 200.000 Schilling bei sich gehabt, son­dern nur einen unbedeutenden Betrag. Glaubt kein Wort von den Lügen, die sie über eure Vertrauensmänner erzählen!

Am infamsten ist aber, daß die Lüge selbst die Ermor deten nicht verschont. So wird z. B. gelogen, daß der nek in Granz vor seinem Tode zum katholischen Glauben standrechtlich hingerichtete Arbeiterkammersekretär Sta= zurückgekehrt sei. Es ist daran kein Wort wahr. Ebenso wie Koloman Wallisch  , wie Jen. Weift, wie Munichreiter ist auch Stanek als ein Held gestorben. Angesichts des Galgens hat er den Bütteln der Staats­gewalt zugerufen: So wie ich hier gehängt werde, so werdet Ihr hängen! Ich sterbe für die Freiheit!" Freiheit war sein letztes Wort!

All das ist ihr Christentum!

Die Bestialitäten des Austrofaschismus stehen denen, die der Hitlerfaschismus in Deutschland   begangen hat, in keiner Weise nach. Nur ein Unterschied besteht zwischen dem schwarzgelben und dem braunen Terror: der Hitler­faschismus bekennt sich wenigstens zynisch zu Gewalt und Grausamkeit. Der Austrofaschismus   dagegen begleitet alle seine tierischen Schurkereien mit pfäffischen Reden über Versöhnung, Friedfertigkeit und Christentum!

Der große Schutzbundprozco

Beise mißhandelt worden. Der Brigittenauer   Schuß 10 Untersuchungsrichter

bündler Karl Pokorny ist von der Polizei dermaßen verprügelt worden, daß ihn seine Frau bei der Gegen­überstellung nicht erkannte. Sein Oberkiefer war durch Kolbenschläge zerschmettert. Er wurde geisteskrank in die Jrrenanstalt am Steinhof eingeliefert. Auch sonst wurden die Schutzbündler, insbesondere diejenigen, die in die Hände der Heimwehren fielen, geprügelt. Der halbblinde Freidenkersekretär Tösch in Kapfenberg   wurde so miß handelt, daß er ins Spital gebracht werden mußte. Doll­ fuß   hat Hitler nichts vorzuwerfen; in den Heimwehr kasernen werden wehrlose Gefangene ganz ebenso ge prügelf und mißhandelt, wie in den SA. Kafernen und Konzentrationslagern Hitlers  .

Folterungen

Bei den Waffenfuchen nach den Kampftagen wurden viele, die verdächtig waren, Waffenverstecke zu kennen, so lange unmenschlich geprügelt, bis sie die Versteche ver­rieten. So wurde ein Jugendgenosse in Mauer bei Wien  geprügelt, bis er bewußtlos wurde. Als er wieder zu sich kam, wurde die Mißhandlung fortgesetzt, bis er das Waffenversteck angab. Jm Polizeikommissariat. Währing  wurden Schutzbündler bedroht, sie würden erschossen wer den, wenn sie das Waffenlager nicht verraten; man ließ fie stundenlang in Todesangst.

Behandlung der verhafteten Führer

Auch die verhafteten Partei- und Gewerkschaftsführer werden im Wiener   Polizeigefangenenhaus in der niedrig

sten Weise behandelt. Man verweigert ihnen Wäsche zum Wechseln, Bücher, den Kurzsichtigen felbst Augengläser, Kranken die vom Arzt vorgeschriebene Kost. Als die Frau eines der Parteiführer ihren Mann besuchte, ließ der an­wesende Polizeikommissär die Beantwortung folgender an den Verhafteten gerichteter Fragen nicht zu: Wie geht es Dir?"" Bist du in der Zelle allein?" Darfst du dich selbst verköstigen?"" Hast du die Lebensmittel bekommen, die ich dir geschickt habe?" Die Frau mußte das Besuchs­zimmer verlassen, ohne daß ihrem Mann erlaubt worden wäre, eine der Fragen über sein Befinden zu beantworten.

Heimwehr   plündert und stiehlt

Vier Tage sind die Schutzbündler, zumeist arme Ar­beitslose, ohne hinreichende Verpflegung im Kampfe ge­standen. Trotzdem ist nicht ein einziger Laben geplündert worden. Das bißchen Brot, das die Schutzbündler in ihren Rampftagen brauchten, haben sie überall bezahlt. Anders die Austrofaschisten. Sie begnügten sich nicht damit, das Eigentum der Partei, der Gewerkschaften, der Sport- und

Die von der Internationalen Juristischen Vereinigung nach wien   entsandte Anwaltsdelegation ist im Justizministe­rium empfangen worden. Auf ihre Anfrage hinsichlich des bevorstehenden Schußbundprozesses hat sie erfahren, daß dieser Prozeß mit größtmöglicher Beschleunigung durch 10. Untersuchungsrichter gleichzeitig vorbereitet wird, daß aber trotzdem noch Monate bis zu seinem Beginn vergehen können. Die Rechtsanwälte Jaegle und Oppmann haben das Ministerium davon in Kenntnis gesetzt, daß die Internationate Juristische Vereinigung auf Ersuchen von Angehörigen einiger Angeklagter ausländische Verteidiger zu diesem Riefenprozeß entfenden wird.

Bei ihren Unterhaltungen mit einigen der gefangenen Kol­legen erfuhren die franzöfifchen Advokaten, daß diese nicht den geringsten Ausschluß über den Grund ihrer Inhaftierung erhalten hatten. Es wird ihnen offensichtlich nichts anderes zum Vorwurf gemacht, als daß sie Proletarier in politischen Prozessen verteidigt haben. Die Delegation hat die sofortige Freilassung ihrer Kollegen gefordert. Sie hat weiter mit dem Borsigenden der Wiener   Anwaltskammer verhandelt und dieser verlangt nunmehr in einem eigenen Schreiben an das Justizministerium die Aufhebung ihrer Haft.

Nach 19 Jahren

Kriegsgefangener kehrt aus Sibirien   heim Am 25. Februar 1915 geriet der Reservist des 5. Reserve Grenadier  - Regiments Otto Räding aus Alt- Banzin bei Rolberg bei Lublin   in russische Kriegsgefangen­schaft und wurde nach Sibirien   gebracht. Anfangs hielt der Gefangene die briefliche Verbindung mit seinen Eltern auf­recht. Dann aber fam keinerlei Nachricht mehr von ihm. Sv wurde Käding, dessen Eltern inzwischen gestorben waren, für tot erklärt. 1930 machte er erneut den Versuch, mit der Hei­mat in Verbindung zu gelangen, und diesmal kamen die Briefe des längst Totgeglaubten an. Käding, der in der Gefangenschaft mit einer russischen Bauerntochter sich ver­heiratete und Vater von drei Kindern ist, fehrte in diesen Tagen völlig mittellos mit seiner Familie nach Alt- Banzin

zurück.

Kulturorganisationen der Arbeiterschaft zu rauben Gie Ohne Schirm und ohne Stock

stahlen auch für die eigene Tasche. Die Heimwehren haben in Graz, Eggenberg   und Hallein   Konsumvereinsladen und Laben der Textilabteilung der Großeinkaufsgesellschaft geplündert und gehn ganz unverschämt in den gestohlenen Anzügen, Mänteln und Schuhen herum. Bei Haus­suchungen in Privatwohnungen haben Heimwehrleute vor den Augen der Polizei gestohlen, was nicht niet- und nagelfest war. Als Genossen in den Goethehof Unter stützungen für die Frauen der Gefangenen und Gefallenen brachten, hat die Heimwehrmache ihnen das Geld weg­genommen und es für sich behalten.

Zehntausende werden zugrunde gerichtet

Sämtliche Angestellte der Partei, der Parteipresse, der Gewerkschaften, der anderen Arbeiterorganisationen sind brotlos. Man verweigerte ihnen felbst die Abfertigung, auf die sie nach dem Gesetz Anspruch haben. Sowohl in den öffentlichen als auch in vielen Privatbetrieben sind taufende Arbeiter, die als sozialdemokratische Vertrauens­leute oder als Schutzbündler bekannt waren, entlaffen

Lebenslängliche Kerkerstrate

Linz, 12. März.( Eig. Meldung.) Am Samstag wurde das erste Urteil eines ordent= lichen Gerichtes gegen einen an den österreichischen Kämpfen beteiligten Schußbundführer ausgesprochen. Angeklagt war der ehemalige Landtagsabgeordnete Fer­dinand sageth, Führer des Schutzbundes im Kohlenrevier der Wolfegg  - Trauntaler AG. Als die Wiener   Arbeiter sich zum Kampf gegen den Dollfuß  - Faschismus sammelten, rief auch er seine Schußbundkameraden zusammen, rüstete sie mit Waffen aus und stellte sich mit ihnen zum Kampf. Er führte das Kommando und kämpfte an der Spiße seiner Truppe. Aber auch fie mußte der Uebermacht der Staatsexekutive in diesem Todeskampf der österreichischen Sozialdemokratie weichen. Als alles verloren war, versuchte Hageth zu fliehen, wurde jedoch bei einem Gesinnungsfreunde aufgefunden und vor das Kreisgericht Wels gebracht.

Das Urteil gegen ihn lautete auf lebenslänglichen schweren Kerker mit einem Fasttag und hartem Lager in jedem Vier­teljahr.

Nach der Antlageschrift sollen in dem Kampfabschnitt, bei dem Hageth das Kommando über die Schutzbündler führte, 4 Mann der Exekutive gefallen und elf verwundet worden fein.

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Die Industrie klagt, daß der Absatz an Spazier­stöcken und an Regenschirmen ganz erheblich zurück­gegangen ist. Es werden eher Gummi- und Wetter­mäntel getragen, und immer seltener greifen die Frau oder der Mann zum behütenden Regenschirm, wenn sich die Schleusen des Himmels öffnen. Diese Feststellung fenn­zeichnet eine interessante Entwicklung auf dem Gebiet der Bekleidungsfrage. Reinesfalls handelt es sich bei der Boy­fottierung des Regenschirms etwa nur um eine modische Laune, die nach geraumer Zeit ins Gegenteil umschlagen fann. Hier geht es vielmehr wirklich um eine entschei­dende Wandlung, die wahrscheinlich vom Sport vorauf allen Gebieten der Wirtschaft, ihre Kehrseite hat, ist bereitet und eingeleitet worden ist. Die Jugend, die am Sonntag früh zu den Fußball- und Handball- Feldern fährt, die am Wochenende in primitiven Zelten oder unter Decken im Paddelbuot nächtigt, die bei jeder Witterung läuft, spielt, marschiert, verzichtet ganz natürlich auf ein immerhin doch umständliches Gerät wie den Regenschirm, dessen Vorzüge

auch von der älteren Generation nicht mehr so hoch bewertet werden Die Zeit, da er als ein modisches Attribut bei jedem Wetter, funstvoll zusammengerollt, oder malerisch entfaltet, im Taft des Promenadenschritts elegant auf den Asphalt

gestoßen oder im Rhythmus des Sturmwindes den Ele­menten entgegengeredt getragen wurde, scheint endgültig vergangen, und die Tränen, die verständlicherweise die Industrie ihm nachweint, werden seinen Untergang nicht aufhalten fönnen. Daß eine solche Entwicklung, hier wie selbstverständlich beklagenswert. Jedoch kann eine Produt tion nicht ausschließlich unter diesem Gesichtspunkt betriebe und gehalten werden, und ein Appell an das Publikunk etwa, sich wieder mit Regenschirmen und Spazierstöden zu versehen, dürfte kaum den gewünschten Erfolg haben. So wollen wir denn, ohne des weißhaarigen Serrn, der ein Stöckchen mit Silberknopf durch die Straßen trägt, oder der Dame, die im Schuße ihres Regenschirms in Regen nässe glänzenden Fahrdamm überschreitet, ut potten, diesen Instrumenten nicht nachtrauern.